Ralf Briese
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe zwei Fragen an die Landesregierung. Erstens interessiert mich der rechtliche Hintergrund. Im vorliegenden Fall ist ja gegen die unterschiedlichsten Rechtsgebiete verstoßen worden: gegen das Wasserrecht, das Abfallrecht, das Baurecht, das Arbeitsschutzrecht und das Immissionsschutzrecht. Der Betreiber hat also zahlreiche Rechtsverstöße begangen. Mich interessiert nun ganz konkret, wie viele Rechtsverstöße ein Betreiber begehen muss und wie schwer diese Rechtsverstöße sein müssen, dass ihm die Gewerbeerlaubnis entzogen wird. Das ist eine ganz konkrete rechtliche Frage.
Zweitens. Wir haben es im Bereich Umweltkriminalität bekanntlich mit einem sehr großen Dunkelfeld zu tun. Wie groß ist die Zahl der Polizisten in den Polizeidirektionen, die auf Umweltstrafrecht spezialisiert sind? Hat sich da etwas verändert? Gibt es dort mehr oder weniger entsprechende Beamte?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Eckdaten der Justiz sind den Eingeweihten bekannt; sie sind hier auch schon angesprochen worden. Gut 1 Milliarde Euro geben wir in Niedersachsen für den Rechtsstaat aus. Damit bezahlen wir Richterinnen und Richter, Staats- und Amtsanwälte, Rechtspfleger, Bewährungshelfer
und nicht zuletzt auch Anstaltsleiter und Vollzugsbedienstete. Einen großen Teil refinanziert die Justiz durch Strafgelder und Bußgelder selbst. Insgesamt fließen der Justiz 3 % des Gesamthaushalts zu. Mehr ist uns in Niedersachsen der Rechtsstaat nicht wert.
Trotz chronischer Unterfinanzierung - wir wissen ja aufgrund unserer Gespräche mit den Richterinnen und Richtern oder den Staatsanwälten, dass die Arbeitsbelastung hoch ist - ist unser Rechtssystem immer noch ein gutes. Das ist ein großer Standortvorteil. Unser Rechtssystem genießt in der Bevölkerung auch ein großes Vertrauen. Dieses Vertrauen sollten wir auch nicht durch das ständige Fordern nach weiteren Reformen, Veränderungen und Zwangsumzügen auf Spiel setzen. Wenn wir mit den Richterinnen und Richtern sowie den Verbänden sprechen, hört man sehr häufig: Lasst uns einfach mal in Ruhe, wir sind sehr reformmüde!
Es wäre gut, wenn die Politik die Justiz einfach einmal gut ausstatten und in Ruhe arbeiten lassen würde. Weniger, dafür aber bessere Gesetze wären wirklich von Vorteil. Ich kann nicht erkennen, dass die niedersächsischen Gesetze in dieser Legislaturperiode verständlicher, besser oder
rechtssicherer geworden wären. Sie haben sich wirklich viele Niederlagen vor den Verfassungsgerichten eingefahren.
- Herr Busemann, soll ich Ihnen das einmal aufzählen? - Polizeigesetz, Mediengesetz, Rundfunkstaatsvertrag, nachträgliche Sicherungsverwah
rung, Lüchow-Dannenberg-Gesetz. Ich kann gerne die ganze Palette auflisten. Aber Sie müssten das eigentlich selber wissen; denn Sie sind ja Rechtsanwalt und Notar. Es waren eine ganze Menge Verfahren vor den höchsten Gerichten anhängig, vor dem Bundesverfassungsgericht und vor dem Staatsgerichtshof.
Natürlich darf die Justiz weder effizienzblind sein noch betriebswirtschaftliche Elemente übersehen. Aber das macht sie auch nicht. Wir haben eine in diesem Bereich relativ aufgeschlossene Justiz. Wir haben die Kosten-Leistungs-Rechnung, und außerdem verfügt die Justiz über eine gute
IT-Ausstattung. Die Gerichte befinden sich aber nach wie vor in einem schlechten baulichen Zustand, energetisch und auch ästhetisch. Mit besten Grüßen aus dem Bredero-Hochhaus!
Eines können wir hier immerhin konstatieren:
Nachdem das MJ sehr lange darauf hingewiesen hat, dass die personelle Ausstattung ganz wunderbar sei und dass vor diesem Hintergrund nichts geändert zu werden brauche, statten Sie die Justiz nun aber doch mit etwas mehr Personal aus, weil Ihnen das Bundesverfassungsgericht eine Rüge ausgesprochen hat. Es ist nicht korrekt, Kollege Biester, wenn Sie sagen, dass das ein Ausnahmefall gewesen sei und dass das immer und immer wieder einmal passieren könne. Das hängt schlicht und ergreifend damit zusammen, dass insbesondere die Gerichte in Hannover chronisch überlastet sind und einfach nicht genug Personal haben. Dann kommt es dazu, dass die Leute 18 Monate in U-Haft sitzen und in solchen Fällen eine Haftbeschwerde vor dem Verfassungsgericht natürlich Erfolg hat. Wenn Sie die Justiz vernünftig ausstatten, kommt es dazu nicht; das ist doch gar keine Frage.
Auch bei den Sozialgerichten haben Sie nachgesteuert. Der Sozialgerichtsbarkeit sind aber eben auch zahlreiche neue Arbeitsfelder zugewiesen worden. Von daher war das auch dringend notwendig.
Wo steht also die Justiz fünf Jahre nach dem Amtsantritt von Frau Heister-Neumann? Die
rechtspolitische Großreform jedenfalls ist ad acta gelegt worden. Das ist aber auch kein wirklicher Schaden. Vor allem im Bereich Rechtspflege und Rechtswesen sind Privatisierungen eine hochsensible Angelegenheit. Man kann durchaus darüber diskutieren, dass sich der Staat auf seine Kernaufgaben reduziert. Aber in seinen hoheitlichen Aufgaben darf man den Staat nicht wirklich entkernen. Das ist das wirklich Fragwürdige an der Politik, die Sie hier praktizieren: dass Sie das Gewaltmonopol des Staates immer wieder in Frage stellen, z. B. beim Maßregelvollzug, bei der Privatisierung von Gefängnissen oder auch bei der Privatisierung von Gerichtsvollziehern. Das ist auf jeden Fall falsch. Wir werden diese Maßnahmen auch nicht mittragen.
Einen Satz noch zum konservativen Staatsverständnis insgesamt: Das Spannungsfeld zwischen Rechtsstaat, Sozialstaat und Präventionsstaat ist in diesem Land aus dem Ruder gelaufen. Sie sind hier ja mit der Ansage angetreten, Sie wollten mehr Effizienz, Sie wollen den schlanken Staat durchsetzen. Im Bereich der inneren Sicherheit gilt
das aber komischerweise nicht. Da schaffen Sie auf einmal Eingriffsbefugnisse noch und nöcher.
In diesem Zusammenhang will ich auch noch einmal Kritik an der FDP äußern. Herr Bode hat das mit seinem Redebeitrag eben noch einmal sehr deutlich gemacht. Sie sparen im Bereich der inne
ren Sicherheit überhaupt nichts ein. Da rüsten Sie den Staat ständig auf. Da wollen Sie den großen Staat, da soll der Staat seine ganze Kraft und Herrlichkeit entfalten. Beim Rechtsstaat aber, der die Bürgerinnen und Bürger sowie die Grundrechte schützen soll, legen Sie auch gern einmal die Axt an. Jedenfalls mergeln Sie den Staat in diesem Bereich merklich aus. Daran erkennt man, wie sonderbar das ist. Sie wollen den starken Staat im Hinblick auf die innere Sicherheit, Sie wollen aber den schlanken Staat im Hinblick auf die Bürgerrechte. „Starker Staat und schwache Bürger“ - das ist das Staatsverständnis der Konservativen.
Da muss man wirklich Kritik an der FDP üben. Sie haben wenig getan, um den Rechtsstaat in diesem Land effektiv zu verteidigen. Was Sie hier abgeliefert haben, ist ziemlich armselig gewesen.
