Protocol of the Session on July 9, 2008

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen Abgeordneter Eckardt und die Rednerliste führt Abgeordneter Günther.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt Frau Abgeordnete Groß, Herr Abgeordneter Gentzel, Herr Abgeordneter Gerstenberger, Herr Abgeordneter Hauboldt und Frau Abgeordnete Dr. Kaschuba.

Wir hatten bei der Feststellung der Tagesordnung am Donnerstag beschlossen, heute keine Mittagspause durchzuführen und nach 16.30 Uhr keinen weiteren Tagesordnungspunkt mehr aufzurufen.

Ich rufe hiermit den Tagesordnungspunkt 25 auf

Wahrung der Interessen der Thüringer Landwirtschaft im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/4126 - dazu: Interessen der Thüringer Landwirt- schaft beim Gesundheits- check der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sichern Alternativantrag der Frak- tion der CDU - Drucksache 4/4156 - dazu: Planungssicherheit und Gerechtigkeit für Thürin- ger Betriebe bei der Re- form der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) durch- setzen Alternativantrag der Frak- tion DIE LINKE - Drucksache 4/4245 - Neu- fassung -

Die Fraktion der SPD wünscht das Wort zur Begründung zu ihrem Antrag und ich erteile das Wort Frau Abgeordneten Becker, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die „Wahrung der Interessen der Thüringer Landwirtschaft im Rahmen der

Gemeinsamen Agrarpolitik“, die SPD-Fraktion hat diesen Antrag am 22. Mai 2008 eingebracht, um zu zeigen, dass wir nicht einverstanden sind mit den Vorschlägen, die die EU-Kommission am 20. Mai 2008 gemacht hat. Für die Thüringer Landwirtschaft bedeutet das ab dem Jahr 2012 einen Verlust von jährlich 45 Mio. €. Das ist für die SPD-Fraktion nicht hinnehmbar, deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht und stellen uns damit auf die Seite der Landwirtschaft in Thüringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich hoffe, dass wir in der gemeinsamen Diskussion auch eine gemeinsame Stellungnahme des Thüringer Landtags zu diesem Problem, was ja bis Ende des Jahres geklärt sein soll, erreichen können, denn nur gemeinsam können wir die Interessen der Thüringer Landwirtschaft und die Interessen des ländlichen Raums wirklich auf Bundesebene heben. Dann muss ja der Bundesminister, Herr Seehofer, die Verhandlungen auf EU-Ebene führen, was nicht immer ganz einfach ist. Deshalb bitte ich darum, dass wir hier eine gemeinsame Erklärung abgeben. Ansätze dafür sind da. Es gibt Unterschiede, aber auf die werde ich dann in der Diskussion noch eingehen. Diese Kürzung der Einnahmesituation durch die Landwirtschaft von 45 Mio. € bedeutet eine Schwächung des ländlichen Raums. Es würde damit Kaufkraft des ländlichen Raums entzogen. Die Hauptprobleme liegen bei dem Personal. Herr Bauernpräsident Kliem hat eindeutig gesagt, wenn es zu diesen Kürzungen kommen sollte, müssten wir mit Personalabbau in der Landwirtschaft rechnen. Die Landwirtschaft ist aber der entscheidende Faktor im ländlichen Raum, sie ist der Hauptarbeitgeber und deshalb wäre es verheerend, wenn wir ab dem Jahre 2012 mit solchen Einnahmeverlusten der Landwirtschaft rechnen müssen.

(Beifall SPD)

Deshalb bitte ich Sie ganz herzlich, unserem Antrag zuzustimmen und dann gemeinsam in der Beratung unseren Standpunkt noch einmal zu untermauern und unsere Interessen der Landwirtschaft in Thüringen gemeinsam nach Berlin und dann nach Europa zu geben. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung für ihren Alternativantrag? Das ist nicht der Fall. Wünscht die Fraktion DIE LINKE das Wort zur Begründung? Das wünscht sie ebenfalls nicht.

Die Landesregierung erstattet einen gemeinsamen Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags der Fraktion der SPD, zu Nummer 1 des Alternativantrags der Fraktion der CDU und zu den Nummern 1 und 2 des Alternativantrags der Fraktion DIE LINKE. Ich erteile für die Landesregierung das Wort Herrn Minister Dr. Sklenar.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich bin gebeten worden, über die am 20. Mai 2008 vorgelegten Kommissionslegislativvorschläge zum sogenannten Gesundheitscheck der Gemeinsamen Agrarpolitik zu berichten.

