Meine Damen und Herren, ich eröffne die 105. Sitzung im 36. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode.
Bevor wir beginnen, möchte ich bekannt geben, dass der etwas unangenehme Geruch hier im Saal demnächst verschwinden wird. Die Gaststätte hat ihre Klimaanlage nicht richtig eingestellt. Das wird sich hoffentlich gleich geben.
Wir beginnen die heutige Sitzung mit der Fragestunde, Tagesordnungspunkt 30. Der Tagesordnungspunkt 5 - strittige Eingaben - entfällt, da keine Änderungsanträge vorliegen. Anschließend erledigen wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Tagesordnung, wobei der am Mittwoch zurückgestellte Tagesordnungspunkt 8 und der gestern zurückgestellte Tagesordnungspunkt 29 nach Tagesordnungspunkt 38 behandelt werden sollen. Der Tagesordnungspunkt 38 wird lediglich zur Ausschussüberweisung aufgerufen.
Guten Morgen! Für heute haben sich von der Landesregierung entschuldigt Finanzminister Herr Möllring, der Minister für Wissenschaft und Kultur, Herr Stratmann, Herr Umweltminister Sander sowie von der SPD-Fraktion Frau Hemme und Frau Saalmann und von der Fraktion der FDP Herr Rickert.
Bevor wir mit der Fragestunde beginnen, möchte ich mitteilen, dass die Frage 33 und die Frage 5 des Herrn Abgeordneten Beckmann zurückgezogen wurden.
Frage 1: Knurrende Mägen in der Ganztagsschule wie stellt die Landesregierung sicher, dass Schülerinnen und Schüler nicht hungern müssen?
- Frau Korter, warten Sie bitte, bis es etwas ruhiger wird und sich wirklich alle Mitglieder des Landtages gesetzt haben. Damit meine ich auch wirklich alle Mitglieder, auch die, die in der letzten Reihe an der Wand stehen, wie z. B. Herrn Althusmann. - Jetzt beginnen Sie bitte, Frau Korter.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eltern bleiben zunehmend das Geld für die Verpflegung ihrer Kinder in den Ganztagsschulen schuldig oder melden sie von der Gemeinschaftsverpflegung ab, weil sie den Eigenbetrag von durchschnittlich ca. 50 Euro pro Monat nicht zahlen können. Das berichtet der rundblick in seiner Ausgabe vom 9. Oktober 2006. Vor allem seit der Einführung des Arbeitslosengeldes II habe sich dieses Problem erheblich verschärft.
Da Schülerinnen und Schüler nicht von 7.00 bis 16.00 Uhr gänzlich ohne Verpflegung bleiben sollen, gehen Schulträger und Schulen unterschiedliche Wege, diesem Problem zu begegnen: Die Maßnahmen reichen von der Freistellung bedürftiger Eltern seitens des Schulträgers bis hin zu Sponsoren- und Patenschaftsmodellen. Die Nordenhamer Haupt- und Realschule „Schule am Luisenhof“ nutzt den Erlös ihres jährlichen Weihnachtsbasars für einen Sozialfonds, aus dem das Essensgeld für Schülerinnen und Schüler aus sozial schwachen Familien finanziert wird.
Solche Modelle sind nicht in allen Schulen, vor allem kleinen Schulen, möglich und decken immer weniger den zunehmenden Finanzbedarf. Da seitens der Landesregierung laut rundblick bisher offenbar nichts unternommen wurde, um diesem so
zial- und bildungspolitischen Problem zu begegnen, sind praktikable Lösungen in Niedersachsen in der Regel vom Engagement einzelner Schulen abhängig.
Anders in Rheinland-Pfalz: Nach einer Presseverlautbarung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 8. September 2006 wurde dort ein „Sozialfonds für das Mittagessen in Ganztagsschulen“ eingerichtet, mit dem Kinder unterstützt werden, deren Eltern Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe oder Unterstützung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen. Das Saarland plant offenbar ebenfalls einen solchen Sozialfonds.
1. Welche Kenntnis hat die Landesregierung darüber, dass Schülerinnen und Schüler an niedersächsischen Ganztagsschulen von der Gemeinschaftsverpflegung abgemeldet werden bzw. ihre Eltern das Essensgeld dauerhaft schuldig bleiben?
2. Hat die Landesregierung bisher Initiativen ergriffen, um eine Teilnahme an der Mittagsverpflegung der Ganztagsschulen auch für Kinder aus Familien mit geringem Einkommen zu ermöglichen?
3. Wie wird die Landesregierung in Zukunft ihrer sozial- und bildungspolitischen Verpflichtung, unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen für Chancengleichheit aller Schülerinnen und Schüler zu sorgen, in dieser Frage gerecht werden?