Ein letzter Satz zur außergerichtlichen Streit
schlichtung. Es ist sehr schade, was in diesem Bereich passiert ist. Wir haben dort ein sehr innovatives Feld, auf dem auch Geld gespart werden könnte. Es geht da um Eigenverantwortlichkeit, ein Wort, das Sie sonst ja sehr gern in den Mund nehmen. Es geht um die eigenverantwortliche Konfliktschlichtung. Auf diesem wirklich sehr interessanten rechtspolitischen Feld ist in den letzten fünf Jahren aber wirklich gar nichts passiert, überhaupt nichts. Einmal im Jahr wird ein Kongress veranstaltet, aber der Täter-Opfer-Ausgleich ist nicht weiterentwickelt worden. Sie haben zwar ein Mediationsgesetz in den Landtag eingebracht,
aber das haben wir nicht ein einziges Mal andiskutiert, weil Sie mit Ihrem Strafvollzugsgesetz die ganze sonstige rechtspolitische Debatte lahmgelegt haben.
Im Bereich des Strafvollzugsgesetzes - darüber haben wir gestern hier diskutiert - könnte man, wenn man etwas mutiger wäre, wirklich sehr viel Geld sparen. Man könnte mehr ambulante Sanktionen durchsetzen. Das würde wirklich Geld sparen. Wissen Sie, was ein Gefängnis kostet? Ein Gefängnis kostet 100 Millionen Euro. Sie haben jetzt bei der Privatisierung oder Teilprivatisierung
des Strafvollzuges eine Verpflichtungsermächti
gung von 270 Millionen Euro ausgebracht. Ich
sage Ihnen: Was Sie machen, ist nicht gut, und da werden wir definitiv nicht mitgehen. Haft ist wirklich eine unglaublich teure Sanktion. Es ist sehr schade, wenn wir den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermitteln können, dass diese Sanktion definitiv viel zu teuer ist. Man könnte in dem Bereich sehr viel Geld sparen.
Die Zeit für die Rechtspolitik ist schon wieder abgelaufen. Das ist sehr schade und bedauerlich. Die Justiz in Niedersachsen hätte eigentlich mehr verdient - mehr Aufmerksamkeit und auch mehr Mittel. - Vielen Dank.
Ich möchte kurz auf den Redebeitrag des Kollegen Nacke eingehen. Er unterbreitet uns hier ja immer so schöne staatsphilosophische Erkenntnisse. Es stimmt: Die Konservativen und die Grünen haben ein unterschiedliches Staatsverständnis. Wir sehen innere Sicherheit und Rechtsstaat in einem Spannungsverhältnis und finden, dass es nicht besonders klug und bürgerfreundlich ist, dass Sie in Ihrer Regierungszeit auf der einen Seite im Bereich der inneren Sicherheit immer wieder neue Eingriffsund Ermittlungsinstrumente der Polizei durchgesetzt haben - das haben Sie in vielen Bereichen gemacht; wir haben ja gerade über Videoüberwachung geredet, ein weiterer Bereich ist die präventive Telefonüberwachung, die Ausweitung der
DNA-Analyse oder auch die Onlineüberwachung; dabei soll ja nicht einmal in Nachhinein das Recht auf einen effektiven Rechtsschutz durchgesetzt werden - und auf der anderen Seite immer mehr Rechtsmittel infrage gestellt haben, z. B. durch die funktionale Zweistufigkeit, die ja auch andiskutiert worden ist. Es gibt also weniger Rechtsmittel für die Bürgerinnen und Bürger, um sich gegen diesen Staat zu wehren und die Einhaltung der Bürgerrechte einzufordern. Ich finde, die Ausgewogenheit ist in einem Staat nicht mehr gewährleistet, wenn auf der einen Seite - Polizei - immer mehr Instrumentarien geschaffen werden und auf der anderen Seite - Bürger - immer mehr Instrumentarien abge
baut werden. Das Gleichgewicht zwischen Staat und Bürgerinnen und Bürgern ist dann einfach nicht mehr gewährleistet. Das finden wir aus grüner Sicht fragwürdig; denn wir halten die Bürgerrechte hoch.
Noch einen Satz zu den ambulanten Sanktionen: Herr Nacke, Sie wissen ganz genau, dass eine Reihe von Strafgefangenen in unseren Gefängnissen Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen muss, weil sie kein Geld hat.
Mit diesen Strafgefangenen kann man gar nichts anfangen. Sie sitzen völlig überflüssig in den Gefängnissen. Die könnte man wirklich effektiver sanktionieren.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Tag, an dem die Föderalismusreform in Kraft trat, war kein guter Tag für Niedersachsen. Wenn Sie hier die Geschichte bemühen, Frau Justizministerin, und davon sprechen, dass an diesem Tag die Kompetenz für den Strafvollzug auf die Länder übergegangen ist, dann sollten Sie auch daran erinnern, dass in der gesamten vollzuglichen Debatte so gut wie niemand die Föderalisierung für gut befunden hat - wir haben in diesem Hause darüber diskutiert -: Anstaltsleiter, Kriminologen, Strafrechtler und Sozialverbände waren dagegen, es gab fast keine Stimme in der Bundesrepublik, die dafür war, den Strafvollzug an die Länder zu geben. Dies gehört zuerst zur Wahrheit, wenn man über die Entstehungsgeschichte dieses Gesetzes redet.
Was wurde damals befürchtet? Wir haben eine bundeseinheitliche Strafprozessordnung und ein bundeseinheitliches Strafgesetzbuch. Warum haben wir in Gottes Namen jetzt ein Vollzugsrecht, das völlig zersplittert ist? Es ist ungerecht, wenn bei der Strafe die Rechtseinheit dieses Landes nicht mehr gewahrt wird.
Die ganze Absurdität der Föderalismusreform im Bereich des Strafvollzugs wurde sehr schnell deutlich, als sich nicht weniger als zehn Bundesländer zusammengeschlossen und gesagt haben, es sei ihnen viel zu kompliziert, sie erarbeiteten lieber ein einheitliches Gesetz. Erklären Sie das einmal den Leuten: Sie erklären, es mache wahnsinnig viel Sinn, diese Rechtsmaterie auf die Länder zu übertragen; aber es schließen sich zehn Länder zusammen, um es einheitlich zu machen. Erst zersägt man ein Bundesgesetz, und auf Länderebene
klebt man es wieder zusammen. Das versteht kein Mensch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sind hier mit der Erklärung angetreten, Sie machten es auf landespolitischer Ebene besser. Deswegen werden wir jetzt einmal ins Gesetz schauen. - Herr Finanzminister, es ist ja interessant, dass Sie sich jetzt so engagiert an dieser Debatte beteiligen.
Haben wir denn wirklich große substanzielle Veränderungen in diesem Vollzugsgesetz, ist insbesondere das eingearbeitet worden, was die Wissenschaft und die Experten seit Jahren fordern? Ich gebe zu, es ist lange nicht so schlimm geworden, wie ich es anfangs befürchtet hatte. Die Eckpunkte am Anfang waren wirklich schrecklicher als das, was am Ende herausgekommen ist. Aber wir müssen ehrlicherweise auch sagen: Der große Wurf nach vorne, was Modernität oder Innovation angeht, ist das neue Strafvollzugsgesetz wahrlich nicht. Vielmehr ist in dieses Gesetz viel schwarze Pädagogik eingeflossen. Wir haben heute keinen mutigen Aufbruch in die Moderne zu verzeichnen.
Beginnen wir mit der Regelungstechnik. Es war in der ganzen Debatte umstritten, ob wir ein einheitliches Gesetz brauchen. Wir haben dazu eine Anhörung im Rechtsausschuss gemacht, an der sehr viele namhafte Leute teilgenommen haben, bekannte Strafrechtler ebenso wie Strafvollzugsbedienstete. Niemand in dieser Debatte hat, wenn ich mich recht daran erinnere, gesagt, es sei gut und vernünftig, es in einem einheitlichen Gesetzbuch zu regeln, dann werde es verständlicher und besser. Alle, an die ich mich erinnern kann, haben gesagt: Packt das nicht in ein einheitliches Gesetz, weil es dann schwieriger, unverständlicher und komplexer wird. - Das ist es jetzt am Ende auch geworden. Es ist wirklich nicht unbürokratischer oder leichter verständlich. Es war also falsch, dass Sie ein einheitliches Gesetzbuch vorgelegt haben.
Richtig ist, dass sich in den Gesetzesberatungen einiges verbessert hat. Daran hat - Sie haben es angesprochen, Frau Ministerin - auch der GBD Anteil. Er macht die Gesetze manchmal zwar nicht
unbedingt verständlicher, aber zumindest macht er sie verfassungskonform und rechtssicher.
