Protocol of the Session on December 13, 2012

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 22. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Zunächst möchte ich mich beim Posaunenchor der evangelischen Kirche bedanken, der uns wieder mit vorweihnachtlichen Klängen erfreut hat. – Herzlichen Dank!

[Allgemeiner Beifall]

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor Beginn der Beratungen habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen. Ich bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Am 29. November 2012 verstarb der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin und Stadtälteste Dr. Klaus Schütz im Alter von 86 Jahren. Wir trauern um einen herausragenden Politiker, der sich große Verdienste um Berlin erworben hat. Es war sein erklärtes Ziel, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern – trotz Mauer und Stacheldraht.

Klaus Schütz wurde am 17. September 1926 in Heidelberg geboren und kam über Mecklenburg im Alter von zehn Jahren nach Berlin. In seiner Autobiographie schrieb er später: „… ganz gleich, wo ich sonst gelebt habe. Ich bin also ein Berliner, ohne Wenn und Aber.“

Noch vor Ende der Schulzeit wurde Klaus Schütz zunächst zum Reichsarbeitsdienst und als Flakhelfer eingezogen und 1944 als Soldat der Wehrmacht in Italien eingesetzt. Schwer verwundet kehrte er aus dem Krieg zurück.

Nach dem Abitur begann Klaus Schütz 1946 sein Studium der Geschichtswissenschaften und Germanistik an der Humboldt-Universität. Nach einem Studienaufenthalt an der Harvard Universität arbeitete er als Assistent an der Freien Universität. Die Universität war auch der Ort, an dem er politisch wurde: Er trat in die SPD ein und machte schnell Karriere: 1951 wurde Schütz Vorsitzender der Jungsozialisten in Westberlin, 1953 Vorsitzender der SPD Wilmersdorf. 1954 folgte ein Mandat für das Abgeordnetenhaus, und 1957 gelang Klaus Schütz der Sprung nach Bonn in den Deutschen Bundestag.

Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister und ein Förderer von Klaus Schütz, holte ihn 1961 zurück nach Berlin. Nach dem Bau der Mauer brauchte Brandt Vertraute in seiner Nähe: Klaus Schütz wurde Senator für Bundesangelegenheiten. Die Teilung Berlins erforderte nun die besondere Achtsamkeit für die Bindungen Westberlins zur Bundesrepublik.

Mit Willy Brandt ging Klaus Schütz 1966 als Staatssekretär in das Auswärtige Amt nach Bonn. Bereits ein Jahr später kehrte er jedoch zurück nach Berlin, um in der Nachfolge von Heinrich Albertz am 19. Oktober 1967 das Amt des Regierenden Bürgermeisters von Berlin zu übernehmen. In der Stadt brodelte es: Die Studentenunruhen waren auf dem Höhepunkt, die außenpolitische Lage der Stadt blieb ungesichert. Vor allem dieser Aspekt rückte in das Zentrum der Stadtpolitik: Es ging darum, West-Berlin sicherer zu machen: Dafür stehen im Ergebnis das Viermächte-Abkommen über Berlin und der von Schütz mitunterzeichnete Verkehrsvertrag von 1972.

Insgesamt blieb Klaus Schütz zehn Jahre Regierender Bürgermeister. Am 2. Mai 1977 trat er zurück, „nicht deprimiert und traurig“, wie er in seiner Autobiographie schrieb. „Es war Zeit zu gehen“, so sein Fazit. Kurz darauf legte er auch den Landesvorsitz der Berliner SPD nieder.

Vier Jahre als Botschafter in Israel folgten, um dann die Intendanz der Deutschen Welle zu übernehmen. Die letzte berufliche Station war ab 1987 die Leitung der Landesanstalt für Rundfunk in Nordrhein-Westfalen. Zum 1. Juli 1993 kehrte Klaus Schütz wieder dahin zurück, wo er sich zuhause fühlte – nach Berlin. Hier engagierte er sich ehrenamtlich als Präsident des Berliner Landesverbandes des Deutschen Roten Kreuzes.

Mit Klaus Schütz ist eine außergewöhnliche Persönlichkeit, ein Demokrat mit Leidenschaft, von uns gegangen. Er war über 17 Jahre Abgeordneter in diesem Haus. Der Sozialdemokrat hat Berlin in schwerer Zeit erfolgreich regiert. Dafür sind wir ihm dankbar. Unser Mitgefühl gehört seinen Kindern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 9. Dezember verstarb der ehemalige Senator, Abgeordnete und Stadtälteste Kurt Neubauer nach langer und schwerer Krankheit im Alter von 90 Jahren. Mit Kurt Neubauer verliert unsere Stadt eine Politikerpersönlichkeit, die Berlin über lange Zeit und an prominenter Stelle geprägt hat.

