Protocol of the Session on January 25, 2007

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 110. Sitzung des 38. Tagungsabschnitts des Niedersächsischen Landtags der 15. Wahlperiode.

Zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 15 - Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort, mit der Ergänzung, dass der gestern Abend zurückgestellte Tagesordnungspunkt 14 heute Mittag nach Tagesordnungspunkt 20 behandelt werden soll. Die heutige Sitzung soll gegen 19.30 Uhr enden.

In der Portikushalle wird mit Beginn der Mittagspause die Big Band der IGS Fürstenau eine kurze musikalische Darbietung vortragen. Ich empfehle diese Veranstaltung Ihrer Aufmerksamkeit.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Guten Morgen! Für heute haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Frau Mundlos, von der Fraktion der SPD Frau Wörner-Zimmermann und von der Fraktion der FDP Herr Hans-Werner Schwarz ab 13 Uhr.

Meine Damen und Herren, ich stelle zunächst die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 15: Dringliche Anfragen

Es liegen drei dringliche Anfragen vor. Ich rufe auf

a) Wie will der Kultusminister den Anteil der Schulabgängerinnen und Schulabgänger halbieren, die die Schule ohne Abschluss verlassen? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3483

Die Dringliche Anfrage wird von der Abgeordneten Korter eingebracht. Frau Korter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 8,9 % aller Schulabgängerinnen und Schulabgänger haben der niedersächsischen Schulstatistik zufolge am Ende des Schuljahres 2004/2005 die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen. Diese Schülerinnen und Schüler haben nur sehr geringe Chancen, im Anschluss eine Ausbildung zu beginnen, die zu einem Berufsabschluss führt. Es ist deshalb dringend notwendig, die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Schulabschluss drastisch zu reduzieren.

Nach der Anregung der Bundesbildungsministerin Annette Schavan, eine Bund-Länder-Initiative zur Senkung der Zahlen der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss ins Leben zu rufen, hat offensichtlich auch Kultusminister Busemann erkannt, dass in diesem Bereich für Niedersachsen Handlungsbedarf besteht.

Zu Beginn des Jahres hat er deshalb angekündigt, innerhalb der kommenden fünf Jahre die Zahl der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss zu halbieren.

In der Antwort vom 21. Oktober 2003 auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Bessere Lernergebnisse durch individuelle Förderung in Kindergarten und Schule“ hatte die Landesregierung auf die Frage: „Welche Quote der Jugendlichen, die die Schule ohne Abschluss verlässt, strebt die Landesregierung bis 2008 an?“ noch geantwortet: „Allerdings setzt sich die Landesregierung keine statistischen ‚Planvorgaben’, erstellt keine ‚Fünf- oder Zehnjahrespläne’ zur Verbesserung der Unterrichtsqualität und des Lernerfolges der Schülerinnen und Schüler.“ In der Antwort vom 17. August 2005 auf die Große Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen „Demografische Entwicklung - Herausforderung für die Schulpolitik“ hatte die Landesregierung dann erklärt, sie gehe von einer Schulabgängerquote ohne Abschluss von 7 % im Jahr 2020 aus.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welcher prozentuale Anteil der Schulabgängerinnen und Schulabgänger in Niedersachsen a) der Schulen des gegliederten Schulwesens (Haupt- schulen, Realschulen, Gymnasien und Förder- schulen) zusammengenommen, b) der Integrierten Gesamtschulen, c) der Kooperativen Gesamtschulen, d) des Hauptschulzweiges der Kooperativen Gesamtschulen, e) der Hauptschulen und f) der Förderschulen mit dem Schwerpunkt Lernen hat am Ende des Schuljahres 2004/2005 die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen?

2. Wie hat sich in den vergangenen zehn Jahren der prozentuale Anteil a) der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Abschluss, b) der Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit Abschluss der Förderschule Lernen und c) der Schulabgängerinnen und Schulabgänger mit einem Hauptschulabschluss entwickelt, die anschließend eine zu einem Berufsabschluss führende Ausbildungsstelle gefunden haben?

