Protocol of the Session on February 28, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien. Ich erinnere Sie noch einmal daran, dass wir heute im Foyer junge Gäste haben, die uns Kunst und Kultur vorstellen wollen.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen der Abgeordnete Baumann. Die Rednerliste führt die Abgeordnete Walsmann.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Hauboldt, Herr Abgeordneter Mohring und Herr Minister Schliemann.

Ich rufe, wie im Ältestenrat verabredet, heute als Erstes den Tagesordnungspunkt 1 auf

Regierungserklärung zur poli- tischen Kultur im Freistaat Thü- ringen (Thüringen-Monitor 2007)

und ich bitte Herrn Ministerpräsidenten Dieter Althaus um seine Regierungserklärung.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Überschrift könnte lauten: „Bildung prägt Zukunft“. Bildung entscheidet wesentlich über unsere Zukunft und diese Einsicht ist längst Allgemeingut. Fast 80 Prozent der Bundesbürger erwarten zu Recht von der Politik: Bildung gehört auf Platz eins der Agenda. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass der wachsende Globalisierungsdruck keine Stellschraube ist, an der wir drehen, sondern eine Tatsache, die wir nicht ändern, sondern nur meistern können. Weil wir weder Erdöl noch riesige Weizenfelder haben, müssen wir mit Ideen und exzellenter Ausbildung im globalen Wettlauf punkten. Unsere Ressource heißt Bildung.

Fest steht, in dem Maße, wie es uns gelingt, exzellente Bildung zu organisieren und zu gestalten, entscheidet sich die Zukunftsfähigkeit unseres Wohlstands und damit letztlich auch die Finanzierung unserer Sozialsysteme. Daran hängt maßgeblich der soziale Frieden. Von der volkswirtschaftlichen auf die individuelle Ebene heruntergebrochen bedeutet Bildung für den Einzelnen die Chance auf wirtschaftlichen Aufstieg, einen sicheren Arbeitsplatz, gutes

Einkommen. Aber Bildung ist weit mehr als der ökonomische Code für Wohlstand und Beschäftigung. Bildung entscheidet über soziale Teilhabe, sogar als Glücksfaktor spielt Bildung eine große Rolle. Einer aktuellen Studie zufolge setzen 86 Prozent der Deutschen lebenslanges Lernen mit Glück und Wohlbefinden in einen positiven Zusammenhang. Bildung ist das Lebenselixier unserer Demokratie, die ohne mündige Bürger nicht funktioniert. Unser Land braucht informierte, gut ausgebildete Bürger, die Zusammenhänge erkennen, sich Meinungen bilden können und engagieren. Kurzum: Bildung gehört in den Mittelpunkt.

Diese Einsicht steckt auch im Thüringen-Monitor 2007, den ich Ihnen heute vorstelle. Die Studie konzentriert sich in diesem Jahr auf die bildungspolitischen Einstellungen und Bewertungen der Thüringer. Die Untersuchung zielt darauf ab, „ein möglichst präzises Bild der Positionen und Einstellungen zu zeichnen, die die Bürger zu wichtigen bildungspolitischen Fragen der Gegenwart haben.“ Wir wollten in Erfahrung bringen, was die Thüringer von Kindergärten, Schulsystemen und Universitäten halten. Die wichtigste Aussage der Studie heißt: Die Thüringer bewerten das Bildungssystem im Freistaat mit Mehrheit positiv.

(Beifall CDU)

Insbesondere unserer Schulen und Universitäten genießen ausgesprochen hohes Vertrauen und Ansehen.

Der Thüringen-Monitor 2007 mit seinen Zielen und Schwerpunkten: Zum achten Mal hat die Landesregierung Wissenschaftler der Universität Jena mit der Erstellung des Thüringen-Monitors beauftragt. Neben dem Schwerpunkt Bildung hat der ThüringenMonitor 2007 wie in den vergangenen Jahren einen zweiten Hauptteil zur politischen Kultur. Die Experten haben gefragt: Welche grundsätzliche Haltung zur Politik haben die Thüringer, wie stehen sie zur Demokratie, wie attraktiv beurteilen sie andere Staatsformen etc.? Dieses Standbein der Studie erlaubt es nachzuvollziehen, wie sich zentrale politische Einstellungen über einen größeren Zeitraum entwickeln. Unsere Nachbarn in Sachsen-Anhalt sind dem Thüringer Beispiel gefolgt und haben erstmals eine vergleichbare Befragung durchgeführt. Das ermöglicht künftig auch einen länderübergreifenden Vergleich.