Danke, Frau Korter. - Ich gehe davon aus, dass der Herr Kultusminister antwortet. Herr Busemann, Sie haben das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die zunehmende Armut in Teilen der Bevölkerung und die sich daraus ergebenden Mangellagen für Kinder und Jugendliche sehe ich mit großer Sorge. Hier zeigt sich eine der wichtigen Herausforderungen für die Bildungs- und Sozialpolitik. Eine häufige Folge von Kinderarmut sind gesundheitliche Probleme, die auch durch schlechte und falsche Ernährung verursacht werden. Schlechte und falsche Ernährung führt zu Konzentrationsschwächen und damit auch zu Lern- und Leistungsschwächen in der Schule. Auch in Niedersachsen werden
Schülerinnen und Schüler davon betroffen sein. Die Zahl wird sich in unserem Flächenland aber glücklicherweise in einem überschaubaren Rahmen halten.
Meine Damen und Herren, gesunde Ernährung und die Vermeidung von Fehlernährung sind integraler Bestandteil der pädagogischen Arbeit in den niedersächsischen Schulen. Somit sind auch regelmäßige Mittagspausen sowie ein ausgewogenes Ernährungsangebot an allen niedersächsischen Ganztagsschulen vorgesehen. Die Essensangebote und die pädagogischen Bemühungen können indes keine Wirkung zeigen, wenn die Kinder und die Jugendlichen aus finanziellen Gründen die Essensangebote nicht wahrnehmen können.
Die Landesregierung sieht die Problemlage und die Notwendigkeiten einer Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen. Die Möglichkeiten der direkten Einflussnahme auf die Ernährungssituation von Schülerinnen und Schülern durch das Land sind allerdings sehr begrenzt.
Die Einzelregelungen zur Gestaltung des Mittagessens, zu den Kosten, zu eventuellen Zuschüssen zu den Kosten, zur Ausstattung der Räume für die Zubereitung und die Einnahme des Essens und zum erforderlichen Personal fallen in den Wirkungskreis des Schulträgers.
Die Kosten für das Mittagessen der Kinder und Jugendlichen sind in niedersächsischen Ganztagsschulen grundsätzlich von den Erziehungsberechtigten zu tragen. Schulträger verlangen für das Essen unterschiedliche Preise, die von standortabhängigen Faktoren und von politischen Entscheidungen auf der lokalen Ebene bestimmt sind. Somit variieren sie erheblich. Ein Teil der Schulträger berücksichtigt bei der Preisgestaltung die Anzahl der Kinder in den Familien und die finanzielle Situation der Erziehungsberechtigten. Einkommensschwache Familien und Empfänger von staatlichen Transferleistungen erhalten in einem Teil der Schulen das Mittagessen zu einem ermäßigten Preis oder kostenlos. Es gibt Standorte von Ganztagsschulen, an denen Sponsoren und ehrenamtlich organisierte Unterstützungsfonds einen Teil der Kosten für das Mittagessen der Kinder aus einkommensschwachen Familien übernehmen.
Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe enthalten bereits die für den Lebensunterhalt und damit die zur Verpflegung der Kinder notwendigen Mittel. Im Bereich des SGB II wird die jeweilige Leistungshöhe
durch den Bund festgesetzt. Nur die Höhe des Regelsatzes in der Sozialhilfe wird jedes Jahr zum 1. Juli vom Land festgelegt. Die Höhe des den notwendigen Lebensbedarf und damit auch die Kosten der Verpflegung deckenden Regelsatzes bestimmt sich aus der Auswertung der aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe und den vom Bund in der Regelsatzverordnung festgesetzten Vomhundertanteilen der einzelnen Abteilungen der Stichprobe.
Mit dem Hinweis auf die formalen Zuständigkeiten und dem Aufzeigen von gelungenen Einzelstrategien zur Überwindung der schwierigen Lebenssituation von armen Kindern und Jugendlichen soll nicht von dem Grundproblem der wachsenden Kinderarmut und den Folgen für die Ernährung und damit der Gesundheit der Kinder und Jugendlichen abgelenkt werden. Deshalb will ich mit den Kommunen das Gespräch suchen, wie wir dieser Entwicklung entgegensteuern können. Meinem Haus habe ich schon vor einigen Wochen den Auftrag erteilt, Informationen über das Problem zusammenzustellen, um daraus exemplarische Problemlösungsstrategien zu entwickeln.