3. Welche finanziellen Mittel und weiteren Ressourcen wird die Landesregierung über das zeitlich befristete Gemeinschaftsprojekt „Abschlussquote erhöhen, Berufsfähigkeit steigern“ hinaus für Maßnahmen der Schulen bereitstellen, mit denen der Anteil der Schulabsolventinnen und -absolventen ohne Abschluss in den kommenden fünf Jahren mindestens halbiert werden kann?

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Busemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für diese Landesregierung gilt nach wie vor der Grundsatz: Keiner soll verloren gehen. Unsere Kinder und Jugendlichen sollen die bestmögliche Förderung erhalten, um entsprechend ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten optimal für den Einstieg in das Berufsleben und ihren weiteren Lebensweg gerüstet zu sein.

Die schul- und bildungspolitischen Reformmaßnahmen der Landesregierung dienen dieser Zielsetzung. Ich freue mich deshalb ganz besonders, dass erste Erfolge schon messbar sind. So ist die Quote der Schulabgängerinnen und Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss in dieser Legislaturperiode kontinuierlich von 10,5 % auf nunmehr

knapp unter 8,9 % gesunken. Auf diesen Lorbeeren will sich die Landesregierung aber nicht ausruhen. Wir wollen diese Quote weiter verringern und deshalb gerade die besonders förderbedürftigen Jugendlichen in ihrer Qualifikation und ihrer Ausbildungsfähigkeit weiter nachdrücklich stärken.

Damit fangen wir früh an. Weil die sichere Beherrschung der deutschen Sprache Grundvoraussetzung schulischen Erfolgs ist, investieren wir jährlich rund 20 Millionen Euro in die vorschulische Sprachförderung - mit nachweisbarem Erfolg. Insgesamt sind es jährlich über 50 Millionen Euro, die wir für Sprachförderung in den allgemeinbildenden Schulen investieren.

Wir investieren in das Programm „Das letzte Kindergartenjahr als Brücke zur Grundschule“ von 2007 bis 2011 insgesamt 20 Millionen Euro, um die gute Zusammenarbeit zwischen Kindertagesstätten und Grundschulen weiter zu optimieren und gezielte Förder- und Bildungsmaßnahmen durchzuführen.

Wir setzen verstärkt auf individuelle Förderung. Mit Beginn des Schuljahres 2006/2007 wurde anknüpfend an die Kindertagesstätten mit der Dokumentation der individuellen Lernentwicklung in den ersten und fünften Klassen begonnen.

Besondere Anstrengungen unternehmen wir auch im Bereich der sonderpädagogischen Förderung sowohl in den Förderschulen als auch in allen allgemeinen Schulen. Ich darf Ihnen an dieser Stelle einige Zahlen zur quantitativen Entwicklung der sonderpädagogischen Förderung nennen:

Die Zahl der Lehrerstellen an den Förderschulen wurde seit 2002 um 220 auf 4.075 gesteigert, das ist eine Zunahme um fast 6 %.

Neu eingestellt wurden an den Förderschulen seit 2003 insgesamt 943 Lehrkräfte.

Die Zahl der Stellen für Pädagogische Mitarbeiter nahm um über 100 auf 737 zu; das ist ein Anstieg um 17 %.

Die rechnerische Unterrichtsversorgung verbesserte sich seit 2003 um vier Prozentpunkte auf jetzt 99 %.

Für die sonderpädagogische Förderung in den allgemeinen Schulen werden 2006 insgesamt 600 Stunden mehr als 2003 zur Verfügung gestellt.

Es wurden seit 2003 25 neue Regionale Konzepte eingerichtet und über 30 vorhandene Regionalkonzepte erweitert.

Und schließlich hat die Landesregierung einen besonderen Schwerpunkt bei der Förderung der Hauptschülerinnen und Hauptschüler und bei der Stärkung der Schulform Hauptschule gesetzt:

Hauptschulen werden bevorzugt bei der Genehmigung als Ganztagsschule. Über 50 % der Ganztagsschulen sind Hauptschulen.

Die Hauptschulen werden vorrangig bei der Durchführung berufsorientierender Maßnahmen von sozialpädagogischen Fachkräften unterstützt.

