Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie recht herzlich willkommen zu unserer heutigen Sondersitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch unsere Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien und ich begrüße heute in besonderer Weise Frau Ohl und ihre Begleitung, die ebenfalls auf der Besuchertribüne Platz genommen haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, geehrte Regierungsvertreter, verehrte Gäste, sehr geehrte Frau Ohl und liebe Angehörige, wir wollen heute zu Beginn dieser Sondersitzung unseren verstorbenen Abgeordnetenkollegen Eckhard Ohl besonders ehren. Er ist am Montag vergangener Woche nach langer schwerer Krankheit und dennoch für uns überraschend verstorben. Wir wollen uns an ihn als einen Menschen erinnern, dessen Leben vor allem durch sein Engagement für den Nächsten geprägt war. Er war uns in seiner unermüdlichen und menschlichen Art stets ein Vorbild. Beeindruckend waren sein Lebensmut und seine Tatenfreude, die er trotz seiner schweren Krankheit nie zu verlieren schien. Tapfer hat er sein Leiden ertragen und dabei stets mehr an seine Mitmenschen als an sich selbst gedacht. Wir sind ihm als Kollegen hier im Landtag, aber auch als Bürgerinnen und Bürger Thüringens zu besonderem Dank verpflichtet. Eckhard Ohl wird uns als ein Mensch in Erinnerung bleiben, der nicht abwartete und die Dinge auf sich zukommen ließ, sondern der sich stets fragte, was er bewegen kann, wie er die Dinge aktiv gestalten kann. Politik und sein Einsatz in den verschiedenen Ämtern und Ehrenämtern waren ihm eben nicht nur ein Job, er begriff sie als Lebensaufgabe. In besonderer Weise hat hiervon seine Heimatgemeinde Schlotheim profitiert. Dort war er von 1990 bis 1999 hauptamtlicher, ab 1999 ehrenamtlicher Bürgermeister. Eckhard Ohl war in seiner Gemeinde tief verwurzelt, die Menschen haben ihn gemocht als Nachbarn, als Freund und eben auch als ihren Bürgermeister. Er hat den Ort maßgeblich mitgeprägt. Von 1998 bis 2002 vertrat Eckhard Ohl seinen Wahlkreis im Bundestag und ab 2004 konnten wir ihn hier im Thüringer Landtag als Kollegen begrüßen. Als stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion und Vorsitzender des Ausschusses für Bau und Verkehr haben wir ihn als einen sehr geradlinigen und konstruktiven Menschen kennengelernt, einen Menschen, der sein Handeln und seinen Einsatz vor allem an den Folgen für seine Mitmenschen maß. Er war uns mit seinem Engagement Vorbild. Eckhard Ohl ge
hörte zu jenen, die bereit sind, die berühmten dicken Bretter der Politik zu bohren, und dabei mehr an den langfristigen Ergebnissen als an kurzfristiger medialer Präsenz interessiert sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, am letzten Freitag haben wir von Eckhard Ohl in einer bewegenden Trauerfreier Abschied genommen und ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die daran teilgenommen haben. Die große Zahl der Abgeordneten und vor allem auch der Menschen aus seiner Gemeinde, die ihm in dieser schweren Stunde die letzte Ehre erwiesen haben, sind auch ein Zeichen der großen Anerkennung und des Respekts für sein Schaffen.
Wir werden Eckhard Ohl in guter Erinnerung behalten, nicht nur als Politiker, der viel für seine Wählerinnen und Wähler bewegen konnte, und als Kollegen, mit dem man sich stets sachorientiert auseinandersetzen konnte, sondern auch als einen liebenswerten Mitmenschen, der uns durch sein freundliches, umgängliches Wesen und seine Kreativität beeindruckt hat. Unsere Gedanken und unsere Gebete sind in diesen Tagen vor allem bei seinen Hinterbliebenen, insbesondere bei Ihnen, liebe Frau Ohl, Ihren Kindern, Enkeln und Freunden.
Wir werden den Verstorbenen ehrend im Gedächtnis behalten und verneigen uns vor der Allmacht der Ewigkeit im Vertrauen auf Gott. Lassen Sie uns nun gemeinsam in einer Schweigeminute Abschied nehmen von Eckhard Ohl.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die heutige Sitzung wurde gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Verbindung mit § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags auf Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS einberufen.
Die entsprechende Unterrichtung liegt Ihnen in Drucksache 4/2031 vor. Mit den Fraktionen wurde vereinbart, dass neben dem Antrag der Fraktion der Linkspartei.PDS auch die Tagesordnungspunkte auf die vorläufige Tagesordnung gesetzt werden, die in der letzten Plenarsitzung am 9. Juni 2006 wegen Zeitmangels nicht erledigt werden konnten.
Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass anstelle der ausgeschiedenen Abgeordneten Frau Christine Zitzmann, die Landrätin des Kreises Sonneberg geworden ist, nunmehr Frau Beate Meißner für die Fraktion der CDU dem Thüringer Landtag angehört.
Ich begrüße Sie recht herzlich, Frau Meißner, und wünsche Ihnen und uns eine gute, konstruktive Zusammenarbeit.
Für den verstorbenen Abgeordneten Eckhard Ohl wird Herr David-Christian Eckardt Mitglied des Thüringer Landtags.
Ich begrüße ebenfalls recht herzlich Herrn DavidChristian Eckhardt und wünsche ihm gutes Gelingen für seine Abgeordnetentätigkeit.
Eine Nachfolge für den ausgeschiedenen Abgeordneten Andreas Bausewein, der Oberbürgermeister der Stadt Erfurt geworden ist, wurde noch nicht berufen.
Als Schriftführer hat heute neben mir Platz genommen der Abgeordnete Rose. Die Rednerliste führt die Abgeordnete Ehrlich-Strathausen. Für die heutige Sitzung hat sich der Abgeordnete Nothnagel entschuldigt.
Zu TOP 1 „Drohende Kleinstaaterei verhindern - Föderalismusreform korrigieren“ - Drucksache 4/2011 - wurden Alternativanträge der Fraktion der CDU in Drucksache 4/2070 und der Fraktion der SPD in Drucksache 4/2087 verteilt.
Zu TOP 5, Antrag der Fraktion der CDU, „Spitzenstellung Thüringens bei der Nutzung von Bioenergie weiter ausbauen“ wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der Linkspartei.PDS in Drucksache 4/2076 verteilt.
Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung sind Änderungsanträge zu selbständigen Vorlagen, die keinen Gesetzentwurf enthalten, nur mit Zustimmung der Antragsteller zulässig. Deshalb frage ich die Fraktion der CDU, erteilt sie ihre Zustimmung zur Einbringung des Änderungsantrags?
Die Landesregierung hat angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 1, 3, 5, 6 und 7 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.
Ich möchte Sie ferner darauf hinweisen, dass heute keine Mittagspause stattfindet. Wir haben uns verständigt, dass wir die heutige Plenarsitzung gegen 18.00 Uhr beenden wollen, da im Anschluss der Ältestenrat tagt.
Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung widersprochen? Das ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung festgestellt.
Drohende Kleinstaaterei verhin- dern - Föderalismusreform korri- gieren Antrag der Fraktion der Links- partei.PDS - Drucksache 4/2011 - dazu: Alternativantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/2070 - dazu: Alternativantrag der Fraktion
Wünscht die Fraktion der Linkspartei.PDS das Wort zur Begründung ihres Antrags? Es wird gewünscht. Wer gibt die Begründung? Frau Berninger gibt die Begründung. Ich erteile der Abgeordneten Berninger das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, als wir Anfang des Jahres hier im Haus zum Föderalismus diskutiert haben, habe ich gesagt, ich möchte das zitieren: „Wir wollen, dass die Einbeziehung der Landesparlamente, die Einbeziehung von Kommunen und Organisationen während des gesamten Reformprozesses zum Standard wird. Das ist bisher nicht geschehen.“
Es ist bis jetzt auch immer noch nicht geschehen, meine Damen und Herren. Trotz des siebentägigen Anhörungsmarathons von Bundestag und Bundesrat in der Zeit vom 15. Mai bis 2. Juni 2006 ist das eingetreten, was schon Volker Beck von Bündnis 90/ Die Grünen am 8. März 2006 in der Sitzung des Bildungsausschusses des Bundestags moniert hat. Er hat nämlich gesagt, dass die Fachpolitiker in einer Massenanhörung zu Zaungästen gemacht werden sollen und dass die so genannte Mutter aller Reformen - ich zitiere: „zur Mutter allen Murkses“ werde.
Die Stellungnahmen der Experten, welche sich vom 15. Mai bis 2. Juni 2006 äußerten, sind von der Koalition im Bund weitestgehend ignoriert worden und in den Reformprozess kaum einbezogen. Es ist genau das eingetroffen, was Herr Beck am 8. März 2006 befürchtet hat.
Meine Damen und Herren, die angestrebte Modernisierung des bundesstaatlichen Systems wird mit dieser Reform nicht erreicht, eher passiert das Gegenteil. Die bundesstaatliche Ordnung bewegt sich mit Riesenschritten in der Zeit rückwärts, weg von der solidarischen Kooperation hin zur Kleinstaaterei. Die angestrebte Entflechtung von Entscheidungskompetenzen wird ad absurdum geführt, und zwar hin zu mehr Macht für Landesfürsten oder - wie es die „Thüringer Allgemeine“ heute schrieb - dahin, dass die Landtage - salopp gesagt - endlich wieder eine Aufgabe bekommen.
