Nachdem die einzige strittig gestellte Eingabe inzwischen zurückgezogen wurde, entfällt die Behandlung strittiger Eingaben. Nach der Fragestunde setzen wir die Tagesordnung daher mit den Punkten 31 und 32 fort.
Guten Morgen! Es haben sich entschuldigt: von der Fraktion der CDU Frau Mundlos, von der Fraktion der SPD Frau Wörmer-Zimmermann und von der Fraktion der FDP Herr Hermann.
mann betont, gerade auch kleine Schulstandorte erhalten zu wollen, zuletzt in der Plenarsitzung am 6. Dezember 2006. Er sagte ausweislich des Protokolls (Seite 12465 ff.):
„Ich habe mich seinerzeit dezidiert dazu geäußert, wie ich es mit kleineren Schulstandorten halte. Niedersachsen ist ein Flächenland! Wenn wir mit vielen Standorten wohnortnah am Kind dran sind, dann ist das gut für das Bildungsland, dann ist das gut für die Bildungsbeteiligung.“
Auch der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Heinz Klare wird nicht müde, zu behaupten, Hauptschulstandorte seien - trotz rückläufiger Schülerzahlen - nicht gefährdet, und verspricht wider besseres Wissen den Beibehalt aller Schulstandorte in Niedersachsen. „Mit der CDU wird es keine Schulschließungen geben“, so ist es in der Pressemitteilung der CDU-Landtagsfraktion vom 9. November 2006 nachzulesen.
Im Gegensatz zu dieser Aussage steht das Verfahren bei der Gewährung einer Bedarfszuweisung an die Stadt Cuxhaven. Der Oberbürgermeister der Stadt Cuxhaven schreibt in einer Beschlussvorlage für den Rat vom 8. November 2006:
„Mit Schreiben vom 25. Mai 2005 hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport der Stadt Cuxhaven die Gewährung einer konditionierten Bedarfszuweisung wegen einer außergewöhnlichen Lage im Haushaltsjahr 2004 in Höhe von 5 000 000 Euro in Aussicht gestellt. Voraussetzung für die Bewilligung ist erneut der Abschluss einer Haushaltskonsolidierungsvereinbarung, in der sich die Stadt Cuxhaven konkret verpflichtet, durch bestimmte Maßnahmen eine dauerhafte strukturelle Entlastung ihres Verwaltungshaushaltes zu erreichen.“
Als Voraussetzung der Gewährung einer Bedarfszuweisung für das Haushaltsjahr 2004 fordert der Minister für Inneres und Sport, Uwe Schünemann, u. a. in seiner „Vereinbarung zwischen dem Land Niedersachsen, vertreten durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport, und der großen selbstständigen Stadt Cuxhaven, vertreten durch den Oberbürgermeister, zur Erreichung
nachhaltiger Haushaltskonsolidierung der Stadt Cuxhaven“ den Rat der Stadt Cuxhaven unter „II Maßnahmen der Stadt Cuxhaven“ auf:
„5. Vor dem Hintergrund der sinkenden Schülerzahlen sowie der demografischen Entwicklung ist die Stadt Cuxhaven gehalten, die Anzahl der Schulstandorte zu überprüfen. Hierdurch wäre durch die Schließung eines oder mehrerer Schulstandorte ein nicht unerhebliches Konsolidierungspotential von bis zu 300 000 Euro zu generieren. Die bisher durchgeführten Schulsanierungen sind bei der Auswahl des bzw. der Schulstandorte zu berücksichtigen.“
Der Rat der Stadt Cuxhaven hat mehrheitlich dieser Vereinbarung zugestimmt, und die Stadt hat die angekündigte Bedarfszuweisung Ende letzen Jahres erhalten.
Angesichts dieser Differenz zwischen den Aussagen des Kultusministers und des bildungspolitischen Sprechers der CDU-Fraktion einerseits und dem Handeln des Innenministers andererseits fragen wir die Landesregierung:
1. Von welchen pädagogischen und finanzpolitischen Kriterien bei der Frage der Erhaltung von kleineren Schulstandorten lässt sich der Innenminister im Vergleich zu den Aussagen und Kriterien des Kultusministers und den rechtlichen Vorgaben des Niedersächsischen Schulgesetzes leiten?
2. Welchen konkreten Rechtsanspruch zum Erhalt kleinerer Schulstandorte nach Schulformen haben Eltern nach dem Niedersächsischen Schulgesetz?
3. An welchen weiteren konkreten Schulstandorten wird der Bestand von kleineren Schulen seitens des Innenministeriums infrage gestellt, und wie erfolgt die Abstimmung zwischen den beteiligten Ministerien?
