Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich eröffne die Sondersitzung des Plenums des Thüringer Landtags und heiße Sie heute Nachmittag hier herzlich willkommen. Ich begrüße auch unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreter und Vertreterinnen der Medien. Die heutige Sitzung wurde gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Verbindung mit § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags auf Antrag der Fraktionen der Linkspartei.PDS und der SPD einberufen. Die entsprechende Unterrichtung liegt Ihnen in Drucksache 4/1238 vor.
Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen die Abgeordnete Wolf und die Rednerliste führt der Abgeordnete Rose.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Fiedler, Frau Abgeordnete Dr. Fuchs, Herr Abgeordneter Höhn, Frau Abgeordnete Künast, Herr Abgeordneter Ohl und der Herr Abgeordnete Gentzel.
Aufgrund der Dringlichkeit habe ich gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung Herrn Andreas Schulze, Herrn Torsten Wanschura und Herrn Daniel Kovac - alle drei von RTL - für die heute stattfindende Plenarsitzung eine Sondergenehmigung für Bild- und Tonaufnahmen erteilt.
Ich möchte Ihnen folgenden Hinweis zur Tagesordnung geben: Die Landesregierung hatte bereits zur 21. und 22. Plenarsitzung angekündigt, zu dem Beratungsgegenstand des heutigen Tagesordnungspunkts 2 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.
Ich frage die Abgeordneten: Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung widersprochen? Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich sehe keinen Widerspruch. So gilt die Tagesordnung als festgestellt und ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 und 2 zusammen auf
Probleme bei der Arbeit und der Kontrolle von Unterneh- men mit Landesbeteiligung Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/1165 -
Für die Fraktion der SPD wird Frau Becker die Begründung des Antrags geben. Bitte, Frau Abgeordnete Becker.
- besondere Gäste muss man schon besonders begrüßen - sprechen. Die SPD-Fraktion hat die jüngsten Vorgänge um den Erfurter Flughafen als Anlass gesehen, um die bisherige Praxis der Besetzung der Aufsichtsräte von Landesgesellschaften mit Ministern und Staatssekretären wieder einmal auf die Tagesordnung zu setzen.
Ja, es ist nicht das erste Mal und so lange, wie sich die Landesregierung keine Besserung auferlegt, wird das auch noch weiter so gehen.
Es geht darum, bei der Besetzung von Aufsichtsräten, insbesondere bei dessen Vorsitz, Interessenkonflikte von vornherein auszuschließen. Das betrifft die Fälle, in denen die entsandten Minister oder Staatssekretäre gleichzeitig auch über die hoheitliche Aufsicht oder über die Vergabe von Fördermitteln entscheiden müssen. Das war in unserem vorliegenden Fall leider so da, weil Herr Richwien für beides zuständig war.
Die sich immer mehr verdichtenden Hinweise auf erhebliche Missstände um den Erfurter Flughafen zeigen ganz deutlich, dass die bisher ausgeübte Praxis der Landesregierung, sehr viele Aufsichtsratsposten durch Minister oder Staatssekretäre zu besetzen, sich wirklich nicht als günstig erwiesen hat. In der Kritik sind genau die Bereiche, in denen wir als SPD-Fraktion schon im vergangenen Jahr bzw. schon längere Zeit darauf hingewiesen haben, dass Konflikte einfach vorhanden sind. So wird im Zusammenhang mit dem Flughafen Erfurt die Ermittlung von Passagierzahlen in Frage gestellt. Aber genau diese Zahlen sind Voraussetzung für die Förderung der Ausbaustufen des Flughafens. Zur Erin
nerung: In den Haushaltsjahren von 1991 bis 2004 hat die Flughafen GmbH Fördermittel in Höhe von 200 Mio. € erhalten. Des Weiteren geht es auch um die Frage der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften. Erst heute wurden in der Presse wieder darüber Einzelheiten bekannt und Zweifel an diesen Sicherheitsvorschriften auf dem Erfurter Flughafen geäußert. Auch an dieser Stelle werden Interessenkonflikte offenbar, wenn ein Staatssekretär einerseits im Aufsichtsrat die Interessen des Unternehmens beachten soll und andererseits auf die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften dringen muss. Die aktuellen Ereignisse und nicht nur diese, die ich jetzt kurz angesprochen habe, auch die Mobbingvorwürfe von einigen Mitarbeitern des Flughafens und insbesondere auch das Verhalten der CDU-Fraktion in der letzten Plenarsitzung haben uns dazu veranlasst, gemeinsam mit der Linkspartei.PDS-Fraktion, die heutige Sondersitzung einzuberufen.