Am 30. September 1922 in Berlin-Lichtenberg geboren, absolvierte Kurt Neubauer nach der Mittleren Reife eine Lehre als Feinmechaniker. Nach dem Arbeitsdienst wurde er Soldat im Deutschen Afrika-Korps und geriet 1943 in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Kurt Neubauer wuchs in einem sozialdemokratischen Elternhaus auf. Schon als Schüler wurde er Mitglied der Jugendorganisation „Die Falken“ und trat nach dem Zweiten Weltkrieg im Mai 1946 in die Sozialdemokratische Partei ein. Wenige Monate später arbeitete er bereits hauptberuflich als Jugendsekretär und als Vorsitzender der SPD Friedrichshain. Bis zur Auflösung der SPD im Ostsektor der Stadt im August 1961 blieb Kurt Neubauer 14 Jahre lang Kreisvorsitzender und inoffizieller Sprecher

(Präsident Ralf Wieland)

der acht Ostberliner Kreisverbände der SPD. Von 1962 bis 1976 bekleidete er das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Landesverbandes der SPD Berlin. Innerparteilich ebnete er Willy Brandt den Weg und unterstützte später Klaus Schütz.

Von 1952 bis 1963 saß Kurt Neubauer als vom Abgeordnetenhaus gewählter Berliner Vertreter als jüngstes Mitglied im Deutschen Bundestag. Das war deswegen so bemerkenswert, weil er bis zum Mauerbau mit seiner Familie in der Finowstraße in Ostberlin lebte.

1963 holte Willy Brandt ihn in den Berliner Senat. Seine Karriere als Senator begann zuerst bis 1967 als Senator für Jugend und Sport und von April bis Oktober 1967 zusätzlich für Soziales und Gesundheit. Als Vertrauter des damaligen Regierenden Bürgermeisters Klaus Schütz bekleidete er ab Oktober 1967 das Amt des Bürgermeisters und Senators für Inneres. Kurz nach dem Rücktritt von Schütz trat auch Kurt Neubauer zurück.

Dem Abgeordnetenhaus von Berlin gehörte er von April 1967 bis April 1979 an. Während seiner Amtszeit als Innensenator setzte er sich erfolgreich für eine Polizeireform ein und überraschte mit dem Vorschlag, das Berufsbeamtentum abzuschaffen.

Am 3. November 1993 zeichnete der Berliner Senat Kurt Neubauer mit dem Ehrentitel Stadtältester von Berlin aus.

Wir trauern um Kurt Neubauer und sind in Gedanken bei seiner Familie.

[Gedenkminute]

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren der Verstorbenen erhoben haben. Ich teile Ihnen mit, dass ich mit Wirkung vom 1. Dezember 2012 Herrn Christian Christen zum neuen Direktor beim Abgeordnetenhaus ernannt habe. Herr Christen ist Ihnen als langjähriger Leiter des Plenar- und Ausschussdienstes bekannt. – Auf gute Zusammenarbeit, Herr Christen!

[Allgemeiner Beifall]

Ich begrüße als neuen Staatssekretär für die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Forschung Herrn Henner Bunde. – Herzlich willkommen in unserem Haus – und auf gute Zusammenarbeit!

[Allgemeiner Beifall]

Dem entpflichteten Staatssekretär Nicolas Zimmer möchte ich im Namen des Hauses für die geleistete Arbeit recht herzlich danken.

[Allgemeiner Beifall]

Nun möchte ich noch dem Kollegen Thomas Isenberg von der SPD-Fraktion zur Eheschließung am 7. Dezember gratulieren. – Herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall]

Am 12.12.12 hat die Kollegin und das Präsidiumsmitglied Karin Seidel-Kalmutzki geheiratet und den neuen Familiennamen Halsch angenommen. – Herzlichen Glückwunsch!

[Allgemeiner Beifall]

Dann habe ich wieder Geschäftliches mitzuteilen: Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Berlin für NPD-Verbotsverfahren“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Berlin für NPD-Verbotsverfahren“,

3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Ein Jahr Rot-Schwarz: Stillstand in Berlin

4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Ein Jahr SPD-CDU-Senat – viel versprochen, nichts erreicht“,

5. Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Ein Jahr schwarz-rote Regierung“.

Die Fraktionen haben sich im Ältestenrat darauf verständigt, das von der Piratenfraktion angemeldete Thema „Ein Jahr schwarz-rote Regierung“ zu besprechen. Dieses Thema werde ich als Aktuelle Stunde unter dem Tagesordnungspunkt 3 aufrufen. Die anderen Anträge auf eine Aktuelle Stunde haben damit ihre Erledigung gefunden.

Dann möchte ich auf die Ihnen vorliegende Konsensliste hinweisen. Eine Dringlichkeitsliste liegt heute nicht vor. Die dringliche Beschlussempfehlung des Hauptausschusses Drucksache 17/710 liegt Ihnen als Tischvorlage vor.

Für die heutige Sitzung sind entschuldigt: der Regierende Bürgermeister ab ca. 19.45 Uhr wegen der Teilnahme an der A-Länder-Vorbesprechung und Senator Henkel ab ca. 19.00 Uhr, er darf zur B-Länder-Vorbesprechung gehen.

Einige Kolleginnen und Kollegen sind krankheitsbedingt heute entschuldigt wie z. B. der Kollege Lederer, der Kollege Langenbrinck und der Kollege Herberg von der Piratenfraktion, wahrscheinlich auch noch weitere. Gute Genesung an alle, die heute krankheitsbedingt an unserer letzten Sitzung nicht teilnehmen können.

[Allgemeiner Beifall]

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Mündliche Anfragen

gemäß § 51 der Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses von Berlin

Das Wort zur ersten Mündlichen Anfrage hat der Kollege Karlheinz Nolte von der SPD-Fraktion mit der Frage über