(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich dachte, wir können den Innenminister hören! Schade! Wir hatten uns so auf Herrn Schünemann gefreut!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, auch Ihnen wünsche ich einen wunderschönen guten Morgen! Diese Landesregierung ist angetreten mit dem Vorsatz und Versprechen, die Schulstandorte zu sichern, sie hat mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bildungsqualität und zur Sicherung von Schulstandorten die schulgesetzliche Grundlage geschaffen, um dieses Versprechen einzulösen, und sie hat bei der Umsetzung der Schulstrukturreform gehandelt und eine Vielzahl neuer Schulstandorte in der Fläche geschaffen.
Wir haben zusätzlich vier Hauptschulen, 11 Realschulen, 11 Gymnasien, drei Oberstufen an bestehenden Gymnasien, 121 Außenstellen an Gymnasien, 80 Außenstellen an Realschulen, 25 Außenstellen an Hauptschulen und 30 neue Schulzweige gemeinsam mit den kommunalen Schulträgern im Zuge der Schulstrukturreform neu errichtet. Dabei sind die Schulen, die anschließend aus Außenstellen entstanden sind, noch gar nicht mitgerechnet. Damit hat diese Landesregierung gemeinsam mit den Schulträgern das Bildungsangebot insbesondere im ländlichen Raum deutlich verbessert. Wir haben Benachteiligungen im Bildungsangebot ab- und neue Bildungschancen aufgebaut.
Meine Damen und Herren, dabei wird es auch in Zukunft bleiben. Es ist die einhellige Auffassung dieser Landesregierung, dass die Schulstandorte in der Fläche auch bei rückläufigen Schülerzahlen grundsätzlich erhalten bleiben. Wir haben den kommunalen Schulträgern eine Vielzahl von Möglichkeiten an die Hand gegeben, um auch bei rückläufigen Schülerzahlen die Schule vor Ort zu erhalten. Unsere Schulträger werden davon Gebrauch machen. Da bin ich mir ganz sicher.
Ich nenne beispielhaft: die Fortführung sogenannter kleiner Grundschulen, die Fortführung einzügiger Hauptschulen und Realschulen, wenn besondere regionale Verhältnisse dies erfordern, die Errichtung von Gymnasien im Sekundarbereich I, jahrgangsübergreifender Unterricht in sogenannten Kombiklassen, ständige pädagogische und organisatorische Zusammenarbeit zwischen Schulen nach § 25 des Schulgesetzes und Zusammenschlüsse von Schulträgern.
Meine Damen und Herren, im konkreten Fall in Cuxhaven gilt: Nach § 106 Abs. 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes sind die Schulträger fortwährend verpflichtet, Schulen nach Maßgabe des
Bedürfnisses zu errichten, zu erweitern, einzuschränken, zu teilen oder aufzuheben. Die Bedürfnisermittlung - und um nichts anderes ging es in diesem Fall - ist vom Schulträger, dem die Trägerschaft als Aufgabe des eigenen Wirkungskreises obliegt und der in dieser Funktion das notwendige Schulangebot und die erforderlichen Schulangebote vorzuhalten hat, vorzunehmen. Nicht mehr und nicht weniger hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport an dieser Stelle verlangt!
Zu Frage 1: Überlegungen für eine Neuordnung kommunaler Schulstandorte werden bei Bedarfszuweisungsantragstellern regelmäßig von dem jeweiligen Antragsteller selbst als zusätzliche Konsolidierungsmöglichkeit eingebracht. Ausschlaggebend für derartige Überlegungen ist eine in vielen Kommunen zu verzeichnende rückläufige Bevölkerungsentwicklung mit zurückgehenden Geburtenzahlen.
Diese demografischen Entwicklungen erfordern eine Anpassung der kommunalen Infrastruktur. Ein weiterer Aspekt, die Auslastung der kommunalen Liegenschaften auch im Schulbereich zu überprüfen, ist ein vielfach bestehender erheblicher Unterhaltungs- und Sanierungsstau. Die weitere Investitionsplanung der oben genannten Kommunen wird, gerade im Bereich der Sanierung, einen konzentrierten Mitteleinsatz erfordern; dies setzt voraus, dass die instand zu setzenden Liegenschaften auch tatsächlich weiterhin für pflichtige Aufgaben benötigt werden. Dass die Kommunen aus Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten eine möglichst hohe Auslastung der städtischen Einrichtungen anstreben, ist nachvollziehbar. Zu diesem Handeln sind sie schon aufgrund des gesetzlichen Gebots zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung gezwungen.