Auch hat die Landesregierung, das hatte ich eingangs schon gesagt, nicht verlauten lassen, ob sie Konsequenzen aus ihrem misslichen Handeln in den letzten Jahren ziehen will und ob sie davon absehen will, dass Minister und Staatssekretäre gleichzeitig in Aufsichtsräten sind, die in dem Ministerium …
Ja, ich meine, Herr Reinholz ist ja auch noch so ein Mitglied, das uns da gleich einfällt. Nur der Einzige, der die Flucht nach vorn ergriffen hat und ausgerissen ist, gerade zu einem Zeitpunkt, als er es vielleicht nicht tun sollte, als Aufklärung notwendig war, das war Herr Richwien. Deshalb halten wir diese Sondersitzung für gegeben und auch für sehr wichtig, um Aufklärung im Rahmen des Flughafens Erfurt zu erzeugen und weitergehend dann auch mit den Beteiligungen der Landesgesellschaften, der Staatssekretäre und Minister, die in diesen Gesellschaften noch vorhanden sind. Wir hoffen, dass die Landesregierung auch mal zu Konsequenzen greift.
Wünscht die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort zur Begründung ihres Antrags? Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich Herrn Minister Trautvetter, den Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags der Fraktion
(Zwischenruf Abg. Matschie, SPD: Der Trautvetter richtet aber auch überall Un- heil an, egal in welchem Ministerium.)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir eine einleitende Bemerkung. Die Staatsanwaltschaft prüft nach Kenntnis der Landesregierung derzeit Vorwürfe gegen den Geschäftsführer der Flughafen Erfurt GmbH, Herrn Ballentin. Ich bitte um Verständnis, dass die Landesregierung den Prüfungen der Staatsanwaltschaft nicht vorgreifen kann.
Herr Lemke, warten Sie doch erst mal ab, bis ich meinen Bericht gegeben habe. Ich habe doch gesagt, ich bin bei einigen Vorbemerkungen. Ich gehe doch noch gar nicht auf Ihren Antrag ein. Also bitte, in aller Ruhe zuhören, danach können Sie sich hier melden.
Im Gegensatz zur Opposition kann und wird sich die Landesregierung auch nicht in Spekulationen, Annahmen oder Vermutungen ergehen
und für das Handeln der Landesregierung, und das gilt für jedes Ressort, die mit dem Flughafen zu tun haben, sind allein die belastbaren Tatsachen ausschlaggebend. Die Themen, die wir hier aufgrund des Antrags der Fraktion der Linkspartei.PDS im Plenum behandeln, sind bereits zu einem großen Teil Gegenstand im Ausschuss für Bau und Verkehr am 25. August 2005 auf Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS und der SPD gewesen. Deshalb freue ich mich heute, die Öffentlichkeit auch über die Themen, die bereits im Ausschuss beraten wurden, informieren zu können.
In Bezug auf die Fördermittelabrechnung ist zu berichten, dass die Prüfungen bis zum Jahre 1993 vollständig verwaltungsmäßig abgeschlossen sind. Für das Jahr 1991 wurde eine Rückforderung einschließlich Verzinsung von 28.998,01 DM geltend gemacht, die bis zum 20.12.1993 an die Staatshauptkasse Thüringen überwiesen wurde. Für das Jahr 1992 wurde eine Rückforderung von 1.238.786,39 DM geltend gemacht, die nach zeitweiliger Stundung am 2. Februar 2004 verbucht wurde. Für das Jahr 1993 wurde zunächst eine Rückforderung von 895.288,54 DM erhoben, die am 23. September 1998 beglichen wurde. Hierzu erging zusätzlich ein Zinsbescheid in Höhe von 268.995,45 DM, zu dem ein Zahlungseingang am 18. Mai 1999 gebucht wurde. Eine weitere Rückforderung von 97.364,89 DM wurde im Jahre 2000 erhoben. Die Zahlung dieser Summe erfolgte am 28. Dezember 2000. Bei der Verwendungsnachweisprüfung zur Projektförderung wurden bisher insgesamt 34.240,86 DM mit Zahlungseingang jeweils am 10. Mai 1999 zurückgefordert.
