Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 108. Sitzung im 37. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode.
Zur Tagesordnung möchte ich Ihnen mitteilen, dass wir die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 17 - Dringliche Anfragen - beginnen. Dann folgen Punkt 18 - Mündliche Anfragen - und die Fortsetzung von Punkt 3 - Eingaben. Anschließend kommen wir zu den Abstimmungen im Rahmen der Haushaltsberatung. Danach erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung. Die Fraktionen sind im Übrigen übereingekommen, dass die Tagesordnungspunkte 30 und 31 lediglich zum Zwecke der Ausschussüberweisung aufgerufen werden sollen. Das heißt, dass die heutige Sitzung gegen 18.25 Uhr enden wird.
Es haben sich entschuldigt: von der Fraktion der CDU Frau Hansen und Herr Höttcher, von der Fraktion der SPD Frau Bührmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben in der 145. Sitzung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen am 29. November über die Veräußerung der Domäne Heidbrink im Landkreis Holzminden, Drucksache 15/3325, gesprochen. Es blieben Fragen offen. Seinerzeit wurde von einem Kollegen aus der CDU der Hinweis gegeben, wenn die Fragen nicht ausreichend beantwortet seien, könne man die Sache noch einmal im Haushaltsausschuss besprechen.
Wir haben jetzt mit Datum vom 3. Dezember eine zusätzliche Information des Landwirtschaftsministeriums bekommen, die für uns aber nicht ausreichend ist. Deswegen bitten wir, dass dieser Punkt in den Haushaltsausschuss zurücküberwiesen wird und dass sich damit auch der Landwirtschaftsausschuss und auch der Umweltausschuss beschäftigen. - Vielen Dank.
Danke schön. - Ebenfalls zur Geschäftsordnung spricht Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützt diesen Antrag. Es gibt im Zusammenhang mit der Verkaufsabsicht noch sehr viele offene Fragen, die sehr gründlich geklärt werden sollten, ehe sich das Land leichtfertig von Vermögen trennt. Deswegen kann das ruhig in den Haushaltsausschuss zurücküberwiesen werden.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorgestern in der Haushaltsdebatte hat die Opposition reklamiert, dass der Verkauf von Domänen zu schleppend vorangehe.
haltsausschuss sehr intensiv und umfangreich besprochen. Es gab noch weitere Informationen. Für uns sind keine Fragen offen geblieben. Fragen der SPD-Fraktion können vom Landwirtschaftsministerium gegebenenfalls auf schriftlichem Wege beantwortet werden. Wir wollen, um an unserem Konsolidierungskurs festzuhalten, diesen Verkauf jetzt so umsetzen. Von daher müssen wir Ihren Antrag leider ablehnen. - Vielen Dank.
Ich lasse jetzt über den Antrag des Herrn Kollegen Möhrmann abstimmen, den Tagesordnungspunkt 27 - Veräußerung der Domäne Heidbrink - heute nicht zu beraten, sondern in den Ausschuss zurückzuüberweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist abgelehnt.
Es liegen zwei Dringliche Anfragen vor, nämlich erstens „Auf dem Weg in den Verwahrvollzug Sind Sicherheit und Resozialisierung in niedersächsischen Justizvollzugsanstalten akut gefährdet?“, eine Anfrage der Fraktion der SPD in der Drucksache 3392, und zweitens „Politische Konsequenzen aus dem Amoklauf von Emsdetten“, eine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 3394.
a) Auf dem Weg in den Verwahrvollzug Sind Sicherheit und Resozialisierung in niedersächsischen Justizvollzugsanstalten akut gefährdet? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 15/3392
Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Voigtländer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Voigtländer!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Morgen des 11. November 2006 wurden in der nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalt Siegburg Einzelheiten eines Verbrechens bekannt, das der zuständige Oberstaatsanwalt als „absolut barbarische Brutalität“ bezeichnete. Die ermittelnde Staatsanwaltschaft hält es für denkbar, dass die drei Häftlinge ihren 20-jährigen Zellengenossen quälten und zum Selbstmord zwangen, um vorzeitig entlassen zu werden, weil sie traumatisiert seien. Im Anschluss an diese Tat wurden Vorwürfe laut, dass die Stationen in der JVA nicht ausreichend personell besetzt waren. Es mehren sich die Stimmen derer, die angesichts derartiger Vorfälle darauf hinweisen, dass in den JVAs klare Regeln, strikte Kontrolle, viel Unterstützung und nachts keine Verwahrung in einer Viermannzelle wie in Siegburg, sondern in Einzelzellen erforderlich seien. Das habe nichts mit „Kuschelvollzug“ zu tun, sondern mit Gewaltprävention.
Auch in niedersächsischen Gefängnissen ist es gängige Praxis, dass häufig nur mit einem Beamten pro Schicht und Haus Dienst geleistet werden kann. Zeitungsmeldungen vom 4. Dezember 2006 ist zu entnehmen, dass sich in der Uelzener JVA am Wochenende ein Gefangener das Leben genommen hat, obwohl er extra wegen besonders hoher Suizidgefahr aus Stade in die Uelzener Anstalt verlegt worden war. Der 27 Jahre alte Gefangene sei über einen Zeitraum von elf Stunden nicht kontrolliert worden, berichtet die Allgemeine Zeitung Uelzen. Der Mann war um 21 Uhr eingeschlossen und um 8 Uhr am folgenden Morgen tot aufgefunden worden. Nach diesem Todesfall hat eine Diskussion über die Belastung des Gefängnispersonals begonnen. Die Bediensteten beklagen, dass die Hafthäuser in Uelzen mit zu wenig Personal ausgestattet seien. Auch aus anderen niedersächsischen JVAs mehren sich die Beschwerden über fehlendes Personal.