Die zwischen der Stadt Cuxhaven und dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport geschlossene Zielvereinbarung sieht lediglich vor, die Anzahl der Schulstandorte zu überprüfen. Ob dies im Ergebnis tatsächlich zu Standortschließungen führen kann, vermag ich gegenwärtig nicht abschließend zu beurteilen; dies obliegt im Übrigen auch nicht der Zuständigkeit des Innenministeriums. Folgerungen aus der Bestandsaufnahme wird die Stadt in eigener Zuständigkeit herleiten müs
sen. Die Stadt wird dabei sicherstellen, dass die rechtlichen Vorgaben des Niedersächsischen Schulgesetzes eingehalten werden.
Zu Frage 2: Materiell-rechtlich gesehen ergibt sich aus dem Elternrecht grundsätzlich kein Anspruch auf die Errichtung, auf die organisatorische Ausweitung oder Einengung sowie auf die Erhaltung einer bestimmten Schule. Die Elterngrundrechte gewährleisten lediglich die freie Wahl zwischen den vom Staat zur Verfügung gestellten Schulformen; diese müssen in zumutbarer Schulwegentfernung angeboten werden.
Bei der Aufhebung von Schulen billigt die Rechtsprechung den Eltern unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes einen eingeschränkten Besitzstandsschutz zu. Vor Aufhebung einer Schule muss der Schulträger für ein anderes vergleichbares Schulangebot in zumutbarer Entfernung und unter zumutbaren Schulwegbedingungen Sorge tragen. Jedoch steht dem Schulträger und den Schulbehörden bei der schulorganisatorischen Durchführung des Schulwesens, also auch bei der Aufhebung von Schulen, ein Gestaltungsspielraum zu, der einen Anspruch der Eltern auf Aufrechterhaltung einer ihren Wünschen entsprechenden Schule grundsätzlich ausschließt.
Dem Elternrecht wird im Vorfeld schulorganisatorischer Entscheidungen frühzeitig dadurch Rechnung getragen, dass bei der schulbehördlichen Feststellung des Bedürfnisses von Schulorganisationsakten auch die vom Schulträger zu ermittelnden Interessen der Erziehungsberechtigten zu berücksichtigen sind. Vergleichen Sie hierzu § 106 Abs. 3 Satz 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes.
Zu Frage 3: Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport stellt konkrete Schulstandorte - unabhängig von ihrer jeweiligen Größe - nicht infrage. Die Verpflichtung, die kommunale Infrastruktur aktuellen - auch finanziellen - Entwicklungen gegebenenfalls anzupassen, obliegt der jeweiligen Trägerkommune. - Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der CDU - Wolfgang Jütt- ner [SPD]: Den Innenminister muss man nicht mehr ernst nehmen, egal was er schreibt!)
Herr Minister, es handelt sich ja - das werden Sie nicht leugnen können - um eine Einflussnahme seitens des Landes. Das ist ein Problem, das keineswegs auf Cuxhaven beschränkt ist; zur Frage 3 sind Sie ja darauf eingegangen. Ich will das einmal konkretisieren: An mehr als 50 % der niedersächsischen Hauptschulen werden die unteren Jahrgänge einzügig geführt, und zwar zum Teil mit Klassenstärken, die deutlich unter der Höchstzahl liegen. Ich frage die Landesregierung in diesem Zusammenhang: Wie gedenkt sie, mit diesem Tatbestand umzugehen? Wird sie auch hier überall mit dem Finanzargument Druck ausüben?
Herr Präsident! Herr Kollege, um das als Einstieg in die Antwort auf Ihre Frage noch einmal aufzugreifen: Das Innenministerium übt da keinen Druck aus. In dieser Situation, auch angesichts der demografischen Entwicklung, sind die Schulstandorte in Bezug darauf gefordert, welche Angebote sie in Zukunft machen können. Sie müssen das in verantwortlicher Weise tun, auch unter Ausnutzung der ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten. Aber wir verfügen über keine Mechanismen, mit denen wir sie zwingen könnten, irgendetwas Bestimmtes zu tun. Das Schulgesetz, die Schulentwicklungsverordnung und das, was entsprechend dazu gehört, sind die Grundlage. Auf dieser Basis können die Schulträger ihre Standorte entwickeln. Ich sage Ihnen: Das bildungspolitische Interesse der Landesregierung ist - auch wenn das uns allen, den Kommunen, dem Land, Kraft abfordert -, möglichst viele Schulstandorte möglichst wohnortnah anzubieten, weil das gut für die Bildungsbeteiligung ist.