Der umstrittene Chancenvollzug sieht jetzt wesentlich besser aus; das muss man zugestehen. Am Anfang gab es sehr viel Kritik daran; es wurde gesagt, man könne gerade mit gefährlichen Straftätern nicht so umgehen, dass sie auf den Basisvollzug zurückgestuft würden und am Ende keine Behandlung mehr bekämen, sodass sie gefährlicher aus den Gefängnissen herauskommen, als sie hineingekommen sind. Was wir jetzt regeln, ist sehr vernünftig: dass nämlich die Gefangenen nur eine Maßnahme nicht länger bekommen, wenn diese nicht wirkt, aber nicht insgesamt aus der Resozialisierungsbehandlung ausgeschlossen werden. Der Chancenvollzug ist also deutlich entschärft worden.
Eine klare Verschlechterung in diesem Gesetz, eine wirklich repressive Kehre ist aber die sogenannte Zellenmehrfachbelegung, die Sie hier durchgesetzt haben. Das ist ein altes Projekt, an dem Sie sich immer schon abgearbeitet haben. Sie wollen unbedingt die Möglichkeit haben, von Staatsseite mehr Gefangene in einer Zelle unterzubringen.
Sie wissen, dass es sehr viel Kritik daran gegeben hat; darüber können Sie heute auch mit den Praktikern reden, Herr Nacke. Natürlich wird Ihnen jeder niedersächsische Anstaltsleiter sagen, dass es ein großer vollzuglicher Fortschritt war, dass das Recht auf eine Einzelzelle durchgesetzt wurde. Das hat gar nichts mit Kuschelpädagogik zu tun, sondern es ist einfach resozialisierungsfreundlicher, weil man Subkulturen vermeidet.
Es war ein großer Fortschritt in der Resozialisierungspolitik, und heute machen wir in diesem Bereich in Niedersachsen den Rückschritt. Wenn Sie sich einmal den Siegburger Vorfall vergegenwärtigen - da wurde ein Strafgefangener von anderen Strafgefangenen in einer Mehrfachzelle zu Tode gefoltert -,
dann sollten Sie sich sehr gut überlegen, ob Sie eine Zellenmehrfachbelegung jetzt in Niedersachsen wieder einführen wollen.
Im Übrigen gibt es überhaupt keine Notwendigkeit dafür. Wir haben mittlerweile mehr neue Anstalten in Niedersachsen. Das haben allerdings nicht Sie zu verantworten, Frau Heister-Neumann; mit dieser Feder sollten Sie sich nicht schmücken. Das hat die Vorgängerregierung geplant.
- Ja, natürlich! Das ist doch ein lange von der Vorgängerregierung geplantes Projekt. Jetzt haben Sie das Problem der Überbelegung nicht mehr.
Aber Sie haben wenig Vertrauen in Ihre eigene Kriminalprävention, wenn Sie sagen, wir brauchten die Zellenmehrfachbelegung wieder im Gesetz, obwohl es faktisch keine Notwendigkeit dafür gibt.
Hartherzigkeit auch bei den Paketen: Es sind keine Nahrungsmittel mehr erlaubt. Da zeigt sich auch der Konservativismus, der Stellenwert von Mutter, Frau und Kindern. Sie erlauben es nicht mehr, dass Mama oder die Kinder dem Strafgefangenen einen Kuchen schicken. Das halte ich für sehr hartherzig.
Natürlich gibt es auch einige Lichtblicke in diesem Gesetz. Es wird sich daran messen lassen müssen, ob die durchgängige Betreuung funktioniert. Das ist die entscheidende Schnittstelle; da muss sich einiges verbessern.
Ein letzter Satz, weil die Zeit leider schon wieder herum ist.
Die Jugendlichen hätten wirklich ein eigenständiges Gesetz verdient, so wie wir Ihnen das vorgeschlagen haben; das wissen Sie auch. Wir haben ein eigenständiges Jugendgerichtsgesetz in diesem Lande, und natürlich hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil auch gesagt, dass dies eine eigenständige, autonome Materie sei. Es ist nicht besonders fair, wie Sie hier mit den Jugendlichen umgehen und dies einfach in einem Gesetz verkleistern. Es ist nicht anwenderfreundlich, sondern es ist exekutivfreundlich. Die Mehr
heitsfraktionen werden sich daran messen lassen müssen.
Das ist jetzt wirklich mein letzter Satz, Herr Präsident. - Die Mehrheitsfraktionen werden sich daran messen lassen müssen, ob die Rückfälle in Niedersachsen künftig höher ausfallen. Wenn sie höher ausfallen, haben Sie es zu verantworten. Wir werden dieses Gesetz jedenfalls nicht mittragen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe eine ganz einfache Frage.
Der Innenminister dieses Bundeslandes und auch der Bundesinnenminister erzählen uns alljährlich in ihren Sicherheitsberichten, Deutschland und auch Niedersachsen seien die sichersten Länder der Welt, die Sicherheitslage würde sich ständig
verbessern. Auch bei dieser Anfrage suggerieren Sie ja, die Aufklärungsquote habe zugenommen, die innere Sicherheit sei gut.
Vor diesem Hintergrund verstehe ich die politische Forderung nach weiteren ständigen Eingriffsbefugnissen der Polizei und auch die Forderungen nach Eingriffen in das Grundgesetz nicht. Erklären Sie mir diese Paradoxie!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst eine kurze Vorbemerkung. Ich muss schon sagen, ich verstehe die beiden Grundaussagen, die der Innenminister hier eben gemacht hat, nicht. Zum einen erzählen Sie uns hier immer, dass sich die innere Sicherheit in Niedersachsen deutlich verbessert habe, dass wir in einem sehr, sehr si
cheren Land lebten, dass die Sicherheit bei Ihnen gut aufgehoben sei und dass sich die Aufklärungsquote verbessert habe. In einem zweiten Satz sagen Sie aber gleichzeitig, wir seien existenziell bedroht und die Gefahrenlage sei riesengroß, sodass wir völlig neue Eingriffsbefugnisse bräuchten. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Als einfacher Bürger verstehe ich diese Paradoxie nicht. Entweder leben wir in einem sicheren Land, oder wir sind völlig bedroht. Was ist also richtig?
Jetzt meine konkrete Frage: Ist es richtig, dass die Bundesregierung letzte Woche das Bundesverfassungsgericht besucht hat und dort der wertkonservative Verfassungsrichter Di Fabio sein deutliches Missfallen über die ständig neuen Forderungen nach tiefen Eingriffsbefugnissen in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger ausgedrückt hat? Insbesondere was Onlinedurchsuchungen, den
Einsatz der Bundeswehr im Inneren und das Luftsicherheitsgesetz angeht, hat dieser Mann tatsächlich gesagt: Mit ständig neuen Eingriffsbefugnissen für die Polizei- und Sicherheitsbehörden dieses Landes muss endlich einmal Schluss sein.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Man merkt schon, wie wichtig die Rechtspolitik hier ist, wenn der bildungspolitische Sprecher, Herr Klare, hier sagt: Mach hin, wir wollen zu den wichtigen Themen kommen. - Das ist Ihr Wert von Rechtspolitik!
Ich finde es gut, dass wir diese Debatte heute noch einmal führen; denn jeder weiß, die Rechtspolitik steht manchmal im Schatten der mächtigen Innenpolitik. In der allgemeinen Haushaltspolitik geht sie oftmals leider unter. Deswegen ist es vernünftig, dass wir über die Rechtspolitik in Niedersachsen hier heute noch einmal eine ausführliche Debatte führen.
Ich finde, man kann guten Gewissens behaupten, quasi mit allen Recht- und Billigdenkenden in diesem Land - das ist ja ein schönes BGB-Zitat -, dass das meiste an rechtspolitischen Projekten, was Sie in dieser Legislaturperiode gestartet haben, gescheitert ist, grandios gescheitert ist.
Das große rechts- und justizpolitische Projekt, das eigentlich nur einen finanzpolitischen Hintergrund hatte, war die angeblich große Justizreform des Landes Niedersachsen. Diese ist mittlerweile völlig verschwunden. Kein Mensch redet mehr darüber. Man kann das wunderbar an Folgendem erkennen: In der Presseerklärung, die Sie im Anschluss an das Treffen mit Ihren Justizministerkollegen in Wolfsburg herausgehauen haben und die vier oder fünf Seiten lang war, tauchte das Thema große Justizreform an neunter oder zehnter Stelle auf, und es war ein winziger Absatz. Die große Justizreform in Niedersachsen ist mittlerweile nicht einmal mehr auf Liliput-Niveau, sondern sie ist völlig verschwunden.