Doch nicht nur die Personalsituation in den JVAs wird äußerst kritisch gesehen. Auch die der Öffentlichkeit vorgestellten Eckpunkte der Justizministerin für ein niedersächsisches Strafvollzugsgesetz lassen nach Ansicht von Vollzugspraktikern, Kriminologen und Strafrechtswissenschaftlern eine inhaltliche Abkehr vom Resozialisierungsvollzug hin zu einem bloßen Verwahrvollzug befürchten.
1. Wie hoch war bzw. ist der Personalbestand in der JVA Uelzen sowie in den übrigen niedersächsischen Justizvollzugsanstalten in den Jahren 2002 bis 2006 - ohne Berücksichtigung der bereits im Hinblick auf die bevorstehende Eröffnung der JVA Rosdorf eingestellten Personen und ohne Berücksichtigung des Personals in den Sozialtherapien -, und inwieweit hat sich die Belastung für das in den JVAs eingesetzte Personal in diesem Zeitraum verändert?
2. Wie viel Personal, das ursprünglich zur Aufrechterhaltung der Sicherheit und zur Behandlung der Gefangenen in deren Unterkünften arbeitete, wird in den niedersächsischen Vollzugsanstalten zahlenmäßig und prozentual durch die Einführung und Ausweitung der sogenannten neuen Steuerungsmodelle - Controlling, Leistungsorientierte Haushaltsführung Niedersachsens, Kosten- und Leistungsrechnung - gebunden, und wie viel Personal wird in den einzelnen Hafthäusern des Nachts eingesetzt?
3. Wie sollen nach Ansicht der Landesregierung in den niedersächsischen Justizvollzugsanstalten der vom Bundesverfassungsgericht festgeschriebene Resozialisierungsauftrag und die Anforderungen nach dem „Einheitlichen niedersächsischen Vollzugskonzept“ künftig erfüllt werden, wenn durch die Anhäufung von Verwaltungsarbeiten, die Ausdünnung des AVD im Schichtdienst, durch deren Abzug in die Verwaltung und durch weitere Personalausdünnungen die Zahl derer kontinuierlich dezimiert wird, die noch mit den Gefangenen arbeiten, und inwieweit ist zu befürchten, dass das neue niedersächsische Strafvollzugsgesetz zu einer weiteren Verschiebung hin zu einem bloßen Verwahrvollzug führen wird?
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Justizvollzugs übernehmen in einem sehr hohen Maße Verantwortung. Sie übernehmen Verantwortung für die Sicherheit in unserem Land, Verantwortung für die soziale Integration der Gefangenen, aber auch Verantwortung für die Menschen, die sie für die Zeit des Freiheitsentzuges betreuen.
Die niedersächsischen Justizvollzugsbediensteten - dies möchte ich besonders betonen - erfüllen ihre vielfältigen Aufgaben sehr gut. Dennoch - trotz aller Bemühungen; das möchte ich hier klar und offen bekennen - werden sich Suizide nie gänzlich verhindern lassen. Das ist tragisch und macht betroffen. Aber diese Erkenntnis, meine Damen und Herren, gilt so, wie sie für den Strafvollzug gilt, genauso für das Leben außerhalb der Strafanstalten.
Im niedersächsischen Vollzug liegt die Zahl der Suizide seit Jahrzehnten bei durchschnittlich acht pro Jahr. Die Suizidraten sind mit denen in anderen Bundesländern vergleichbar. Nach einer Länderumfrage aus diesem Jahr gibt es in keinem Land auffällige Entwicklungen. Es gibt geringe Schwankungen in den Zahlen; sie liegen aber im Bereich der Zufälligkeit.
Aus den Statistiken sind keine handlungsleitenden Muster erkennbar. Wichtiger, als Zahlen zu vergleichen, ist - wie in diesem Fall - aber die sehr sorgfältige Analyse jedes Einzelfalls. Genau das tun wir und das seit Jahren. Die Anstalten berichten grundsätzlich über Suizide, auch über ernst zu nehmende Suizidversuche. Wir analysieren und bewerten diese Berichte.
Diese Vorkommnisse werden von niedersächsischen Vollzugsexperten wissenschaftlich analysiert und die Ergebnisse werden auch veröffentlicht.
Aus diesen Analysen leiten wir Empfehlungen für die Vollzugspraxis ab; sie münden in Curricula für die Aus- und für die Fortbildung der Justizvollzugsbediensteten. Unter anderem sind die Anstalten verpflichtet, noch am Zugangstag, also an dem Tag, an dem der Gefangene ins Gefängnis kommt, ein erstes ausführliches Gespräch mit dem Gegangenen zu führen, um einschätzen zu können, ob Suizidgefahr vorliegt. Diese bewährte Praxis hat auch Niederschlag in dem am Dienstag von mir vorgestellten Entwurf für ein Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz gefunden. Es ist dort expressis verbis festgelegt.
Der niedersächsische Vollzug engagiert sich zudem in einem nationalen Suizidpräventionsprogramm. Wir - d. h. in diesem Zusammenhang: der Kriminologische Dienst - werten hierfür alle Suizidfälle aus, die sich bundesweit in den Justizvollzugsanstalten ereignen.
Meine Damen und Herren, diese Initiative geht von Niedersachsen aus, und Niedersachsen, der Kriminologische Dienst, untersucht alle Suizidfälle in allen Bundesländern, um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. Das machen wir seit diesem Jahr.