Meine sehr verehrten Kollegen Abgeordneten, Vertreter der Regierung, verehrte Medienvertreter, liebe Gäste, ich eröffne die 3. Plenarsitzung des Thüringer Landtags heute, am 10. September.
Zu meiner Rechten und Linken haben die Abgeordnete Künast und die Abgeordnete Walsmann Platz genommen. Die Rednerliste wird von Frau Künast geführt. Für die heutige Sitzung hat sich der Abgeordnete Nothnagel entschuldigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich rufe als Erstes heute die Tagesordnungspunkte 12, 14 und 15 gemeinsam auf. Der Landtag hatte gestern beschlossen, diese Tagesordnungspunkte heute in einer gemeinsamen Aussprache zu behandeln und sie heute auch als Erstes hier aufzurufen.
Ich frage, ob der Einreicher zu Drucksache 4/65 begründen möchte. Hier hat die Regierung angekündigt, dass sie von der Möglichkeit eines Sofortberichts Gebrauch macht. Ist eine Begründung gewünscht? Das ist offensichtlich nicht der Fall.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich die Ziele des Ihnen vorliegenden Antrags der SPD-Landtagsfraktion kurz in vier Punkten darstellen.
Erstens: Die Förderung Langzeitarbeitsloser muss verstärkt werden und wir müssen dafür alle Finanzen und Kräfte mobilisieren. Dies haben nicht zuletzt Sie, Herr Ministerpräsident Althaus, und Sie, Herr Minister Reinholz, in den letzten Wochen wiederholt eingefordert und wir teilen diese Auffassung völlig. Aber sie richtet sich nicht nur an den Bund, sondern auch an Land und Kommunen. Das Bekenntnis zu einer verstärkten Förderung Langzeitarbeitsloser in strukturschwachen Regionen setzt zwangsläufig auch ein Bekenntnis zu öffentlicher Beschäftigungsförderung voraus. Es ist an der Zeit, die Verteufelung dieses Sektors während der letzten Jahre endgültig an den Nagel zu hängen; zumindest so lange, bis wir in der Wirtschaft entscheidend mehr Arbeitsplätze haben. Umso mehr gilt es, jede Verdrängung regulärer Arbeit zu vermeiden; Konzepte sind gefragt. Die Bundesregierung hat für das Jahr 2005, beginnend schon in diesem Jahr, mehr Mittel als bisher für Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung für Langzeitarbeitslose bereitgestellt. Wenn wir uns über die Ausweitung des Förderns in der politischen Auseinandersetzung offenbar einig sind und wenn das Land hoffentlich eine gestaltende Mitverantwortung wahrnehmen will, dann gilt es jetzt zu handeln.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle Welt debattiert derzeit über die so genannten Ein-Euro-Jobs. Die aber stehen in der diskutierten Ausschließlichkeit nicht im Sozialgesetzbuch II. Es liegt also mit in unserer Hand, dafür Sorge zu tragen, dass Berufsausbildung, passgenaue Qualifizierung, sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im öffentlichen Beschäftigungssektor Vorrang haben vor diesen EinEuro-Jobs. Wer Förderung ernst nimmt und verstärken will, wer Menschen heraus aus dauerhafter Alimentation zu eigener Existenzabsicherung befähigen will, der sollte genau dafür landespolitischen Einfluss geltend machen. Das wiederum gelingt am besten durch Hinzutun eigener Ideen und eigener ergänzender Fördermittel.
Drittens - die Region und ihre Akteure stärken: Arbeitsmarktentwicklung und die Integration Langzeitarbeitsloser finden primär regional statt, müssen aber überregionale Entwicklungen im Blick behalten. Arbeitsmarktpolitik lässt sich deshalb weder zentral von Nürnberg noch von Erfurt steuern. Wenn wir Flexibilität von den Arbeitnehmern erwarten, wenn wir uns an den Anforderungen des ersten Arbeitsmarkts orientieren, dann darf Arbeitsmarktpolitik andererseits auch nicht an Kreis- oder Stadtgrenzen Halt machen. Deshalb, meine Damen und Herren, brau
chen wir eine stärkere Verantwortung in den Kommunen und in den Regionen, brauchen wir die Einbindung aller Arbeitsmarktakteure und brauchen wir die Förderung aus einem Guss.