Ärgerlich ist an der Rechts- und Justizpolitik in Niedersachsen, dass sie keine klassische Verteidigerin im besten Sinne dieses Wortes für ihr Ressort ist. Das muss man Ihnen in der Rechtspolitik wirklich vorwerfen.
Sie verteidigen Ihr Ressort nicht vor dem Finanzminister, sondern Sie sind in dieser Frage wirklich eine wirksame Vollzugsgehilfin des Finanzministers. Dazu passt auch, dass Sie, Frau HeisterNeumann, sich in den neuen Uniformen des Justizvollzugs ablichten lassen. Ihr Ressort aber verteidigen Sie einfach nicht vernünftig.
Von Anfang an haben Sie den Justizhaushalt auch als Steinbruch angesehen. Ich hatte angedeutet, dass die Justizreform nur fiskalpolitisch motiviert war.
Sie verschweigen auch immer gerne, dass große Teile der Reform nicht dazu führen würden, dass es für die Bürgerinnen und Bürger in diesem Lande billiger werden würde. Die Privatisierung bzw. Verlagerung der Handelsregister hätte bei den Bürgerinnen und Bürgern in Niedersachsen neue Kosten verursacht. Aber Sie hätten dadurch ein Stück weit Ihren Haushalt gerettet. Das verschweigen Sie immer, und das ist nicht vernünftig, meine sehr verehrten Damen und Herren. Unsere Gerichte dürfen nicht weiter in ihren Kompetenzen beschnitten werden, sondern unsere Gerichte brauchen ganz dringend einmal eine Transfusion statt eine weitere Auszehrung.
Man kann Ihnen ein Zweites vorwerfen. Das hier ist ja sehr stark finanzpolitisch orientiert. Ich frage mich auch immer, welche Rolle Sie überhaupt im Kabinett spielen. In jedem klassischen Kabinett ist normalerweise die Justizministerin die Gegenspielerin des Innenministers.
Der Innenminister soll für Sicherheit sorgen - das ist richtig -, aber die Justizministerin hat das Recht und die Verfassung zu verteidigen. Das kennt man aus jedem Kabinett, meine Damen und Herren.
Wir wissen, dass sich Frau Zypries mit Herrn Schäuble streitet.
- Natürlich! Das ist eine klassische Gegenposition.
Wir haben doch gar keine bildungspolitische Debatte.
Er muss sich hier ja nicht zu allen Dingen äußern.
Normalerweise hat die Justizministerin das Recht und die Grundrechte zu verteidigen und nicht immer alles das, was der Innenminister einfordert, willig abzunicken. Es gab wirklich große Kämpfe in der Bundesrepublik und auch in Niedersachen. Aber in Niedersachsen ist es jetzt so, dass ich niemals ein kritisches Wort von Ihnen, Frau Heister-Neumann, höre, wenn der Innenminister wieder neue Eingriffsbefugnisse fordert.
Sie haben sich damals nicht gemeldet, als wir hier ein Polizeigesetz mit erheblichen verfassungs
rechtlichen Bedenken gemacht haben. Sie haben selbst ein verfassungswidriges Gesetz in Bezug auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung ge
macht. Sie haben niemals etwas gesagt, als wir über den Rundfunkstaatsvertrag oder über das Mediengesetz diskutiert haben. Auch das ist eine Rolle, die eine Justizministerin ausfüllen muss. Sie müssen rechtliches Korrektiv in diesem Land sein.
Nein, ich muss jetzt hier zu Ende reden. Ich bin gerade so richtig schön in Fahrt, und deswegen werde ich mich hier jetzt nicht unterbrechen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich komme auch schon Schluss. - Sie haben nichts gesagt, als der Innenminister in diesem Land 1 000 neue Polizisten bekommen hat. Daran haben Sie keine Kritik geübt. Sie wussten ganz genau, dass damit neue Fälle auf die Gerichte zukommen.
Es ist sehr unvernünftig, wenn man beschließt, dass die Polizei 1 000 neue Stellen bekommt, und sagt, dass das gar kein Problem ist, und es dann die Richter und die Staatsanwälte ausbaden müssen, weil sie Tausende neue Fälle kriegen. Das ist einfach unredlich. Es ist einfach nicht in Ordnung, wenn Sie das nicht vernünftig synchronisieren und die Polizei immer gepäppelt wird und die Justiz ausgeblutet wird.
Die niedersächsische Justizpolitik in diesem Land ist auf den Hund gekommen. Die Gerichte stöhnen. Sie fühlen sich überlastet.
Das Bundesverfassungsgericht ermahnt Sie, dass die Gerichte besser ausgestattet werden müssen.
Wirklich letzter Satz von mir, Herr Präsident.
Was hätten Sie für ein politisches Gerede veranstaltet, wenn es momentan umgekehrt wäre? - Ich sage Ihnen: Niedersachsen hat eine bessere Justizpolitik verdient.
Jetzt meldet sich schon wieder der Klare zu Wort. Immer, wenn man über Rechtspolitik reden will, redet der Bildungspolitiker.
Ich habe den Vorwurf - -
Herr Busemann, ich habe den Vorwurf, ehrlich gesagt, nicht ganz verstanden.
Erstens sind Sie mir in der Fingerfertigkeit in Plenarreden immer noch überlegen. Ich will hier deutlich sagen, dass ich mit Ihnen in der Beziehung nicht mithalten kann.
Zweitens habe ich hier meines Erachtens keinen Rechtsbruch begangen. Ich habe eine ganz normale politische Debatte über die Rechtspolitik in Niedersachsen gehalten. Dazu gibt es, wie ich meine, eine ganze Menge zu kritisieren. Ich habe versucht, das in einer lebendigen und engagierten Rede deutlich zu machen.
Zur Redlichkeit, Herr Kollege Nacke, gehört auch, hier einmal darzustellen, dass es nicht nur die SPD oder die Grünen sind, die in Bezug auf die Justizreform kritische Fragen stellen und sagen, dass ihnen das eine oder andere nicht gefällt. Wir haben gemeinsam mit Ihnen viele niedersächsische Gerichte besucht, und wir haben die Richterinnen und Richter, die Staatsanwälte, die Bewährungshelfer
und alle anderen, die sonst noch in der Justiz tätig sind, immer wieder danach gefragt, wie sie diese Reform sehen. Sagen Sie hier doch einmal, wie Ihre Reform von den Bediensteten selbst bewertet worden ist! Gibt es dazu eine einzige positive Stimme? Haben Sie dazu auch nur eine einzige positive Stimme gehört, die gesagt hat: „Ja, die Reform geht im Großen und Ganzen in die richtige Richtung.“? - Ich kann mich daran nicht erinnern. Stellen Sie es hier also bitte nicht so dar, als würde nur die Opposition Ihre große Justizreform irgendwie blockieren oder kritisch beäugen. Vielmehr sind es die Betroffenen selbst, die inzwischen sagen: Wir haben keine Lust mehr auf weitere Justizreformen. Ihr reformiert uns zu Tode. Wir hatten eine große ZPO-Reform. Die hat Mühe genug gekostet. Jetzt wollen wir an den Gerichten endlich einmal Ruhe. - Das zu Punkt eins.
Sie haben hier noch ein Weiteres gesagt. Wollen Sie mir erzählen, dass es im Kabinett keinen Positionsstreit gibt? - Ein solcher Streit ist doch ganz normal. Es ist doch ganz normal, dass es Streitpunkte gibt. Es ist doch in Ordnung, dass der Innenminister sagt, dass er da und da und da mehr Kompetenzen benötige. Trotzdem ist es Aufgabe einer Justizministerin, das Recht zu verteidigen und hin und wieder einmal auch kritische Anmerkungen zu machen. Dieses Wechselspiel in dieser Frage vermisse ich hier in Niedersachsen aber.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich möchte eine kleine Eingangsbemerkung machen, weil wir einen kleinen Streit oder eine kleine - -
Selbstverständlich, Herr Präsident. - Es geht nicht höher. Ich kann aber näher an das Mikrofon gehen.
Ja, genau. - Ich werde mich bemühen, etwas näher an das Mikrofon zu kommen.
