Protocol of the Session on October 6, 2005

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 71. Sitzung im 25. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 15. Wahlperiode.

Geburtstag haben heute die Abgeordneten Isolde Saalmann

(Beifall)

und Karl-Heinz Bley. Herzlichen Glückwunsch.

(Beifall)

Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 10, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratungen mit den gestern bekannt gegebenen Ergänzungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 17.05 Uhr enden.

Ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass Ihnen heute der Musikzug Leiferde e. V. nun wirklich zu Beginn der Mittagspause in der Portikushalle eine kurze musikalische Darbietung vortragen wird. Ich empfehle diese Veranstaltung Ihrer Aufmerksamkeit.

An die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst - bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr - wird erinnert.

Es folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Es haben sich für heute entschuldigt von der Landesregierung der Minister für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Herr Ehlen, für den Nachmittag, von der Fraktion der CDU Herr Güntzler, Herr Hoppenbrock, Herr Nerlich und Herr Oesterhelweg, von der Fraktion der SPD Herr Gabriel, Frau Merk und Herr Oppermann.

Meine Damen und Herren, ich füge hinzu, auch der Ministerpräsident hat sich für heute Vormittag entschuldigt.

Meine Damen und Herren, wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 10: Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Wir beginnen mit

a) Was versteht die Landesregierung unter „sozialverträglichen“ Studiengebühren, und wer kommt dafür auf? - Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2253

Wer bringt diese Dringliche Anfrage ein? - Bitte,   

     (GRÜNE):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Fast genau ein Jahr vor der angekündigten Einführung von allgemeinen Studiengebühren in Niedersachsen zum Wintersemester 2006/07 hat die Landesregierung noch immer kein belastbares Modell veröffentlicht, aus dem für die Betroffenen ersichtlich wäre, mit welchen Belastungen sie zu rechnen haben und zu welchen Konditionen sie sich verschulden müssen.

In der Ausgabe des Focus vom 12. September 2005 werden von Niedersachsens Wissenschaftsminister Stratmann Details zur Einführung von Studiengebühren und zu den Konditionen von Bildungskrediten verraten, wie es dort heißt. Im Wesentlichen wird darin BAföG-Empfängern eine Maximalschuld von 15 000 Euro in Aussicht gestellt. Das konnten sich BAföG-Empfänger aber auch schon vorher ausrechnen, denn das BAföG in seiner jetzigen Ausgestaltung begrenzt die zinslose Schuldenlast auf maximal 10 000 Euro. Rechnet man wie der Wissenschaftsminister zehn Semester à 500 Euro Studiengebühren hinzu, ist die Summe von 15 000 Euro erreicht. Nichts hingegen erfährt der Leser über den Schuldendienst, durch den die Summe erheblich ansteigen könnte.

Nimmt man die bisherigen Ankündigungen des Wissenschaftsministers zusammen, so scheinen sie sich weitgehend am Baden-Württemberger Studiengebührenmodell zu orientieren. Auch hier sollen BAföG-Empfänger maximal 15 000 Euro zahlen. Dort ist außerdem die Einrichtung eines gemeinsamen Fonds der Hochschulen geplant, in den Studiengebühren fließen. Der Fonds sichert das Ausfallrisiko für Darlehen und hält dadurch das

Zinsniveau relativ gering. Aus dem Fonds werden die Schuldenbegrenzung sowie Gebührenbefreiungen aus den unterschiedlichsten Gründen finanziert und Hochbegabte gefördert. Außerdem muss der Fonds nach einem halben Jahr Zahlungssäumnis die Kredite der Banken übernehmen und ist danach für die Eintreibung oder Abschreibung ausstehender Schulden selbst verantwortlich.

Die sozialen Komponenten der Studiengebühren werden dort demnach ausschließlich von den Studierenden und ihren Gebühren selbst finanziert, die Hochschulen haben darüber hinaus mit einem hohen Verwaltungs- und Kostenaufwand zu rechnen. Das führt dazu, dass die Studiengebühren, die auch in Baden-Württemberg eigentlich in voller Höhe für die Verbesserung von Studium und Lehre zur Verfügung stehen sollten, in erheblicher Höhe anderen Zwecken zugeführt werden.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wann veröffentlicht sie ihr Studiengebührenmodell mit allen Konditionen, und fühlt sie sich an die Vertrauensschutzfrist von einem Jahr gebunden, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat?