Der Thüringen-Monitor ist darauf angelegt, Differenzierungen im demokratischen Spektrum und Überschreitungen des demokratischen Spektrums zu erfassen. Keinesfalls sollen Menschen als Extremisten abgestempelt werden. „Der Thüringen-Monitor“, so

Dr. Andreas Hallermann von der Friedrich-SchillerUniversität Jena wörtlich, „beschäftigt sich nicht in erster Linie mit manifesten Formen des Rechtsextremismus. Er bemüht sich vielmehr um eine Analyse von Einstellungen in der Thüringer Bevölkerung.“ In diesem Sinne dienen die Ergebnisse als eine Art Frühwarnsystem, um auf Stimmungen wachsam reagieren zu können. Vielen Dank den Wissenschaftlern für ihre solide und umfassende Arbeit, ganz besonders gilt das für Professor Karl Schmitt, der in diesem Jahr leider emeritiert wird.

Die Gefahr des Extremismus und insbesondere des Rechtsextremismus muss weiter ernst genommen werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, kürzlich berichtete ein Hamburger Nachrichtenmagazin umfassend über die chaotischen innerparteilichen Zustände der NPD. Ohne Frage, jeder Demokrat wird diesen Artikel mit einer gewissen inneren Genugtuung gelesen haben. Allerdings, die dort beschriebene Selbstzerfleischung und die inneren Grabenkämpfe in der NPD-Führung geben keinen Anlass zur Beruhigung. Wir dürfen die Aggressivität und Demokratiefeindlichkeit dieser Partei nicht unterschätzen.

(Beifall CDU)

Die NPD bleibt eine ernst zu nehmende Gefahr, das sage ich auch im Hinblick auf die Landtagswahlen in Thüringen im nächsten Jahr. Die NPD arbeitet hartnäckig daran, in den Landtag zu ziehen. Dass ihnen der Sprung in den Landtag bislang nicht gelungen ist, verdanken wir vor allem den Thüringer Wählerinnen und Wählern, der Zivilgesellschaft, aber auch der Politik aller demokratischen Parteien.

(Beifall CDU)

Es gibt immer wieder Stimmen, die den Rechtsextremismus zu einem typisch ostdeutschen Problem machen. In diese Schmuddelecke lassen wir uns nicht stellen.

(Beifall CDU)

Die Rechtsextremen sind in allen 16 Ländern aktiv und häufig erleben wir auch bei Veranstaltungen, dass aus allen Ländern die Rechtsextremen in die neuen Länder gerufen werden. Allerdings richten sie, so wird das in diesen Veranstaltungen deutlich, häufig ihren Fokus, das ist nicht von der Hand zu weisen, verstärkt auf die neuen Länder. Der Mitgliederzuwachs der NPD führt uns nicht nur im Freistaat die Bedrohung vor Augen. Die Mitgliederzahl stieg im vergangenen Jahr erneut bedenklich. Die Thüringer NPD arbeitet mehr und mehr erfolgreich

als Sammelbecken sämtlicher Rechtsextremisten im Freistaat. Inzwischen gehören fast alle führenden Köpfe der Thüringer Neonaziszene der NPD an. Die Autoren des Thüringen-Monitors mahnen zu Recht: „Der Rechtsextremismus ist die aktuell wohl dringlichste politische Herausforderung des demokratischen Verfassungsstaates.“ Insbesondere vor dem Hintergrund des Anstiegs rechtsextremistisch motivierter Straftaten in 2006 und 2007 dürfen wir im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht nachlassen. Da kann es auch nicht beruhigen, dass es sich bei den meisten Taten um sogenannte Propagandadelikte handelt. Schläger und Randalierer werden mit Konsequenz polizeilich bekämpft. Die Thüringer Polizei arbeitet außerordentlich verlässlich, ihnen meinen ganz herzlichen Dank für diesen engagierten Dienst.

(Beifall CDU)

Viel schwieriger ist es allerdings, rassistisches Gedankengut hinter der Biedermann-Maske, hinter der sich Rechtsradikale mehr und mehr verstecken, zu enttarnen. Sie gerieren sich zunehmend als Anwalt der sogenannten kleinen Leute. Scheinbar wirtschafts- und sozialpolitisch kompetent, greifen sie tagesaktuelle Fragen auf und drängen sich in die Öffentlichkeit. Diese Taktik ist gefährlich. Hier werden die sozialen Ängste der Menschen instrumentalisiert. Das dürfen wir nicht zulassen - auf Schulhöfen, Marktplätzen und in Bürgersälen haben Antidemokraten nichts verloren!