Noch einmal: Ich möchte eine Eingangsbemerkung machen, weil wir in diesem Landtag eine kleine Auseinandersetzung über den Konzern E.ON hatten. Es ist richtig, Herr Dürr: Wir sehen diesen Konzern sehr kritisch, weil E.ON momentan 7 Milliarden Euro Gewinn macht und die Energiepreise
in Deutschland trotzdem um 10 % anhebt. Es ist ein großer Skandal, was dieser Konzern hier betreibt. Deswegen ist die EU-Kommission so sauer darüber, dass der Wettbewerb oder die Preisanreize in der Bundesrepublik nicht richtig funktionieren. Deswegen habe ich auch kein Problem damit, nicht dorthin zu gehen und mir von diesem Konzern nicht erzählen zu lassen, was eine vernünftige Energiewirtschaft sei.
Ich möchte noch zwei Dinge sagen. Die Weltenergieagentur und der Weltenergierat haben letzte Woche beide gesagt, dass wir unsere internationalen Reduktionsziele wahrscheinlich nicht werden einhalten können, sondern der Energieverbrauch jedenfalls weltweit sehr viel stärker steigen wird, als wir in der Vergangenheit prognostiziert haben.
Daher verbietet sich eigentlich jetzt schon der Bau weiterer Kohlekraftwerke. - Ein letzter Satz noch. Das ist eigentlich unsere Kritik an dieser Landesregierung: Sie haben keine Vision zur zukünftigen Zusammensetzung.
Meine Frage an Umweltminister Sander lautet ganz konkret: Ihr Motto ist, „Umweltpolitik mit den Menschen“ zu machen. Sie sagen, der Bürgerwille sei für Sie ganz zentral.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - In dieser Debatte geht es nicht nur um Klima- und Umweltschutz, sondern sehr wohl auch um Sicherheit. Natürlich sind die deutschen Autobahnen sicher. Aber deswegen kann man sie doch trotzdem noch sicherer machen.
Herr Dürr, es ist gut, dass auch der Innenminister an dieser Debatte teilnimmt. Bei den Themen Sicherheit, Kriminalität und Schutz der Menschen in diesem Staat greifen Sie schamlos in die Freiheitsrechte der Menschen ein. Dann gilt Ihnen das Grundgesetz gar nichts mehr!
Dann wird schamlos die Freiheit beschnitten. Dann können die Eingriffsbefugnisse der Polizei oder der Behörden gar nicht tief genug sein. Das alles ist Ihnen ganz egal; das ist gar kein Problem mehr. Da kann man gern einmal an die Grundrechte herangehen.
Aber in der absolut irrationalen Frage, den Menschen die Freiheit zum Rasen zu geben, gilt es auf einmal nichts mehr, dass wir Menschen schützen müssen und dass wir die Zahl der Toten auf den Autobahnen noch deutlich reduzieren können. Das ist zutiefst bigott!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Vielleicht auch eine Vorbemerkung von mir: Herr Ontijd, ein guter Gesetzgeber riskiert gar nicht erst eine Verfassungswidrigkeit. Davon kann aber in Niedersachsen schon lange keine Rede mehr sein.
Sie gehen ja ganz bewusst so vor, dass Sie in den Ausschussberatungen sagen: Wir haben die Grenzen der Verfassung einmal ganz bewusst austariert. Wir wussten, dass ein verfassungsrechtliches Risiko besteht. Das haben wir gerichtlich prüfen lassen. - Dafür haben Sie vor dem Bundesverfassungsgericht auch mehrfach schwere Niederlagen einstecken müssen.
Nun aber zu dem Antrag der SPD-Fraktion. Zunächst einmal will ich sagen, dass es ein vernünftiger Antrag ist, weil damit die Gelegenheit gegeben ist, dass der Landtag über die Frage der Prozesskostenhilfebegrenzung überhaupt diskutiert. Wir haben dazu eine Anhörung im Rechtsausschuss durchgeführt, die meines Erachtens auch gut und gehaltvoll war. Wie immer bei solchen Fragen, wenn es um sozialrechtliche Bestimmungen geht, hat man gemerkt, dass die Sache doch sehr kompliziert ist, so wie es in Deutschland eben immer ist. Jedenfalls ist die Sache komplizierter, als ich es mir am Anfang selber habe vorstellen können. Das merkt man auch daran, dass die Bundesratsinitiative, die Sie in der Frage der Prozesskostenbegrenzung auf den Weg gebracht haben, nicht weniger als 50 Seiten umfasst. Es war eine ganz schön dicke Schwarte, die Sie auf den Weg gebracht haben.
In den ersten Stellungnahmen vom BMJ - das ist hier mehrfach zitiert worden - sind dann auch gleich verfassungsmäßige Bedenken angemeldet worden. Herr Schneck hat hier schon gesagt, dass dazu heute eine Sachverständigenanhörung im Rechtsausschuss des Bundestages stattfindet.
Auch dort haben mehrere Rechtsexperten, u. a. der Verwaltungsrichter Hamm, gesagt, dass sie in dieser Frage erhebliche verfassungsrechtliche
Bedenken haben. Wir müssen, wie ich glaube, ehrlicherweise konstatieren, dass das Begehren der Bundesratsinitiative auch im Rechtsausschuss des Niedersächsischen Landtages nicht auf viel Unterstützung gestoßen ist, also nicht positiv bewertet wurde. Sowohl was die Frage der Raten
zahlung betrifft, als auch was die Rückforderung bei einem Prozessgewinn betrifft, gab es keine besonders positive Resonanz. Die Anzuhörenden haben im Blick auf diese Fragen nicht gesagt: Das ist eine vernünftige Regelung, die Sie auf den Weg bringen. - Vielmehr wurden in erster Linie ganz andere Faktoren kritisiert oder inkriminiert, als es um die Frage ging, was man bei der Prozesskostenhilfe ändern müsse.
Wenn man sich die Bundesratsinitiative, die Sie auf den Weg gebracht haben, im Hinblick darauf durchliest, warum die Prozesskostenhilfe begrenzt werden soll, dann stellt man fest, dass es sich in erster Linie um wirtschaftliche Aspekte handelt. Das wird auch frank und frei zugegeben. Die Prozesskosten wachsen uns über den Kopf. Das ist richtig und wahr.
Das ist ein sehr großer Posten im Haushalt; 80 Millionen Euro geben wir dafür aus.
Aber wenn wir ehrlich sind, dann müssen wir sagen, dass sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen, die dazu geführt haben, dass Sie diese Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht haben, geändert haben. Wir haben in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt. Die wirtschaftliche Situation hat sich also deutlich verbessert. Die Arbeitslosigkeit sinkt sehr stark. Zweitens hat sich die Lage der öffentlichen Haushalte deutlich verbessert, u. a. weil die Bundesregierung sehr starke Steuererhöhungen
durchgesetzt hat. Wir haben also einerseits den Agendaprozess sowie starke Sozialkürzungen und andererseits starke Steuererhöhungen.
Das muss man wirklich in der Summe betrachten. Dann ist es nach meiner Wahrnehmung nicht mehr gerechtfertigt, jetzt auch noch die Prozesskostenhilfe zu begrenzen. Wenn wir den Leuten doppelt in die Tasche greifen - einerseits durch Sozialkürzungen, andererseits durch Steuererhöhungen -, dann können wir ihnen nicht auch noch die
Rechtsgewähr sehr stark beschneiden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das geht wirklich nicht. Die Bundesratsinitiative hat sich erübrigt, weil sich die Rahmenbedingungen deutlich verändert haben. - Vielen Dank.
Es geht auch ganz schnell. - Frau Ministerin, es kann einfach nicht gerecht sein - hier ist mein Gerechtigkeitsgefühl wirklich betroffen -, wenn wir auf der einen Seite in den Wirtschaftsstrafsachen den Deal einführen, weil die Sachen so kompliziert werden, dass wir sie nicht mehr gehandelt bekommen, und weil wir es nicht mehr schaffen, diese komplizierten Verfahren zu Ende zu führen, und auf der anderen Seite immer stärker den wichtigen, in Artikel 19 Grundgesetz verankerten Grundsatz der Justizgewährung beschneiden und die PKH immer strenger bewilligen. Das ist nicht nur unfair, sondern auch ein Stück weit unsozial. Es ist einfach ein Verstoß gegen das Gerechtigkeitsgefühl, wenn man künftig die Großen immer stärker laufen lässt und den Kleinen auch noch die Prozesskostenhilfe nimmt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem haben Sie recht, Herr Albrecht: Wir haben
über dieses Problem, über das Bredero-Hochhaus, wirklich intensiv, sehr lange, sehr ausgiebig durch Anhörungen, Anfragen, Berichte im Rechtsausschuss und auch in verschiedenen Gerichten
- z. B. im Finanzgericht - diskutiert. Das Ärgerliche daran ist nur, dass Sie von der Mehrheitsfraktion oder auch vom Justizministerium in dieser Frage eine völlige Beratungsresistenz an den Tag gelegt haben. In dieser Frage konnte Sie nämlich kein noch so gutes Argument umstimmen.