Die Bundesagentur hat ihre regionalen Agenturen gestärkt und die Landesregierung sollte nun ihre Region und ihre Kommunen stärken. Deshalb sollten die Regionen gemeinsam mit der Agentur für Arbeit sowohl über alle Fördermöglichkeiten der Bundesagentur als auch der ergänzenden Mittel des Landes und des Europäischen Sozialfonds verfügen können. Es reicht völlig, wenn Nürnberg und Erfurt weit gefasste Leitplanken mit viel regionalem Spielraum und möglichst einfacher Verkehrsführung aufbauen. Die sollten von der Art der Autobahnbaustellen sein; veränderbar, wenn die Verhältnisse es erfordern, eng, wenn das Ziel sonst nicht erreicht wird, und weit, wenn gute Übersicht herrscht. Das aber setzt seitens des Landes eine Auswertung der Prozesse und es setzt vor allen Dingen beratende Unterstützung, Moderation in den Regionen voraus.
Deshalb gilt es viertens, die Struktur der Landesarbeitsmarktverwaltung zu modernisieren und an die Regionen anzupassen. Mit der regionalen Kompetenzausweitung können Sie endlich im Wust der Landeszuständigkeiten aufräumen. Auch hier gilt, weniger Verwaltung, stattdessen mehr beratende Unterstützung und Gestaltung ist angesagt. Verwaltungsmodernisierung haben Sie versprochen, hier ist Ihnen ganz aktuell die Gelegenheit gegeben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, der Ihnen vorliegende Antrag bietet die Chance, sowohl die Förderung für die betroffenen Langzeitarbeitslosen zu verbessern als auch die Arbeitsmarktentwicklung in den Thüringer Regionen zu unterstützen. Wir sollten diese gründlich und gemeinsam mit den möglichen Partnern angehen.
Ich bitte im Namen meiner Fraktion um Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit und begleitend an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Lassen Sie uns mit diesem Antrag ein Signal geben, dass wir abseits der üblichen politischen Gremien in Thüringen bemüht sind
ich bin auch fertig -, alles uns nur Mögliche für Langzeitarbeitslose in Thüringen zu tun. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion der PDS möchte der Abgeordnete Hausold die Begründung vortragen. Ich erteile Ihnen das Wort.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Hartz-IV-Gesetz, das in seiner vorliegenden Form die Lebenssituation vieler Menschen drastisch verschlechtern wird, steht zu Recht in öffentlicher Kritik über Parteigrenzen hinweg. Die PDS ist von Anfang an gegen dieses Gesetz gewesen, denn es ist nach unserer Auffassung eben kein Instrument der Beschäftigungspolitik. Daraus erwächst aus unserer Sicht dringender Handlungsbedarf an die Politik, dem die PDS-Fraktion mit dem vorliegenden Antrag gerecht werden möchte.