Hinsichtlich der Bearbeitung der noch nicht abschließend geprüften Geschäftsjahre ist zu berichten, dass die Vorprüfung der Verwendungsnachweise für die Haushaltsjahre 1994 bis 1998 von der Mittelrheinischen Treuhand vorgenommen wurde. Es haben sich bei der Vorprüfung der Verwendungsnachweise durch die Mittelrheinische Treuhand Hinweise auf Verstöße ergeben. Die Prüfungsergebnisse der Mittelrheinischen Treuhand wurden vom Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 an den Thüringer Rechnungshof übermittelt und für das weitere Verfahren überprüft und vorbereitet. Die daraus resultierenden Anhörungsschreiben sollen bis Ende Oktober verschickt werden. Das Anhörungsschreiben für das Jahr 1994 liegt der Flughafen Erfurt GmbH bereits vor. Parallel dazu wurden durch das Thüringer Ministerium für Bau und Verkehr bereits die Mittel, die ab dem Jahre 1999 im Rahmen der Gesamtfinanzierung ausgereicht wurden, umfangreich fachlich vorgeprüft.
Insgesamt waren bzw. sind Investitionen von knapp 200 Mio. € mit über 81 Hauptgruppen für Einzelmaßnahmen im Bereich Grunderwerb, Gebäude, bauliche Anlagen, Anlagen und Betriebsausstattung zu prüfen. Diesem Umfang der Maßnahmen und den parallel verlaufenden Prüfungen ist es geschuldet, dass noch Arbeiten im Rahmen von Prüfungen erforderlich sind, bei denen die Förderung bereits längere Zeit zurückliegt. Selbstverständlich wird die Landesregierung geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn die Prüfungen Anlass zu Beanstandungen
geben. Zur Höhe möglicherweise daraus resultierender Rückforderungen kann derzeit keine Aussage getroffen werden, denn es gehört zum Procedere eines belastenden Verwaltungsakts - und die Rückforderung stellt einen solchen dar -, dass die Entscheidung über eine Rückforderung erst nach der verpflichtenden Anhörung des Fördermittelempfängers erfolgen kann. Vorsorglich, so hat uns die Flughafen Erfurt GmbH unterrichtet, ist eine Rückstellung gebildet worden. Ich gehe übrigens davon aus, dass bislang keine Verjährung von Forderungen eingetreten ist.
Die Unterscheidung von Baumaßnahmen im ersten und zweiten Bauabschnitt beim Ausbau des Flughafens Erfurt bezieht sich ausschließlich auf die Befestigung des Vorfeldes. Der zweite Bauabschnitt des Vorfeldes durfte nach Maßgabe des Planfeststellungsbeschlusses vom 22. Dezember 1995 erst begonnen werden, wenn eine Passagierzahl von 500.000 oder mehr erreicht worden war.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, mit Ihrer Erlaubnis zitiere ich aus dem Planfeststellungsbeschluss: „Das Vorfeld wurde auf eine Stellplatzanzahl von 14 Stellplätzen für den Linien- und Charterverkehr sowie 60 Stellplätzen für Luftfahrzeuge der allgemeinen Luftfahrt begrenzt. Im Rahmen dieser Begrenzung ist die Versiegelung von neuen Abstellflächen abhängig von der Entwicklung der Passagierzahl. Die Ausbaustufe 1 darf erst begonnen werden, wenn mehr als 300.000 Passagiere pro Jahr am Flughafen Erfurt abgefertigt werden. Mit der Ausbaustufe 2 darf erst begonnen werden, wenn mehr als 500.000 Passagiere pro Jahr abgefertigt werden. Ausgenommen sind Versiegelungsmaßnahmen auf dem Vorfeld zur luftseitigen Erschließung der Frachtspange sowie der luftseitigen Erschließung von Hallen und Versorgungsgebäuden, die unabhängig vom Passagieraufkommen dann begonnen werden dürfen, wenn die Baugenehmigungen für diese Bauwerke vorliegen.“ So weit aus dem Planfeststellungsbeschluss.