Ich finde es auch äußerst fragwürdig, wenn Sie hier darstellen, für ein Gericht spiele das äußere Erscheinungsbild überhaupt keine Rolle, es komme nur darauf an, wie es von innen aussehe. Ich kann Ihnen sagen: Es spielt eine sehr große Rolle, wie ein Gericht aussieht, weil es noch immer viele Bürgerinnen und Bürger gibt, die sehr viel Respekt, vielleicht unterschwellig auch ein bisschen Angst vor einem Gericht haben. Deswegen spielt es schon eine große Rolle, ob es bürgerfreundlich ist.
Ich frage Sie - Sie sind ja Lehrer -, ob Sie bei einer Schule das gleiche Argument anführen würden, dass das äußere Erscheinungsbild gar keine Rolle spielt, und wie sich wohl Leute in einer öffentlichen, publikumsintensiven Institution fühlen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist, glaube ich, klar geworden: Sie haben sich dieses Projekt in den Kopf gesetzt. Sie wollen mit dem Kopf durch die Wand. Sie wollen unbedingt Bredero, weil die Vertragsgestaltung dabei schon sehr weit fortgeschritten ist. Ich habe immer wieder zwei oder drei Fragen gestellt, die mir nicht beantwortet werden konnten, die Sie auch heute nicht beantwortet haben und die wahrscheinlich auch die Justizministerin nicht beantworten können wird. Wenn dieses Projekt wirklich so toll, so vernünftig, so bürgerfreundlich, so richterfreundlich und auch
finanzpolitisch so vernünftig ist, warum wollen es dann die Hannoveraner Richterinnen und Richter nicht? Warum ist die Skepsis so unheimlich groß? - Das müssen Sie diesem Hause einmal erklären. Warum wollen die Richterinnen und Richter den Umzug in das Bredero-Hochhaus nicht?
Ich sage Ihnen eines: Richterinnen und Richter sind normalerweise sehr rationale und sehr zurückhaltende Menschen. Sie sind nicht unbedingt wie die IG Metall oder ver.di, die ihre Rechte massiv deutlich machen.
- Nein, dagegen habe ich ja nichts. Ich sage nur: Richterinnen und Richter sind normalerweise sehr vorsichtig. In dieser Frage konnten Sie überhaupt keine Überzeugung bei den entsprechenden Berufsgruppen erzeugen, sondern die Skepsis in Bezug auf Bredero ist nach wie vor sehr groß. Damit tun Sie der Rechtsprechung überhaupt keinen Gefallen, weil Richterinnen und Richter in ihrer Arbeitszeitgestaltung ja auch frei sind. Sie können ihre Akten mit nach Hause nehmen. Dann haben wir da ein schönes Gerichtsgebäude, aber die meiste Zeit - solange es die richterliche Unabhängigkeit zulässt - sind die Leute dann zu Hause, weil sie sich in diesem Gebäude so unglaublich - ich will einmal sagen - unglücklich fühlen.
Die Vertragsgestaltung - das hat Frau Grote angesprochen - ist darüber hinaus noch äußerst fragwürdig: mehr als 20 Jahre Laufzeit.
Wenn Sie hier schon die Ökologie bemühen - das haben Sie ja getan -, indem Sie darauf hinweisen, dass das Bredero-Hochhaus so wunderbar zentral liegt und Verkehrsbelastungen vermieden werden, dann gucken Sie sich einmal an, wie super dieses Gebäude energetisch optimiert ist. Das ist nämlich auch sehr fragwürdig, es ist über 20 Jahre alt.
Das Bredero-Hochhaus ist eine falsche Entscheidung, meine sehr verehrten Damen und Herren, aber wahrscheinlich kommen wir von dieser falschen Entscheidung leider nicht mehr herunter.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist ja nicht nur so, wie der Kollege Noack gesagt hat, dass der Ministerpräsident dieses Landes und der CDU-Fraktionsvorsitzende Juristen sind, sondern das halbe Kabinett besteht aus Juristen. Und trotzdem sind die Gesetze in Niedersachsen so schlecht.
Da muss man sich die Frage stellen: Liegt das daran, dass wir in diesem Land zu viel oder zu wenig juristischen Sachverstand haben?
Ich neige ja nicht zu Destruktivität. Aber ich erinnere mich an eine Stellungnahme von David McAllister, der einmal gesagt hat, die Plenarsitzungen dauern immer viel zu lange, weil die Grünen so viele überflüssige Anträge stellen.
Der inhaltsleerste Antrags des heutigen Tages ist allerdings Ihr Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren von CDU und FDP; denn darin steht nun wirklich nichts, aber auch gar nichts drin.
Ich will nicht negieren, dass die Frage der Juristenausbildung eine wichtige Frage ist. Darüber kann man lange diskutieren. Aber das, was in dem Antrag steht, ist unwichtig und nichtig: Die Landes
regierung solle prüfen, ob die Juristenausbildung in irgendeiner Art und Weise umgestellt werden soll oder nicht. Das ist ein wachsweicher Prüfauftrag für die Justizministerkonferenz, die ungefähr so wichtig ist wie die Kultusministerkonferenz.
Bei der Einbringung dieses Antrags hat der von mir sehr geschätzte Kollege Biester gesagt: Das ist ein sehr wichtiges Thema, dazu wollen wir eine große Anhörung im Rechtsausschuss durchführen und uns die einzelnen Modelle anschauen. - Tatsächlich ist der Antrag nur ungefähr 30 Sekunden lang beraten worden. So viel zu der Wichtigkeit des Themas „zukünftige Juristenausbildung in Niedersachsen“.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Ihr Antrag ist mehr als mager. Wir wissen, dass es verschiedene Modelle gibt. Einige davon wurden hier bereits skizziert, z. B. das Modell des Deutschen Anwaltsvereins. Es gibt auch ein Modell des Deutschen Richterbundes. Ich verweise im Übrigen auf die Position von Beate Merk, ihres Zeichens Justizministerin in Bayern. Sie hat gesagt: Das mit der Spartenausbildung ist großer Schwachsinn. Das wollen wir nicht. Wir wollen beim Volljuristen bleiben. - Normalerweise finden Sie die bayerische Rechtspolitik ja immer ganz vorzüglich, insbesondere dann, wenn es um Strafverschärfung geht. In dieser Sache scheint das nicht der Fall zu sein.
Meine Damen und Herren, über die Juristenausbildung kann man sehr wohl streiten. Aber bitte füllen Sie die Diskussion mit Inhalten!
Lassen Sie mich noch zwei Sätze sagen, da ich gerade den Wissenschaftsminister dieses Landes vor mir sehe. Herr Stratmann, wenn ich mich recht erinnere, waren Sie es, der gemeinsam mit der Mehrheit des Hauses gesagt hat: Wir brauchen in Niedersachsen Studiengebühren; Studiengebüh
ren sind gut und richtig. - Ich sage Ihnen: Sorgen Sie im Blick auf die Juristenausbildung endlich dafür, dass der große Skandal des Repetitoriums abgeschafft wird!
Es ist wirklich eine große Ungerechtigkeit, dass Sie von den Studierenden Geld nehmen, dass diese aber nach wie vor zusätzlich einen Nachhilfelehrer anstellen müssen, um überhaupt durch das Examen zu kommen.
Damit sollten Sie sich beschäftigen. Aber mit solchen windelweichen, lahmen Anträgen wie dem vorliegenden sollten Sie den Landtag verschonen. - Vielen Dank.
Niemand greift in dieser Frage unschuldige Landwirte an. Wir wollen einfach nur wissen, wo die entsprechenden Betriebe sind, damit die Bürgerinnen und Bürger Klarheit darüber haben. Einen Angriff auf Landwirte konnte ich in der Frage von Herrn Klein überhaupt nicht erkennen. Aber darum geht es mir in meiner Zusatzfrage nicht.
Eingangs stelle ich noch einmal fest, dass die Mehrheit der Bevölkerung in Niedersachsen kein gentechnisch verändertes Saatgut und keine gentechnisch veränderten Lebensmittel will. Deswegen ist eine Landesregierung aufgefordert, so etwas mit allen möglichen Maßnahmen zu unterbinden.