Ein Kommentator der "Financial Times Deutschland", ich zitiere mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, sicher unverdächtig PDS-nah zu sein, bringt nach unserer Auffassung die Sache auf den Punkt. Dort hieß es am 11. August: "Die Gründe für Hartz IV sind schließlich ganz andere, also nicht die der Beschäftigungspolitik; der eine ist die erhoffte Entlastung der Staatsfinanzen, der andere ist der gewünschte Effekt der Lohnsenkung. Die Staatsfinanzen werden entlastet, weil die bisherigen Empfänger von Arbeitslosenhilfe künftig nur noch Sozialhilfe erhalten. Das ist erheblich weniger Geld. Es kann eingespart oder an anderer Stelle ausgegeben werden. Die Effekte der Lohnkürzungen stellen sich ein, weil künftig jede Arbeit für jeden zumutbar ist. Wenn Arbeitslose schlecht bezahlte Arbeit nicht mehr ablehnen können, weil ihnen sonst sogar Sozialhilfe gestrichen wird, entfällt jede Veranlassung für Unternehmen einigermaßen auskömmliche Löhne anzubieten. Der Lohndruck macht dabei nicht bei den einfachen Beschäftigungsverhältnissen Halt, er setzt sich überall durch." Soweit das von mir durchaus als wirtschaftsliberal angesehene Blatt "Financial Times Deutschland". Die PDS-Fraktion fordert deshalb von der Landesregierung, den Versuch zu unternehmen, mit einer Bundesratsinitiative Hartz IV noch zu stoppen. Sollte es dafür in der Länderkammer keine Mehrheit geben, sind in unserem Antrag eine Reihe von Sofortmaßnahmen aufgeführt, mit denen wenigstens die schlimmsten Auswüchse des Gesetzes im Interesse der Betroffenen abgemildert werden. Darüber hinaus fordert die PDS-Fraktion von der Landesregierung erneut die Förderung gemeinwohlorientierter Arbeit, um endlich wieder zu einer wirksamen und dem Namen werten Arbeitsmarktpolitik im Lande zu kommen. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Die Landesregierung möchte einen Sofortbericht geben. Ich bitte Minister Reinholz, den Sofortbericht hier vorzutragen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, wie kaum ein anderes Thema beherrscht Hartz IV derzeit die arbeitsmarktpolitische, aber auch die gesellschaftspolitische Diskussion. Bevor ich auf den Umsetzungsstand in Thüringen zu sprechen komme, lassen Sie mich kurz auf die aktuellen Arbeitsmarktzahlen eingehen.
Ende August waren im Freistaat 204.200 Frauen und Männer arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote beträgt im August 16,6 Prozent gegenüber 16,8 Prozent im Vormonat und 16,5 Prozent im August 2003. Im Vergleich der neuen Länder verzeichnet Thüringen damit die niedrigste Arbeitslosigkeit, und das schon seit langem. Der Abstand Thüringens zum Durchschnitt der neuen Länder beträgt unverändert 1,7 Prozentpunkte. Trotzdem, meine Damen und Herren, ist die Arbeitslosigkeit in Thüringen immer noch fast doppelt so hoch wie der Durchschnitt der alten Länder. Die Tendenzen zu einer immer stärker verfestigten Arbeitslosigkeit halten leider sowohl bei den jüngeren Arbeitslosen unter 25 Jahren als auch bei den älteren Arbeitslosen von 50 bis unter 55 Jahren an. Mit rund 28.000 Personen waren 17 Prozent erwerbsfähige Jugendliche unter 25 Jahren Ende August 2004 bei den Thüringer Arbeitsagenturen als arbeitslos gemeldet. Der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren an den Arbeitslosen insgesamt lag Ende August 2004 bei 13,7 Prozent. Weiter angestiegen ist im August die Zahl der Langzeitarbeitslosen auf rund 88.000 Personen. Damit waren nach 39 Prozent im Vorjahr Ende August 2004 über 43 Prozent der arbeitslos gemeldeten Personen bereits länger als ein Jahr ohne Beschäftigung. Die aktuellen Arbeitsmarktzahlen verdeutlichen einmal mehr, wie dringend erforderlich umfassende, vor allem beschäftigungspolitisch wirksame Reformen sind. Punktuelle Reformen am Arbeitsmarkt, und das sind auch die Hartz-Gesetze, können die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland nicht durchgreifend abbauen, insbesondere nicht in den neuen Ländern. Darauf, meine Damen und Herren, hat die Landesregierung oft genug hingewiesen. Auch nach Hartz IV bleiben deshalb grundlegende Reformen in der Wirtschafts- und Steuerpolitik erforderlich, Herr Matschie, die zugleich zur nachhaltigen Stabilisierung der Sozialversicherungssysteme und damit zur Reduzierung gesetz
licher Lohnzusatzkosten beitragen. Ich habe Verständnis für die Sorgen und Nöte der Arbeitslosen, besonders in den neuen Ländern, in denen es einfach zu wenig Arbeitsangebote gibt.