Mein Bericht wird zusammenfassend die Anliegen der drei Landtagsfraktionen aufgreifen, die in ihren Anträgen parallel für eine Sicherung der Interessen der Thüringer Landwirtschaft beim Gesundheitscheck der gemeinsamen Agrarpolitik eintreten. Schwerpunktmäßig möchte ich diesen Bericht nutzen, um Ihnen die Sichtweise der Landesregierung darzulegen.

Die Bewertung der KOM-Vorschläge will ich in zwei Fragenkomplexe einbinden, nämlich zum einen: Wo wollen wir in Thüringen hin, was sind unsere Visionen von Landwirtschaft in den nächsten Jahren? Und zum anderen: Wie passt dies mit den Vorstellungen der KOM zusammen, welche Beurteilungsprämissen sollten wir bezüglich des Gesundheitschecks anlegen?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wo wollen wir in Thüringen hin? Mein Zukunftsbild für Thüringen beinhaltet starke innovative ländliche Räume, in denen sich die Menschen wohlfühlen, weil Lebensqualität geboten wird und in denen auch neue Arbeitsplätze entstehen. Dazu bedarf es einer Agrar- und Ernährungswirtschaft, die wettbewerbsfähig und nachhaltig, das heißt sowohl ökonomisch als auch ökologisch und sozial tragfähig sein muss, um auf zunehmend liberalisierten Märkten bestehen zu können, die sich den veränderten globalen Bedingungen anzupassen versteht und die aber auch Wertschöpfungspotenziale und damit Arbeitsplatzpotenziale nicht nur erhält, sondern ausbaut. Die Landwirtschaft hat dabei zukünftig drei zentrale Felder zu bedienen: Erstens - und das sage ich mit Blick auf die in jüngster Zeit zum Teil sehr polarisierend geführte Debatte über den Einfluss der Bioenergieerzeugung auf die Nahrungsmittelpreise - die Erzeugung von qualitativ hochwertigen Nahrungsmitteln steht auch weiterhin im Mittelpunkt landwirtschaftlicher Tätigkeit. Es geht hier nicht um Tank oder Teller, sondern es geht um Tank und Teller bzw. Teller an erster Stelle und dann das andere.

Natürlich - und das ist das zweite Zukunftsfeld - erlangt die Erschließung neuer Einnahmequellen - und dazu gehört auch die energetische und stoffliche Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen - zunehmend an Bedeutung.

Und als Drittes nicht weniger wichtiges Handlungsfeld sehe ich das landwirtschaftliche Engagement zur Erhaltung der Kulturlandschaft, insbesondere in den Mittelgebirgslagen und gründlandreichen Regionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Abgeordnete, passt dies nun alles auch mit Blick auf die Kommissionsvorschläge? Befördern die zwei Zukunftsbilder oder sind sie eher kontraproduktiv für die weitere Entwicklung der Thüringer Landwirtschaft? Die Vorschläge sollen - und hier zitiere ich die Kommission - „die gemeinsame Agrarpolitik schlagkräftiger machen und die ländlichen Räume attraktiver.“ Weiterhin heißt es aus Brüssel, dass es sich dabei aber nur um eine Feinjustierung der gemeinsamen Agrarpolitik, um eine routinemäßige Kontrolle handelt. Health Check, Gesundheitscheck, Gesundheitsprüfung - all diese Termini lassen es ja auch erwarten. Ich teile diese grundsätzliche Herangehensweise, denn durch die umfassenden Reformen der vergangenen Jahre ist gemeinsame Agrarpolitik bereits modern und leistet wichtige Beiträge zu den Göteborg- und Lissabon-Zielen der Europäischen Union.

Mit dem Gesundheitscheck sollen Antworten auf drei Fragen gefunden werden, nämlich erstens, wie die Direkthilfen effektiver und einfacher werden können; zweitens, wie sich die ursprünglich für sechs Mitgliedstaaten angelegten Marktstützungselemente für die Europäische Union von heute - also auf die 27 Mitgliedstaaten - umgestalten lassen und drittens, wie neue und bestehende Herausforderungen bzw. Risikomanagement, Eindämmung des Klimawandels, effizientere Wasserbewirtschaftung, optimale Nutzung der Bioenergie oder Einhaltung der Artenvielfalt gemeistert werden können.

Keinesfalls will ich jetzt bei diesen drei Themenkomplexen ins Detail gehen, womöglich jeden unterbreiteten Vorschlag der Kommission auch noch kommentieren. Das geht doch gar nicht, weil es laufend neue Versionen gibt, weil es laufend neue Diskussionen dazu gibt. Nein, vielmehr möchte ich mich auf einige ausgewählte Vorschläge konzentrieren, dabei Gemeinsamkeiten herausarbeiten, aber natürlich auch auf unterschiedliche Positionen und Sichtweisen hinweisen. Gerade für die strittigen Positionen gilt es, in den kommenden Monaten auf europäischer Ebene zu werben, das Verständnis der anderen Mitgliedstaaten für die besondere Be-troffenheit der deutschen, vor allem aber auch der ostdeutschen Landwirte bei einer möglichen Umsetzung des einen oder anderen Vorschlags zu wecken.

