Protocol of the Session on May 27, 2004

(CDU) Vizepräsident Ulrich B i e l (SPD) Vizepräsidentin Silva S e e l e r (SPD) Vizepräsidentin Astrid V o c k e r t (CDU) Schriftführer Lothar K o c h (CDU) Schriftführerin Georgia L a n g h a n s (GRÜNE) Schriftführer Wolfgang O n t i j d (CDU) Schriftführerin Christina P h i l i p p s (CDU) Schriftführer Friedrich P ö r t n e r (CDU) Schriftführerin Isolde S a a l m a n n (SPD) Schriftführerin Bernadette S c h u s t e r - B a r k a u (SPD) Schriftführerin Brigitte S o m f l e t h (SPD) Schriftführerin Irmgard V o g e l s a n g (CDU) Schriftführerin Anneliese Z a c h o w (CDU)

Auf der Regierungsbank:

Ministerpräsident Staatssekretärin Dr. Gabriele W u r z e l , Christian W u l f f (CDU) Staatskanzlei

Minister für Inneres und Sport Uwe S c h ü n e m a n n (CDU) Staatssekretär Wolfgang M e y e r d i n g , Niedersächsisches Ministerium für Inneres und Sport

Finanzminister Hartmut M ö l l r i n g (CDU)

Ministerin für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Dr. Ursula von der L e y e n (CDU)

Staatssekretär Gerd H o o f e , Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Kultusminister Staatssekretär Hartmut S a a g e r , Bernd B u s e m a n n (CDU) Niedersächsisches Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Walter H i r c h e (FDP)

Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Staatssekretär Gert L i n d e m a n n Niedersächsisches Ministerium für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Justizministerin Elisabeth H e i s t e r - N e u m a n n

Minister für Wissenschaft und Kultur Lutz S t r a t m a n n (CDU)

Umweltminister Hans-Heinrich S a n d e r (FDP)

Beginn: 9 Uhr

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 35. Sitzung im 13. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode.

Geburtstag hat heute die Abgeordnete Frau Weyberg. Frau Weyberg, wir gratulieren Ihnen ganz herzlich.

(Beifall)

Zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 15 - Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.

Die heutige Sitzung soll gegen 19.25 Uhr enden.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung der Finanzminister, Herr Möllring, von der Fraktion der CDU Herr Albrecht und Herr Bäumer, von der Fraktion der SPD Herr Oppermann und Frau Dr. Trauernicht und von der Fraktion der FDP Frau Kuhlo und Frau Meißner.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 15: Dringliche Anfragen

Ich rufe auf

a) Was unternimmt die Landesregierung gegen die Gefahren des Rechtsextremismus? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 15/1060

Die Dringliche Anfrage wird eingebracht von der Abgeordneten Frau Seeler.

Der vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport vorgelegte Verfassungsschutzbericht 2003 warnt vor den Gefahren durch rechtsextremistische Jugendgruppen. Der Niedersächsische Landtag hat am 29. April 2004 den gemeinsamen Antrag „Ausländerfeindlichkeit und Gewalt verurteilen - Integration fördern“ von den Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einstimmig verabschiedet.

Zeitgleich sperrt das Kultusministerium mit einem Erlass vom 30. April 2004 den Titel für die „Zuschüsse an Sonstige im Rahmen des Aktionsbündnisses gegen Rechts“. Während im Haushaltsjahr 2003 für Projekte gegen Rechtsextremismus noch 682 000 Euro zur Verfügung standen, wurde der Ansatz bei diesem Titel im Haushaltsjahr 2004 bereits auf 362 000 Euro halbiert. Von dem Ansatz für 2004 sind bislang nur 43 000 Euro freigegeben worden, davon 32 000 Euro für das Jugendcamp in Bergen-Belsen.

Durch die Sperrung der Mittel von rund 320 000 Euro können jetzt keine Projekte gegen Rechts mehr finanziert werden. Bis Anfang Mai waren 72 Anträge für Projekte gegen Rechtsextremismus bei der Landeszentrale für politische Bildung mit einem Finanzvolumen von 210 000 Euro eingegangen. 33 dieser Projekte wollten weniger als 50 % Zuschuss, der Rest der Kosten sollte von Kirchen, Vereinen und Verbänden sowie Sponsoren privat und ehrenamtlich finanziert werden.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. In welcher Höhe konnten Finanzmittel in den Jahren 2002, 2003 und 2004 durch die Kofinanzierung der Landesmittel mobilisiert werden?

2. Wie bringt die Landesregierung die Sperrungen der im Haushalt 2004 vorgesehenen Mittel in Höhe von rund 320 000 Euro in Einklang mit dem einstimmig verabschiedeten Antrag „Ausländerfeindlichkeit und Gewalt verurteilen - Integration för

dern“ mit der Warnung vor rechtsextremistischen Jugendgruppen im Verfassungsschutzbericht?

3. Welche anderen Maßnahmen plant die Landesregierung gegen die im Verfassungsschutzbericht 2003 auf Seite 21 genannte „latente und damit unkalkulierbare Gewaltbereitschaft rechtsextremistisch geprägter Jugendlicher“?