Eine Hauptursache für den Protest und die Wut vieler Bürger gerade in Ostdeutschland ist aber auch die schlechte Aufklärung und die schlechte Information über die neuen Regelungen. Es wurde von der Bundesregierung versäumt, rechtzeitig die Betroffenen nüchtern und vor allem sachlich über Leistungshöhe, die Anrechnung von Vermögen, die Angemessenheit von Wohnungen oder Autos etc. in geeigneter Form zu informieren. Dies hätte man bereits im Winter bzw. im Frühjahr dieses Jahres in geeigneter Form und vor allen Dingen breitenwirksam tun müssen, dann wären auch viele Fehlinformationen in den Medien sicherlich zu vermeiden gewesen. Durch ihr Versäumnis hat die Bundesregierung denen das Feld überlassen, die gerade in Ostdeutschland versuchen Ängste zu schüren und daraus politisches Kapital zu schlagen. Dies wird bei den derzeitigen Demonstrationen nur zu deutlich. Ich appelliere deshalb an die Politik und die Akteure am Arbeitsmarkt, entschieden zu einer Versachlichung der Diskussion beizutragen.
Denn, meine Damen und Herren, grundsätzlich ist die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für alle erwerbsfähigen Hilfebedürftigen richtig. Eine einheitliche Betreuung und Behandlung, insbesondere auch hinsichtlich der Eingliederungsleistungen und der Leistungshöhe ist sinnvoll. Insofern halte ich das neue Sozialgesetzbuch II "Grundsicherung für Arbeitsuchende" für eine notwendige Reform des Arbeitsmarkts. Die Leistungen für Personen, die keine Arbeitslosenversicherung mehr erhalten, werden aus Steuermitteln bezahlt und nicht weiter aus Versicherungsbeiträgen. Ich denke, das ist vom Grundsatz her völlig richtig. Hartz IV wurde aber, wie viele andere Reformgesetze auch, unter Zeitdruck und mit heißer Nadel gestrickt. Das hat zu vielen Unklarheiten und auch zu Fehlern geführt, die korrigiert werden müssen. Ich begrüße deshalb die bereits beschlossene Nachbesserung hinsichtlich der Vermögensfreibeträge für Kinder, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld haben. Ihnen steht ab dem kommenden Jahr bereits ab der Geburt ein Vermögensfreibetrag von 4.100 Euro zu. Bis zu dieser Höhe bleibt das Kindervermögen geschützt, wird also nicht auf die Grundsicherung angerechnet.
Neben dieser Änderung wird es auch Korrekturen in Hartz I und II geben. So wird die Förderung der Ich-AG durch die Agenturen für Arbeit von der Vorlage einer so genannten Tragfähigkeitsbescheinigung
abhängig gemacht. Diese wird bis zur Gültigkeit des neuen Gesetzes durch die Arbeitsagenturen ausgestellt. Zukünftig soll sie in Anlehnung an die Regelungen beim Überbrückungsgeld von den Verbänden und Kammern der Wirtschaft und von Steuerberatern ausgestellt werden. Die Prüfung der Tragfähigkeit soll das Risiko vermindern, dass Gründerinnen und Gründer mit ihrer Ich-AG scheitern und ihnen größere Sicherheit für eine erfolgreiche Umsetzung ihrer Geschäftsidee geben.
Zudem soll die Erprobung des Vermittlungsgutscheins bis zum 31.12.2006 fortgeführt werden. Einige Verbesserungen sollen die Handhabung des Instruments vereinfachen, die Vermittlung beschleunigen und vor allem Missbrauch vorbeugen. So müssen die Arbeitslosen nur noch sechs Wochen anstelle von drei Monaten arbeitslos sein, um den Vermittlungsgutschein zu erhalten. Die Höhe des Gutscheins wird einheitlich auf 2.000 Euro festgesetzt. Ich denke, diese Nachbesserungen reichen allerdings nicht aus.