Die Flughafen Erfurt GmbH hat mit Schreiben vom 17. Januar 2001 in Bezug auf den Planfeststellungsbeschluss schriftlich der Luftfahrtbehörde im damalig zuständigen Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur mitgeteilt, dass die Passagierzahl von 500.000 im Jahr 2000 am Flughafen Erfurt überschritten worden ist. Für das Jahr 2000 weist das Verkehrsstatistiksystem der Flughafen GmbH 508.665 Passagiere aus. Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen zählt für das Jahr 2004 181.573 Passagiere und das Statistische Bundesamt 441.721 gewerbliche Passagiere. Die vom Antragsteller behaupteten Unterschiede bei der Erfassung der Passagierzahlen gibt es nicht, denn alle genannten Statistiken benutzen die Angaben der
Flughafen Erfurt GmbH. Allerdings werden die Rohdaten durch den Nutzer unterschiedlich ausgewertet. Die Flughafen Erfurt GmbH zählt, so wie bei allen anderen Flughafengesellschaften in Deutschland üblich, sowohl die abgefertigten Passagiere des gewerblichen als auch des nicht gewerblichen Luftverkehrs inklusive Umsteiger und Transit. Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen zählt hingegen bei den Passagieren nur den gewerblichen Luftverkehr und sie zählt die Umsteiger nur einmal. Berücksichtigt man die unterschiedlichen Auswertungen derselben Quelldaten durch die Nutzer, so folgt daraus, dass die Unterschiede zwischen den Statistiken keinen Hinweis auf Manipulation durch die Flughafen Erfurt GmbH geben bzw. als Beweis dafür dienen können. Allerdings hat ein ehemaliger Mitarbeiter der Flughafen Erfurt GmbH das Ministerium darüber unterrichtet, dass er gegenüber der Staatsanwaltschaft ausgesagt habe, dass die Passagierzahlen manipuliert worden seien. Hierauf haben wir mit der Staatsanwaltschaft Kontakt aufgenommen, um ein gemeinsames Vorgehen abzustimmen und das Ermittlungsverfahren zu unterstützen. Und Sie werden ja sicherlich die Nachrichten mitbekommen haben, es ist auch üblich, dass in solchen Ermittlungsverfahren auch Durchsuchungen vorgenommen werden, und von daher möchte ich auf das laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft verweisen.
Zu Art und Umfang der arbeitsrechtlichen Maßnahmen muss festgehalten werden, dass die Personalverantwortung bei der Geschäftsführung der Gesellschaft angesiedelt ist. Und weil die Personendaten dem Datenschutz unterliegen, dürfen hier keine konkreten einzelfallbezogenen Angaben gemacht werden. Die Flughafen Erfurt GmbH hat seit Beginn ihrer Tätigkeit Arbeitsplätze geschaffen und die Zahl der Mitarbeiter seit 1992 von 65 auf 118 nahezu verdoppelt. Nach Aussagen der Geschäftsführung der Flughafen Erfurt GmbH gab es im Zeitraum 2000 bis 2005 insgesamt 16 Kündigungen. Die Rechte des Betriebsrates wurden nach Aussage der Personalleiterin der Flughafen Erfurt GmbH in jedem Fall gewahrt. Ein Mitarbeiter hat erfolgreich gegen seine Kündigung wegen falscher Sozialauswahl geklagt. In anderen Fällen wurden Vergleiche abgeschlossen. Eine Kündigungsschutzklage ist noch anhängig. Einwände des Betriebsrats gegen die Kündigung gab es bis zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Vorwürfe nach Aussage der Geschäftsführung nicht. Betriebsbedingte Kündigungen gab es beispielsweise wegen des Weggangs der Fluggesellschaft Ryanair. Nach dem Wegfall der Verbindung gab es für das Personal leider keine wirtschaftlich verantwortbare Möglichkeit der Weiterbeschäftigung.
mahnungen nur zwei Jahre in den Personalakten verbleiben dürfen. Im Zeitraum 2003 bis 2005 wurden insgesamt 26 Abmahnungen ausgesprochen. Nach Auskunft der Flughafen Erfurt GmbH wurden diese überwiegend wegen Verstößen gegen die Dienstvorschriften im Sicherheitsbereich und im Bereich mit hohem Publikumsverkehr vorgenommen.