(Beifall bei der SPD)

Für die Landesregierung antwortet Minister Busemann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bildungs- und Erziehungsarbeit, die täglich von rund 81 000 Lehrerinnen und Lehrern in unseren Schulen geleistet wird, gehört zu den wichtigsten präventiven Anstrengungen dieses Landes gegen politischen Extremismus jeder Art. Diese Arbeit ist nicht in erster Linie auf Abwehr von Gefahren aus welchem Lager politischer Verirrung auch immer ausgerichtet, sondern positiv auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten sowie von Wertmaßstäben, die Urteilsfähigkeit überhaupt erst ermöglichen. Dieser Bildungsauftrag, Kenntnisse demokratischer Herrschaftsformen zu vermitteln, Achtung der Menschenrechte, Toleranz und Aufgeschlossenheit gegenüber Fremden und Fremdem zu fördern, ist im Schulgesetz verankert; er wird durch die Organisationserlasse der Schulformen und durch die Lehrpläne der Unterrichtsfächer stufenweise konkretisiert und in der schulischen Praxis umgesetzt.

Ein wichtiger Bereich des Bildungsauftrages bezieht sich auf die historisch-politische Bildung. Diese ist nicht auf ein Fach beschränkt. Sie beginnt bereits in der Grundschule bei der Vermittlung von Normen und Werten des Zusammenlebens im täglichen Unterricht. In den weiterführenden Schulen wird diese Bildungsarbeit besonders in den Fächern Deutsch, Geschichte, Erdkunde, Politik, Religion und Werte und Normen fortgeführt.

Über den unterrichtlichen Bereich hinaus ist auf folgende weitere Maßnahmen zu verweisen:

Das Präventions- und Integrationsprogramm (PRINT) , das in sozialen Brennpunkten an 46 Standorten in Niedersachsen angeboten wird, meistens unter Beteiligung mehrerer Schulen.

Bei diesem Programm, das zum größten Teil aus Landesmitteln und aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds finanziert wird, geht es darum, gefährdete Jugendliche in Vereine zu integrieren oder ihnen den Übergang von der Schule in den Beruf zu ermöglichen bzw. ihnen gesellschaftliche Teilhabe zu eröffnen. Dieses Programm hat einen ausgezeichneten Ruf bei den Kommunen. Es läuft noch bis 2006.

Die Landeszentrale für politische Bildung setzt sich für jedes Jahr einige Schwerpunktthemen. Im Jahre 2001 war eines dieser Themen der Rechtsextremismus. Dazu hat die Landeszentrale in ihrer Reihe „Aktuell und informativ“ zwei Hefte mit Unterrichtsmaterial bzw. Hintergrundinformationen für Lehrkräfte herausgebracht, die weiterhin im Internet zum Herunterladen verfügbar sind. Die Themen für das Jahr 2004, die das Kuratorium bestätigt hat, haben andere Schwerpunkte. Dennoch gibt es eine Reihe von Veranstaltungen der Landeszentrale, die der Prävention gegen politischen Extremismus gewidmet sind.

Die Landesregierung fördert die Gedenkstättenarbeit im Lande, insbesondere die pädagogischen Angebote in den Gedenkstätten Bergen-Belsen und JVA Wolfenbüttel. Allein in Bergen-Belsen werden auch in diesem Jahr weit mehr als 1 000 Schulklassen und Jugendgruppen in fachlich versierten Führungen betreut. Ferner werden mehr als 50 Veranstaltungen zu Ursachen und Folgen von rassistischen, speziell antisemitischen Einstellungen durchgeführt. Im April fand zum zehnten Mal das internationale Jugendworkcamp in Bergen-Belsen statt, finanziert von der Landesregierung. Es gibt eine enge Zusammenarbeit der Gedenkstätte mit dem Anne-FrankHaus in Oldau bei der Durchführung von zahlreichen weiteren Workcamps für Jugendliche. Im Juni kommt Professor Yehuda Blum, Überlebender von Bergen-Belsen und früherer UNO-Botschafter Israels, nach Niedersachsen, um Vorträge in unseren Schulen zu halten.

Die Aktion „Schule gegen Rassismus“ wird fortgeführt, betreut von der Landeszentrale für politische Bildung.

Die Landesregierung fördert darüber hinaus die in Vereinsträgerschaft befindlichen regionalen Gedenkstätten in Papenburg, SalzgitterDrütte, Moringen, Sandbostel sowie zahlreiche

weitere Initiativen im Lande, die ihrerseits wertvolle pädagogische Arbeit leisten.

Die Landesregierung steht angesichts der schwierigen Haushaltslage vor der Notwendigkeit, Einsparauflagen umzusetzen. So gibt der Haushaltsführungserlass nur 80 % der eingeplanten Mittel frei.

Diese Einsparverpflichtungen betreffen auch das Kultusministerium, das jedoch bei fast ausschließlich Personalmitteln nur sehr wenig Spielraum hat. Im Fall der Landeszentrale für politische Bildung gab es nur die Möglichkeit, die Sondermittel gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit zu sperren. Das bedeutet aber nicht, dass sie gestrichen sind. Andernfalls wäre die Kernaufgabe betroffen, nämlich eigene Veranstaltungen bzw. Veranstaltungen in Kooperation mit Partnern. Das wäre nicht vertretbar. Hinzu kommt, dass es sich bei den Zuwendungen für Initiativen gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit ganz überwiegend um Kleinstförderung unter 2 500 Euro handelt. Diese Art der Zuwendungen im Bagatellbereich soll im Jahr 2005 ohnehin entfallen.

Die Aufklärung über die Gefahren des Rechtsextremismus und seine Bekämpfung ist aber nicht allein Aufgabe der Landeszentrale für politische Bildung und der Schulen. Dazu trägt ein ganzes Bündel von Maßnahmen bei.