Ich teile die Auffassung, dass im SGB II einige besondere Bedingungen in Ostdeutschland nicht ausreichend genug berücksichtigt wurden. Um dieses Defizit zu beheben, wurde am 12. Juli auf Drängen der ostdeutschen Ministerpräsidenten beim Bundeskanzler Schröder die Monitoringgruppe verabredet. Auf der ersten Beratung am 27. August haben die Arbeits- und Sozialminister und Staatssekretäre der fünf neuen Bundesländer und Berlins beim Bundesminister Clement die wesentlichen Änderungserfordernisse zur Sprache gebracht. Lebensversicherungen und Sparverträge, die nachweislich und vor allen Dingen erkennbar der Alterssicherung dienen, sollten grundsätzlich ganz oder zumindest deutlich höher als bisher geschützt werden. Ferner sollte die Freistellung beim Hinzuverdienst erhöht werden. Besonders beim Hinzuverdienst bis 400 Euro reichen 15 Prozent, sprich 60 Euro, einfach nicht aus. Durch geringfügige Beschäftigungsverhältnisse können Arbeitslosengeld-II-Empfänger bei einer höheren Freistellung ihre soziale Situation verbessern und vielleicht wieder einen Einstieg in einen Job finden. Die Vermögensfreistellung bei Datschen, die mit Duldung der Städte und Gemeinden zur Dauerwohnung genutzt werden, wurde zur Sprache gebracht.
Am Ende. In keinem dieser Punkte ist die Bundesregierung zu einem Entgegenkommen bereit. Ich denke, das ist nicht nachvollziehbar, zumal die
meisten der genannten Punkte keine formalen Gesetzesänderungen erforderlich machen. Das Argument, dass es sich bei Hartz IV bereits um ein verhandeltes und mit Ländermehrheit verabschiedetes Gesetz handelt, geht deshalb eigentlich fehl. Soweit möglich, werden die neuen Länder bei zustimmungsbedürftigen Rechtsverordnungen der Bundesregierung über den Bundesrat ihren Änderungsbedarf auch reklamieren. Die Sinnhaftigkeit der Monitoringgruppe sehe ich insofern im Hinblick auf weitere Treffen in Frage gestellt - ich hatte das bereits kurz nach unserer ersten Sitzung der Monitoringgruppe auch gesagt -; sie ist offenbar nur eine Alibiveranstaltung und keine konstruktive Aussprache, was im Übrigen nicht mein alleiniger Eindruck davon war.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun auf die bisherigen Schritte zur Umsetzung auf Landesebene eingehen. Nachdem das Kommunale Optionsgesetz am 6. August in Kraft getreten war, hat Thüringen bereits am 24. August im Kabinett notwendige Zuständigkeitsregelungen auf Landesebene durch Rechtsverordnung beschlossen. Zuständig für die staatliche Aufsicht über die Arbeitsgemeinschaften ist das TMWTA, das ebenfalls für die Zustimmungserklärung zu den Optionsanträgen Thüringer Kommunen zuständig ist. Bislang haben bekanntlich der Landkreis Eichsfeld und die Stadt Jena solche Anträge auf Zulassung gestellt. Alle anderen Landkreise wollen mit den jeweiligen Agenturen für Arbeit Arbeitsgemeinschaften gründen. Innerhalb der knappen zur Verfügung stehenden Zeit ist dieser Gründungsprozess keine leichte Aufgabe. Der Bund hat in Bezug auf die Arbeitsgemeinschaften einmal mehr keine klaren einheitlichen Regelungen getroffen, so dass vieles der weiteren Auslegung bedarf. Zu den Gründungsverträgen und allen wichtigen organisatorischen Fragen laufen derzeit noch die Abstimmungen zwischen den kommunalen Spitzenverbänden und der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur. Außerdem wird vor Ort gemeinsam von Kommunen und Agenturen die Einrichtung der Jobcenter geplant und vorbereitet. Zwischenzeitlich wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit Merkblätter sowohl für die Arbeitsgemeinschaften als auch für die optierenden Kommunen bereitgestellt. Wesentliche Umsetzungsschritte auf Landesebene werden demnächst durch ein Landesausführungsgesetz geregelt, in dem unter anderem auch die Zuständigkeit für die staatliche Aufsicht über die optierenden Kommunen festgelegt werden soll. Die Federführung für dieses Ausführungsgesetz liegt beim Thüringer Finanzministerium. Deshalb hat Frau Kollegin Diezel zu den erforderlichen finanziellen Regelungen der Hartz-IVUmsetzung im Rahmen des entsprechenden SPDAntrags berichtet.
