Protocol of the Session on March 24, 2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich und eröffne die 87. Sitzung im 30. Tagungsabschnitt des Landtages.

Geburtstag hat die Abgeordnete Heiligenstadt. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, einige kurze Bemerkungen zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 38, der Fragestunde. Es folgt Tagesordnungspunkt 2, Eingaben; hier wird es um die Beratung der streitigen Eingaben gehen. Anschließend werden wir die Tagesordnungspunkte in der Reihenfolge der Ihnen vorgelegten Übersicht über die verbliebenen Tagesordnungspunkte behandeln. Die Tagungsordnungspunkte 31, 32 und 40 werden zusammen beraten, wobei das für den Tagesordnungspunkt 40 vorgesehene Zeitkontingent um zehn Minuten aufgestockt wurde. Die Tagesordnungspunkte 44, 45 und 50 bis 54 werden lediglich zum Zweck der Ausschussüberweisung aufgerufen werden. - Ich gehe davon aus, dass völlige Klarheit über den Ablauf der heutigen Sitzung besteht.

Die heutige Sitzung soll gegen 17.50 Uhr enden. An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst wird erinnert. Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin. - Bitte schön.

Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Herr Nacke und Herr Dr. Winn sowie von der Fraktion der SPD Herr Meinhold und Herr Jüttner.

Vielen Dank. - Meine Damen und Herren, es ist jetzt 9.02 Uhr. Wir beginnen mit

Tagesordnungspunkt 38: Mündliche Anfragen

Da der Kollege Jüttner nicht anwesend ist, entfällt die Frage 1.

(Widerspruch von Bernadette Schus- ter-Barkau [SPD])

- Nein, das geht nicht. Sie können nicht anstelle von Herrn Jüttner die Frage stellen, sondern allenfalls zur Geschäftsordnung reden.

(Bernd Althusmann [CDU]: Was wol- len Sie denn, Frau Kollegin?)

Ich erinnere an § 47 Abs. 4:

„In der Fragestunde ruft die Präsidentin oder der Präsident die Anfrage und den Namen der Fragestellerin oder des Fragestellers auf. Nach der Worterteilung verliest die Fragestellerin oder der Fragesteller die Frage. Darauf folgt die mündliche Beantwortung durch die Landesregierung. Ist die Fragestellerin oder der Fragesteller nicht anwesend, so wird die Antwort zu Protokoll gegeben.“

Nun kommen wir zur Frage 2, gestellt vom Kollegen - -

(Zurufe von der SPD)

- Das steht so in der Geschäftsordnung. Das haben wir gemeinsam beschlossen, oder nicht?

(Bernd Althusmann [CDU]: Herr Prä- sident, das haben Sie sehr gut ge- macht! - Weitere Zurufe von der SPD - Glocke des Präsidenten)

- Es tut mir Leid, es steht so in der Geschäftsordnung. Da die letzten Tage so turbulent waren, gehe ich davon aus, dass wir es heute etwas ruhiger angehen lassen können.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf

Frage 2: Niedersachsen auf dem Weg zum gläsernen Bürger? - Kontoabfragen nach § 93 der Abgabenordnung

Ich erteile Herrn Kollegen Rickert das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten - -

(Unruhe)

Eine Sekunde, Herr Kollege. Meine Damen und Herren, wir machen es heute ganz einfach so: Entweder herrscht im Plenarsaal Ruhe, oder ich unterbreche die Sitzung. Dann können Sie draußen zehn Minuten lang diskutieren, und anschließend fangen wir wieder neu an. Ich habe damit kein Problem. - Bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, hat nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus, Ausgabe 2/2006, Seite 156, festgestellt, dass neun von zehn Kontoabfragen rechtliche Mängel aufweisen. Dem Bericht zufolge dokumentieren die Finanzbehörden weder die Gründe für die Kontoabfrage noch versuchen sie, die Daten zunächst von den Betroffenen zu erhalten. Nach Meinung vieler Datenschützer stellt dies eine nicht hinnehmbare massenhafte und massive Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen dar. Aus dem Kreise dieser Fachleute wird die Forderung erhoben, dass sichergestellt werden muss, dass Kontoabfragen nur im verfassungsrechtlich zulässigen Maße und innerhalb des gesetzlichen Rahmens erfolgen.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung die Feststellung des Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar, dass neun von zehn Kontoabfragen rechtliche Mängel aufweisen, und über welche eigenen Erkenntnisse verfügt die Landesregierung hierzu?

2. Auf welche Summe beziffert die Landesregierung die bislang im Zusammenhang mit der Kontoabfrage in Niedersachsen entstandenen Kosten?

3. In wie vielen Fällen haben durch Kontoabfragen ermittelte Daten Aufschluss über die Hinterziehung der Steuer auf Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften gegeben?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Finanzminister Möllring wird diese Frage beantworten.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der zwar plakative, aber irreführende Begriff Kontenabfrage bezieht sich lediglich auf einzelne Stammdaten, z. B. Kontonummern oder -inhaber, nicht aber auf Kontostände und Kontobewegungen.