(Beifall CDU)

Ich füge auch hinzu: auch in den gewählten kommunalen Gebietskörperschaften oder im Landtag. Insofern halte ich das jüngste Urteil der Karlsruher Richter in seinen möglichen Auswirkungen für problematisch. Natürlich bedeutet die Aufhebung der Fünf-Prozent-Hürde für kleinere Parteien die Chance, sich aktiver in den Städten und Gemeinden einzubringen. Das ist sehr erfreulich. Aber diese Entscheidung ist auch ein eindringlicher Appell an alle Demokraten, sich noch stärker mit den extremistischen Parteien auseinanderzusetzen.

(Beifall CDU)

Deshalb hat die Landesregierung in den letzten Jahren und auch mit Blick auf 2008 und 2009 Maßnahmen gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit in den Mittelpunkt der politischen Aufmerksamkeit gestellt. Wir treten jeder extremistischen, rassistischen, nationalsozialistischen Weltanschauung mit aller Konsequenz entgegen. In diesem Sinn hat die Landesregierung ein umfassendes Instrumentarium weiterentwickelt, mit dem wir diese Entwicklung an den Wurzeln bekämpfen. Das hat für

uns Priorität.

Die Bekämpfung des Rechtsextremismus steht dabei, so wie es sich auch aus dem Thüringen-Monitor ableiten lässt, ganz oben auf der politischen Agenda. Ich habe in der Regierungspressekonferenz am 22. Januar ein umfassendes Maßnahmenpaket dazu vorgestellt und bei den Maßnahmen arbeiten die einzelnen Ressorts Hand in Hand. Am 26. Februar, also vor wenigen Tagen, erläuterte Minister Dr. Zeh die aktuelle Programmatik in der Regierungspressekonferenz.

Wir haben die Finanzmittel für Maßnahmen der Gewaltprävention in diesem und im nächsten Jahr jeweils um 250.000 € erhöht. Die Landesmittel werden somit in diesem Jahr auf insgesamt 600.000 € und in 2009 auf 750.000 € aufgestockt. Zusätzlich erhält Thüringen Mittel aus dem Bundesprogramm gegen politischen Extremismus. Der Bund stellt in 2008 bis zu 400.000 €, 2009 bis zu 300.000 € und in 2010 bis zu 250.000 € zur Verfügung. Ergänzend dazu hat das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit ein weiteres Maßnahmenpaket erarbeitet, das gezielt gegen politisch motivierte Gewalt vorgeht. So ist z.B. geplant, Präventionsprojekte im Umfeld von Sportveranstaltungen zu entwickeln und zu fördern. Die Thüringer Landesregierung hat das Paket mit einem Gesamtvolumen von rund 100.000 € in dieser Woche beraten und beschlossen.

Eine demokratische Streitkultur, meine sehr verehrten Damen und Herren, Tugenden wie Urteilskraft, Mitmenschlichkeit und Toleranz zu entwickeln und zu stärken - darauf zielt unsere Förderung vorrangig ab. Deshalb werden im Schul- und Bildungsbereich in den nächsten Jahren Projekte gegen Gewalt und Suchtverhalten sowie zur Demokratieerziehung mit rund 450.000 € fördern.

(Beifall CDU)

Außerdem werden wir verschiedene Programme zur Erziehung zu Toleranz, gewaltfreier Konfliktlösung fortführen, wie „Faustlos“ an den Grundschulen, „Buddy“ an den Regelschulen und Förderzentren und die „Regionale Netzwerkbildung im Bereich der Schüler-Streitschlichter“. Am vergangenen Dienstag hat Minister Dr. Zeh, wie schon erwähnt, Schwerpunkte dargestellt und Minister Prof. Goebel die besonderen Aktivitäten rund um das „Jahr der Demokratie 2009“ erläutert. Das wird im kommenden Jahr ein besonderer Schwerpunkt an Thüringer Schulen sein, den wir intensiv nutzen können.

Auch das Innenministerium koordiniert und organisiert zahlreiche Maßnahmen. Ich möchte insbesondere auf die erfolgreiche Arbeit der Polizei ver

weisen.