Meine Damen und Herren, inzwischen liegt ein Verteilungsvorschlag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit für 6,35 Mrd. rungsmittel und die 3,3 Mrd. waltungsmittel für 2005 vor. Danach sollen die neuen Länder 41,79 Prozent der Mittel erhalten. Bedenkt man, dass der jetzige Anteil der neuen Länder am Eingliederungstitel der Bundesagentur für Arbeit 46 Prozent beträgt, so ist bereits erkennbar, dass im kommenden Jahr insgesamt weniger Mittel zur Verfügung stehen, auch wenn man den vorherigen Eingliederungstitel nicht direkt mit dem neuen Eingliederungsbudget für das SGB II vergleichen kann. Umso notwendiger, meine Damen und Herren, ist es, die Mittel gezielt und effektiv einzusetzen. Es ist zwar sinnvoll im Maßnahmespektrum geeignetenfalls und im vertretbaren Umfang auch Arbeitsgelegenheiten anzubieten, dies darf aber nicht der Schwerpunkt sein. Denn bei diesen so genannten Ein- und Zwei-Euro-Jobs handelt es sich nicht um reguläre Beschäftigungsverhältnisse, da kein Arbeitsverhältnis begründet wird, sondern der Betroffene als Leistungsempfänger im Arbeitslosengeld-II-Bezug verbleibt. Vorrang muss deshalb weiterhin sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in den Unternehmen der Wirtschaft, in Pflegeeinrichtungen, in Krankenhäusern und im sozialen Bereich haben. Die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt/Thüringen der Bundesagentur für Arbeit plant ab Oktober für rund 5 Prozent der Einzugliedernden in Thüringen Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung zu fördern. Das entspricht rund 6.000 bis 6.500 Personen, wobei schwerpunktmäßig Jugendliche beschäftigt werden sollen. Ich halte das für vertretbar. Die vom Bundesminister Clement in die Diskussion gebrachte Quote von 20 Prozent halte ich dagegen für unrealistisch. Auch andere Maßnahmen zur Qualifizierung und Schaffung von Arbeitsplätzen sind notwendig, zum Beispiel für Jugendliche an der so genannten zweiten Schwelle. Das TMWTA steht in Gesprächen mit den Agenturen für Arbeit, um auch Fördermöglichkeiten des ESF gezielt für Eingliederung von Arbeitslosengeld-II-Empfängern und insbesondere von Jugendlichen einzusetzen. Ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen der aktiven Arbeitsförderung seitens der Bundesagentur bereits ab 1. Januar 2005 für Hilfeempfänger angeboten werden können, ist derzeit noch unklar. Dessen ungeachtet muss man aber davon ausgehen, dass trotz bestehender erheblicher EDV-Probleme, man konnte das heute früh ja wieder in den Nachrichten hören, bei der Bundesagentur für Arbeit der Starttermin 1. Januar 2005 für das Arbeitslosengeld II beibehalten wird.