Die Möglichkeit, Abfragen nach § 93 der Abgabenordnung vorzunehmen, wurde durch das Gesetz zur Steueramnestie aus verfassungsrechtlichen Gründen geschaffen, um für die Zukunft zu gewährleisten, dass das verfassungsrechtliche Gebot der Steuergerechtigkeit und der Steuergleichheit eingehalten wird. Hierfür war die Einführung der Möglichkeit des Kontenabrufs notwendig. Das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit wurde übrigens von nahezu allen Abgeordneten des Deutschen Bundestages mitgetragen.

Der Kontenabruf ist nicht nur verfassungskonform, er ist auch verfassungsrechtlich geboten. Für den vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall der Besteuerung von Spekulationsgewinnen stellt die Möglichkeit des Abrufs von Kontendaten sogar rückwirkend den verfassungsmäßigen Zustand her.

Die Finanzämter gehen mit diesem ihnen neu zur Verfügung gestellten Instrumentarium rechtmäßig und verantwortungsvoll um. Nach den bisherigen Erkenntnissen wurde die Vorschrift zutreffend angewandt. Das Verfahren ist durch Verwaltungsanweisung klar geregelt. Über das Kontenabrufersuchen wird von einer mit Verfahrensrecht besonders beauftragten Führungskraft abschließend entschieden. Wir haben hier ein mindestens Vier-, in der Regel sogar Sechsaugenprinzip. Das heißt, es kann nicht eine Person alleine beantragen, sondern es sind mindestens zwei, in der Regel drei Bedienstete damit befasst.

Mit personenbezogenen Daten muss sorgfältig umgegangen werden. Eine nur knappe Dokumentation des Verfahrens lässt aber nicht auf datenschutzrechtliche Verletzungen schließen. Hinsichtlich der notwendigen Dokumentation der Ausübung des Ermessens bei der Durchführung des Kontenabrufs prüfen wir, ob diese einen angemessenen, also nicht übertriebenen Umfang haben. Soweit hier in Einzelfällen Fehler aufgetreten sind, dürften diese auf Anlaufschwierigkeiten zurückzuführen sein.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen der Kollegen Bode und Rickert im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung nimmt keine Stellung zu Äußerungen des Bundesbeauftragen für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, die Verhältnisse in einem anderen Land betreffen. Kontenabfragen in Niedersachsen sind bislang nicht beanstandet worden.

Zu Frage 2: Nach Einschätzung der Landesregierung sind Niedersachsen keine nennenswerten Kosten im Zusammenhang mit dem Kontenabruf entstanden. Im Übrigen ist der Kontenabruf nur eine Möglichkeit des Finanzamtes, seiner Amtsermittlungspflicht im Besteuerungsverfahren nachzukommen. Belastbare und nachvollziehbare Angaben zu den Kosten für die Kreditwirtschaft liegen bislang nicht vor.

Lassen Sie mich ergänzend noch Folgendes ausführen: Ich verweise insoweit auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom März 2005, also von vor einem Jahr - ich zitiere wörtlich -:

„Die den Kreditinstituten durch die Abrufmöglichkeit drohenden Nachteile sind ebenfalls nicht so gewichtig, dass eine einstweilige Anordnung zu erlassen ist. Bei der Bewertung der Nachteile muss die schon durch § 24 c KWG bewirkte Pflicht zur Führung der Datei außer Ansatz bleiben. Die mit der zusätzlichen Nutzung dieser Datei für Zwecke des § 93 Abs. 7 und 8 AO verbundenen Kosten der Kreditinstitute sind vergleichsweise gering.“

Zu Frage 3: Über diesen Teilausschnitt der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung werden keine Aufzeichnungen geführt. Die Frage kann daher nicht beantwortet werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Das Wort hat der Kollege Bode.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zunächst einmal sehr erleichternd, dass die vom Bundesdatenschutzbeauftragten festgestellten Mängel, wie der Finanzminister dargelegt hat, in anderen Bundesländern und nicht in Niedersachsen aufgetreten sind.

Ich möchte kurz aus dem Focus zitieren, welche rechtlichen Mängel der Bundesdatenschutzbeauftragte genannt hat:

„Häufig dokumentieren die Steuerbeamten nicht, warum sie einen Steuerzahler aufs Korn nehmen. Außerdem versuchen sie oft nicht, die Daten zuerst vom Anleger selbst zu bekommen.“

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Können Sie sicherstellen, dass dies in Niedersachsen korrekt gehandhabt wird und dass es in Zukunft nicht zu Verstößen kommt?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Bode, die Möglichkeit der Kontenabfrage wurde genau für den Fall geschaffen, dass der Steuerpflichtige nicht mitwirkt. Natürlich versuchen wir zunächst, dass er seine Erklärung abgibt und umfangreiche Auskünfte gibt. Aber wenn er sie verweigert oder wir den Eindruck haben, dass er sie nicht ausreichend gibt, dann steht uns die Möglichkeit der Kontenabfrage zur Verfügung. Dieses Verfahren wird aber nur in relativ geringem Umfang genutzt.

Vielen Dank. - Eine Zusatzfrage stellt der Kollege Möhrmann. Bitte schön!