2. Die Länder Baden-Württemberg und NordrheinWestfalen haben ihre Absichten zur Ausgestaltung von Studiengebühren bereits veröffentlicht und befinden sich in der Umsetzungsphase. Plant die Landesregierung die Übernahme dortiger Regelungen und, wenn ja, welcher?

3. Sollte die Landesregierung ebenfalls die Einrichtung eines Fonds wie in Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen planen: Wie hoch ist der Anteil der Studiengebühren, der in die soziale Flankierung und die Absicherung des Studiengebührenkreditwesens fließen wird und damit nicht für die Verbesserung von Studium und Lehre zur Verfügung steht?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Stratmann für die Landesregierung!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fest steht: Die auch im internationalen Vergleich verbesserungswürdige Finanzausstat

tung der Hochschulen soll mit der Einführung sozial ausgewogener Studienbeiträge als „Drittmittel für die Lehre“ ergänzt werden. Wir haben bereits gestern darüber diskutiert. Die Studienbeiträge werden weder zu einem Teil in den allgemeinen Landeshaushalt fließen noch wird eine Anrechnung auf die staatlichen Zuschüsse erfolgen.

Im Kontext mit der Einführung von Studienbeiträgen wird zwischen der Landesregierung und den Hochschulen, wie bereits erwähnt, ein Zukunftsvertrag vereinbart werden - am kommenden Dienstag werden wir ihn unterzeichnen -, der den Hochschulen bis einschließlich 2010 jährliche Finanzausstattungen auf dem Niveau des Jahres 2005 zusichert. Ich wiederhole hier: Dies ist ein wirklich vorzeigbarer Erfolg, der in Deutschland beispiellos sein wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aufgrund der bisherigen ausschließlichen Finanzierung durch staatliche Zuweisungen genießt die Lehre an den Hochschulen leider nicht immer den höchsten Stellenwert. Studienbeiträge werden dazu beitragen, das Angebotsverhalten der Hochschule und das Nachfrageverhalten der Studierenden positiv zu beeinflussen. Wie Sie wissen, war ich in der letzten Woche in den Vereinigten Staaten. Ich habe unter anderem mit amerikanischen Studierenden ein Gespräch geführt, die zuvor ein Jahr lang in Deutschland studiert hatten. Ich habe diese jungen Leute gebeten, mir unter Hinanstellung aller Freundlichkeiten, die man ausländischen Gästen regelmäßig entgegen bringt, zu sagen, welches aus ihrer Sicht der kritikwürdigste Punkt am deutschen Hochschulsystem ist. Der Erste fasste dann Mut, meldete sich zu Wort und sagte mir, er habe in Freiburg studiert. Zu kritisieren habe er am deutschen Hochschulsystem, dass man sich nicht um die Studierenden kümmere. Der Studierende sei in Deutschland nichts wert. Das wurde dann von allen beteiligten Studentinnen und Studenten bestätigt. Meine Damen und Herren, das ist der Punkt. Durch die Einführung von Studienbeiträgen werden wir auch in Deutschland die Rolle der Studierenden in der Lehre stärken. Ihnen werden endlich die Rolle und die Funktion zukommen, die in anderen Ländern schon selbstverständlich sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Studierende, die Studienbeiträge zahlen, erwarten von den Hochschulen eine andere und intensivere

Betreuung - sie haben einen Anspruch darauf -, als sie derzeit in den meisten Hochschulen üblich ist. Der Wettbewerb um zahlende Studierende wird zu einer Verbesserung der Lehre und der Studienbedingungen führen. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Studiengänge werden künftig attraktiver ausgestaltet und effizienter studierbar sein.

Durch die Zahlung eines Studienbeitrages wird den Studierenden natürlich auch die Werthaltigkeit des Studiums stärker bewusst, als es derzeit der Fall ist, was zu einem effizienteren Studierverhalten und damit auch zu einer Verkürzung der bisherigen Studienzeiten führen wird. Das wird auch künftig der Fall sein. Es ist zu erwarten, dass damit das vergleichsweise hohe Durchschnittsalter der deutschen Hochschulabsolventinnen und -absolventen deutlich gesenkt wird. Die Umstellung auf Bachelor- und Masterstrukturen an unseren Hochschulen wird ebenfalls dazu beitragen.