Meine Damen und Herren, auch mit und nach Hartz IV sind Langzeitarbeitslose eine Zielgruppe, die besondere Aufmerksamkeit erfahren muss. Im Fraktionsantrag der SPD wird das neue SGB II als Instrument zur besseren Integration von Lang
zeitarbeitslosen bezeichnet. Im selben Atemzug, meine Damen und Herren von der SPD, fordern Sie vom Land ein Förderkonzept zur beruflichen Integration der Langzeitarbeitslosen. Ich schließe daraus, dass Sie das SGB II eigentlich für völlig unzureichend halten. In der Tat ist es gerade in Ostdeutschland schwierig, für Hartz IV als Erfolgsmodell der Integration von Langzeitarbeitslosen zu werben. Der Grundsatz des Forderns ist zwar sehr deutlich erkennbar, für das Fördern stehen aber viel zu wenig Stellen und Beschäftigungsmöglichkeiten in den neuen Ländern zur Verfügung. Es fehlen klare Konzepte, durch welche Maßnahmen mehr Jobs und somit auch mehr Angebote für Arbeitslose geschaffen werden sollen. Unmöglich aber ist es, diese Unzulänglichkeiten der Arbeitsmarktreform der Bundesregierung vom Land auffangen zu lassen. Hierzu reichen einfach die finanziellen Möglichkeiten des Freistaats und des ESF bei weitem nicht aus. Um einen Langzeitarbeitslosen nach der Richtlinie des Freistaats für schwer vermittelbare Arbeitslose ein Jahr lang zu fördern, benötigen sie nach den aktuellen Förderkonditionen etwa 7.500 heißt, um nur 1.000 Arbeitslose zu erreichen, sind 7,5 Mio. pro Jahr erforderlich. Zur Veranschaulichung: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen in Thüringen liegt aktuell bei 88.029; da können Sie ganz simpel einfach weiterrechnen. Zur Integration der Langzeitarbeitslosen bedarf es aber auch offener Stellen. Am 31. August 2004 gab es davon in Thüringen 8.308. Was wir brauchen, meine Damen und Herren von der SPD, sind Wachstumsimpulse in Deutschland und wachstumsfreundliche Rahmenbedingungen, die letztendlich von der Bundesregierung zu gestalten sind. Nur dadurch entstehen nachhaltig mehr Arbeitsplätze und das ist und bleibt das einzig grundlegend wirksame Rezept für die berufliche Integration von Langzeitarbeitslosen. Aber gerade in diesem Bereich ist vom Bund in den letzten Jahren einfach viel zu wenig getan worden. Die zweifellos vorhandenen Ansätze zu Reformen waren meist nur sehr punktuell und nicht von nachhaltiger Wirkung.
Meine Damen und Herren, Thüringen hat seit 1999 eine neu orientierte Landesarbeitsmarktpolitik und Thüringen hat im Vergleich der neuen Länder mit rund 2 Prozentpunkten Abstand seit langem die günstigste Arbeitslosenquote. Das belegt, denke ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Eine grundlegende Veränderung der Arbeitsmarktpolitik des Freistaats Thüringen im Zusammenhang mit Hartz IV ist daher weder notwendig noch sinnvoll. Das von Ihnen geforderte Konzept zur Integration von Langzeitarbeitslosen gibt es bereits und hat sich natürlich auch bewährt. Die Thüringer Landesregierung wird auch nach dem 1. Januar 2005 damit einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung und zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit leisten. Eindeutige Prioritäten behält die Förderung sozialversicherungspflich
tiger Arbeitsverhältnisse in den Unternehmen der Wirtschaft und Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und auch im sozialen Bereich. Ein weiterer Schwerpunkt ist die Fortsetzung der Förderung von Ausbildungsplätzen. Ich erwähne das in diesem Zusammenhang, denn es ist natürlich am wichtigsten, durch Qualifikation dem Entstehen von Langzeitarbeitslosigkeit entgegenzuwirken. Zu den Förderprioritäten gehört deshalb, wie auch von Ihnen gefordert, selbstverständlich auch die berufliche Qualifizierung mit verwertbaren Abschlüssen, orientiert an den Leistungsmöglichkeiten des Einzelnen und den Anforderungen des ersten Arbeitsmarkts. Eine über die SGB-II-Förderung hinausgehende zusätzliche Förderung von Arbeitsgelegenheiten über Mehraufwandsentschädigungen halte ich nicht für sinnvoll, zumal es sich hierbei nicht um reguläre Beschäftigungsverhältnisse im Sinne des Arbeitsrechts handelt. Möglich ist aber eine Anschlussförderung über die Programme "Schwer vermittelbare Arbeitslose" oder "50 PLUS". Voraussetzung ist allerdings die Schaffung eines Dauerarbeitsplatzes im ersten Arbeitsmarkt. Die Arbeitsgelegenheiten nach SGB II sind aus meiner Sicht nur sinnvoll, soweit sie gezielt und in vertretbarem Umfang genutzt werden. Sie dürfen auf keinen Fall zum Regelfall der Beschäftigung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen werden. Von Seiten des Landes möglich ist auch die Förderung von Qualifizierungsmodulen, angeleiteter Arbeitserfahrung, sozialpädagogischer Betreuung, von Projektanleitern und Koordinatoren aus Mitteln des Sozialfonds und ergänzend zu den Angeboten nach dem SGB II bzw. SGB III. Die Förderung erfolgt dem ESF entsprechend nachrangig und nur, soweit im Einzelprojekt erforderlich. Für die bewährte Richtlinie "Arbeit statt Sozialhilfe", die wegen der Änderungen durch Hartz IV nicht mehr in der bisherigen Weise umsetzbar ist, entwickeln wir derzeit ein ESF-kofinanziertes Nachfolgeprogramm. Im Mittelpunkt dieses Programmes sollen Einstellungszuschüsse und Zuschüsse für Qualifizierungen von Jugendlichen stehen. Weitergeführt wird die landesseitige Kofinanzierung von strukturwirksamen ABM und der Beschäftigung schaffenden Infrastrukturförderung der BSI. Bei diesen Instrumenten des SGB III und des SGB II werden vorrangig Langzeitarbeitslose zugewiesen. Wir erwarten hiervon eine hohe Integrationsquote. Mehr als ca. 10 Prozent wie in der Vergangenheit bei SAM sind aber sicher nicht erreichbar. Im Landesinteresse liegt jedoch auch der unmittelbare Projektnutzen und die Infrastrukturentwicklung, die auf diese Weise erreicht werden können. Die von Ihnen geforderte generelle Mindestlaufzeit der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen von einem Jahr halte ich nicht für notwendig. Bei einzelnen Maßnahmen, so z.B. des sozialen Bereichs, in denen es auf größere Personalkontinuität ankommt, ist eine längere Zuweisungsdauer sicherlich wünschenswert, sie ist nach Einzel
fallprüfung - wie Sie wissen - auch möglich. Die Entscheidung hierüber liegt aber nicht bei uns, sondern bei den Agenturen für Arbeit.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, zu Ziffer 1 Ihres Fraktionsantrags stelle ich zusammenfassend fest: Ihre Forderungen stimmen weit gehend mit dem bestehenden Konzept der Thüringer Landesregierung zur Vermeidung und zum Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit überein. Sie greifen jedoch zu kurz. Das Konzept der Landesregierung ist deutlich differenzierter und geht sowohl in der Theorie als auch in der Praxis deutlich darüber hinaus.
Zu Ziffer 2 Ihres Antrags: Die Landesregierung sollte die in ihrer Verantwortung stehenden Arbeitsfördermittel den Arbeitsgemeinschaften und optierenden Kommunen zur Bewirtschaftung verfügbar stellen. Das verkennt zunächst einmal die gegebenen rechtlichen Möglichkeiten der Bewirtschaftung von Titeln des Landeshaushalts. Es verkennt auch die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten bei der Umsetzung der Landesarbeitsmarktpolitik und des Operationellen Programms des ESF in Thüringen. Diese Forderung ist aber insbesondere sachlich kontraproduktiv, weil damit die Gestaltungsmöglichkeiten der Landesarbeitsmarktpolitik dem Zweiten Sozialgesetzbuch und der Förderkonzeption der Thüringer SPDFraktion untergeordnet würden. Das Bundesgesetz halten Sie ja aber selber offenbar für unzulänglich, sonst würden Sie keine zusätzliche Landeskonzeption für die Integration von Langzeitarbeitslosen fordern.