Ich frage konkret nach: Ist dieses Saatgut im europäischen Ausland zugelassen und, wenn ja, wo? Hat die Landesregierung Kenntnisse darüber, wie
diese gentechnisch veränderten Organismen nach Niedersachsen hereingekommen sind, und gibt es Forschungsaktivitäten dazu, wie dieser Weg aufgebaut worden ist?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Das war eine kleine Lehrstunde in Statistik, die wir heute Morgen genießen durften. Gestatten Sie mir eine kleine
Vorbemerkung. Wenn in der niedersächsischen Strafjustiz alles so wunderbar in Ordnung ist, dann verstehe ich die momentan große Unzufriedenheit des Niedersächsischen Richterbundes über die Strafjustiz nicht so ganz. Dort will man momentan zwar nicht mehr Selbstbestimmung, man will aber auf jeden Fall deutlich mehr Richterstellen, weil man mittlerweile am Limit der Leistungsfähigkeit angekommen ist und die Ausstattung der Strafjustiz in Niedersachsen mittlerweile als grenzwertig empfindet.
Jetzt stelle ich meine konkrete Frage: Ist es denn richtig, dass das Bundesverfassungsgericht vor Kurzem ein niedersächsisches Gericht stark gerügt hat, weil die U-Haft mittlerweile über drei Jahre andauert, ohne dass es zur Hauptverhandlung gekommen ist? Wie erklärt sich die Landesregierung diesen Fall, wenn denn die Strafjustiz angeblich so wunderbar ausgestattet ist?
Ich möchte noch einmal auf den Zusammenhang zwischen Strafverfolgung und Strafvollstreckung zu sprechen kommen. Ich habe dazu ja auch eine Kleine Anfrage zur mündlichen Beantwortung gestellt. Das kann ich jetzt vielleicht vorziehen, weil das sehr gut in den Themenkomplex passt. Wie
erklären Sie sich, Frau Ministerin, die auf dem Niedersächsischen Jugendgerichtstag sehr massiv vorgetragene Beschwerde eines Jugendrichters in Niedersachsen, der sagte, in Niedersachsen sei die Zeit zwischen Urteil und Straf- oder Arrestantritt unverhältnismäßig lang, nämlich länger als sechs Monate, und deswegen mache die Strafe keinen Sinn mehr? Das hat er sehr massiv vorgetragen. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?
Vielen Dank, Frau Präsidentin. „Mehr Selbstbestimmung und Autonomie in der Justiz“ ist ein sehr komplexes Thema. Dafür reichen dreieinhalb Minuten wahrscheinlich gar nicht aus. Aber ich will einige wenige der Kerngedanken anführen, die uns dazu veranlasst haben, dieses Thema hier in dieser Legislaturperiode doch noch einmal zu besetzen. Wir wollen, dass über das große Thema „mehr Mitbestimmung, mehr Selbstverwaltung in der Justiz“ diskutiert wird. Denn dieses Thema wird momentan bundesweit in ganz verschiedenen Gremien der Richterinnen und Richter diskutiert, und die ganze Diskussion ist wahrlich auch nicht neu.
Seit sehr langer Zeit fordern Richterverbände und Richterstandesorganisationen zumindest etwas mehr Mitsprache bei der Selbstverwaltung und bei der Richterbestellung in der Justiz.
Ich habe Ihnen einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung aus dem Jahre 2003 mitgebracht. Danach
sagte z. B. die damalige Richterin am Bundesverfassungsgericht, ihrer Meinung nach sollten zukünftig alle Richter von Gremien gewählt werden, und davor solle man auch keine Angst haben. Das ist also, höchstrichterlich abgesegnet, eine klare Forderung nach Richterwahlausschüssen nicht nur auf Bundesebene, sondern für alle Gerichte in diesem Land.
Die Richterinnen und Richter, meine sehr verehrten Damen und Herren, bemängeln immer wieder sehr stark, dass die Gewaltenteilung - das ist ein verfassungsrechtliches Argument - nicht wirklich vollzogen ist, solange die Justiz von der Exekutive benannt wird. Wir haben also immer noch das Phänomen, dass Legislative, Exekutive und dritte Gewalt nicht wirklich verfassungskonform voneinander getrennt sind, solange die Verwaltung die Möglichkeit hat, Richterinnen und Richter zu benennen.
Ich habe es in dem Antrag auch geschrieben: Bereits die ersten parlamentarischen Versammlungen in Deutschland haben gefordert, dass es sehr wichtig sei, ganz entscheidend sei im gewaltengeteilten Staat, dass Richterinnen und Richter völlig, vollständig unabhängig seien.
Sie wissen, dass der Deutsche Richterbund jetzt mit einem sehr - so will ich es einmal sagen - innovativen oder - wie man auch sagen kann - radikalen Modell quasi die Totalreform eingefordert hat, das die komplette Selbstverwaltung der Justiz durch ein sogenanntes Zwei-Säulen-Modell, einen sogenannten Justizwahlausschuss und einen Justizverwaltungsrat, vorsieht. Was das bedeuten würde, müsste man hier einmal ganz genau durchdiskutieren. Das bedeutete nämlich in großen Teilen fast die komplette Abschaffung des Justizministeriums. Es ist mir natürlich klar, dass sich die Exekutive dagegen wehrt, wenn sie quasi zur Hälfte abgeschafft werden soll. Ob das ein großer Schaden für die niedersächsische Rechtspolitik wäre, da bin ich mir - ehrlich gesagt - nicht so ganz sicher.
Ein weiterer Richterverband, die Neue Richtervereinigung, fordert zumindest das, was wir in unseren Antrag aufgenommen haben, also einen kleinen Baustein für mehr Selbstverwaltung der Justiz in Form von Richterwahlausschüssen.
Die Neue Richtervereinigung ist ein kleinerer, aber sehr progressiver Richterverband. Er hat schon am Anfang der Legislaturperiode gesagt: Wir wollen
zumindest die Möglichkeit der erhöhten Mitsprache bei der Richterbenennung durch Richterwahlausschüsse haben.
Nun gibt es verschiedene Modelle. Ich will gar nicht sagen, dass unser Modell das optimale ist. Man hätte es aber zumindest etwas länger im Ausschuss diskutieren können. Der einzige, der sich einigermaßen vernünftig auf die inhaltliche Diskussion eingelassen hat, war der Staatssekretär. Von den anderen Fraktionen kam inhaltlich eigentlich kaum etwas dazu.
Abschließend will ich gern Folgendes sagen. Es hat auch mich überrascht, dass der Niedersächsische Richterbund gesagt hat, mehr Selbstverwaltung sei ein spannendes Thema, aber das habe bei ihm momentan nicht Priorität. Da war ich überrascht. Das will ich gern zugeben. Dort will man anscheinend lieber noch ein bisschen länger am exekutiven Gängelbändchen hängen und merkt doch gleichzeitig, wie schlecht eigentlich die niedersächsische Justiz ausgestattet ist. Die Klagen gestern Abend waren wiederum sehr groß, dass die personelle Ausstattung in Niedersachsen mehr als schlecht sei.
Meine Damen und Herren, natürlich halten wir unseren Antrag aufrecht. Wer sich die Modelle des Deutschen Richterbundes und auch der Richtervereinigung ansieht, der weiß, dass Richterwahlausschüsse zumindest ein Schritt in die richtige Richtung wären. Wir wollen in Niedersachsen ein bisschen mehr Freiheit wagen, und wir wissen, dass viele Richterinnen und Richter hinter uns stehen. - Vielen Dank.
Ich möchte noch zwei Punkte erwidern.
Lieber Kollege Noack, wie muss es nur an den Bundesgerichten aussehen, wo es bereits Richterwahlausschüsse gibt? - Nach dem, was Sie hier vorgetragen haben, muss an unseren höchsten Gerichten Sodom und Gomorrha herrschen.
Ein Argument: Fast ganz Europa hat dieses Prinzip schon. Viele europäische Länder sagen: Wir wollen nicht, dass Richterinnen und Richter durch die Exekutive ernannt werden. Wir wollen mehr Unabhängigkeit.
Ich gebe Ihnen ja recht: Natürlich besteht die Gefahr der Politisierung. Das Problem ist, dass das Grundgesetz davor steht, dass die Richter das mehrheitlich in einem Richterwahlausschuss machen. Der Souverän, die Parlamentarier müssen in einem solchen Gremium die Mehrheit haben. Das ist Verfassungsrecht.