Zu unserem Antrag in den einzelnen Punkten: Die Landesregierung wird mit unserem Antrag aufgefordert zu berichten über die Ergebnisse der Expertenanhörungen, zur Gesamtheit der Strukturveränderungen und zu den Bereichen Bildung, Justiz, Inneres, Umwelt und Soziales. Ich freue mich, dass ein Bericht angekündigt wurde.
Wir beantragen, dass der Landtag feststellt, dass mit den jetzigen Reformvorhaben die Grundsätze der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse unterlaufen, Grundrechte eingeschränkt und Qualitätsstandards abgebaut werden. Der Gleichwertigkeitsgrundsatz, meine Damen und Herren, steht in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Chancengleichheit und gleicher Teilhabe. Besonders wegen des Sozialstaatsgebots ist der Grundsatz der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, wie er in Artikel 72 Abs. 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik festgeschrieben ist, unverzichtbar und sollte durch die Reform des Föderalismus
nicht aufgeweicht werden. Wir gehen in unserem Antrag anhand der Stellungnahmen in der Expertenanhörung, aber auch anhand anderer Kritiken auf einige Kernpunkte ein. Ich will davon einige wenige nennen:
In unserem Antrag beziehen wir uns in Punkt a) auf den Bereich Bildung und Wissenschaft. Im Hochschulbereich führt das geplante Abweichungsrecht der Länder bei den Regelungen zum Hochschulzugang zu Kleinstaaterei und, meine Damen und Herren, ist damit gegenläufig zum europäischen Integrationsprozess, wie er im Bologna-Prozess festgeschrieben wurde.
Im Beamtenrecht - Absatz b) unseres Antrags - würde die Reform einen Zustand wiederherstellen, wie er etwa vor 130 Jahren noch bestanden hat, bis ca. in die 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Die weitgehende Vereinheitlichung von Besoldung und Versorgung Anfang der 70er-Jahre war unter anderem einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts geschuldet, das mit dieser Reform ad absurdum geführt wird. Das Bundesverfassungsgericht hat damals deutlich den Grundsatz „gleiche Besoldung für gleiche Tätigkeit“, und zwar bundesweit, mit Bezug auf Artikel 33 des Grundgesetzes herausgehoben.
Im Bereich Strafvollzug - das ist der Absatz c) unseres Antrags - wurde die bisherige Kritik, dass die Gefahr eines Vollzugsdumpings und der Privatisierung von Strafvollzug besteht, in der Anhörung von fast allen Anzuhörenden bestätigt. Es wurde deutlich, dass die Änderung in diesem Bereich das liberale und deutlich am Resozialisierungsgedanken ausgerichtete Strafvollzugsgesetz des Bundes aushöhlen und durch konservative und längst überholte Strafvollzugskonzepte ersetzt werden würde.
Abgeordnete Berninger, fünf Minuten Redezeit sind für die Begründung von Anträgen vorgesehen und Ihre fünf Minuten sind überschritten. Vielleicht können Sie das in der Aussprache mit zur Sprache bringen.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn im Bundestag die Zweidrittelmehrheit verfehlt würde, so war vor der Bundestagsbeschlussfassung am 30. Juni zu hören, würde die Reform blockiert. Das wäre das Ende der Reform; Herr Volker Kauder sprach vom „Kollabieren fünf Meter vor dem Ziel“. Wir sehen das anders. Wenn jetzt...
... im Bundesrat noch mal die Reform aufgemacht wird, dann hat das nichts mit Kollabieren oder Blockade zu tun, sondern es gäbe die Chance, diese Reform richtig zu machen und nicht als Flickschusterei. Vielen Dank.
Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung ihres Alternativantrags? Das ist nicht der Fall. Wünscht die Fraktion der SPD das Wort zur Begründung des Alternativantrags? Das ist auch nicht der Fall. Dann erstattet die Landesregierung den Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags der Fraktion der Linkspartei.PDS, zu Nummer 3 des Alternativantrags der Fraktion der CDU und zu Nummer I.1 des Alternativantrags der Fraktion der SPD. Für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Minister Wucherpfennig.
Frau Landtagspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Landtag befasst sich heute erneut mit dem Thema Föderalismusreform - ein Thema, zu dem die Fraktion der Linkspartei.PDS einen Antrag mit dem Titel „Drohende Kleinstaaterei verhindern - Föderalismusreform korrigieren“ vorgelegt hat. Ich bin der Auffassung, wenn wir schon über dieses wichtige Reformpaket debattieren - und ich halte es für richtig, dass wir das tun -, dann sollten wir uns um Sachlichkeit bemühen. Etikettierungen wie „Drohende Kleinstaaterei“ werden dem Ziel und der Bedeutung der geplanten Föderalismusreform nicht gerecht. Deshalb hat die CDU auch einen Alternativantrag eingereicht, die SPD-Landtagsfraktion mit dem Antrag vom heutigen Tage ebenfalls.