Wo sind nun die Übereinstimmungen, sprich, was ist positiv aus unserer Sicht? Unter dem Themenkomplex „Vereinfachung der Direktzahlung“ bewerte ich beispielsweise den Vorschlag zur weiteren Entkopplung der Direktzahlungen als positiv, weil dies dazu beiträgt, einheitliche Wettbewerbsbedingungen in allen Mitgliedstaaten zu erreichen. Des Weiteren begrüßenswert ist es, wenn allen Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben wird, ein Modell der regionalen einheitlichen Hektar-Prämienrechte zu etablieren. Damit würde im gesamten EU-Wirtschaftsraum die eigentliche Funktion dieser Zahlung neben der Honorierung der landwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leistung zum Tragen kommen. Auch teile ich die grundsätzliche Position der Kommission, dass ein Cross-Compliance-System notwendig ist. Es darf keine Abkehr von unseren Verpflichtungen, die Direktzahlung an hohe Standards im Umweltbereich, der Tiergesundheit und der Lebensmittelsicherheit zu binden, geben, weil ansonsten die Zukunft der Direktzahlung gefährdet ist. Aber solch ein System muss funktionieren und dies mit einem vertretbaren Aufwand. Daher unterstütze ich alle Vorschläge und Bemühungen, welche einer stärkeren Zielorientierung dienen und gleichzeitig aber auch, und das liegt mir ganz besonders am Herzen, einer Vereinfachung Rechnung tragen. Wir haben das erst in den letzten Tagen wieder erlebt, als die Kommission einige Kontrollen bei uns durchgeführt hat. Die Kommission hat beispielsweise die Streichung bestimmter Auflagen ohne direkten Landwirtschaftsbezug vorgeschlagen, jedoch sollen, so der Vorschlag der Kommission, im Gegenzug auch neue Standards als Ausgleich für den Wegfall der obligatorischen Flächenstilllegung aufgenommen werden. Hier gilt es jetzt genau zu prüfen, ob diese Änderungsvorschläge wirklich zu einer spürbaren Vereinfachung führen. Ich denke aber, ohne dem abschließenden Urteil vorgreifen zu wollen, dass hier Nachbesserungen, sprich weitere konkrete Entlastungsvorschläge, notwendig sind. Hinsichtlich der zukünftigen Marktmaßnahmen besteht Konsens in der Auffassung, den bereits seit 2003 eingeschlagenen Kurs hin zu mehr Markt konsequent fortzusetzen, aber dabei jedoch gleichzeitig den Landwirten die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Daher begrüße ich die Vorschläge beispielsweise zur Getreideinterventionsregelung, also der Abschaffung der Intervention bei Hartweizen, Setzen der Interventionsmenge auf Null bei allen Getreidearten außer Brotweizen, aber auch zur Abschaffung der Flächenstilllegung. Diese agrarpolitischen Instrumentarien haben vor dem Hintergrund der Weltmarktpreisentwicklung an Bedeutung verloren. Letztlich kann deren Wegfall die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer landwirtschaftlichen Betriebe stärken.

Jedoch, meine sehr verehrten Damen und Herren, und das ist mir wichtig an dieser Stelle zu betonen,

darf man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Angesichts der besonderen Risiken, welche landwirtschaftliche Tätigkeiten mit sich bringen, wäre es sicher unklug, auf jegliche Sicherheitsnetze zu verzichten. Daher unterstütze ich den Vorschlag, für Brotweizen ein solches Netz beizubehalten - und die G8-Staaten haben ja auch darüber beraten, ob es nicht notwendig wäre, in allen Ländern wieder bestimmte Läger anzulegen, um dort letzten Endes Getreide für Notsituationen zu haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wo Licht ist, da ist auch Schatten. Sie merken, dass ich überleiten möchte zu den Vorschlägen des Gesundheitschecks, zu denen ich eine dezidierte andere Auffassung habe. Ich hatte in meinen Eingangsbemerkungen angekündigt, Beurteilungskriterien zu benennen, welche mir - und das nicht nur im Rahmen des Gesundheitschecks - besonders wichtig sind. Dazu gehört Verlässlichkeit und Planungssicherheit. Gerade auch nach den umfassenden GAP-Änderungen in den vergangenen Jahren und den damit verbundenen erheblichen unternehmerischen Anpassungserfordernissen sind beide Prinzipien für mich ganz wichtige Grundsätze dieses Gesundheitschecks. Verlässlichkeit und Planungssicherheit sind gerade für die Landwirtschaft von außerordentlicher Bedeutung. Sie wissen, wir agieren im freien Raum, wir sind abhängig von der Witterung und eine Kuh, die Mich gibt, der kann ich nicht von heute auf morgen das Euter zudrehen. Hier muss klipp und klar feststehen, dass ich auf Jahre hinaus mit diesen Kriterien auch produzieren kann.