Der schulgesetzliche Schwerpunkt der Berufsorientierung wird durch die Einführung von Betriebsoder Praxistagen in den Schuljahrgängen 8 und 9 von insgesamt mindestens 60 und höchstens 80 Tagen gestärkt.

Die Pflichtstundenzahl in der Hauptschule wurde erhöht. Durchgängig werden in den Kernfächern Deutsch und Mathematik jeweils fünf Wochenstunden erteilt.

Die Erhöhung der Pflichtstundenzahl, die Senkung der Schülerhöchstzahl und die Einstellung zusätzlicher Lehrkräfte haben bewirkt, dass jetzt im Durchschnitt jeder Klasse wöchentlich 34,8 Unterrichtsstunden zur Verfügung stehen. Das ist wöchentlich eine Stunde mehr als bei der Vorgängerregierung.

Hinzu kommen die für alle allgemeinbildenden Schulen umgesetzten oder angebahnten Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung wie Umsetzung der Bildungsstandards in Kerncurricula, Einführung von Vergleichsarbeiten und Abschlussprüfungen, die regelmäßige Schulinspektion sowie die Einführung der Eigenverantwortlichen Schule.

Einen weiteren Erfolg versprechenden Ansatz zur Reduzierung des Anteils der Schülerinnen und Schülern, die unsere Schulen ohne Abschluss verlassen und nicht berufausbildungsfähig sind, bietet das bundesweit einzigartige Gemeinschaftsprojekt der Niedersächsischen Landesregierung und der Bundesagentur für Arbeit „Abschlussquote erhöhen, Berufsfähigkeit steigern“, das mit Beginn des 2. Schulhalbjahres 2006/07 unter Beteiligung von 92 Hauptschulen und Förderschulen flächendeckend an 24 Schulstandorten in Niedersachsen startet.

Vergessen wird auch immer wieder, dass gerade die berufsbildenden Schulen weiter qualifizieren und alle Schulabschlüsse vergeben. Speziell für Jugendliche, denen es nicht gelungen ist, einen Schulabschluss an einer allgemeinbildenden Schule zu erlangen, haben wir im Bereich der beruflichen Bildung zum Schuljahresbeginn die Berufseinstiegsklassen (BEK) eingeführt.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass Schülerinnen und Schüler, die ohne Schulabschluss einer allgemeinbildenden Schule eine berufliche Ausbildung erfolgreich beenden, damit gleichzeitig den Sekundarabschluss I - Realschulabschluss - erwerben.

Alle aufgezeigten Maßnahmen zielen darauf ab, die Anzahl der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss weiter nachhaltig zu verringern. Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Landesregierung auf dem richtigen Weg ist und ihn konsequent fortsetzen wird.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu Frage 1: Gemäß der Vereinbarung der KMK werden bei der Quote ohne Hauptschulabschluss auch die Schülerinnen und Schüler gezählt, die den Abschluss der Förderschule Lernen erhalten haben, weil die Anforderungen geringer sind als beim Hauptschulabschluss. Ebenfalls mitgezählt werden die Abgängerinnen und Abgänger der Förderschule geistige Entwicklung, die keinen Abschluss erreichen können.

In der Erhebung der Schulstatistik vom September 2006 wurden vor diesem Hintergrund folgende Schulabgänger und Schulabgängerinnen am Ende des Schuljahres 2004/05 ohne Hauptschulabschluss bezogen auf den gesamten Jahrgang an den öffentlichen Schulen und Schulen in freier Trägerschaft prozentual ermittelt:

Zu den Buchstaben a), e) und f). Förderschule: 4,2 %, davon Förderschule Lernen: 3,5 %, Hauptschule: 4 %, Realschule: 0,3 %, Gymnasium: 0%.

Zu den Buchstaben b), c) und d). Gesamtschulen: 0,3 %, davon IGS: 0,1 %, KGS: 0,2 %, Hauptschulzweig an der KGS entsprechend.

Zu Frage 2: Statistisch erfassbar sind die Schülerinnen und Schüler mit einem dualen Ausbildungsplatz, die aus allgemeinbildenden Schulen als