(Beifall CDU)

So organisieren verschiedene Polizeidirektionen Netzwerke, Ordnungspartnerschaften, Präventionsräte und runde Tische, um extremistisch motivierte Straftaten zu verhindern und insbesondere Jugendliche gegen extremistisches und fremdenfeindliches Gedankengut immun zu machen. Auch das Landeskriminalamt Thüringen führt wirksame Projekte durch, wie das ganzheitliche Präventionsprogramm für Kinder „Poli-Pap“ oder im Rahmen des Programms „Polizeiliche Kriminalprävention“, die Medienpakte „Abseits“ und „Wölfe im Schafspelz“. Ich darf der Thüringer Polizei für diese Programme, aber ganz besonders für die tagtäglich engagierte Arbeit bei Präventions- und Vollzugsarbeit ganz herzlich danken.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landesregierung unterstützt auch die Aktivitäten in den Gemeinden und Städten, wie zum Beispiel „lokale Aktionspläne“, „kommunale Räte für Gewaltprävention“. Die Landesstelle Gewaltprävention berät und begleitet diese Initiativen. Außerdem erarbeitet die Landesregierung unter Federführung des Innenministeriums einen Handlungsleitfaden für Städte, Gemeinden und unsere Feuerwehren zum Umgang mit Extremismus. Die Beratungen mit Vereinen und Bürgerinitiativen sind wichtig. Das ergänzt das vielfältige zivilgesellschaftliche Engagement, das sich in Thüringen in den letzten Jahren außergewöhnlich entwickelt hat und für das ich sehr dankbar bin.

(Beifall CDU)

Rechtsextreme Straftaten werden auch weiterhin konsequent verfolgt. Dafür haben wir Spezialdezernate bei den Staatsanwaltschaften geschaffen. Auch in diesem Jahr haben wir Antigewaltprogramme für rechtsextreme Gewaltstraftäter im Jugendarrest und in der Jugendstrafanstalt aufgelegt. Dieses Engagement hat positive Wirkungen. Der Anteil derjenigen, die rechtsextreme Positionen vertreten, ist im zweiten Jahr nacheinander nochmals auf 15 Prozent gesunken. Laut Thüringen-Monitor „ist“ damit „der Anteil von Thüringern mit rechtsextremen Einstellungen auf dem niedrigsten Stand seit 2001“.

(Beifall CDU)

Ebenfalls ist der harte Kern Rechtsextremer geschrumpft. Offensichtlich bringt das gesellschaftliche Engagement der Thüringerinnen und Thüringer, ermöglicht auch durch die gute Präventionsarbeit der Landesregierung und aller, die sich in den Programmen engagieren, diese beachtlichen Erfolge.

(Beifall CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Demokratie gewinnt, aber DDR-Nostalgie bleibt Herausforderung. Es ist gut, dass wir uns darauf verlassen können, die Demokratie in Thüringen ist nicht gefährdet. Das untermauern die Ergebnisse des Thüringen-Monitors 2007. Wie in den vergangenen Jahren lautet der positive Befund der Studie: Unsere Demokratie steht auf festem Boden und die große Mehrheit der Thüringer unterstützt die Demokratie sowohl als politische Idee als auch in ihrer Ausprägung durch das Grundgesetz.

Wie ist die Einstellung zum DDR-System? Das DDRSystem hat zwar für die Thüringer an Anziehungskraft weiter verloren, nur noch 17 Prozent befürworten eine Rückkehr zur sozialistischen Ordnung. Allerdings sagt knapp die Hälfte der Befragten, die DDR hatte vor allem positive Seiten. Die scheinbar wohlfahrtsstaatliche Rundumversorgung verstellt den Blick auf das, was die DDR wirklich war: Ein menschenverachtender Unrechtsstaat mit einem SED-Regime an der Spitze, das vor dem Bankrott stand.

(Beifall CDU)

Der Schürer-Bericht aus dem Oktober 1989 liest sich wie eine Offenbarung. Da ist von „unmittelbar bevorstehender Zahlungsunfähigkeit“, von „Tausenden von Wohnungen, die nicht mehr bewohnbar sind“, und von einer Arbeitsproduktivität die Rede, die um „40 Prozent hinter der der Bundesrepublik zurückliegt“. Diese Tatsachen, diese Fakten müssen vermittelt werden, damit sich ein realistisches Bild auf die DDR auch in Thüringer Schulen und in der Thüringer Gesellschaft ganz allgemein vermittelt.