Zu Frage 1: Das Land Niedersachsen erhebt keine Daten über die Teilnahme von Schülerinnen und Schülern am Mittagessen in Ganztagsschulen und über die Zahlung der Eltern für das Mittagessen. Es liegen der Landesregierung somit keine Daten über diesen Sachverhalt vor. Die Landesregierung geht davon aus, dass vor dem Hintergrund der Gesamtsituation der Bevölkerung des Landes die Zahl der Fälle begrenzt ist, in denen Schülerinnen und Schüler von der Gemeinschaftsverpflegung abgemeldet werden bzw. ihre Eltern das Essensgeld dauerhaft schuldig bleiben.
Zu Frage 2: Wie einleitend bereits ausgeführt, ist die Bereitstellung der Mittagsverpflegung in den Ganztagsschulen und damit die Frage der Finanzierung Aufgabe des jeweiligen Schulträgers. Ein
Zu Frage 3: Die Niedersächsische Landesregierung hat aus grundsätzlichen Überlegungen nicht die Absicht, durch den Einsatz von Landesmitteln in den Wirkungskreis der Schulträger und der Träger staatlicher Transferleistungen einzugreifen. Eine Beteiligung des Landes für die Regelung der Einzelfälle wäre mit einem sehr hohen bürokratischen Aufwand verbunden, der vor allem erneut die Kommunen als Schulträger und die Träger staatlicher Transferleistungen mit einem erheblichen Arbeitsaufwand belasten würde. Gleichzeitig müsste den Empfängern eines Landeszuschusses dieser auf die Transferleistungen angerechnet werden mit der Folge einer entsprechenden Kürzung. Lokale Lösungen der Schulträger und lokal orientiertes ehrenamtliches Engagement sind für diesen Problembereich aus grundsätzlichen Überlegungen und aus Gründen der Praktikabilität die besseren Alternativen. - Danke.
Frau Präsidentin! Minister Busemann hat schon auf die prekäre Situation der Kinder der Empfänger von Transferleistungen - Sozialhilfe oder ALG II hingewiesen. Wir müssen uns das noch einmal vergegenwärtigen: Im ALG-II-Satz sind für Kinder pro Tag 4,23 Euro für Ernährung und Getränke vorgesehen, davon 1,57 Euro für das Mittagessen. Wenn man bedenkt, dass ein Schulmittagessen, wovon die Kinder ernährt werden sollen, durchschnittlich 2,50 Euro kostet, dann ergibt sich an dieser Stelle eine Differenz, die die Eltern gar nicht tragen können bzw. die nahelegt, dass sie die Kinder abmelden oder das Geld an anderer Stelle einsparen, an der es eigentlich gar nicht eingespart werden kann.
Vor diesem Hintergrund und vor dem Hintergrund, dass der Kultusminister schon von einem Gespräch mit den Kommunen und exemplarischen Problemlösungen, die gesucht werden, gesprochen hat, frage ich: Geht das eher in die Richtung, dass man sich tatsächlich für eine Anhebung des Regelsatzes beim ALG II einsetzen will, oder geht
das in die Richtung, dass man die Kommunen verpflichten will und sagt „Gebt ihr ihnen doch einen Zuschuss!“?
Frau Präsidentin! Frau Kollegin Steiner, ich glaube, in der grundsätzlichen Einschätzung und Beurteilung des Problems liegen wir nicht auseinander. Es geht auch nicht darum, die Zuständigkeiten, die ohnehin bei den Schulträgern und Kommunen liegen, grundsätzlich zu erweitern. Die sind eigentlich geklärt.
Nun weisen Sie auf eine vielleicht vordergründig rechnerische Diskrepanz hin. Wir bauen im Lande ja viele Ganztagsschulen und Mensen auf, dabei wird zum Teil auch Neuland beschritten. Ich habe dort einmal nachgefragt: Was nehmt ihr denn in etwa für ein Mittagessen? - Das bewegt sich - von Standort zu Standort unterschiedlich; ich habe es beschrieben - round about zwischen 2 und 3 Euro. Rein rechnerisch könnte man sagen, dass die Bedarfssätze für ein Mittagessen bzw. für die Ausstattung der Kinder damit nicht ganz konform sind. Aber das Elternhaus bestreitet das Essensgeld für das Kind an der Ganztagsschule sicherlich aus dem Gesamtvolumen der sozialen Leistungen, die es erhält. Da mag es auch in anderen Bereichen - z. B. Miete - immer einmal gewisse Diskrepanzen geben - 1 Euro rauf oder runter -, die möglicherweise noch hinnehmbar sind.
Das soll aber nicht das Thema des Schulministers sein. In der Bundespolitik mag erörtert werden, ob die Bedarfssätze zeitgerecht und der jeweiligen Situation angepasst sind. Diese Grundsatzdebatte hilft aber am einzelnen Schulstandort nicht weiter.