Derzeit finanziert die Gesamtheit der Steuerzahler den Hochschulabsolventinnen und -absolventen in der Regel erhebliche persönliche Vorteile. Dazu gehört vor allem ein geringeres Risiko im Hinblick auf Arbeitslosigkeit; denn die Arbeitslosenquote von Hochschulabsolventinnen und -absolventen liegt seit Jahren unterhalb der Hälfte der allgemeinen Arbeitslosenquote. Das ist ja etwas, was die Opposition in bildungspolitischen Diskussionen gerade immer hervorhebt. Darüber gibt es also keinen Streit in diesem Haus.

Ein erfolgreiches Hochschulstudium ist grundsätzlich eine gute Investition in die Zukunft. Darum geht es. Hochschulabsolventinnen und -absolventen erzielen im Durchschnitt ein höheres Einkommen und, wenn sie das Studium zügig abgeschlossen haben, in der Regel auch ein höheres Lebenseinkommen. Sie haben ferner bessere berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Ihre Beteiligung an den Kosten des Studiums ist daher auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.

Meine Damen und Herren, es gibt viele gute Gründe für Studienbeiträge. Das sehen mittlerweile auch weite Teile der Opposition im Land so. Ich will die vielen Zitate hier nicht wiederholen, die immer wieder von uns genannt worden sind, wenn ich etwa an Wolfgang Clement und andere denke. Aber eines steht zugleich für uns fest: Durch Studienbeiträge darf die Aufnahme eines Studiums nicht verhindert werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Auch in dieser Frage gibt es keinen Dissens zwischen der Opposition und den Regierungsfraktionen. Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit Artikel 3 und dem Sozialstaatsprinzip garantieren allen dazu Befähigten ein Recht auf Zulassung zum Studium, und zwar unabhängig von ihren eigenen Einkommensverhältnissen oder den Einkommensverhältnissen ihrer Eltern. Damit dieser Anspruch auch von allen Bewerbern verwirklicht werden kann, wird ihnen unabhängig von ihren Vermögensverhältnissen ein zinsgünstiger Bildungskredit angeboten, dessen Rückzahlung in Abhängigkeit von der Höhe des erzielten Einkommens erfolgt.

Ich sage es noch einmal: Jemand, der keine finanzielle Leistungsfähigkeit erreicht, jemand, der kein Einkommen erzielt, weil er beispielsweise nach dem Hochschulabschluss arbeitslos geworden ist oder keine Anschlussverwendung gefunden hat - aus welchen Gründen auch immer -, muss den Kredit nicht zurückzahlen. Ich halte das für ein wirklich faires und gerechtes Angebot.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In vielen anderen Bereichen unserer Gesellschaft - wenn ich etwa an die Handwerksausbildung etc. denke - würde man sich solche Verhältnisse herbeiwünschen, wie wir sie im Hochschulbereich künftig haben werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Das Land wird dazu ein Förderprogramm Bildungskredit auflegen, das im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages abgewickelt werden wird. Da die Förderbank nicht gewinnorientiert ist - in diesem Fall wird es ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit der Landestreuhandstelle sein -, steht ein zinsgünstiges Kreditangebot zur Verfügung, das wegen der fehlenden Gewinnorientierung günstiger sein kann, als wenn man es mit einer Privatbank, wie etwa der Deutschen Bank, macht. Durch die Abwicklung über nur ein Kreditinstitut mit entsprechender elektronischer Anbindung an die Hochschulen wird ein schlankes Verwaltungsverfahren garantiert, das sich ebenfalls positiv auf den Zinssatz auswirkt.

Der Kredit soll in Höhe des Studienbeitrages bewilligt werden, den der Studierende zu zahlen hat. Der Kredit wird bis zu sieben Jahre gewährt. Die Rückzahlung beginnt zwei Jahre nach Abschluss oder Abbruch des Studiums. Die hierfür erforderliche Einkommensgrenze beabsichtigen wir in An

lehnung an die im BAföG definierte Einkommensgrenze zuzüglich 100 Euro festzulegen. Das heißt, wir werden diese Studierenden sogar noch um 100 Euro im Verhältnis zu den BAföG-Empfängern privilegieren.

Es wird einen umfangreichen Ausnahmekatalog für die Befreiung von der Studienbeitragspflicht geben. So werden z. B. Studierende, die ein Kind unter 14 Jahren betreuen, und Studierende, die einen pflegebedürftigen Angehörigen pflegen, von der Studienbeitragspflicht ausgenommen werden. Das ist für uns sozial gerecht. Diese Menschen leisten einen so wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft, meine Damen und Herren, dass sie nicht noch zusätzlich finanziell belastet werden dürfen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die gestellten Fragen wie folgt: