Christoph Matschie
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Last Statements
Herr Kollege Höhn, ich würde gern mal die Frage an Sie richten: Wie würden Sie das interpretieren, dass der Ministerpräsident während dieser Debatte draußen auf der Terrasse in der Sonne sitzt?
Frau Präsidentin, meine werten Kolleginnen und Kollegen, wir reden über das Thüringer Unternehmensfördergesetz. Die Landesregierung will mit diesem Gesetz den Eindruck erwecken, als kümmere sie sich um die wirtschaftlichen Probleme des Landes. Ich stelle fest, den Ministerpräsidenten scheint das überhaupt nicht zu interessieren. Er bleibt auch dieser Debatte fern, in der es um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes geht. Das ist ein Bild, welches wir auch aus den letzten Wochen kennen. Da produziert sich jemand mit seinen persönlichen Geschichten, aber den Antworten auf die politischen Fragen weicht dieser Ministerpräsident auch im Parlament heute wieder aus.
Wir nehmen nur mal als Beispiel die Themen dieser Woche. Montag: Montag gibt das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle bekannt, dass die ostdeutsche Wirtschaft von der Finanz- und Konjunkturkrise voll erfasst wird. Die Produktion soll um 15 Prozent einbrechen. Das ist die Prognose und laut Aussage des IWH droht der Rückgang in Thüringen noch stärker zu werden, was mit der starken Exportorientierung in Thüringen zu tun hat. Was sagt der Regierungschef dazu? Nichts! Schweigen! Am gleichen Tag warnt der Gemeinde- und Städtebund vor der Zahlungsunfähigkeit der Kommunen. Schon 40 Mio. €
an Gewerbesteuern sind weggebrochen. Was sagt der Ministerpräsident dazu? Nichts! Am Dienstag kommt eine DGB-Studie auf den Tisch. Thüringen ist Schlusslicht bei den Löhnen. Wir haben die niedrigsten Stundenlöhne in Thüringen und die längsten Arbeitszeiten. Das ist ein wesentlicher Grund für die Abwanderung. Arbeitnehmer in Thüringen gehen im Durchschnitt mit 560 € weniger nach Hause als im Bundesdurchschnitt. Was sagt der Thüringer Regierungschef Dieter Althaus dazu? Nichts! Das interessiert ihn überhaupt nicht, dieses Problem. Am Mittwoch kommt der Vorsorgeatlas auf den Tisch, der vor drohender Altersarmut warnt. Wenn nichts passiert, rächen sich in 20 Jahren die Billiglöhne zum zweiten Mal. Bei den jetzigen Prognosen wird Thüringen dann wahrscheinlich Rentennotstandsgebiet sein, denn wegen der niedrigsten Löhne müssen Thüringer dann am Ende auch mit den niedrigsten Renten rechnen. Eigentlich bräuchten wir jetzt klare Schritte, dem entgegenzusteuern. Ein Wort des Ministerpräsidenten dazu - Fehlanzeige. Es interessiert ihn nicht. Am Donnerstag müssen wir feststellen, der Kultusminister hat seine Hausaufgaben nicht gemacht. Thüringen startet mit den alten Problemen in das neue Schuljahr. Es gibt kein Konzept für den Ganztagsunterricht, bald droht akuter Lehrermangel und für das neue Fach „Natur, Mensch, Technik“, über das vielfältig diskutiert worden ist,
gibt es nicht einmal genug Schulbücher, die Umsetzung ist mangelhaft.
Das hat etwas mit Unternehmensförderung zu tun. Es kann sein, Herr Wirtschaftsminister, dass Sie noch nicht begriffen haben, dass auch Bildungspolitik etwas mit Wirtschaftspolitik zu tun hat.
Wenn Ihr Horizont so kurz ist, dann tut es mit leid. Ich finde, wenn wir hier über Unternehmensförderung diskutieren, gehören diese Fragen ganz genauso dazu. Heute, drei Wochen vor der Landtagswahl, kommt die Landesregierung dann schnell noch mit einer neuen Imagekampagne. Die wievielte ist das jetzt
eigentlich? Die dritte, glaube ich, in dieser Legislaturperiode. Wir hatten gerade eine, die ist von der Staatskanzlei in Gang gesetzt worden. Da sind über 200.000 € ausgegeben worden, zum Teil auch an offiziellen Ausschreibungen vorbei, unsere Klage dazu läuft ja noch. Die hieß: „Gemeinsam sind wir Thüringen“. Jetzt kommt die nächste Imagekampagne kurz vor der Wahl. Ich erinnere mich da an einen alten Spruch meiner Großmutter, die hat immer gesagt: „Abends werden die Faulen fleißig.“ Das ist ganz genau das, was mit dieser Imagekampagne passiert.
Sie haben als Landesregierung im April das Liquiditätsprogramm, das Unternehmen helfen soll, angekündigt. Dann ist lange nichts passiert. Fast drei Monate hat es gedauert, bis eine simple Verwaltungsvereinbarung für das Liquiditätsprogramm fertig war. Was das draußen bedeutet, kann ich Ihnen auch erzählen. Ich war in der Region Schmölln unterwegs und habe dort einen Autozulieferindustriebetrieb, die Ablängtechnik GmbH, besucht und mit dem Geschäftsführer geredet. Der Geschäftsführer hatte mit seinem Unternehmen im April Liquiditätsprobleme, dann von dem schönen Programm von Dieter Althaus gehört und sich daraufhin an die Aufbaubank gewandt mit der Bitte, Hilfe zu leisten. Es hat bis vor wenigen Tagen gedauert, bis er eine Entscheidung bekommen hat, drei Monate lang, in einer Liquiditätsengpassphase. Es ist nichts passiert, es ist keine Entscheidung gekommen. Dann kam die Entscheidung und die hieß: „Wir können nichts machen.“ Nun kann ja sein, dass die Situation des Unternehmens wirklich so dramatisch gewesen ist, dass man da nichts machen kann. Der Clou der Geschichte ist aber, während die Aufbaubank gesagt hat, wir können nichts machen, ist eine andere Bank eingestiegen und hat diesem Unternehmen über den finanziellen Engpass hinweggeholfen. Das Unternehmen hat sich wieder stabilisiert und die Krise durchgestanden. Das heißt, von dieser Landesregierung, von diesem Ministerpräsidenten, der sich für diese Debatte über die Wirtschaftspolitik in Thüringen nicht interessiert, kommen nur Ankündigungen, geholfen hat es den Unternehmen im Land bisher nicht.
Auch der heutige Tagesordnungspunkt Unternehmensförderungsgesetz passt in dieses Bild. Im Januar war es, da hat die SPD-Fraktion einen Antrag auf den Tisch gelegt, den Bürgschaftsrahmen zu verdoppeln. Der Wirtschaftsminister befand sich damals noch im Tiefschlaf, so richtig aufgewacht ist er ja bis heute nicht, nur der Traum von der sanften Delle, Herr Reinholz, ist inzwischen geplatzt. Es ist inzwischen auch bei Ihnen angekommen, dass wir kei
ne sanfte Konjunkturdelle haben, sondern die größte Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Verzweifelt haben Sie, Frau Diezel, damals versucht zu erklären, dass zusätzliche Bürgschaftsmittel völlig unnötig sind, die brauchen wir nicht, wir haben ja einen Bürgschaftsrahmen. Vielleicht hat Ihnen der Wirtschaftsminister das damals so erzählt. Aber im Juni kam dann der Sinneswandel auch bei Ihnen, jetzt soll der Bürgschaftsrahmen erweitert werden. Gut so, dass Sie auch endlich aufgewacht sind, dass Sie endlich begriffen haben, dass wir diese Erweiterung brauchen. Aber wer sich das Gesetz genauer ansieht, kann feststellen, dass dies nur ein Bürgschaftsrahmenerweiterungsankündigungsgesetz ist. Nach Haushaltsrecht hätten Sie eigentlich das Haushaltsgesetz an dieser Stelle ändern und einen Nachtragshaushalt vorlegen müssen, stattdessen machen Sie hier Verrenkungen, die kein Mensch mehr nachvollziehen kann. Mit vernünftiger Politik hat das alles überhaupt nichts mehr zu tun, sondern nur noch mit dem Versuch, möglichst viel am Parlament vorbei durchzubringen.
Ich sage Ihnen ganz deutlich, auf die wichtigen wirtschaftspolitischen Herausforderungen geben Sie in den letzten Wochen keine Antwort. Da hilft auch die Erweiterung des Bürgschaftsrahmens nicht weiter. Ich sage Ihnen auch, dieser Landesregierung fehlen die Köpfe, die in der Lage sind, das Land voranzubringen. Wenn man im Land unterwegs ist und mit den Unternehmern redet, dann hört man über den Thüringer Wirtschaftsminister nicht viel Freundliches. Der Mann ist überfordert, heißt es da, der ist arrogant, und ich sage Ihnen hier: Reinholz im Amt des Wirtschaftsministers, das ist die größte Fehlbesetzung, seit Kaiser Caligula versucht hat, sein Pferd zum Konsul zu machen.
Ich würde den Regierungschef, wenn er denn überhaupt noch an einer politischen Debatte in Thüringen interessiert ist, gern fragen: Herr Althaus, glauben Sie wirklich, dass Sie mit dieser Mannschaft noch Wahlen gewinnen können?
Herr Kollege, Sie wissen, die Wählerinnen und Wähler entscheiden am 30. August, dann werden wir sehen, wie die Wahl ausgegangen ist. Ich weiß, dass Sie nervös sind, das zeigt Ihr ganzes Verhalten hier.
Sonst würden Sie hier nicht so aufgeregt dazwischenrufen, wenn Sie nicht nervös wären.
Was ich Ihnen ins Stammbuch schreiben will: Wir brauchen endlich eine Debatte über eine moderne Wirtschaftspolitik hier in Thüringen. Ihr Unternehmensförderungsgesetz ist eine hilflose Geste, vielmehr ist es nicht. Wir brauchen hier eine Wirtschaftspolitik, die wirklich vorausschaut, die die Probleme anpackt, die in Zukunft auf uns zukommen, die unseren Unternehmen hilft, sich besser auf Zukunftsmärkten zu etablieren. Sie haben von Januar bis Juni gebraucht, um unseren Vorschlag nachzuvollziehen, den Bürgschaftsrahmen zu erweitern. Jetzt endlich können wir das im Parlament beschließen. Sie sind Lichtjahre hinterher, Herr Wirtschaftsminister, hinter dem, was eigentlich an Wirtschaftspolitik notwendig ist.
Ein Megatrend der kommenden Jahre, bei dem wir unsere Unternehmen unterstützen müssen, ist eine ökologische Industriepolitik. Wenn Sie sich mal mit den Zahlen beschäftigt hätten, dann wüssten Sie, der weltweite Markt für Umwelttechnologien liegt heute bei 1,4 Billionen € und die Prognosen gehen davon aus, dass dieser Markt innerhalb von zehn Jahren auf 3,2 Billonen € weltweit wächst. Hier liegt ein gewaltiges Wachstumspotenzial, was wir auch für die Entwicklung der Thüringer Industrie nutzen können. Sie schlafen auf diesem Feld komplett. Alle Untersuchungen, die es dazu gibt - GEO hat eine Studie gemacht, der Bundesverband Erneuerbarer Energien hat eine Studie gemacht -, zeigen, bei den politischen Anstrengungen um erneuerbare Energien ist Thüringen das Schlusslicht. Wenn dann einige auch von Ihnen darüber herfallen, was Frank Walter Steinmeier als Perspektive gezeichnet hat für neue Jobs in Deutschland, ohne sich den Plan mal ein bisschen genauer anzuschauen, dann sage ich Ihnen: Wer ohne Visionen und ohne Weitblick durch die Politik stolpert, der wird nichts erreichen. Zur Politik gehört auch, dass man vorausschauend nicht nur auf die nächste Legislaturperiode schaut, sondern die nächste Generation im Blick hat. Darum geht es bei verantwortlicher Politik.
Nein, Herr Kollege, mit solchen Visionen, wie Jobs geschaffen werden können, muss man nicht zum Arzt, sondern Politik braucht einen weiten Blick, wenn es darum geht, in der Zukunft Jobs zu schaffen.
Ressourcen sparen, Energie sparen, erneuerbare Energien einsetzen, das sind die Wachstumspotenziale von morgen und übermorgen. Das kann sich jeder leicht vor Augen führen. Als ich geboren wurde, gab es etwa 3 Mrd. Menschen auf der Erde, heute sind es 7 Mrd. Es werden in 40 Jahren etwa 9 Mrd. Menschen sein. Wenn diese wachsende Menschheit ernährt werden soll, vernünftig leben will, dann brauchen wir einen anderen Umgang mit Ressourcen, eine andere Energieversorgung als heute, und jeder kann sich ausrechnen, dass die Unternehmen, die in diesen Bereichen fit sind, auch die Märkte von morgen besetzen wollen. Ich habe etwas mehr Ehrgeiz als Sie, ich will, dass wir eine Vision für Thüringen entwickeln, ich will, dass wir Thüringen zum grünen Motor Deutschlands machen und hier zeigen, wie Energieversorgung der Zukunft aussehen kann.
Unternehmensförderung heißt das heutige Thema, und ich frage noch mal: Wo bleibt eigentlich in Ihrer Unternehmensförderungsstrategie die sinnvolle Verknüpfung von Wirtschafts- und Bildungspolitik? Jeder weiß und die Unternehmen sagen es Ihnen, dass wir in eine Fachkräftelücke laufen, wenn wir nicht mit voller Kraft gegensteuern. Das Einzige, was Ihnen bisher dazu eingefallen ist, ist der Fachkräfteservice, den Sie eingerichtet haben. Da sind nach Auskunft der Landesregierung 1,8 Mio. € ausgegeben worden. Es sind nicht einmal 200 Fachkräfte, die damit zurückgeholt worden sind. Ich finde, das ist der falsche Ansatz, wir müssen an anderen Stellen jetzt ansetzen, wenn wir Fachkräfte für Thüringen sichern wollen. Wir müssen in der Bildungspolitik ansetzen.
Heute ist es wieder in der Zeitung nachzulesen - und ich habe das auch erlebt bei vielen Gesprächen in Unternehmen in den letzten Wochen -, schon heute gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen, die keine Lehrlinge mehr finden. Um ein Viertel ist die Zahl der Bewerber zurückgegangen, sagt uns die IHK Erfurt - heute in der Zeitung nachzulesen. Das heißt doch, bei weiter zurückgehenden Schülerzahlen müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie kann das Bildungssystem eigentlich dafür sorgen, dass es nicht so viele Verlierer gibt wie heute, dass es nicht mehr 7 Prozent aller Schüler sind, die ohne Abschluss aus der Schule gehen, dass wir nicht 7 Prozent der Schüler abschieben in Förderschulen, dass nicht so viele Schüler aus der Schule kommen, die keinen Abschluss haben.
Herr Schröter, das gehört genau zum Thema Wirtschaftsförderung dazu, wie wir für vernünftigen Fachkräftenachwuchs sorgen. Das beginnt eben in der Bildungspolitik.
Herr Kollege Schröter, ich kann doch nichts dafür, wenn diese Landesregierung einen so kurzen Horizont hat, dass sie beim Unternehmensförderungsgesetz nur an die Erweiterung des Bürgschaftsrahmens denkt. Das ist wirklich zu kurz gesprungen, Herr Kollege.
Wenn wir hier über Wirtschaftspolitik diskutieren, dann muss man den Blick schon ein bisschen weiter ziehen, sonst wird das nichts, das sage ich Ihnen. Deshalb gehört auch die Frage dazu, wie wir den Fachkräftenachwuchs in Thüringen sichern können.
Die Wirtschaftsverbände und die Kammern beschäftigen sich längst mit diesem Thema. Wir haben gerade wieder eine öffentliche Auseinandersetzung über die Frage gehabt: Wie können wir das Bildungssystem besser machen, um Fachkräftenachwuchs zu sichern? Die IHK Erfurt hat Positionen zur Verbesserung der Bildungsstrategie schon vor zwei Jahren beschlossen. Darin heißt es - ich darf die Studie zitieren -: „Längeres gemeinsames Lernen in einem sozial integrativ organisierten Schulsystem birgt ein wesentliches Potenzial zur Entwicklung sozialer Kompetenzen, zum Abbau sozialer Disparitäten und zur Förderung der Leistungsfähigkeit aller Schüler.“ Deshalb steht die IHK Erfurt für längeres gemeinsames Lernen, weil die Wirtschaft längst begriffen hat, dass wir im heutigen Bildungssystem zu viele Verlierer produzieren und nicht für ausreichende Leistungsfähigkeit sorgen können.
Der Verband der Thüringer Wirtschaft hat in einer Umfrage vom letzten Jahr auch feststellen müssen, 60 Prozent der befragten Unternehmer sagen, das dreigliedrige Schulsystem hat sich nicht bewährt. Da frage ich Sie: Wenn wir über Unternehmensförderung, wenn wir über Wirtschaftsförderung heute diskutieren, wo sind eigentlich Ihre Schlussfolgerungen aus diesen Forderungen, die wir von den Unternehmen bekommen? Wo bleibt eine sinnvolle Ver
knüpfungsstrategie von Wirtschafts- und Bildungspolitik? Fehlanzeige! Jetzt kommt endlich auch der Kultusminister - Sie haben auch offensichtlich begriffen, dass Wirtschaftspolitik und Bildungspolitik irgendetwas miteinander zu tun haben könnten.
Aber ich sage Ihnen auch, Herr Müller, Sie haben bisher nicht dafür gesorgt, dass Kinder in Thüringen bessere Chancen haben. Das, was wir hier in Wirtschaftspolitik und Bildungspolitik erleben, ist von der Personalbesetzung her gesehen, die doppelte Nulllösung. Mehr ist das nicht, und das ist zu wenig für Thüringen.
Ich will, dass wir dafür sorgen, dass in Bildungspolitik wieder stärker investiert wird, weil wir das brauchen, um Fachkräfte für gutes Wirtschaftswachstum sichern zu können. Das geht in den Kindergärten los, da fehlen uns heute 2.000 Erzieherinnen. Hier muss endlich der Hebel wieder umgelegt werden, das geht im Schulsystem weiter, sonst werden wir es nie schaffen, bei sinkenden Schülerzahlen für ausreichende Fachkräfte zu sorgen.
Eins ist klar - und jeder Unternehmer sagt Ihnen das heute, die sind nämlich dieser Landesregierung meilenweit voraus -, die Fachkräftefrage, das ist der Flaschenhals der Wirtschaftsentwicklung in den nächsten Jahren. Hier haben Sie nichts zur Lösung beigetragen bisher.
Aber selbstverständlich.
Herr Kollege, ich habe die kurzfristige Rückführung von Fachkräften nicht ausgeschlossen, ich habe nur gesagt, das kann doch nicht das Instrument sein, mit dem wir jetzt versuchen, das Problem zu lösen. Sehen Sie sich doch die Zahlen an: Mit 1,8 Mio. haben wir gerade mal knapp 200 Menschen bewegen können zurückzukommen. Wie viel Geld wollen Sie denn an dieser Stelle investieren? Ich sage, lasst uns lieber das Geld in die Hand nehmen, in die Kindergärten stecken, in die Schulen stecken, in gute Bildung stecken. Dann haben wir wesentlich mehr für den Fachkräftenachwuchs hier in Thüringen gekonnt.
Eines will ich Ihnen noch dazu sagen, Herr Kollege Goebel: Einen Zusammenhang gibt es noch an dieser Stelle, wenn es darum geht, weshalb Fachkräfte weggehen oder nur so wenige zurückkommen; es gibt nämlich eine Verknüpfung mit dem Thema Lohn. Wenn Sie Menschen fragen, die sich entschieden haben, aus Thüringen wegzugehen, dann werden Sie als wesentliches Argument hören, ich habe mich entschieden woanders hinzugehen, weil ich dort deutlich besser verdiene. Das ist der häufigste Grund für Abwanderung. Wenn man etwas tun will, um Fachkräfte im Land zu halten und Fachkräfte ins Land zu bekommen, dann muss man auch an der Lohnfrage ansetzen. Dann braucht es eine Landesregierung, die sich kümmert um diese Frage, und nicht eine Landesregierung, die bei jeder Tarifverhandlung schreit, die Tarife dürfen nicht steigen, weil sonst die Wirtschaft den Bach runtergeht und Arbeitsplätze verloren gehen. Nein, wenn die Tarife nicht steigen, dann stimmen die Leute mit den Füßen ab, dann gehen sie woanders hin. Das müssen Sie endlich mal begreifen, gute Löhne sind ein Teil von vernünftiger Wirtschaftspolitik.
Auch da kann man sich natürlich ansehen, was in der Wirtschaft diskutiert wird; die ist auch da längst weiter als diese Landesregierung. Es gibt ein Positions- und Maßnahmepapier 2009 des Verbandes der Wirtschaft Thüringens. Dort heißt es unter Punkt 2, ich darf Ihnen das mal zitieren, ich habe das gerade hier:
„Eine stärkere Tarifbindung sorgt für wettbewerbsfähige Arbeitsentgelte, gibt den Beschäftigten eine Perspektive und wirkt der Abwanderung entgegen.“ Das ist genau der Punkt, den diese Landesregierung nicht begreifen will: Nur gute Löhne sichern Fachkräfte im Land. Deshalb sage ich Ihnen eins, ich werde nach dem 30. August eine Initiative gemeinsam mit den Tarifpartnern starten, mit Gewerkschaften, mit Wirtschaftsverbänden, um die Tarifbindung hier in Thüringen zu verbessern. Das ist ein wesentlicher Schritt für steigende Löhne und dafür, dass Menschen sich entscheiden, in Thüringen zu bleiben.
Noch mal zurück zum Unternehmensförderungsgesetz: Werner Pidde hat vorhin gesagt, weshalb wir einen solchen Antrag gestellt haben.
Aber gern.
Natürlich diskutiere ich das auch mit den Unternehmern. Ich weiß, dass es Unternehmen gibt, die wirtschaftlich an der Kante sind und deshalb keine Tariflöhne zahlen. Aber ich sage Ihnen auch, Frau Kollegin - und auch das habe ich gesehen auf meiner Tour -, es gibt viele Unternehmen, die können Tariflöhne zahlen und tun es trotzdem noch nicht und die will ich gewinnen für eine stärkere Tarifbindung. Da bin ich mir auch mit dem Verband der Thüringer Wirtschaft einig, dass wir eine stärkere Tarifbindung in Thüringen brauchen, denn das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen und hält Fachkräfte hier.
Nein. Die Frage ist beantwortet. Zurück zum Unternehmensförderungsgesetz:
Nein.
Ich möchte etwas zum Unternehmensförderungsgesetz sagen.
Werner Pidde hat das vorhin deutlich gemacht in seinem Beitrag. Wir haben einen Änderungsantrag gestellt, weil es uns darum geht, dass auch diejenigen, die nur kleine Kredite brauchen, auch unterhalb von 10.000 €, nicht einfach durchs Raster fallen. Mir ist das wichtig. Es gibt viele Handwerksbetriebe, da geht es mal um 7.000 €, um 8.000 €, um eine schwierige Phase zu überbrücken. Auch die müssen eine Möglichkeit haben, Mikrodarlehen zu beantragen. Deshalb haben wir diesen Änderungsantrag vorgelegt - übrigens eine Anregung, die aus dem Bereich der Handwerker kommt.
Ich hoffe, dass wir hier gemeinsam diesem Änderungsantrag am Ende auch zustimmen können. Ich bitte auch die Fraktion der CDU, sich das noch einmal zu überlegen. Es ist eine sinnvolle Geschichte. Hier können wir zeigen, dass wir trotz Wahlkampf gemeinsam bereit sind, Unternehmen zu helfen, da, wo die Säge klemmt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss noch einmal deutlich machen: Unternehmensförderungsgesetz, das ist ein sehr breit gefasstes Thema. Sie haben gezeigt, dass Sie hier sehr schmalspurig fahren. Sie haben das auf eine einzige Frage reduziert, auf die Ausweitung des Kreditrahmens. Ich sage Ihnen, das reicht nicht aus. Wirtschaftspolitik in dieser Zeit muss Weitsicht zei
gen, sie muss vorausblicken. Sie muss den Thüringer Unternehmen helfen, sich auf Zukunftsmärkten zu etablieren. Sie muss Wirtschafts- und Lohnpolitik sinnvoll miteinander verknüpfen. Sie muss Wirtschafts- und Bildungspolitik miteinander verknüpfen, um die Fachkräftefrage zu lösen. Zu all diesen Punkten ist von dieser Landesregierung nichts zu hören. Deshalb sage ich ganz deutlich: Diese Truppe, die kann es nicht mehr, die hat abgewirtschaftet. Ich bin froh, dass die Wähler in drei Wochen die Möglichkeit haben, sich neu zu entscheiden. Diese Regierung kann es nicht mehr.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, es ist notwendig, einiges noch mal klarzustellen. Seit zehn Jahren verantwortet die CDU die Haushalte in Thüringen. Thüringen hat in den letzten Jahren insgesamt über 16 Mrd. € Schulden angehäuft. Sie stellen sich jetzt hier hin, Frau Finanzministerin, nachdem Sie all die Jahre die Verantwortung für die Finanzen getragen haben, und werfen der Opposition vor, Schulden machen zu wollen. Sie sind diejenige, die die Schulden in den letzten Jahren hier in Thüringen zu verantworten hat.
Diese Landesregierung ist es gewesen, die all diese Schulden aufgenommen hat.
Ich stelle auch noch mal fest: Wir haben als Oppositionspartei bei keiner Haushaltsberatung mehr Ausgaben vorgeschlagen, als die Landesregierung
vorgeschlagen hat, bei keiner Haushaltsberatung.
Ich stelle fest, Sie sind es, die in diesem Landtag gerade wieder ein Gesetz eingebracht haben, mit dem zusätzlich 1,8 Mrd. € in den nächsten Jahren für Abwasser ausgegeben werden sollen, weil Sie nicht fähig und in der Lage waren zu weniger hohen Preisen dieses Problem für die Thüringer Steuerzahler zu lösen. Ihr Unvermögen kostet 1,8 Mrd. € in den nächsten Jahren.
Dann stellen Sie sich hier hin und werfen uns vor, für Schulden verantwortlich zu sein oder in der Zukunft Schulden machen zu wollen. Ihre verkorkste Haushaltspolitik ist es, die Sie jetzt zu einem solchen Schritt treibt, hier Schaufensteranträge zu stellen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass es eine Vereinbarung aller Bundesländer gibt mit dem Bund über eine Schuldenregelung. Diese Schuldenregelung steht im Grundgesetz, sie ist vom Bundestag beschlossen worden, sie ist vom Bundesrat beschlossen worden. Sie haben dieser Regelung zugestimmt im Bundesrat. Jetzt tun Sie so, als existiert keine Schuldenbegrenzung. Die Regel, die dort beschlossen worden ist, gilt ab 2011. Dann gibt es Übergangszeiträume bis 2015 für den Bund, bis 2019 für die Länder. Sie wissen auch, warum es Übergangszeiträume gibt, weil die Haushalte strukturell darauf ausgerichtet werden müssen, ohne Neuverschuldung auszukommen, weil man nicht immer das Glück hat, was Sie zwei Jahre lang hatten, dass die Steuereinnahmen gerade mal so gut laufen, dass das irgendwie hinkommt. Das war ja nicht Ihr Verdienst.
Sie wollen jetzt behaupten, Herr Ministerpräsident, das war Ihr Verdienst, dass die Steuereinnahmen in den beiden Jahren...
Also dann darf ich feststellen, solange es schlecht lief, waren immer die anderen schuld, die in Berlin, die Wirtschaft, sonst wer. Wenn es gut läuft, sind Sie schuld, okay, so kann man die Welt sich natürlich auch schönreden. Sie merken doch selbst, dass das Schaufenster ist, was Sie hier veranstalten. Sie wissen, es gibt eine Schuldenbegrenzung, die steht im Grundgesetz, die gilt für alle Bundesländer, die gilt für den Bund. Wir brauchen eine Übergangsfrist, um zu garantieren, dass die Haushalte strukturell darauf vorbereitet werden, ohne neue Schulden auszukommen.
Das einfach nur in die Verfassung zu schreiben, da könnten Sie auch beschließen, dass morgen die Sonne scheint. Es kommt nicht darauf an, hier etwas in die Verfassung zu schreiben, was ohnehin im Grundgesetz geregelt ist, sondern es kommt darauf an, endlich Haushaltspolitik zu machen und Strukturveränderung möglich zu machen in diesem Land, was langfristig dazu führt, dass die Haushalte ausgeglichen sind - aber genau an der Stelle weigern Sie sich. Das, was andere Bundesländer gemacht haben, nämlich Verwaltungs- und Gebietsreformen, um einzusparen,
um die Haushalte auf die Zukunft auszurichten, da verweigern Sie sich, das haben Sie erst gestern hier wieder deutlich gemacht. Solange Sie nicht bereit sind, wirklich Strukturreformen anzupacken, können Sie hier beschließen, was Sie wollen, da werden die Haushalte nicht ins Gleichgewicht kommen. Deshalb ist es höchste Zeit am 30. August für neue Mehrheiten, damit endlich solide Haushaltspolitik in Thüringen möglich wird.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident, Sie haben sich lange Zeit gelassen, unserer Forderung nach einer Regierungserklärung nachzukommen. Nach so langer Zeit durfte man eigentlich mehr erwarten. Ich habe Ihre Rede sehr aufmerksam verfolgt und ich muss sagen, Sie wirken wie jemand, der ohne Anleitung versucht ein IKEA-Regal zusammenzubauen, viele Einzelteile, aber Sie haben keine Vorstellung davon, wie man daraus ein sinnvolles Ganzes machen könnte.
Noch etwas hat Ihre Rede gezeigt: Sie haben sich in wichtigen Fragen meilenweit von der Wirklichkeit in Thüringen entfernt. Ein krasses Beispiel ist das, was Sie hier zu OPTOPOL und zur Thüringer Polizei gesagt haben. Nach Ihrer Rede musste man den Eindruck gewinnen, hier in Thüringen ist bei der Poli
zei alles in Ordnung. Der Leiter der Polizeiinspektion Eichsfeld muss geahnt haben, dass Sie heute eine solche Schönfärberei in Ihrer Rede betreiben werden, er hat sich nämlich vorsorglich schon mal in der Zeitung zu Wort gemeldet. Dort steht unter der Überschrift „Gewerkschaft: In Thüringen fehlen dank leerer Kassen 1.000 Beamte“: „Im Vollzugsdienst wurden in den letzten Jahren über 1.000 Stellen abgebaut. Der Haushaltsentwurf der Landesregierung sieht vor, bis 2019 weitere 900 Stellen abzubauen.“ Das kommentiert Herr Grosa, der gleichzeitig Chef der Gewerkschaft der Polizei in Thüringen ist, mit folgendem Satz: „Dramatische Zustände gibt es besonders auf dem Land, normale Streifenfahrten sind dort nicht mehr drin. Früher gab es Fuß- und Zivilstreifen. Beamte konnten für die Absicherung von Festen abgestellt werden.“ Und Grosa dann weiter: „Heute können generell nur noch Notrufe abgearbeitet werden.“
Herr Ministerpräsident, das ist die Wirklichkeit bei der Thüringer Polizei,
die Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Die Wahrheit ist nicht, dass bei der Polizei alles in Ordnung ist; die Wahrheit ist, dass Sie mit dem Murks, den Sie in den letzten Jahren hier fabriziert haben, ein Risiko für die innere Sicherheit geworden sind. Das ist die Wahrheit hier im Land.
Ich nehme ein zweites Beispiel, was Ihr Verhältnis zur Wirklichkeit in Thüringen demonstriert. In den letzten Tagen, insbesondere gestern, waren viele junge Leute - Schüler, Studierende - auf der Straße, weil sie sich für bessere Bildung einsetzen. In Jena war das
- ja, Frau Groß - die größte Demonstration seit den Demonstrationen von 1989. Sie, Herr Ministerpräsident, gehen einfach so darüber hinweg mit Ihrer Regierungserklärung, als hätte das alles überhaupt nicht stattgefunden, als wäre es überhaupt nicht wichtig, Menschen, die sich für bessere Bildung einsetzen, überhaupt nur zuzuhören. Sie verkriechen sich in Ihrer Staatskanzlei und lesen hier vor, was die Ministerien Ihnen aufgeschrieben haben. Ich sage Ihnen, das reicht nicht, um ein Land zu führen.
Oft ist es auch so, dass die Vorschläge, die Sie hier zum Besten geben, vorn und hinten überhaupt nicht zusammenpassen. Ich will das am Beispiel des Neuverschuldungsverbots ab 2011 deutlich machen. Zunächst noch einmal: Das Ziel, dass zukünftige Haushalte ohne Schulden auskommen müssen, ist ein Ziel der Sozialdemokraten in Deutschland. Wir haben mit dafür gesorgt, dass die notwendige Mehrheit im Bundestag und auch im Bundesrat dafür zustande gekommen ist.
Jetzt steht im Grundgesetz,
dass der Bund die Schulden begrenzt bekommt und die Länder ab 2020 in normalen Zeiten keine neuen Schulden mehr machen dürfen. Diese Regelung gilt vom Grundsatz her ab 2011 mit der Übergangsfrist für den Bund bis 2016, Übergangsfrist für die Länder bis 2019. Ab 2020 gelten die neuen Regeln. Es gibt also überhaupt keinen vernünftigen Grund, nachdem alles im Grundgesetz geregelt ist, die Länder sich geeinigt haben untereinander und mit dem Bund, wie das in Zukunft laufen soll, jetzt einen Thüringer Sonderweg einzuschlagen. Aber ich will auch noch mal inhaltlich auf das schauen, was Sie hier vorgetragen haben. Sie sagen, Sie wollen ab 2011 schon ohne neue Schulden auskommen. Gleichzeitig präsentieren Sie Zahlen, wie sich die Steuerentwicklung in den nächsten Jahren gestaltet. Es ist ja kein Geheimnis, dass einer Wirtschaftskrise, einem deutlichen Einbruch der Wirtschaftsleistungen, hoher Kurzarbeit und wahrscheinlich auch ansteigender Arbeitslosigkeit Steuerausfälle folgen. Die Schätzerzahlen sehen so aus, dass das für nächstes Jahr 735 Mio. € sind, die wir weniger in der Kasse haben, 2011 dann 842 Mio. €, also noch einmal mehr als im nächsten Jahr. 2012 geht der Schätzerkreis immer noch von rund 750 Mio. € Steuermindereinnahmen aus. Nun weiß ich auch, dass das Schätzzahlen sind und dass keiner hundertprozentig vorhersagen kann, wie die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahre ist. Aber eines ist klar, dass wir deutlich weniger Geld in der Kasse haben werden in den nächsten Jahren. Dazu kommt das, was Sie an Steuervorschlägen machen, Herr Ministerpräsident. Die CDU schlägt vor, eine Steuerentlastung zu machen, so ist es für das Bundeswahlprogramm vorgesehen, von 20 Mrd. €. Heruntergerechnet auf Thüringen heißt das zu dem Minus, was wir ohnehin schon haben, noch einmal 200 Mio. € weniger. In der Bildzeitung war gestern zu lesen: „Thüringen fordert Senkung der Mehrwertsteuer“. Da sind Sie abgebildet, wie Sie gerade ein Bier trinken. Darüber steht: „So will Althaus den Kneipen helfen.“ Also auch bei der Mehrwertsteuer sollen die Steuersätze heruntergehen
und damit müssen Mindereinnahmen in Kauf genommen werden. Wenn man in Ihr Landtagswahlprogramm schaut, steht da noch drin, Sie wollen auch die Steuern auf Energie senken. Die Ökosteuer bringt zurzeit etwa 18 Mrd. € in die Haushalte. Auf diese 18 Mrd. € wollen Sie in Zukunft verzichten. Gleichzeitig erzählen Sie uns hier, dass Sie schon in zwei Jahren Haushalte ohne neue Schulden aufstellen wollen. Herr Ministerpräsident, da kann ich nur sagen, als Mathelehrer haben Sie das Rechnen verlernt. Das nimmt Ihnen keiner mehr ab.
Die Zeche für solche Fehleinschätzungen und die Zeche für solche Fehlentscheidungen, die auf Fehleinschätzungen beruhen, die tragen am Ende die Bürger. Das Thema Abwasser ist ein gutes Beispiel dafür. Sie haben nämlich 2004 und dann 2005 in Gesetzesform gegen den Rat aller Fachleute ein Gesetz hingepfuscht, von dem man wissen konnte, dass es vor dem Verfassungsgericht keinen Bestand hat. Das Verfassungsgericht hat ja auch konsequenterweise dieses Gesetz kassiert. Weil Sie solchen Pfusch gemacht haben, müssen die Bürger jetzt dafür geradestehen. 1,8 Mrd. € Steuergelder kostet der Pfusch, den Sie in den letzten Jahren angerichtet haben.
Herr Scherer, schauen Sie einmal in den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, da steht diese Zahl drin. Um es ganz korrekt zu sagen, 1,79 Mrd. € Gesamtkosten für Ihre Lösung, die Sie hier präsentieren.
Ich sage Ihnen auch, Herr Mohring, warum es so teuer wird.
Beruhigen Sie sich doch. Sie kennen den alten Spruch mit den getroffenen Hunden. Herr Mohring,
ich sage Ihnen auch, weshalb es jetzt so teuer wird. Sie haben nämlich beim Fundament gepfuscht mit der Lösung, die Dieter Althaus damals durchgesetzt hat. Jetzt muss das halbe Haus wieder abgerissen und neu aufgebaut werden. Jeder weiß, wer bei den Grundlagen pfuscht, der muss am Ende draufzahlen. Genau das passiert jetzt.
Sie haben seit 1999 mit absoluter Mehrheit in Thüringen regiert. Sie hatten zehn Jahre Zeit, eine vernünftige Lösung für die Bürgerinnen und Bürger zu finden. Sie haben zehn Jahre verschlafen, nichts Vernünftiges zustande gebracht und jetzt am Ende wird es für die Bürger teuer. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik.
Dann kommen Sie, Herr Althaus, mit dem Spruch „keine Experimente“. Wer sich Ihre Experimente mit der Polizei anschaut, wer sich Ihre Experimente bei Wasser und Abwasser anschaut, der kann bei Ihrer Aufforderung nur zu dem Schluss kommen: Die CDU in Thüringen können wir uns nicht mehr leisten, dieses Experiment ist danebengegangen.
Gute Politik, die beginnt mit dem Aussprechen dessen, was ist. Sie haben vieles angesprochen, nicht alles hatte mit der Realität in Thüringen zu tun, aber gute Politik, die muss auch über den Tag hinaus denken. Wir müssen uns heute die Frage stellen: Wo wollen wir in 10, in 15 Jahren stehen? Auch Roman Herzog hat einmal gesagt: „Visionen sind Strategien des Handelns, das unterscheidet sie von Utopien. Zur Vision“ - so der Altbundespräsident - „gehören Mut, Kraft und die Bereitschaft, sie zu verwirklichen.“ Bei Ihnen habe ich heute weder Mut noch Kraft, noch Bereitschaft gespürt, Herr Ministerpräsident. Aber die Menschen erwarten von der Politik, dass wir ihnen Antworten geben auf die Zukunftsfragen. Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen, und deshalb will ich die Frage stellen: Was ist notwendig in Thüringen und was ist möglich in Thüringen? Ganz konkret gefragt: Vor welchen Herausforderungen stehen wir eigentlich in den nächsten Jahren? Ich will fünf große Felder benennen, die die Menschen hier in Thüringen beschäftigen.
Das erste Feld ist die Frage der Entwicklung bei Arbeitsplätzen und Löhnen.
Die zweite wichtige Frage ist: Wie sieht es eigentlich mit den Bildungschancen aus? Schaffen wir es wirklich, allen Kindern und Jugendlichen gleiche Bildungschancen zu garantieren?
Die dritte wichtige Frage ist aus meiner Sicht: Wie sorgen wir für sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft? Wie sorgen wir dafür, dass auch die, die nicht so schnell laufen können, nicht auf der Strecke bleiben?
Die vierte große Frage ist: Wie sorgen wir eigentlich in Zukunft für bezahlbare und sichere Energie? Denn die Energieversorgung, die wir heute haben, können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten.
Die letzte Frage, die ich ansprechen will, die auch viele beschäftigt: Wie gehen wir eigentlich um mit einer Gesellschaft, in der es deutlich mehr Ältere gibt? Wie gehen wir aber auch mit einer Situation in Thüringen um, dass wir mit weniger Einwohnern rechnen müssen?
Lassen Sie sich einmal ein neues Argument einfallen. Wenn das Stichwort „langweilig“ zutrifft, dann auf die Regierungserklärung, die Dieter Althaus heute gehalten hat.
Ich will mit der für die meisten Menschen sehr existenziellen Frage nach Arbeitsplätzen und Löhnen beginnen. Die aktuelle Wirtschaftskrise hat diese Frage weiter zugespitzt. Natürlich kann man sagen, wir müssen die Krise auch als Chance nutzen, da bin ich ganz Ihrer Meinung, Herr Althaus, aber wir müssen zunächst einmal wahrnehmen, was im Moment passiert, und hier sehen wir, dass immer Menschen um ihre Arbeitsplätze bangen, 90.000 sind inzwischen in Kurzarbeit gemeldet. Ein renommiertes Unternehmen wie Carl Zeiss in Jena konnte nur durch
deutlichen Lohnverzicht Entlassungen vermeiden, wie wir gerade in den Zeitungen lesen konnten. Ich war bei der IHK in Südthüringen vor wenigen Tagen, wo mir deutlich gemacht wurde, wie es dort aussieht, dass 40 Prozent der Unternehmen im industriellen Bereich über Entlassungen nachdenken. Deshalb müssen wir die Frage stellen: Was soll, was kann, was muss der Staat in einer solchen Situation tun, sich raushalten oder einmischen? Das ist die Grundsatzfrage, die in den letzten Wochen intensiv diskutiert worden ist. Am Fall Opel wurde das zur ideologischen Debatte. Der Spiegel titelte: „Der geplünderte Staat - wie viel Opel darf sich Deutschland noch leisten?“ Ich sage ganz offen, ich halte diese Frage für einigermaßen theoretisch, denn in Sachen Opel und auch bei der Hilfe für andere Unternehmen, die im Kern gesund sind, gibt es nach meiner Überzeugung keine vernünftige Alternative zu staatlichem Eingreifen.
Es kann doch niemand glauben, dass uns eine Insolvenz billiger gekommen wäre. Deshalb kann ich bis heute nicht verstehen, Herr Althaus, weshalb Sie Herrn zu Guttenberg nicht widersprochen haben, als er Opel in die Insolvenz schicken wollte.
Denn auch ein Konkursverfahren kostet natürlich Geld. Aber noch schlimmer: Es standen 100.000 Beschäftigte bei Opel und in der Zulieferindustrie auf dem Spiel. Unter dem Strich hätte eine Insolvenz den Staat 6,5 Mrd. € gekostet. Das ist nicht meine Rechnung, sondern das hat der Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer ausgerechnet. Was wäre also wirklich besser gewesen: Insolvenz oder Rettung? Ich sage, wenn man alles vernünftig anschaut, gab es nur eine richtige Entscheidung und das war die Entscheidung für die Rettung von Opel und deshalb haben wir uns von Anfang an für diese Lösung stark gemacht.
Herr Mohring.
Ich wäre an Ihrer Stelle nicht so vorlaut, Herr Mohring. Ich habe Herrn Althaus nicht widersprechen hören, als zu Guttenberg Opel in die Insolvenz schicken wollte.
Zeigen Sie mir eine Äußerung dazu.
Herr Goebel, Sie sind ja auch da, schön.
Ich habe erlebt, als ein wichtiger Investor hier in Thüringen war, dass der Thüringer Ministerpräsident nicht bereit war, mit ihm zu reden, sondern auf der Flucht war. Deshalb sage ich hier noch einmal, ich hätte mir hier von Anfang an mehr und klareren Einsatz gewünscht.
Aber noch einmal zurück zum Grundproblem. Mir geht die Situation Anfang der 90er-Jahre dabei durch den Kopf. Wir haben erlebt, was es bedeutet, wenn strukturbestimmende Unternehmen dicht gemacht werden. Es waren nicht wenige, die von der Treuhand damals aufgegeben worden sind oder die für 1 DM damals an Investoren gegangen sind, die nichts anderes im Blick hatten, als solche Unternehmen vom Markt zu nehmen. Wir wissen, was die Folge war. Wir wissen, wie viel Zeit und wie viel Geld es gekostet hat, solche Regionen hinterher wirtschaftlich wiederzubeleben, und deshalb noch einmal: Ich bin der festen Überzeugung, in dieser Krise ist es besser, Arbeitsplätze zu finanzieren als Arbeitslosigkeit bezahlen zu müssen.
Das gilt auch für die vielen kleinen und mittleren Unternehmen im Land, die auch auf Unterstützung warten. Ich sage Ihnen auch deutlich, ich finde es richtig, wenn der Bürgschaftsrahmen gerade auch für kleine und mittlere Unternehmen jetzt ausgeweitet werden soll - übrigens eine Forderung, die wir schon vor Monaten erhoben haben. Damals hat uns die CDU-Fraktion erklärt, das sei alles überhaupt nicht notwendig, wir haben ja schon einen Bürgschaftsrahmen und der sei längst nicht ausgeschöpft, es besteht überhaupt kein Handlungsbedarf. Aber gut, das gehört zur Vergangenheitsbewältigung. Jetzt sind Sie auch so weit, dass Sie sagen, wir brauchen eine
Ausweitung des Bürgschaftsrahmens. Aber bitte, Herr Ministerpräsident, nicht wieder ein Vorgehen, was nicht gesetzeskonform ist. Die Landeshaushaltsordnung sagt es eindeutig, wenn Sie den Bürgschaftsrahmen ausweiten wollen, dann müssen Sie dazu das Haushaltsgesetz ändern. Es muss im Haushaltsgesetz geregelt werden. Sie können nicht neben dem Haushaltsgesetz ein anderes Gesetz auf den Weg bringen und damit den Bürgschaftsrahmen ausweiten. Wenn Sie weiter so Pfusch machen, werden Sie wieder auf die Nase fallen.
Am Ende ist es genauso wie bei Wasser und Abwasser, wieder werden Bürger und Unternehmen die Zeche für den Pfusch zahlen, den Sie hier angerichtet haben.
Ich verstehe gar nicht, warum Sie alle hier auf der Regierungsbank so unruhig sind. Aber ich will nicht nur über die aktuelle Krisenbewältigung reden, sondern wir müssen auch lernen, über die Krise hinauszublicken. Wir müssen fragen, was ist eigentlich an Konsequenzen notwendig, was haben wir aus dieser Krise gelernt, aber auch wo liegen Stärken und Schwächen in der Thüringer Entwicklung.
Ich will jetzt nichts sagen zu dem, was an Konsequenzen aus der Krise im Bereich der Finanzpolitik, der Bankenaufsicht notwendig ist, das haben wir hier schon mehrfach diskutiert. Ich will etwas sagen zu den Stärken und Schwächen, die ich in der Entwicklung der nächsten Jahre sehe. Es gibt unbestreitbare Stärken, z.B. - Sie haben das auch erwähnt in Ihrer Rede, Herr Ministerpräsident - der Anteil Thüringens bei den Industriearbeitsplätzen, der ist heute schon im Durchschnitt der alten Bundesländer. Das ist gut, das hat auch etwas mit der Geschichte dieses Landes zu tun. Das ist eine Stärke, auf die wir weiter aufbauen können. Zu den Stärken zählt auch, dass sich der Umsatz im verarbeitenden Gewerbe in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. Zu den Stärken gehört, dass wir die niedrigste Arbeitslosigkeit unter den neuen Ländern haben. Aber, Herr Ministerpräsident, wer sicher in die Zukunft steuern will, muss natürlich auch die Frage stellen, wo liegen möglicherweise Schwächen, wo müssen wir ansetzen in den nächsten Jahren? Und zur Wirklichkeit gehört eben auch, dass uns in Thüringen noch rund 120.000 Arbeitsplätze fehlen, um auf die gleiche Arbeitsplatzdichte wie im Durchschnitt der alten Bundesländer zu kommen. Zur Wahrheit gehört eben auch, dass
heute 12 Prozent der Thüringer Beschäftigten in den alten Bundesländern als Pendler ihre Arbeit finden und so dazu beitragen, dass die Arbeitslosenquote in Thüringen besonders niedrig ist. Den Grund kann man auch in Untersuchungen nachlesen, die Institute über Thüringen gemacht haben. Uns fehlt es in den letzten Jahren an wirtschaftlicher Dynamik. Es ist ja nicht ohne Grund so, dass Thüringen in den letzten Jahren zwar neue Arbeitsplätze geschaffen hat, aber weniger als in den anderen neuen Bundesländern entstanden sind. Die Dynamik ist uns ein ganzes Stück abhandengekommen.
Das Gleiche gilt auch für die Lohnentwicklung. Auch hier gibt es Licht und Schatten. Ich will natürlich mit den guten Seiten beginnen. In einigen Bereichen ist die Angleichung der Löhne inzwischen gelungen. Der Grundtarif in der Metallbranche in den neuen Bundesländern z.B. unterscheidet sich heute nicht mehr vom Grundtarif in den alten. Auch im öffentlichen Dienst haben wir deutlich zugelegt. In den unteren Einkommensgruppen ist die Angleichung geschafft, insgesamt stehen wir bei 95 Prozent Angleichung. Das gehört zu den guten Seiten im Bereich der Lohnentwicklung. Aber es gibt natürlich auch Schatten. Zu den Schatten gehört, dass der monatliche Durchschnittslohn in Thüringen immer noch 500 € unter dem monatlichen Durchschnittslohn in den alten Bundesländern liegt - 500 €. Zu den Schattenseiten gehört auch, dass Thüringen ein Niedrig- und Niedrigstlohnproblem hat. Fast ein Drittel der Beschäftigten in Thüringen, fast ein Drittel, verdient weniger als 900 € netto. Bei knapp 60.000 reicht der Arbeitslohn allein nicht aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie müssen ihren Lohn beim Arbeitsamt aufstocken. Insbesondere Frauen sind von dieser Niedriglohnentwicklung betroffen.
Deshalb sage ich, bei aller Positiventwicklung, die wir in einigen Bereichen haben, wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken und wegschauen, wenn es um solche Niedriglohnbereiche geht. Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich, ich habe eine Vision davon, wohin sich Thüringen entwickeln soll. Ich will, dass wir in zehn Jahren Standorte haben, die genauso attraktiv sind wie die Standorte in den Nachbarländern Bayern und Hessen. Ich will, dass wir in zehn Jahren weiter vorangekommen sind, und zwar in großen Schritten, was die Lohnangleichung angeht. Aber die Frage ist natürlich auch, und die wird zu Recht gestellt: Wie kommen wir dahin? Das ist ja keine einfache Aufgabe. Wie kommen wir zu mehr Arbeitsplatz- und Wirtschaftsdynamik? Wie sorgen wir für mehr Wirtschaftskraft? Wie sorgen wir dafür, dass die Löhne nachziehen können? Das ist kein Selbstlauf, das weiß ich. Deshalb bin ich überzeugt, dass wir aufhören müssen, alles irgendwie zu fördern. Wir müssen uns anschauen, wo die wachstumsstärksten Branchen sind. Wir müssen diese Stärken
weiter ausbauen.
Ich will dazu gemeinsam mit der Wirtschaft und mit der Wissenschaft einen Zukunftsatlas Thüringen erstellen, einen Zukunftsatlas, der uns zeigt, wo die dynamischsten Entwicklungen sind, wo die Post abgeht in den nächsten Jahren, der Auskunft über Dynamik und Potenziale der Branchen, aber auch der Regionen gibt.
Dazu gehört es, sich die Branchen anzuschauen, aber auch die Entwicklung in einzelnen Regionen. Die ist durchaus unterschiedlich. Zwei Drittel des Fahrzeugbaus beispielsweise konzentrieren sich in Westthüringen. Die optische Industrie konzentriert sich sehr stark in Mittelthüringen, 40 Prozent davon in Jena. Chemie und Textilien konzentrieren sich sehr stark im Osten Thüringens. Wir haben also erkennbare regionale Stärken neben den starken Branchen. Wir können mehr tun, solche regionalen Stärken weiterzuentwickeln durch kluge Infrastrukturpolitik, durch kluge Förderpolitik. Wenn wir es schaffen, Wachstumsbranchen noch stärker voranzutreiben, dann entsteht eine weitere Herausforderung, auch die ist beschrieben: Bis 2015 brauchen wir rund 100.000 neue Fachkräfte in den Betrieben. Sie müssen sich schon die Frage gefallen lassen, was haben Sie eigentlich in den letzten Jahren Ihrer Regierungsverantwortung dafür getan, dass eine solche Fachkräftelücke nicht aufreißt? Fachkräfteservice ist ein Stichwort, aber das reicht längst nicht aus. Damit allein können wir doch die Lücke nicht schließen, die sich hier auftut. Deshalb sage ich, wir wollen hierzu ein Fachkräftemonitoring aufbauen, das uns genauer erkennen lässt, wo ist eigentlich der Bedarf in den nächsten Jahren, in welchen Branchen, in welchen Regionen besonders, denn wir können doch nicht erst 2015 reagieren, wenn die Leute gebraucht werden. Wir müssen heute mit Schülerinnen und Schülern darüber reden, welche Ausbildungsberufe attraktiv sind, wo man gute Chancen in den nächsten Jahren hat, wir müssen darüber reden, welche Studienrichtungen besonders gefragt sind, und wir müssen natürlich auch die Ausbildungskapazitäten an Berufsschulen und Universitäten nach wie vor halten. Mein Vorschlag ist ein solches Fachkräftemonitoring und darauf aufbauend junge Leute für solche Entwicklungen zu gewinnen.
Zurzeit jedenfalls noch - und das ist leider unübersehbar - wandern immer noch viele, gerade junge und gut ausgebildete Menschen aus Thüringen ab. Die Lohnentwicklung ist ein wesentlicher Grund dafür. Man braucht doch mit den Leuten nur einmal zu
reden. Natürlich ist Thüringen ein wunderschönes Land mit enormen Stärken, aber die Frage Bleiben oder Gehen hängt eben ganz oft an der Frage: Erstens, finde ich den Arbeitsplatz, den ich mir wünsche, und zweitens, stimmt das Geld hinterher im Portemonnaie? Da brauchen wir doch nicht drumherum zu reden. Deshalb sage ich Ihnen auch, wir müssen mehr dafür tun, dass die Lohnangleichung schneller geschafft wird. Nun weiß ich auch, das ist keine Frage, die die Politik entscheidet, außer im öffentlichen Dienst.
Aber wir können z.B. gemeinsam mit den Tarifpartnern mehr dafür tun.
Was denn? Das will ich Ihnen sagen. Ich habe vor, gemeinsam mit den Tarifpartnern eine neue Initiative zu starten, die Tarifbindung in Thüringen deutlich zu erhöhen, wir haben noch viel zu viele Unternehmen, die nicht in der Tarifbindung stehen, die schlechtere Löhne bezahlen, das wäre ein erster wichtiger Schritt.
Nur mit guten Löhnen bleiben die Menschen im Land. Das zweite Problem, die Niedriglöhne, habe ich auch angesprochen. Die unterste Eingruppierung eines Wachmannes in Thüringen liegt bei 4,32 €. Ich habe vor einiger Zeit eine Frau bei mir im Büro gehabt, die in der Wache eines Unternehmens sitzt, die alleinerziehend ist, die Vollzeit arbeitet. Sie hat mir erzählt, dass sie hinterher trotzdem zum Amt gehen und ihren Lohn aufstocken lassen muss. Wenn sie das erzählt, dann stehen ihr die Tränen in den Augen, weil sie das als ungerecht empfindet, weil sie das zutiefst als ungerecht empfindet, alles selber zu tun, um mit eigener Hände Arbeit sich und das Kind ernähren zu können und trotzdem darauf angewiesen zu sein, hinterher zum Amt zu gehen und Bitte sagen zu müssen. Das darf so auf Dauer nicht bleiben und deshalb werde ich dafür sorgen, dass die Thüringer Stimme im Bundesrat eine Stimme für gesetzliche Mindestlöhne wird.
Zu den Schattenseiten gehört eben auch, dass es einen finanziellen Anreiz für arme Familien gibt, die Kinder zu Hause zu lassen. Das sagen doch nicht nur wir Ihnen. Das sagen Ihnen doch auch die Sozialverbände und die Kirchen, dass das keine gute Entscheidung war, einen solchen Anreiz zu setzen.
Zu den Nachteilen im Bildungssystem gehört nach meiner Überzeugung auch, dass die Kinder zu früh getrennt werden, dass viel zu früh die Entscheidung über die Schullaufbahn gefällt wird. Da können Sie noch so viel über Durchlässigkeit reden. Es gehört zur Wahrheit, dass mehr Schüler aus Abiturklassen abgestuft werden in die Regelschule als Durchlässigkeit nach oben da ist.
Das gehört einfach zur Wirklichkeit in diesem Land. Wenn man mit Eltern redet, dann sagen die auch, es wäre doch besser, die Kinder länger zusammen lernen zu lassen. 70 Prozent der Menschen in Thüringen sind dieser Überzeugung. Warum verweigern Sie sich eigentlich einem solchen Weg, den so viele für sinnvoll ansehen?
Ich will auch das Problem der Lehrer ansprechen. Sie haben gesagt, im kommenden Schuljahr wollen Sie 100 neue Lehrer einstellen. Eine Studie Ihrer Regierung sagt uns, bis 2015 fehlen uns 5.000 Pädagogen. In den nächsten 10 Jahren gehen 40 Prozent aller Lehrer in den Ruhestand. Auch da geht doch die Rechnung nicht auf. Wie wollen Sie denn das mit 100 Neueinstellungen bewältigen, eine Lücke zu schließen, die in den nächsten sechs Jahren 5.000 Lehrer bedeutet? Also da müssen Sie sich doch etwas anderes einfallen lassen. Meine Vision von Thüringen ist, Herr Althaus, dass wir Thüringen zum Bildungsland Nummer 1 machen, zum Bildungsland Nummer 1 deshalb, weil hier alle Kinder gleiche Bildungschancen haben, angefangen beim Kindergarten über die Schule bis hin zu gebührenfreien Hochschulen. Das ist das Ziel, dem wir folgen müssen.
Wie kann das gehen? Indem wir die Kindergärten stärken - dazu habe ich etwas gesagt -, indem wir mehr Ganztagsangebote an den Schulen machen. Auch da sind Sie zögerlich, auch da gibt es viel mehr Schulen, die bereit wären, diesen Weg einzuschlagen als Sie zulassen. Das beinhaltet doch gerade auch die Möglichkeit, individueller zu fördern. Eins will ich dazu auch sagen, wer eine solche Entwicklung nicht vorantreibt, der sorgt wieder für Benachteiligung. Wie viele Eltern müssen denn heute für ihre Kinder Nachhilfeunterricht organisieren, weil die Ganztagsangebote nicht da sind, weil die individuelle Förderung nicht da ist. Nachhilfe, Herr Althaus, ist inzwischen ein Milliardenmarkt in Deutschland geworden. Das ist aber kein positiver Markt, der da entstanden ist, sondern das ist ein Markt, der wieder dafür sorgt, dass sich gute Bildung nur diejenigen leisten können, die genügend Geld im Portemonnaie haben. Das kann doch nicht die Zukunft des Bildungssystems sein.
Was den Lehrernachwuchs angeht, so sage ich Ihnen, mein Vorschlag ist, dass wir jetzt allen Absolventen in Thüringen, die einen qualifizierten Abschluss vorzuweisen haben, eine Anstellungsgarantie geben. Wir haben rund 350 Absolventen pro Jahr. Wenn wir die jetzt nicht alle binden, wie wollen wir denn in den nächsten Jahren die Lücke schließen? Ich weiß auch, dass wir dann jetzt erst mal mehr Lehrer in den Schulen haben, als wir aktuell brauchen. Das ist mir sehr bewusst. Die kosten auch Geld, auch das ist mir bewusst. Aber verraten Sie doch mal, wie Sie die Lücke schließen wollen in ein paar Jahren, wenn in einem Schuljahr 1.000 Lehrer in den Ruhestand gehen und wir nur noch 350 Absolventen haben. Wo wollen Sie denn die Lehrerinnen und Lehrer dann herkriegen, wenn Sie sagen, das
ist die falsche Strategie?
Ich sage Ihnen deutlich, es gibt genügend zu tun im Bildungssystem. Wer sich zufrieden hier vorn hinstellt und sagt, wir haben alles gut gemacht und wir brauchen keine Änderungen, ich glaube, der hat keine Ahnung, welche Herausforderungen für die Bildungslandschaft in den nächsten Jahren vor uns stehen. Auf einem Spruchband bei einer Kundgebung in Erfurt in den letzten Tagen stand: „Denk’ ich an Bildung in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“ Das mag zugespitzt sein, aber es zeigt die Sorgen junger Leute um das Bildungssystem und es zeigt auch, dass da einiges zu tun ist. Ich finde, eine Regierung darf an solchen Entwicklungen nicht einfach vorbeireden. Sie können ja andere Überzeugungen haben, aber Sie müssen doch den Menschen zumindest mal zuhören, Sie müssen sich den Argumenten stellen und sich damit auseinandersetzen. Das tun Sie nicht, das haben Sie auch heute nicht getan und das finde ich bedauerlich.
Ich will eine dritte wichtige Frage ansprechen, die viele Menschen im Land bewegt: Wie sorgen wir für sozialen Zusammenhalt? Was ist der Kitt einer Gesellschaft? Ich will zunächst zu einem Aspekt kommen, der nicht so weit vorn auf der politischen Agenda steht. Wir leben in einer Wettbewerbsgesellschaft, Wettbewerb hat etwas Belebendes, aber Konkurrenz birgt auch Schattenseiten. Wenn es nur noch darum geht, dass der eine den anderen aussticht, um welchen Preis auch immer, dann stimmt etwas nicht mehr. Wenn weite Bereiche der Gesellschaft ökonomisiert werden, dann stimmt etwas nicht mehr in der Entwicklung. Wenn bei Zeitungen nicht mehr von Lesern, bei Kulturveranstaltungen nicht mehr von Zuschauern, in Krankenhäusern nicht mehr von Patienten, sondern überall nur noch von Kunden die Rede ist, dann macht das den Eindruck, als reduziere sich das ganze Leben nur noch auf Geschäftsbeziehungen. Ich finde, auch das muss man mal politisch in den Blick nehmen. Denn es sind doch gerade auch die immateriellen Werte, die das Leben lebenswert machen, die die Entwicklung einer Gesellschaft bestimmen: Freundschaften, gegenseitige Achtung, sich gegenseitig helfen, respektieren, füreinander einstehen. Deshalb stellt sich für mich auch immer dringender die Frage: Wie können wir unter den Bedingungen einer Wettbewerbsgesellschaft, wie können wir unter den Bedingungen auch harter Konkurrenz für sozialen Zusammenhalt sorgen? Wie sorgen wir dafür, dass menschliche Beziehungen nicht reduziert werden auf Geschäftsbeziehungen? Wie sorgen wir dafür, dass nicht Menschen zum bloßen Rädchen im Getriebe werden?
Wie sorgen wir dafür, dass Menschen auch ihre Träume leben können? Wer erlebt das nicht in Gesprächen mit Freunden, im Familienkreis: Auf der einen Seite leiden viele Menschen unter enormem Leistungsdruck, der in den letzten Jahren auch gewachsen ist im Berufsleben, und auf der anderen Seite stehen Menschen am Rand und werden nicht mehr gebraucht. Ich sage Ihnen ganz deutlich, Herr Ministerpräsident, für mich ist das ein Widerspruch, mit dem ich mich nicht abfinden will, wo ich frage: Was können wir eigentlich auch politisch tun, um gegenzusteuern?
Ich bin überzeugt, man kann etwas tun. Wir brauchen eine Verständigung darüber in Wirtschaft und Gesellschaft, was wir tun können, um hier für besseren Ausgleich zu sorgen, was wir tun können für eine bessere Balance zwischen Arbeits- und Lebenswelt, für flexible Arbeitszeit- und Lebenszeitmodelle, für die Frage betrieblicher Kinderbetreuung, bis hin, warum nicht auch Ideen, die es einmal gab, wie Betriebsferienlager wieder aufzugreifen. Es gibt viele Ideen, die man - Sie lachen - umsetzen kann, und es gibt genügend Kinder, genügend Familien, die sich den Urlaub, die Ferien nicht leisten können. Ich will, dass wir in unserer Gesellschaft für mehr Balance sorgen und gemeinsam mit Unternehmern, mit Gewerkschaften, mit Betriebsräten darüber nachdenken, was man da tun kann.
Natürlich gehören dazu auch gesetzliche Regelungen. Der Rechtsanspruch auf Pflegefreistellung ist eine solche gesetzliche Regelung. Unser Vorschlag, ein Bildungsfreistellungsgesetz zu machen, ist eine solche gesetzliche Regelung. Damit steigt Lebenszufriedenheit, damit erhöht sich Arbeits- und Lebensqualität und das hilft insbesondere auch Familien. Es ist richtig, Familien sind der wichtigste Anker für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wir müssen dafür sorgen, dass Familien gute Bedingungen auch und gerade in der Arbeitswelt haben, denn wenn wir nicht gemeinsam mit den Tarifpartnern dafür sorgen, mit denen, die sich vor Ort engagieren auch in den Kommunen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass auch für Eltern mit Kindern gute Arbeits-, Aufstiegs- und Verdienstmöglichkeiten bestehen, dann werden sich immer mehr junge Menschen eben nicht für Kinder entscheiden. Deshalb brauchen wir gute Betreuung von der Kinderkrippe bis zur Ganztagsschule, wir brauchen aber auch mehr Engagement für eine neue Balance zwischen Arbeits- und Lebenswelt.
Zum sozialen Zusammenhalt gehört aber auch die Frage, wie wir die Unterschiede zwischen arm und reich begrenzen können. Keine Frage, das ist im
Wesentlichen auch eine Aufgabe von Bundespolitik, aber auch Länder und Kommunen können einen wichtigen Beitrag leisten, dass sich die Spaltung in unten und oben in einer Gesellschaft nicht verfestigt. Das Bildungssystem ist vielleicht der wichtigste Ansatzpunkt dazu, hier habe ich einiges gesagt. Aber auch Hilfen für arme Familien, für Kinder, die in armen Verhältnissen aufwachsen, sind eine Möglichkeit, die wir hier vor Ort nutzen können. Ich habe mit Freude gehört, als die jetzige Sozialministerin, als sie ins Amt kam, angekündigt hat, sie wolle den Kampf gegen Kinderarmut zu ihrer wichtigsten Aufgabe machen. Nur leider, wenn man jetzt zurückschaut, was ist denn an konkreten Entscheidungen herausgekommen? Es ist eine KinderCard herausgekommen, die ein Stempelheftchen ist, wo man Angebote abhaken kann, die man wahrnimmt, wo auch dafür geworben wird, aber mehr auch nicht. Ich sage Ihnen ganz deutlich, mir reicht das nicht. Das ist zu wenig. Wer Kinderarmut wirklich bekämpfen will, muss mehr tun, z.B. die Frage beantworten: Wie sorgen wir dafür, dass alle Kinder gesundes Mittagessen in Kindergarten und Schule bekommen? Unser Vorschlag für einen entsprechenden Essenfonds liegt auf dem Tisch. Stimmen Sie doch endlich solchen Vorschlägen einmal zu.
Zum sozialen Frieden in Deutschland gehört auch, dass wir die sozialen Unterschiede zwischen Ost und West abbauen. Ich denke, bei dem Ziel, gleiche Renten in Ost und West, sind alle drei Fraktionen hier im Thüringer Landtag beieinander. Wir wissen aber auch alle miteinander, dass es keine leichte Aufgabe ist, dieses Ziel durchzusetzen. Es gibt in der Tat hier einen Ost-West-Konflikt. Wer wollte denn das verschweigen? Und es kostet 6 Mrd. zusätzlich, diese Rentenangleichung zu stemmen, 6 Mrd., die aufgebracht werden müssen. Wir müssen auch darüber reden, was passiert mit denen, die heute ihre Löhne aufgestockt bekommen - auch ein Unterschied Ost/West im Rentensystem. Aber ich sage auch ganz ehrlich, 20 Jahre nach dem Fall der Mauer und im nächsten Jahr 20 Jahre deutsche Einheit, das muss für uns Ansporn sein, in den kommenden Jahren - und ich sage es deutlich -, in der nächsten Legislaturperiode des Bundestags gemeinsam dafür zu sorgen, dass der Anspruch, gleiche Renten in Ost und West, endlich durchgesetzt wird.
Es gibt viele Menschen, die sich für andere engagieren. Ich habe vorhin von der Wettbewerbsgesellschaft gesprochen. Gesunde Konkurrenz gehört dazu, aber Konkurrenzverhalten darf nicht allein das Leben bestimmen. Gerade das Miteinander und Füreinander macht auch unsere Natur aus. Es gibt in
uns das Prinzip Menschlichkeit. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das Buch des Freiburger Neurobiologen Joachim Bauer kennt, der hat den Satz gesagt: „Unsere Biologie ist nicht auf Gegnerschaft angelegt.“ Ob das jetzt in jedem Einzelfall stimmt, das lasse ich mal dahingestellt sein. Aber überzeugt bin ich schon, dass am Ende nur gelingendes Miteinander für gutes Leben sorgen kann, und deshalb, glaube ich, müssen wir uns der Frage stellen, was wir tun können, um solches gelingendes Miteinander in der Gesellschaft zu fördern. Das Ehrenamt ist angesprochen; es ist gut, wenn wir das in vielen Reden erwähnen, wie wichtig die ehrenamtliche Arbeit ist, aber es ist noch besser, wenn wir dafür sorgen, dass das Ehrenamt auch eine stärkere hauptamtliche Stütze bekommt, denn ehrenamtliches Engagement ist in vielen Fällen darauf angewiesen, auch durch hauptamtliche Grundstrukturen unterstützt zu werden. Dort gibt es noch deutlichen Handlungsbedarf in den nächsten Jahren.
Meine Vision ist ein soziales und solidarisches Thüringen, ein Land, in dem wir füreinander da sind, ein Land, das jedem Einzelnen hilft, sich selbst zu verwirklichen, aber nicht auf Kosten anderer. Richard von Weizsäcker hat es einmal schön gesagt, ich darf ihn zitieren: „Nur eine solidarische Welt kann eine gerechte und friedvolle Welt sein.“ In diesem Sinn bin ich selbst gern Weltverbesserer, in diesem Sinn bin ich auch bereit, Experimente zu wagen, und ich bin dafür, dass wir möglichst bald auch damit anfangen.
Ich will den vierten Bereich ansprechen, den ich am Anfang genannt habe, das ist die Frage: Wie sorgen wir eigentlich dafür, dass es auch in Zukunft eine sichere und auch bezahlbare Energieversorgung gibt? Wir wissen, dass die Energieversorgung, die wir heute kennen, kein Modell für die Zukunft sein kann. Das zeigt nicht nur der Blick auf die Entwicklung der Preise bei Öl und Gas, und wir wissen, das Ende der Fahnenstange ist da nicht erreicht. Wir wissen zwar nicht, was der Liter Benzin in einem Monat oder in einem Jahr kostet, aber eines wissen wir ganz genau: Bei abnehmenden Ressourcen werden die Preise tendenziell weiter steigen. Deshalb müssen wir uns von abnehmenden Ressourcen unabhängiger machen. Es gibt gar keine andere Möglichkeit.
Einen zweiten Druck haben wir im Nacken - Klimawandel. Ein Stichwort, das ein bisschen durch die Wirtschaftskrise in den Hintergrund zu geraten droht, aber eines, das uns über viele Jahre schon beschäftigt hat, eine der größten Herausforderungen. Klima
wandel heißt ja nicht nur mehr Wirbelstürme oder Überschwemmungen in fernen Regionen, es ist längst auch in Thüringen angekommen. Wer sich die regionalen Prognosen anschaut, da gibt es eine Prognose für 2020, die geht davon aus, dass die Durchschnittstemperatur im Winter in den Höhenlagen des Thüringer Waldes dann bei null Grad liegt, das heißt, der meiste Niederschlag kommt dann nicht mehr als Schnee, sondern als Regen. Natürlich werden wir eine solche Entwicklung, die im Gang ist, nicht vollständig aufhalten können, aber ich will, dass wir uns mit ganzer Kraft dagegenstemmen. Ich will, dass wir all das, was wir heute tun können, damit man auch in Zukunft noch auf dem Rennsteig Ski fahren kann und nicht nur in dem neu gebauten Skitunnel, auch tun.
Auch ein Land hat Handlungsmöglichkeiten. Unsere Ausgangssituation zeigt auch hier Licht und Schatten. Sie mögen lachen, Frau Groß, aber für viele Menschen auf dieser Erde ist Klimawandel heute schon lebensbedrohlich und er wird auch bei uns zu Folgen führen, die nicht zum Lachen sind, sondern die eine echte Herausforderung sind.
Deshalb glaube ich schon, dass es das wert ist, ein paar Gedanken darauf zu verschwenden, was wir in Thüringen tun können. Es gibt hier positive Entwicklungen, die Nutzung der Biomasse ist eine solche. Hier sind wir an der Spitze, das ist gut. Es gibt eine starke Solarindustrie, die heute schon knapp 3.000 Arbeitsplätze in Thüringen geschaffen hat, und die Perspektive bis 2020 sind 15.000 Arbeitsplätze. Vielleicht ist da sogar noch mehr Dynamik drin. Ich persönlich bin überzeugt, die Solarindustrie wird eine der Leitindustrien des 21. Jahrhunderts sein mit einer enormen Dynamik.
Deshalb reden - ich weiß - Sie auch davon, deshalb sind Sie auch bei den Spatenstichen da, deshalb hat auch die Landesregierung einiges zur Förderung dieser Unternehmen getan. Nein, das ist nicht von selbst passiert. Ich sage gerade, die Landesregierung hat auch einiges zur Förderung dieser Unternehmen getan. In Gang gesetzt worden ist diese Entwicklung allerdings durch eine Entscheidung von Rot-Grün, das von Ihnen immer so heftig bekämpft worden ist, nämlich durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz,
was SPD und Grüne gemeinsam auf den Weg gebracht haben
und was die Voraussetzung für den Boom bei den erneuerbaren Energien war. Welches enorme Potenzial in dieser Entwicklung steckt, das sehen wir an einem Großprojekt, das gerade in den letzten Tagen durch die Zeitung ging. Ein Großprojekt, bei dem deutsche Konzerne federführend dabei sind, wo mit Solarstrom aus der Sahara in 20 Jahren möglicherweise jeder siebente deutsche Haushalt versorgt werden kann. Ein gigantisches Projekt, von 400 Mrd. € ist die Rede, die in dieses Projekt fließen sollen. Das hilft der Umwelt, das bringt Arbeitsplätze und, ich hoffe, auch viele Arbeitsplätze in der Solarindustrie hier in Thüringen. Ich denke, wir müssen uns auch hier in Thüringen getrauen, groß zu denken, wenn wir über die nächsten Jahre nachdenken. Und da vermisse ich politische Strategien - und nicht nur ich. Die sehr renommierte Zeitschrift „Geo“ hat die politischen Anstrengungen der Bundesländer beim Ausbau der erneuerbaren Energien untersucht und hat Thüringen keinen guten Platz bescheinigt. Das gleiche Bild zeigt die Analyse der Agentur für erneuerbare Energien, hier liegt Thüringen auf dem vorletzten Platz bei den politischen Anstrengungen bei der Nutzung erneuerbarer Energien.
Ich finde, das darf nicht so bleiben. Thüringen kann mehr als diese Landesregierung bisher gezeigt hat, davon bin ich wirklich überzeugt. Wir haben eine Potenzialstudie machen lassen, die zeigt uns, dass wir bis 2020 hier in Thüringen die Möglichkeit haben, 40 Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu bestreiten. 40 Prozent erneuerbare Energien, das ist das Ziel der Thüringer SPD bis 2020.
Herr Sklenar, Sie werden 2020 nicht mehr Minister sein,
Herr Mohring, er hat sich ja selbst entschieden. Okay, ich weiß, Herr Mohring, man kann sich bei
Entscheidungen der Landesregierung nie sicher sein, ob nicht morgen schon alles wieder ganz anders ist, aber ich gehe mal davon aus, er bleibt bei seiner Entscheidung.
Diese Potenzialstudie, die wir gemacht haben, zeigt, dass wir trotz allem, was erreicht worden ist, noch erhebliche Spielräume haben. Auch bei der Biomassenutzung gibt es noch enorme Ressourcen, gerade bei der Photovoltaik. Natürlich müssen wir den Ehrgeiz haben, dass Solarzellen aus Thüringen Solarstrom in aller Welt produzieren, aber wenn wir 20 Prozent der Gesamtproduktion Deutschlands hier in Thüringen haben, dann sage ich, wir haben auf der anderen Seite noch sehr viel Platz auf Thüringer Dächern, auf die noch Solarenergie installiert werden könnte, hier sind wir noch längst nicht so weit vorn.
Da lassen sich viele Geschichten erzählen von Menschen, die sich jetzt entscheiden. Ein Freund von mir hat sich gerade eine Solaranlage auf das Dach gebaut. Als er gefragt worden ist, jetzt gehen doch die Energiepreise wieder runter, warum machst du denn das, hat er gesagt: Meine Rechnung ist ganz einfach. Vor zehn Jahren habe ich das Einfamilienhaus bezogen. Ich habe damals für Strom und Gas 350 D-Mark bezahlt, jetzt bezahle ich den gleichen Preis in Euro und ich vermute mal, dass er sich in den nächsten zehn Jahren wieder verdoppelt hat. Ich habe alle guten Gründe, heute in erneuerbare Energien zu investieren. Das rechnet sich für mich, aber ich tue auch etwas für die Umwelt damit.
Wir brauchen nicht nur viele solcher engagierten Bürgerinnen und Bürger, engagierten Unternehmen, sondern wir brauchen auch Energieversorgungsunternehmen, die sich für diese Entwicklung stark machen. Deshalb sage ich Ihnen auch eines: Wir müssen mehr tun, um den Stadtwerken in Thüringen den Rücken zu stärken und ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Uns helfen nicht die großen Energieversorger, die nur das Interesse haben, flächendeckend möglichst teuer Strom zu verkaufen. Wir brauchen starke regionale Anbieter, die dafür sorgen, dass erneuerbare Energien eingespeist und ausgebaut werden in Thüringen.
Ich sage Ihnen, was mein Ziel ist bis 2020. Meine Vision ist, dass wir Thüringen zum grünen Motor Deutschlands machen, dass wir hier zeigen, wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen kann.
Ich will eine letzte Herausforderung ansprechen. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Zahl der Älteren in der Gesellschaft steigt. Im Jahr 2020 wird
jeder dritte Thüringer älter als 60 Jahre sein. Im gleichen Zeitraum bis dahin verdoppelt sich die Zahl der 80-Jährigen. Das ist eine Herausforderung, die man nicht einfach im Vorbeigehen bewältigen kann. Sie haben etwas zum Ausbau der Pflegeheime gesagt und die Zahl der Pflegeheime genannt, Herr Ministerpräsident. Aber ich finde, es geht nicht nur um gute Wohnheim- und Pflegeplätze, sondern es geht in den nächsten Jahren vor allem auch darum, bessere aktive Teilhabe von Seniorinnen und Senioren an der Gesellschaft sicherzustellen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür ist, dass wir solche aktive Teilhabe stärker fördern und dass wir einen rechtlichen Rahmen dafür schaffen. Deshalb ist es richtig, wenn wir heute darüber diskutieren, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der die Seniorenmitbestimmung in den Kommunen und im Land garantiert. Das müssen wir in den nächsten Jahren auf den Weg bringen.
Natürlich müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, wie sich Infrastruktur und Dienstleistungen weiterentwickeln, wie wir Angebote dafür machen, dass Menschen möglichst lange in den eigenen vier Wänden bleiben können. Da gibt es viele gute Initiativen, die sich um die Frage kümmern. Eine heißt so bezeichnend „Daheim statt im Heim“. Darum geht es. Da ist einiges auf den Weg gekommen, aber das reicht längst nicht aus. Neue Unterstützungssysteme müssen geschaffen werden, neue Wohnformen unterstützt werden, Infrastruktur angepasst werden.
Ich will zum Schluss auch etwas sagen zu der Frage, die Sie immer gern umschiffen, nämlich die Antwort darauf, wie Thüringen auf sinkende Einwohnerzahlen reagiert. Seit Anfang der 90er-Jahre, Herr Ministerpräsident, hat Thüringen 280.000 Einwohner verloren. Bis 2020 werden es etwa noch einmal so viele sein. Ich sage es Ihnen noch einmal: Wenn wir unsere Verwaltungs- und Gebietsstrukturen nicht dieser Einwohnerentwicklung anpassen, dann führt das am Ende auch wieder dazu, dass die Bürgerinnen und Bürger die Zeche zahlen müssen. Wenn die Strukturen gleich bleiben, dann müssen immer weniger Einwohner gleiche Strukturen bezahlen. Das ist doch eine ganz einfache Rechnung. Sie können doch nicht einmal mehr Ihren eigenen Kommunalpolitikern glaubhaft machen, dass kreisfreie Städte mit 40.000 Einwohnern wirtschaftlich auf Dauer überlebensfähig sind. Wachen Sie doch endlich auf und sperren Sie sich nicht gegen eine vernünftige Verwaltungs- und Gebietsreform! Dieses Land braucht eine solche Reform, um finanziell handlungsfähig zu bleiben.
Es geht nicht darum, Ängste zu schüren. Ich sage Ihnen auch, Strukturveränderungen machen die Gesellschaft nicht kaputt. Das Dorf wird auch in Zukunft das Dorf bleiben. Niemand wird die Ortsschilder abschrauben, niemand wird den Bürgern die Möglichkeiten nehmen, vor Ort gut zusammenzuleben und zusammenzuarbeiten und die eigenen Interessen zu vertreten. Wenn Sie hier immer von anonymen Großstrukturen reden, Herr Althaus, ich weiß überhaupt nicht, was Sie damit meinen. Es geht darum, Verwaltung großräumiger zu organisieren, damit wir straffere Strukturen bekommen, damit wir vernünftige Personalpolitik in den Verwaltungen, in den Kommunen machen können, damit wir leistungsfähig sind für die Bürger und kostengünstig. Das berührt das Dorf überhaupt nicht und das Leben im Dorf, sondern es sorgt dafür, dass die Bürger nicht am Ende draufzahlen müssen.
Lassen Sie mich zum Schluss sagen, Herr Althaus, gute Politik muss über den Tag hinaus denken. Wir müssen uns heute die Frage stellen, wo wir in 10 Jahren stehen wollen. Ich will dabei nicht das Blaue vom Himmel versprechen, sondern Vorhaben verwirklichen, die Thüringen in den nächsten Jahren lebenswerter machen. Ich will ein Land, in dem niemand mehr für 4 € oder für 4,20 € arbeiten gehen muss. Das sage ich hier ganz deutlich und dafür werde ich mich mit ganzer Kraft einsetzen.
Ich will ein Land, das auch so attraktive Löhne bietet, dass Menschen gern hierherkommen und nicht zur Abwanderung gezwungen sind. Ich will ein Land, das in Bildungstests von sich Reden macht, und zwar nicht nur im innerdeutschen Vergleich, nicht nur als Einäugiger unter den Blinden, sondern das international an der Spitze mitmischen kann und das gleiche Bildungschancen für alle bietet. Das ist meine Vision von einem Thüringen in der Zukunft.
Ich will, dass Thüringen der grüne Motor Deutschlands ist, der heute schon zeigt, wie die Energieversorgung von morgen aussehen kann. Ich will ein Land, in dem der soziale Zusammenhalt stärker ist als das Konkurrenzdenken. Ich will ein soziales und ein solidarisches Thüringen und ich will ein Land, Herr Ministerpräsident, das schon heute damit beginnt, sich auf die Herausforderung von morgen einzustellen und vorzubereiten. Ich will eine Politik, die den Menschen nicht Angst macht vor Veränderungen und vor Experimenten warnt, sondern ich will eine Politik, die den Menschen Mut macht, neue Wege zu gehen, besser dazustehen in der Zukunft. Das ist, worüber am 30. August abgestimmt wird.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, wir haben diese Sondersitzung beantragt, damit die Regierung etwas zu den Konsequenzen aus der Finanz- und Wirtschaftskrise sagt. Es geht nicht darum, Frau Diezel, Statistiken hier zu referieren, sondern es geht um die Frage, welche Konsequenzen sind eigentlich aus dieser Finanz- und Wirtschaftskrise zu ziehen. Da ist, finde ich, der Regierungschef gefragt, zumal es in den letzten Wochen sehr widersprüchliche Ausführungen gab. Sie haben, Herr Althaus, erst vor Steuersenkungen gewarnt, dann haben Sie Steuersenkungen im Programm der CDU
zugestimmt. Herr Althaus, Sie sind seit 50 Tagen wieder im Amt, aber keiner hat den Eindruck, dass Sie wirklich das Ruder wieder in die Hand genommen haben, auch heute nicht.
Alle erwarten, dass der Regierungschef in der Krise klare Ansagen macht, aber Sie weigern sich. Sie weigern sich z.B. eine Regierungserklärung abzugeben, nur weil ich Sie dazu aufgefordert habe, das zu tun.
Heute war wieder die Chance, hier an dieser Stelle etwas zu sagen, der Öffentlichkeit deutlich zu machen, welche Politik diese Landesregierung eigentlich will. Ich verstehe Sie nicht mehr, Herr Althaus. Wenn ein potenzieller Opel-Investor hier nach Thüringen kommt, um mit dem Regierungschef zu reden, nimmt der Ministerpräsident Reißaus. Als Herr zu Guttenberg von der Insolvenz von Opel als dem besten Weg geredet hat, schwieg der Thüringer Ministerpräsident. Herr Althaus, Sie verweigern einen notwendigen Nachtragshaushalt. Aber jetzt liegt plötzlich ein Antrag vor, eine Art Nebenhaushalt gesetzlich durch das Parlament zu bringen. Sie verstecken sich bisher vor einer Lösung bei den Abwasserbeiträgen. Wenn man Sie beobachtet, muss man entweder zu dem Schluss kommen, dass es Ihnen relativ egal ist, was hier im Land passiert oder aber, dass Sie der Aufgabe nicht mehr gewachsen sind.
Ich frage mich manchmal, merken Sie nicht, dass das Vertrauen mit jedem Tag schwindet? Spätestens der Einbruch der CDU bei den Kommunalwahlen am Sonntag muss Sie doch wachgerüttelt haben.
Dann können Sie sich doch heute nicht stumm in den Landtag setzen und nicht die Gelegenheit nutzen, hier zu sagen, was die Regierung in den nächs
ten Wochen vorhat. Sie haben heute wieder eine Chance vertan.
Gleichzeitig wachsen die Sorgen im Land. Ich habe die Umfragezahlen, die uns Ende Mai erreicht haben, sehr sorgsam gelesen. In diesen Zahlen steckt eine Stimmung, die ich draußen im Lande täglich spüre und die, die unterwegs sind, auch. 70 Prozent der Thüringer machen sich Sorgen in dieser Krise. Bei jedem Fünften ist bereits ein Familienmitglied arbeitslos geworden. Fast genauso viele sind mit dem Thema Kurzarbeit konfrontiert. Jeder Dritte sagt, er spart inzwischen bei den täglichen Einkäufen. Das sind einige Ergebnisse aus dem Thüringentrend, der im „Freien Wort“ am 26. Mai veröffentlicht worden ist.
Ich weiß auch aus vielen Gesprächen, die Thüringerinnen und Thüringer sind schon wetterfest, die lassen sich nicht von schlechten Nachrichten erschrecken. Niemand steckt den Kopf in den Sand, das ist mein Eindruck im Land. Aber viele sind sich sehr wohl bewusst, dass wir in schwierigen Zeiten stecken. Ich finde, die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen haben ein Recht auf eine realistische Lageeinschätzung durch die Landesregierung und auf realistische Antworten.
Frau Finanzministerin, wenn Sie hier sagen, Sie gehen davon aus, dass die Lage sich bessert, weil gerade an den Börsen das Barometer ein bisschen nach oben geht - ich bitte Sie.
Wenn wir eins aus der Finanzkrise gelernt haben, dann vielleicht, dass wir nicht den Börsenspekulationen vertrauen sollen, wenn es um die Einschätzung der Wirtschaftslage geht.
Ich kann Sie da überhaupt nicht mehr verstehen.
Sie können sich auch gleich zu Wort melden.
Vielleicht ist es besser, wenn Sie nicht den Börsenkursen vertrauen bei der Lageeinschätzung, sondern vielleicht mal hier vor Ort bei der IHK nachfra
gen. Ich war vor einigen Tagen bei der IHK in Südthüringen und habe mir dort die Lage der Industrie angeschaut. Die IHK hat dazu auch eine Pressemitteilung mit der Überschrift „Dunkle Wolken, (ein) wenig Licht“ herausgegeben. Dann heißt es, dass insbesondere Industrie stark betroffen ist von der Krise. 51,8 Prozent der Unternehmen bezeichnen derzeit die Lage als schlecht. Der IHK-Chef kommentiert das folgendermaßen, ich zitiere: „’In dieser Branche entsteht schließlich die gesamte Wertschöpfung. Unsere Zeitreihen zeigen, dass bislang in keiner Umfrage der IHK Südthüringen so pessimistisch geurteilt wurde’, erläutert Pieterwas den Ernst der Lage.“ Denen, die sich damit beschäftigen, ist also der Ernst der Lage wirklich bewusst. Das sind nicht die einzigen Zahlen. Aus dieser Umfrage geht auch hervor, dass nur noch ein Viertel der Unternehmen in der Industrie in Südthüringen mit Gewinn arbeitet, das 32 Prozent der Unternehmen Verluste machen, dass 40 Prozent der Unternehmen Beschäftigte abbauen wollen. Und Sie stellen sich hierhin für diese Regierung und sagen, ja, wir sehen Licht am Horizont, weil die Börsenkurse sich gerade mal wieder ein bisschen nach oben bewegen. Frau Ministerin, Herr Ministerpräsident, ein bisschen mehr Realismus und ein bisschen mehr Vertrauen in die, die hier vor Ort etwas von Wirtschaft verstehen, wünsche ich mir an dieser Stelle schon.
Wir sehen, dass die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise eben keinen Bogen um Thüringen macht, dass es auch keine leichte Delle ist, wie der Wirtschaftsminister noch Anfang des Jahres behauptet hat, sondern dass wir mit dem schwersten Einschnitt konfrontiert sind, den es in der Geschichte der Bundesrepublik bisher gab. Und in dieser Situation braucht es natürlich einen Staat, der neue Regeln setzt, für klare Verhältnisse an den Finanzmärkten sorgt, damit diese Finanzmärkte nicht wieder außer Kontrolle geraten. Dazu ist einiges vonseiten der Bundesregierung auf den Weg gebracht. Wir brauchen aber auch eine aktive Industriepolitik und hier sind natürlich auch Landesregierungen gefragt in dieser Situation. Da kann man nicht nur auf das setzen, was der Bund in Bewegung gebracht hat. Deshalb sage ich ganz deutlich, wir müssen auch hier mit Thüringer Möglichkeiten in dieser Wirtschaftskrise dafür sorgen, dass das Wirtschaftssystem als Ganzes stabilisiert wird, dass Arbeitsplätze gesichert werden. Das kostet auch zusätzliches Geld - keine Frage -, das geht nicht anders. Aber ich sage auch, angesichts der öffentlichen Debatte, die wir haben, wird hier zu viel Steuergeld leichtfertig eingesetzt. Die Debatte ist ja im Zusammenhang mit Opel geführt worden. Ich sage, Nein. Ich sage, das Geld ist richtig eingesetzt. Wir müssen bei jedem einzelnen Fall natürlich hinschauen, ob es gerechtfertigt
ist, Steuergelder einzusetzen. Denn es ist nicht unser Geld, was wir hier zur Verfügung stellen müssen, sondern das Geld, was andere hart erarbeitet haben. Dessen müssen wir uns immer bewusst sein. Aber wir müssen auch die Alternative mit diskutieren. Und die Alternative beim Zusammenbruch großer Unternehmen, die Alternative, wenn ganze Landstriche deindustrialisiert werden, sind eben auch hohe Kosten für die Steuerzahler, für die Beitragszahler, für die Allgemeinheit, die aufgebracht werden müssen, um dann Arbeitslosigkeit zu bezahlen, um dann neue Wirtschaftsförderprogramme zu bezahlen, um mühsam dort wieder wirtschaftliche Belebung hineinzubringen, wo sie weggebrochen ist. Deshalb sage ich, es ist allemal besser - und das sage ich auch in Richtung des Bundeswirtschaftsministers, der ja von der Union kommt -, in Arbeitsplätze zu investieren als Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Wenn wir sagen, wir müssen verantwortungsvoll mit dem Geld der Steuerzahler umgehen, dann gehört für mich auch dazu Transparenz und Kontrolle. Für diese Transparenz und Kontrolle sind die Parlamente zuständig. Deshalb erwarte ich nach wie vor, dass diese Landesregierung hier einen Nachtragshaushalt vorlegt. Die Bundesregierung hat gehandelt, Ende Mai hat das Kabinett den zweiten Nachtragshaushalt beschlossen, Anfang Juli entscheidet der Bundestag darüber, andere Länder haben auch gehandelt. Was erleben wir hier in Thüringen? - statt Klarheit statistische Hütchenspielertricks.
Frau Finanzministerin, um ganz offen zu sein, bei Ihrer Rede gerade am Ende hatte ich manchmal den Eindruck, Sie können den Zahlenspielereien, die Ihre Beamten da aufgeschrieben haben, selbst nicht mehr folgen, denn es hilft doch nichts, hier Zahlen hin- und herzuschieben. Es ist doch jetzt schon nicht zu übersehen, dass bald Geld in der Kasse fehlt, und das muss doch nicht gesundgebetet werden, sondern wir müssen versuchen, mit einer solchen Situation offen und seriös umzugehen.
Jetzt nehme ich noch einmal Ihre Zahlen. Steuermindereinnahmen nach der Mai-Steuerschätzung von 450 Mio. €, Kofinanzierung für Konjunkturpaket 33 Mio. €, 60 Mio. € für Pflichtverbeamtungen, die jetzt zusätzlich aufgebracht werden mussten, das macht zusammen etwa 550 Mio. €. Wenn ich die Rücklage von 320 Mio. € dagegensetze und die EUZuschüsse oder -Vorschüsse, die ja dann in den nächsten Jahren nicht mehr bzw. weniger zur Verfügung stehen, komme ich auf 420 Mio. €. Dann klafft immer noch eine Lücke von weit über 100 Mio. €. Herr Althaus, einem Mathe- und Physiklehrer müsste eigentlich auffallen, dass die Zahlen da nicht zueinander passen.
Ihnen fällt manchmal nicht mehr auf, wenn Sie sich selbst widersprechen. Wir haben seit Wochen einen Nachtragshaushalt gefordert, Sie, Herr Althaus, haben einen solchen Nachtragshaushalt seit Wochen abgelehnt. Jetzt liegt plötzlich ein Gesetz vor, mit dem Sie versuchen, den Haushalt nachträglich zu ändern. Das verstehe jetzt, wer will. Sie sind gegen einen Nachtragshaushalt, aber jetzt sind Sie unbedingt dafür, den Haushalt nachträglich zu ändern. Wie wollen Sie das eigentlich noch irgendjemandem erklären? Haben Sie den Eindruck, dass auf diese Art und Weise Glaubwürdigkeit entstehen kann, mal abgesehen von den verfassungsrechtlichen Fragen, die Uwe Höhn hier schon angeschnitten hat, ob man einfach neben das Haushaltsgesetz ein weiteres Ausgabengesetz stellen kann oder ob das dann nicht innerhalb des Haushaltsgesetzes mit einem Nachtragshaushalt geklärt werden muss. Aber völlig unverständlich ist es, wenn Sie ein solches Gesetz schon erstellt und versucht haben, es vorab an den Haushalts- und Finanzausschuss zu überweisen, damit es möglichst schnell, nämlich in der nächsten Woche, verabschiedet werden kann, und wenn die SPD-Fraktion Ihnen zu Hilfe kommt und sagt, dann lassen Sie uns das Gesetz doch heute in erster Lesung beraten, dann haben wir eine Woche Zeit bis nächste Woche, können uns mit den Zahlen auseinandersetzen und in der nächsten Woche dieses Gesetz verabschieden, dann sagen Sie plötzlich: Nein, wir wollen das Gesetz gar nicht auf die Tagesordnung bringen.
Herr Althaus, können Sie mal versuchen, mir zu erläutern, wie das ganze Ding noch irgendeinen Sinn ergeben soll?
Herr Mohring, war das jetzt das Angebot, dass Sie mir die nächste Rede aufschreiben? Ich fürchte, die wird sehr viel schlechter werden als die, die ich gerade halte.
Nein, das passt wirklich nicht zusammen, einen Nachtragshaushalt abzulehnen und gleichzeitig ein Gesetz vorzulegen, was den Haushalt nachträglich ändern soll.
Ich frage mich immer wieder: Warum drücken Sie sich eigentlich davor, hier vor dem Parlament Rede und Antwort zu stehen über die Situation im Land, über das, was Sie noch bis zur Landtagswahl vorhaben? Sie sind Ministerpräsident dieses Landes und Sie haben eine Verpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber diesem Landtag, Rechenschaft über Ihre Politik vor dem Landtag abzulegen, so steht es in der Verfassung. Aber Sie drücken sich davor, Sie reisen durch das Land, Sie schneiden Bändchen durch - das reicht nicht. Dafür braucht man in Thüringen keinen Ministerpräsidenten, das geht auch ohne Sie.
Es ist jetzt ziemlich genau sechs Jahre her, Herr Althaus, dass Sie das Amt des Thüringer Regierungschefs übernommen haben. Mit den Worten „Ich gehe jetzt, weil ich der Überzeugung bin, jetzt können meine Freunde es selbst“ reichte Ihr Vorgänger Bernhard Vogel den Staffelstab an Sie weiter. Ich glaube, Herr Vogel hat sich in Ihnen getäuscht.
Heute, nach sechs Jahren, spricht die Praxis eine andere Sprache. Vielleicht haben Sie auch deswegen Ihr Amtsjubiläum vergangene Woche stillschweigend übergangen, weil es kein Ruhmesblatt ist. Bernhard Vogel, das sage ich auch als jemand, der einer anderen Partei angehört, hatte einen Kompass und hatte eine Vorstellung davon, in welche Richtung dieses Land gehen soll,
und in der Zeit der Großen Koalition haben wir damals gemeinsam Thüringen auch ein gutes Stück vorangebracht.
Ich sage das in aller Anerkennung für die Arbeit eines Ministerpräsidenten, der aus einer anderen Partei kommt. Sie dagegen, Herr Althaus, stolpern ohne Plan und ohne Kompass durch das Gelände. Wenn man sich Ihre Bilanz ansieht, dann kann man nur zu einem Schluss kommen: Sie haben das Erbe von Bernhard Vogel verspielt.