Ich habe kein Problem damit, den Richterinnen und Richtern die Mehrheit zu geben. Aber das geht grundgesetzlich leider nicht. - Deswegen wäre das, was wir vorschlagen, ein richtiger Schritt in die richtige Richtung.
Ich garantiere Ihnen: Wir werden das Thema „mehr Selbstverwaltung und mehr Autonomie“ definitiv wieder auf den Tisch bekommen. Aber wir sind unserer Zeit anscheinend wieder einmal etwas voraus.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss ehrlich gestehen: Ich bin aus diesem Antrag nicht ganz schlau geworden. Ich musste ihn relativ häufig und lange lesen, bis ich seine Intention verstanden hatte. Ich bin auch aus der Rede von Herrn Althusmann nicht richtig schlau geworden. Eines verstehe ich nicht so ganz, Herr Althusmann. Wenn Sie hier ein so wichtiges Thema, ein sehr ernstes Thema, ein auch geschichtlich sehr relevantes Thema diskutieren wollen, warum machen Sie das dann immer mit so viel Melodramatik? Warum ist das bei Ihnen immer so triefend? Warum emotionalisieren Sie das immer so stark? Warum machen Sie es nicht sehr sachlich und sehr seriös?
Das ist ein ernstes Thema. Ich will der Debatte überhaupt nicht ausweichen. Aber ich sage ganz ehrlich: Mich stört schon der Ton Ihrer Sprache. Mich stört, wie Sie das hier vorbringen.
- Ich will im Wesentlichen zu dem Antrag - -
Die Kollegen lassen mich ja kaum zu meiner Rede kommen.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich will zu diesem Antrag im Wesentlichen drei Dinge sagen.
Erster wichtiger Punkt: Die DDR war ein Unrechtsstaat. Es wurden Menschen verfolgt, gequält und getötet. Jegliche Relativierung oder gar Romantisierung der DDR-Geschichte ist, von welcher Seite auch immer, in meinen Augen unerträglich. Der Kommunismus war eine brutale Diktatur, in der Meinungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit unterdrückt wurden. Menschen wurden ausspioniert und Regimegegner eingesperrt. In meinen Augen ist es ein Segen, dass der Kommunismus überwunden wurde und die Wiedervereinigung friedlich vollzogen werden konnte.
Später gern. Ich möchte jetzt erst die Rede zu Ende führen.
Zweitens habe ich folgende Fragen zu diesem Antrag: Haben wir einen Mangel an Aufarbeitung der DDR-Diktatur? Wird die DDR-Geschichte in der Bundesrepublik verklärt? Haben wir zu wenig Institutionen für Gedenkstätten? - Ich will ehrlich sagen: Ich bin dafür kein Experte, aber ich will das auch gar nicht ausschließen. Wir können darüber gern diskutieren; das ist gar keine Frage. Es gibt aber leider immer wieder Angriffe von verschiedenen Seiten insbesondere auf die sehr wichtige Institution der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR. Es ist heute nicht so richtig klar, was die Konservativen und auch die Liberalen mit dieser Institution wollen. Von verschiedenen Seiten, insbesondere auch von dem Vorsitzenden des Kulturausschusses im Bundestag, der der FDP angehört, kommt z. B.: Wir wollen diese Behörde möglichst schnell abwickeln. Wir wollen die Überweisung der Akten ins Bundesarchiv. - Auch von Ihrer Seite, Herr Althusmann, jedenfalls aus der Bundestagsfraktion, kommen immer wieder sehr kritische Stimmen. Es ist nicht klar, wie mit dieser wichtigen Institution umgegangen werden soll. Es befremdet mich schon - das muss ich ganz ehrlich sagen -, wenn Sie einerseits sagen, Sie wollten mehr Aufarbeitung der DDR-Geschichte, und wenn andererseits die wichtigste Institution in diesem Bereich immer wieder angegriffen wird. Sie müssen klären, was Sie mit dieser Institution wollen.
Das Dritte, was ich sagen möchte, ist: Kulturpolitik und Bildungspolitik sind Ländersache.
Wir haben im Rahmen der Föderalismusdiskussion eine große Debatte darüber gehabt, wie viel Bildungspolitik wir uns zukünftig leisten wollen. Wenn also die DDR-Geschichte oder die DDRAufarbeitung in unseren Schulbüchern oder in unseren Schulklassen ungenügend ist, dann ist es
doch insbesondere eine Aufgabe des Kultusministers, dafür Sorge zu tragen, dass hier das Geschichtsbild geändert wird.
Ich möchte ein weiteres, ganz wichtiges Argument anmerken. Wenn Sie sagen, die Politikkenntnisse über die DDR-Geschichte seien in Niedersachsen ungenügend, dann müssen Sie sich fragen lassen: Warum haben Sie eine so wichtige Institution wie die Landeszentrale für politische Bildung abgewickelt und aufgelöst oder jedenfalls geschlossen?
Das Letzte, was ich sagen will: Es ist nicht in Ordnung, finde ich, wenn in einem so wichtigen Antrag das ganze Thema „DDR-Geschichte, Diktatur des Kommunismus“ mit ziemlich viel Wahlgetöse vermengt wird. Warum arbeiten Sie sich so stark daran ab, was Gerhard Schröder zu diesen Fragen vor 20 Jahren gesagt hat? - Vielleicht war es nicht richtig; das mag sein.
Aber es gab auch auf Ihrer Seite eine - -
Ich will keine Aufrechnung in dieser Frage. Aber auch Sie sind doch da nicht frei von Schuld. Es hat damals Kredite für die DDR von Franz Josef Strauß gegeben.
Herr Präsident, ich will nur abschließend sagen - -
Herr Eppers, ich habe in meiner Rede versucht - vielleicht ist das tatsächlich nicht ganz gut gelungen; das will ich gerne zugestehen -, das Thema ernst zu behandeln. Was mich aber stört, ist diese Aufrechnungspolitik - damit kommen wir überhaupt nicht weiter -, die Vorwurfskultur, die teilweise doch durch die Rede von Herrn Althusmann durchgekommen ist. Ich kann auch der CDU eine ganze Menge vorwerfen, z. B. was sie damals alles in der Ostpolitik falsch gemacht hat, wie sie sich gegen die neue Ostpolitik von Brandt abgearbeitet hat oder die Kredite, die Franz Josef Strauß der DDR gegeben hat und die lange Zeit das Überleben der DDR verlängert haben. Damit kommen wir doch gar nicht weiter, mit diesen Vorwurfsritualen, mit diesen Schuldvorwürfen:
„Sie haben damals doch den Sozialismus doch irgendwie verteidigt“ usw. - Das ist eben einer solchen Debatte nicht angemessen. Wenn wir wirklich zu der Meinung kommen, die DDR-Diktatur wird nicht vernünftig aufgearbeitet, dann - kein Problem - wollen wir das hier diskutieren: sachlich, vernünftig, seriös. - Wir könnten sagen: Wir stellen beim MWK mehr Mittel ein. Wir richten eine Gedenkstätte in Niedersachsen ein, um den Verstorbenen an der innerdeutschen Grenze ein vernünftiges Gedenken zuteilwerden zu lassen. - Damit habe ich überhaupt kein Problem.
Was ich kritisiert habe, war die Form Ihres Vortrages, nicht die Fakten. Dabei bleibe ich auch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Je länger ich in diesem Landtag Rechtspolitik mache, das muss ich klar und deutlich sagen, umso weniger verstehe ich das Selbstverständnis der Justizministerin in Bezug auf die dritte Gewalt. Frau Ministerin, Sie haben sich ja eigentlich von Anfang an ziemlich stark an der Rechtsprechung abgearbeitet: Schon kurz nach Amtsantritt haben wir zu hören bekommen, dass die Justiz eine große Reform braucht, eine ganz große rechtspolitische Megareform. Das haben Sie verkündet, ohne mit den Betroffenen den Diskurs oder Dialog zu suchen. Sie haben das sehr schnell nach Amtsantritt verkündet und die Reform vom Zaun gebrochen. Die angeblich so opulente und schwergewichtige Justiz - -
- Das hat etwas mit der Sache zu tun, mein lieber Kollege. Blöken Sie nicht immer dazwischen, sondern hören Sie mir vernünftig bis zum Ende zu.
Die Justizreform hat sehr wohl etwas mit dieser Debatte zu tun. Sie wollen ja die Fachgerichtsbarkeit in einem Gebäude unterbringen, weil Sie diese