Protocol of the Session on April 2, 2003

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 3. Sitzung im zweiten Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode. Ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 21. Januar 2003 starb im Alter von 78 Jahren der ehemalige Landtagsabgeordnete Bruno Schmidt. Herr Schmidt gehörte dem Landtag von der 6. bis zur 9. Wahlperiode als Mitglied der CDU-Fraktion an. In dieser Zeit war er in verschiedenen Ausschüssen und in der 8. und 9. Wahlperiode als Mitglied im Ältestenrat tätig.

Für seine Verdienste wurden Herrn Schmidt das Verdienstkreuz am Bande und das Verdienstkreuz Erster Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und das Verdienstkreuz Erster Klasse des Niedersächsischen Verdienstordens verliehen.

Wir werden Herrn Schmidt in guter Erinnerung behalten. - Ich danke Ihnen.

Meine Damen und Herren, unzweifelhaft kann ich an dieser Stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.

Die Einladung und die Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen gedruckt vor. Wie Ihnen aus der Drucksache 83 bekannt ist, hat der Herr Finanzminister mitgeteilt, dass er beabsichtigt, zu Beginn der heutigen Sitzung eine finanzpolitische Regierungserklärung abzugeben. Für die anschließende Besprechung schlage ich folgende Redezeiten vor: CDU-Fraktion und SPD-Fraktion jeweils bis zu 40 Minuten, FDP-Fraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen jeweils bis zu 20 Minuten.

Für die dann folgende Aktuelle Stunde liegen vier Beratungsgegenstände vor. Das ist Ihnen auch bekannt. Ferner liegen zwei Dringliche Anfragen vor, die morgen früh beantwortet werden sollen.

Im Ältestenrat sind für die Beratung einzelner Punkte bestimmte Redezeiten gemäß § 71 unserer Geschäftsordnung vereinbart worden. Diese pauschalen Redezeiten sind den Fraktionen und den Abgeordneten bekannt. Sie werden nach dem im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssel aufge

teilt. Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind und darüber nicht mehr bei jedem Punkt abgestimmt wird. - Das ist so.

Zur Geschäftsordnung hat sich Frau Kollegin Harms gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beantrage für meine Fraktion nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 der Geschäftsordnung, dass wir die Tagesordnung dieser Plenarsitzung erweitern. Angesichts der Entwicklung des Krieges im Irak, angesichts der politischen Debatten in der Bundesrepublik und angesichts der wachsenden Proteste in der Bundesrepublik und weltweit gegen diesen Krieg halten wir es für notwendig, eine Beschlussfassung einzuschieben. Wir schlagen vor, über den Antrag, den wir heute Morgen den Fraktionen zur Kenntnis gegeben haben, im Anschluss an die Aktuelle Stunde sofort abzustimmen.

Wir halten es aus den Gründen, die ich gleich nennen will, für notwendig, die Tagesordnung zu erweitern: Wir meinen, dass es diesem Parlament gut anstehen würde, mit diesem Antrag zu zeigen, dass wir die Sorgen und Nöte der Menschen in der Bundesrepublik und weltweit ernst nehmen. Wir halten es für nötig, mit diesem Antrag auch noch einmal Respekt gegenüber der Positionierung der Bundesregierung und auch gegenüber der Positionierung vieler Städte weltweit zu bekunden. Nicht nur die Landeshauptstadt Hannover, sondern z. B. auch die Städte New York und Los Angeles haben die Initiative „Cities for Peace“ gestartet. Wir halten es ferner für notwendig, unbedingt zu klären, wie Niedersachsen seinen Anteil an der humanitären Hilfe für Flüchtlinge leisten kann.