Sie haben eine gute Entwicklung Thüringens in einen Rückstand umgewandelt. Ich nehme mal die Untersuchung der „Wirtschaftswoche“ und der „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ - beides keine sozialdemokratischen Organe -, die die Wirtschaftsdynamik der letzten Jahre untersucht haben und Thüringen bei der Wirtschaftsdynamik auf dem letzten Platz der neuen Länder sehen. Das war das Bundesländerranking des letzten Jahres. Einen Vorsprung in einen Rückstand umwandeln, das ist in der Politik viel Schlimmeres als auf dem Fußballfeld. Beim Fußball ist nach dem Spiel immer vor dem Spiel, auch wenn man einmal verloren hat, aber wenn es um die Zukunft eines ganzen Landes geht, sind vergebene Chancen eben nicht so einfach wieder aufzuholen. Dafür bedarf es auch einer Politik, die nicht so kraft- und saftlos ist wie die Ihrige im Moment.
Möglichkeiten verpasst, Chancen vergeigt, Zeit vergeudet, das ist es, was sich durch die Regierungspolitik der vergangenen sechs Jahre zieht wie ein roter Faden. Wenn man noch einmal zurückschaut auf Ihre erste Regierungserklärung - vielleicht erinnern Sie sich an den 3. Juli 2003, Herr Althaus -, damals haben Sie als zentrale Leitlinie Ihrer Politik das Motto formuliert: „Sparen und gestalten“. In Zeiten leerer öffentlicher Kassen wollten Sie den Sanierer und Reformer geben, das war der Plan. Fragen wir doch einmal, was daraus geworden ist. Die bittere Wahrheit ist, Sie haben noch mehr Schulden aufgehäuft statt zu sparen. Die bittere Wahrheit ist, Sie haben Geld verschleudert und machen munter weiter damit. Die bittere Wahrheit ist, Sie haben wichtige Zukunftsfelder brach liegenlassen. Die bittere Wahrheit ist, Sie sind ständig mit Gesetzesvorhaben und Entscheidungen vor die Wand gelaufen, keine andere Regierung vorher hat sich so viel Pleiten, Pech und Pannen erlaubt wie Sie. Ihre Bilanz ist ein politisches Trauerspiel, Herr Althaus, verpasst, vergeigt, vergeudet. Die Fakten sprechen für sich.
Sie haben versprochen zu sparen. Das Ergebnis: In den letzten fünf Jahren ist die Verschuldung um weitere 1,6 Mrd. € angewachsen. Aber nicht nur das, Sie sind auch, wenn man die Entwicklung anschaut, der Schuldenkönig in Ostdeutschland, denn keine andere Landesregierung hat zwischen 2003 und heute unter dem Strich mehr neue Schulden aufgenommen als die Regierung Althaus. Mittlerweile haben wir die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer. Das ist das Resultat Ihres Mottos „Sparen und gestalten“; 1,6 Mrd. € neue Schulden, Platz 2 bei der Pro-Kopf-Verschuldung, was die Höhe angeht - Rekordverschuldung.
Jetzt die Frage: Wie kam es dann zur Wende, zu einem ausgeglichenen Haushalt in den letzten Jahren, den Sie ja durchaus hatten?
Warum sind Sie denn so aufgeregt, wenn ich über den ausgeglichenen Haushalt rede? Sie wissen selbst, dass es nicht Ihr Verdienst war, deshalb wahrscheinlich.
Dieser ausgeglichene Haushalt ist deshalb zustande gekommen, weil die Steuereinnahmen kräftig gestiegen sind und damit die Haushalte gedeckt werden konnten und auch noch ein Einnahmenüberschuss entstanden ist. Dass das kein Ergebnis eigener erledigter Hausaufgaben im Haushalt war, das zeigt sich auch daran, dass andere Landesregierungen deutlich schneller waren als Sie. Als Thüringen noch über 600 Mio. € neue Schulden aufnehmen musste, hat Mecklenburg z.B. - auch ein Land mit erheblichen Strukturproblemen - schon die Nettoneuverschuldung Null geschafft. Das ist die ganze Wahrheit Ihrer Haushaltspolitik; sparen und gestalten, das ist wirklich gescheitert.
Aber es wurde auch immer wieder Geld sinnlos verschleudert. Über den Daumen gepeilt wurden mit der Behördenreform mindestens 5 Mio. € in den Sand gesetzt, weil die Neuordnung in vielen Bereichen teuerer geworden ist als das Modell, was wir vorher hatten. Mindestens 1 Mio. € sind im Casino verzockt worden, darauf hat Kollege Hausold auch schon hingewiesen. Sie haben Geld sinnlos in eine Stiftung FamilienSinn gesteckt, bei dem selbst die von Ihnen befragten Experten sagen, die Stiftung dürfte nicht „FamilienSinn“ heißen, weil sie eigentlich sinnlos ist. Das sind Aufgaben, die aus dem Haushalt finanziert werden müssten. Sie haben Geld für sinnlose Werbekampagnen übrig, die an den gängigen Regeln und Gesetzen vorbei zum Teil auf den Weg gebracht worden sind, und bei Ihnen fließt Geld sogar in Himbeergeistpartys - auch daran darf man vielleicht gelegentlich noch mal erinnern.
Herr Althaus, wenn eine Regierung schon so viele neue Schulden macht - 1,6 Mrd. € - in der Zeit, in der Sie die Verantwortung tragen, muss man fragen: Hat die Landesregierung dann vielleicht stärker in die Zukunft investiert, hat sie für sozialen Ausgleich gesorgt? Aber auch hier Fehlanzeige. Überall in Deutschland redet man über mehr Investitionen für die frühkindliche Bildung, mehr Engagement für die Kindergärten. Dieter Althaus hat dafür gesorgt, dass die Landeszuweisungen an die Kindergärten massiv gekürzt worden sind. Also statt in Zukunft zu investieren, wurde genau dort, wo mehr Geld notwendig gewesen wäre, gespart. So sieht Ihre Politik aus.
Sie haben völlig planlos bei Theatern und Orchestern versucht zu kürzen, haben damit einen Aufruhr in der Kulturlandschaft verursacht, ohne am Ende wirklich Effekte zu erzielen, mit dem einzigen Resultat, am Ende dem Ruf des Kulturlandes Thüringen nachhaltig zu schaden. Sie haben beispielsweise, während andere darüber diskutieren, wie man für gesundes Essen bei Kindern sorgen kann, dafür gesorgt, dass die Essengeldzuschüsse gestrichen werden und damit ist die Aufgabe, bei Kindern für gesunde Ernährung zu sorgen und Kinderarmut auch entgegenzusteuern, noch schwerer geworden. Sie haben die Verbraucherzentralen an den Rand des Ruins getrieben; nur in letzter Minute durch heftigen öffentlichen Widerstand und auch durch unser Engagement ist es gelungen, das wieder abzuwenden. Sie haben das Blindengeld zusammengestrichen. Am liebsten hätten Sie es ganz abgeschafft, mussten dann aber eine Kehrtwende vollziehen, weil der öffentliche Druck zu hoch geworden ist. Das heißt, wenn man auch diesen Bereich anschaut: Hat diese Regierung eigentlich in die Zukunft investiert, hat sie für sozialen Ausgleich gesorgt? - Fehlanzeige!
Wenn man sich anschaut, was ist eigentlich handwerklich hier passiert, bin ich immer wieder versucht, die ehemalige stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende zu zitieren, denn besser kann man es eigentlich gar nicht sagen - Frau Zitzmann hat Ihnen grottenschlechtes Handwerk attestiert. Wenn man sich anschaut, welche Gesetzesvorhaben alle gegen die Wand gelaufen sind, dann kann man auch zu keinem anderen Ergebnis kommen.
Sie haben - auch daran will ich an dieser Stelle noch einmal erinnern - 2004 kurz vor der Wahl den Menschen ein Beitragsversprechen gegeben, weil die Wogen hochschlugen im Bereich Wasser und Abwasser. Im Abwasserbereich sollten die Extrembelastungen wegfallen. Das war ein Ziel, was alle geteilt haben, aber es gab schon damals vor fünf Jahren mahnende Stimmen, dass das auf die Art und Weise, wie Sie das durchsetzen wollten, nicht geht.
Sie haben damals alle guten Ratschläge beiseite geschoben. Sie haben einzig und allein in dieser Situation auf Wählerstimmen geschielt. Ob das Ganze am Ende funktioniert, war Ihnen egal. Jetzt ist klar, dass das Ganze nicht funktionieren konnte. Das Verfassungsgericht hat Ihre Abwasserregelung gekippt und es hat diese Regelung sogar mit der schärfsten Sanktion belegt, es hat sie sofort für nichtig erklärt. Seitdem wissen Tausende von Hausbesitzern nicht, wie es weitergeht; sie haben keine Rechtssicherheit mehr. Deshalb sage ich Ihnen: Spielen Sie nicht weiter mit dem Thema, legen Sie endlich einen verlässlichen Vorschlag auf den Tisch dieses Hauses, legen Sie einen Gesetzentwurf vor, der klarmacht, wie Sie das Problem lösen wollen, wie das Ganze finanziert werden soll. Noch vor der Sommerpause muss ein solches Gesetz verabschiedet werden. Wir sind bereit, auch dafür auf eine Sommerpause zu verzichten. Wir sind bereit, dafür Sondersitzungen auch einzulegen, aber wir wollen dafür sorgen, dass Sie die Bürgerinnen und Bürger nicht noch einmal an der Nase herumführen mit Versprechen, die hinterher von den Gerichten gekippt werden.
Klären Sie also Ihr Beitragsversprechen, sorgen Sie für Rechtssicherheit. An dieser Frage hängt für mich Ihre politische Glaubwürdigkeit. Möglichkeiten verpasst, Chancen vergeigt, Zeit vergeudet - das ist die Bilanz auch im Umgang mit den Kommunen im Land. Ich will gar nicht erinnern an all die Auseinandersetzungen, die es um den Finanzausgleich und um andere Themen gegeben hat. Sie haben aber auch an anderen Stellen die Zeit, die Sie als Regierungschef hatten, vergeudet, Stichwort Polizeireform. 85.000 Stunden hat die Projektgruppe OPTOPOL insgesamt in dieses Projekt gesteckt. Was ist dabei rausgekommen aus der Arbeit so vieler Menschen? Nichts. Sie haben nichts als Chaos am Ende erzeugt, Chaos bei der Polizei, Chaos im Kabinett, weil der Innenminister die Schnauze voll hatte und Ihnen die Brocken hingeworfen hat.
Dann gab es die Kabinettsreform. Zuerst mussten Sie einen peinlichen Kandidaten wieder zurückziehen. Dann haben Sie uns als Lückenfüller einen Kultusminister präsentiert, den ich heute frage: Herr Müller, was haben Sie eigentlich in einem Jahr vorangebracht bei Bildung, Wissenschaft und Kultur? Mir fällt dazu nichts ein, Herr Müller.
Vielleicht können Sie das ja hier erklären. Ihre neue Justizministerin, Sie ist jetzt gerade nicht da, fällt in Erfurt mit einer Aktion auf, die es endgültig zur Gewissheit werden lässt, hier sitzt die falsche Frau auf dem falschen Stuhl.
Frau Walsmann ist als Ministerin Dienstaufsichtsbehörde für eine Staatsanwaltschaft, die gegen die beiden Chefs der Erfurter Stadtwerke ermittelt.
Das tue ich, Frau Präsidentin, denn bei all diesen Fragen geht es um das Verhalten dieser Landesregierung mitten in einer Krise, um die Antworten, die diese Regierung gibt. Dazu gehört auch, ob Kabinettsmitglieder ihrer Verantwortung gerecht werden oder eben nicht. Deshalb noch mal zu Frau Walsmann, die als Dienstaufsichtsbehörde für eine Staatsanwaltschaft, die ermittelt gegen die beiden Chefs der Stadtwerke, auf der anderen Seite sich als CDU-Kreisvorsitzende politisch in die Frage hineinhängt, ob den Geschäftsführern gekündigt werden soll oder nicht, wie vom Erfurter Oberbürgermeister vorgeschlagen. Die CDU hat diese Kündigung verhindert und die Quittung bei der Kommunalwahl dafür bekommen.
Frau Walsmann muss sich dem Verdacht stellen - das tue ich - staatsanwaltschaftliche Ermittlungen unter Umständen
politisch instrumentalisiert und damit ihr Amt missbraucht zu haben. Dazu muss Frau Walsmann Stellung nehmen.
Ich komme zurück zu der Frage: Was tut diese Landesregierung in der Krise, wie versucht sie gegenzusteuern? Ich erlebe einen Ministerpräsidenten, der nicht in der Lage ist, bei wichtigen Terminen anwesend zu sein, siehe Opel. Ich erlebe einen Ministerpräsidenten, der sich weigert,
hier vor dem Parlament Rede und Antwort über seine Politik zu stehen. Ich erlebe einen Ministerpräsidenten, der hier keine Antworten auf die Krisensituation gibt. Immer mehr Menschen verlassen dieses Land, weil Thüringen die niedrigsten Stundenlöhne im bundesdeutschen Vergleich hat. Ich sage Ihnen, Herr Ministerpräsident, wenn Sie so weiterwursteln wie im Moment, dann werden noch mehr Menschen dieses Land verlassen, weil sie in Thüringen ihren Arbeitsplatz verlieren. Deshalb noch einmal meine Aufforderung: Kommen Sie endlich hier an dieses Pult, erklären Sie dem Landtag, was Sie bis zur Wahl am 30. August noch tun wollen mit Ihrer Landesregierung, um diese Krise einzudämmen, um Arbeitsplätze zu sichern. Wer Regierungschef sein will, der darf sich in der Krise nicht verstecken.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident Althaus, zunächst einmal willkommen zurück im Thüringer Landtag. Sie hatten einen schweren Unfall zu durchstehen. Es ist gut, dass Sie wieder gesund sind. Ich wünsche Ihnen für den Rest der Amtszeit viel Kraft und stabile Gesundheit.
Sie haben sich in den letzten Wochen ausführlich zu Ihrem Unfall geäußert. Das mediale Interesse war sehr groß. Sie haben heute die Möglichkeit, Herr Ministerpräsident, sich vor dem Landtag dazu zu äußern, was Sie politisch wollen. Sie haben heute die Möglichkeit, dem Landtag deutlich zu machen,