Ich würde mir aus den vorgenannten Gründen sehr wünschen, dass wir zu einer gemeinsamen Beschlussfassung kommen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Harms. - Das war ein Antrag gemäß § 66 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung. Er betrifft die Abweichung von der Tagesordnung. Ich gehe davon aus, dass die Damen und Herren, die jetzt noch sprechen werden, diese Vor

schrift kennen. - Herr Kollege Althusmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Frieden ist für uns Deutsche ein überragendes Gut. Insbesondere unsere ältere Generation weiß, was Krieg bedeutet - Kriege, die von Deutschland ausgegangen sind, die aber auch Deutschland betroffen haben. Das, was wir tagtäglich an Leid und Elend erleben, Frau Harms, macht uns alle sehr betroffen. Unsere Gedanken sind inzwischen bei jedem Opfer, das im Irak-Krieg zu beklagen ist.

Dennoch werden wir Ihrem Antrag auf Ergänzung der Tagesordnung nach § 66 der Geschäftsordnung nicht zustimmen. Ich nenne dafür drei Gründe:

Wir fragen Sie, ob eine grundsätzliche Debatte mitten in einem Krieg wirklich zielführend und wirkungsvoll sein kann oder ob es sich nicht in Wirklichkeit um eine Zurschaustellung handelt: „Seht her, ich bin auch gegen Krieg!“ Ich sage sehr deutlich: Alle Demokraten sind gegen Krieg, Frau Harms.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Krieg entzieht sich einer gewissen Logik. Von daher sollten wir über unsere Möglichkeiten, die wir auch als Land Niedersachsen im Rahmen humanitärer Hilfeleistungen haben, zum gegebenen Zeitpunkt sehr konkret debattieren. Ich meine, das sollten wir aber erst dann tun, wenn Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit für das irakische Volk wieder hergestellt sind.

(Beifall bei der CDU)

Bei diesem Entschließungsantrag liegt vermutlich auch keine Dringlichkeit vor. Denn Sie haben uns diesen Antrag bewusst bis heute Morgen vorenthalten. Sie hätten eine Woche lang Zeit gehabt, diesen Antrag auf die Tagesordnung für diese Plenarsitzung zu setzen, um dann sehr grundsätzlich über die von Ihnen aufgeworfenen Fragen zu debattieren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es könnte theoretisch aber auch sein - ich möchte Ihnen das nicht unterstellen, Frau Harms -, dass Sie ganz bewusst diese Woche haben verstreichen

lassen - der Krieg dauert länger als eine Woche -, um eventuell dieses Parlament einerseits in Kriegsgegner und andererseits in Kriegsbefürworter zu teilen, wenn nicht gar zu spalten. Dazu sage ich Ihnen unmissverständlich, Frau Harms: In der für uns alle existentiellen Frage eines Krieges oder von Krieg oder Frieden kann und darf es keine moralischen Überlegenheitsdebatten geben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Landtag ist nicht der Bundestag. Wir verfügen im Niedersächsischen Landtag über keine außenpolitischen Kompetenzen. Der Bundestag wird am Donnerstag darüber im Zusammenhang mit der Regierungserklärung des Bundeskanzlers beraten. Sie wissen, dass parallel zu diesem Antrag, den Sie hier gestellt haben, unzählige Opfer im Irak zu beklagen sind. Wer hier im Landesparlament Niedersachsens - ohne jeglichen Einfluss auf die Außenpolitik Deutschlands in dieser Frage des IrakKrieges, Europas, geschweige denn der Vereinten Nationen, mit oder ohne Amerika - einen Antrag mit einem kategorischen Nein zu einem Krieg gegen ein Terrorregime einbringt, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob das wirklich ernst gemeint ist oder ob es sich in dieser Frage eventuell um eine Glaubwürdigkeitslücke handelt zwischen dem berechtigten Wunsch der Menschen in unserem Land nach Gewaltverzicht und Gewaltverbot und der Alternative - die schlimm genug ist -, auf der anderen Seite eventuell Gewalt durch Nichtstun zuzulassen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Grünen haben sich im Kosovo-Krieg anders entschieden: Ich meine, sie haben damals einem Einsatz deutscher Truppen im Kosovo-Krieg ohne UN-Mandat zugestimmt.

Letzter Punkt: Sie haben diesen Antrag als aktuelle Debatte angekündigt. Wir werden im Anschluss an die Regierungserklärung auch dazu sprechen. Meiner Meinung nach werden Sie dann ausreichend Zeit haben, um der Bevölkerung in Deutschland und den Menschen in Niedersachsen klar zu machen, warum Sie in diesem Falle gegen Krieg und für Frieden sind. Ich meine, es gibt keinen seligeren Wunsch unseres Volkes, aber auch der Menschen im Irak oder der dort eingesetzten Soldaten, als den Wunsch nach Frieden. Dies setzt die Wiederherstellung der Achtung von Menschenrechten

voraus. Ihr Debattenwunsch mag vielleicht Ihr Gewissen beruhigen - unseres nicht.

(Glocke des Präsidenten)

Deshalb meine ich, dass Ihr Antrag zu diesem schwer wiegenden Thema der Gesamtproblematik nicht gerecht wird, weil er unter Umständen Menschen von dieser Debatte ausschließt, die aus Überzeugung bereit sind, gegen Terror, Hass und Unterdrückung einzuschreiten - selbst unter Inkaufnahme großer Opfer. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Möhrmann, bitte schön! - Sie wissen, dass wir bei diesen Tagesordnungsdebatten eine maximale Redezeit von fünf Minuten vereinbart haben.

(Zuruf)

- Das war so. Ich werde nicht auf eine Sekunde achten, da es ein wichtiges und ernstes Thema ist. Aber ich bitte Sie, sich ungefähr daran zu halten. - Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind der Auffassung, dass es einem Parlament gut ansteht, eine Meinungsäußerung zu einem Problem abzugeben, das viele Menschen bewegt. Ich meine, dass wir alle die Folgen, die wir jeden Tag in den Nachrichten sehen, nicht wollen können.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat eben dargelegt, dass sie es ablehnt, sofort über diesen Entschließungsantrag abzustimmen. Ich möchte Ihnen in einem Punkt Recht geben: Auch ich hätte mir gewünscht, dass dieser Entschließungsantrag ein paar Tage früher eingegangen wäre. Aber es könnte ja auch sein, Herr Althusmann, dass die Fraktion der Grünen die Hoffnung gehabt hat, dass sich gestern im Bundestag in der CDU-Fraktion eine Veränderung ergeben hätte. Von daher verstehe ich Ihre Einlassung um so weniger.

Ich bin schon seit einigen Jahre in diesem Landtag. Herr Althusmann, es ist richtig: Der Landtag ist nicht der Bundestag. Wenn Sie meinen, dass das

früher für Sie bei der Debatte um Aktuelle Stunden oder zu Entschließungsanträgen immer ein Kriterium gewesen wäre, dann haben Sie viel von dem vergessen, was vor Jahren noch wichtig für Sie gewesen ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, Ihr erstes Argument, wegen des laufenden Krieges könne man sich heute nicht dazu äußern, muss ich in aller Schärfe zurückweisen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wann, Herr Althusmann, wenn nicht jetzt, soll sich denn ein Parlament zu diesem Vorgehen äußern?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Von daher meine ich, dass die Aktuelle Stunde nachher ausreichend Gelegenheit bietet, auch Ihre Position darzustellen. Dann können Sie ja sagen, wie Sie zu diesem Entschließungsantrag stehen. Sie können ihn ablehnen und Ihre eigene Auffassung so breit wie möglich vortragen. Wir sind damit einverstanden, die Tagesordnung um diesen Punkt zu erweitern und heute noch über den Antrag abzustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Lehmann, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns sicherlich alle darüber einig, dass dieser Krieg im Irak in seinem Ausmaß und in seiner Dramatik etwas ganz Schreckliches ist und dass wir alle gegen diesen Krieg sind, insbesondere aufgrund der Folgen für die Bevölkerung im Irak. Das ist gar keine Frage. Aber man muss sich die Frage stellen, in welchem Umfang man sich in einem Landesparlament mit diesem Thema auseinandersetzen soll.