(Zwischenruf Abg. Stauche, CDU: Das weiß ja nicht jeder.)

Aber so ist das. Frau Stauche, Sie haben vollkommen recht, leider, leider vergessen das sehr viele.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Landwirtschaft wird auch bis zum Jahr 2013 noch weitere Anpassungen leisten müssen. Hier ist besonders der im Rahmen der GAP-Reform aus dem Jahr 2003 beschlossene Abschmelzungspfad der Betriebsprämie hin zu einer einheitlichen Flächenprämie zu nennen, der bereits jetzt insbesondere Tierhaltungsbetriebe stark belastet. Ich denke aber auch an die schon beschlossene Erhöhung der Milchquote. Auf das deutsche Kombimodell der Betriebsprämie in der bisherigen Fassung haben sich die Betriebe dagegen relativ gut eingestellt. So reagieren die Betriebe in ihren Anbauentscheidungen flexibler auf den Markt, die Bewirtschaftung aller Flächen wird aufrechterhalten und zumindest in den Ackerbaubetrieben haben sich die Einkommen stabilisiert. Auch wenn die Cross-Compliance-Verpflichtungen zusätzliche Aufwendungen für die Betriebe bedeuten, bereiten ihnen die Einhaltung der fach

lichen Vorgaben keine nennenswerten zusätzlichen Probleme.

Trotzdem, verehrte Abgeordnete, müssen wir von einer für zahlreiche Betriebe schwierigen Anpassungsphase sprechen. Diese noch durch eine Kürzung der Direktzahlung zu überlagern, würde aller Voraussicht nach viele Unternehmen überfordern. Blicken wir jedoch wieder auf den Vorschlag der KOM zur Kürzung der Direktzahlung, sprich zur Umschichtung von Mitteln der ersten in die zweite Säule, so kann ich die notwendige Verlässlichkeit überhaupt nicht erkennen. Im Rahmen eines sogenannten progressiven Modulationsmodells soll der derzeitige Modulationssatz bis zum Jahr 2012 in 2-prozentigen Schritten bis letztlich 13 Prozent angehoben werden. Betroffen wären alle Direktzahlungen über 5.000 €. Zusätzlich soll die Modulationsrate bei Beihilfespannen zwischen 100.000 € und kleiner als 200.000 € im Jahre 2009 auf 10 Prozent aufgestockt werden und dann ebenfalls in 2-Prozent-Schritten bis zum Jahr 2012 auf 16 Prozent gesteigert werden. Bei einem Fördervolumen zwischen 200.000 € und 300.000 € sollen nach analogem Schema bis zum Jahr 2012 insgesamt 19 Prozent in die Säule 2 der gemeinsamen Agrarpolitik umgeschichtet werden, wobei über 300.000 € hinaus gehende Beihilfesätze des Modulationssatzes auf 22 Prozent angehoben werden.

Wenn ich überhaupt etwas Positives an diesem Vorschlag erkennen kann, dann allein dies, dass die gemeinsame massive Kritik aller Länder, insbesondere der neuen Länder - an den ursprünglichen KOMÜberlegungen, die sahen ja Kürzungen von bis zu 45 Prozent vor - Wirkung gezeigt hat. Vor allem die Kritik aus den neuen Ländern hat signalisiert, so geht das nicht. Das ist auch vor Ort in Brüssel deutlich vorgetragen worden und hat dazu geführt, dass wir diese Kürzung in dieser Form nicht kriegen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wenngleich der jetzige KOM-Vorschlag im Verhältnis zu den ursprünglichen Überlegungen deutlich moderater ist, lehne ich ihn trotzdem entschieden ab. Thüringen und alle anderen ostdeutschen Länder wären davon erheblich und darüber hinaus auch in erster Linie betroffen.

Dazu einige Zahlen: Für den Freistaat hätte dies zur Folge, dass die Modulationsgelder von gegenwärtig 12,9 Mio. € auf ca. 45 Mio. € im Jahre 2012 ansteigen würden. Zirka 12 Mio. € würden dabei in 2012 auf mehr als 100.000 Direktzahlungen entfallen. Unternehmungen mit einer Flächenausstattung von über 1.000 ha müssten dann mit Beihilfekürzungen von 60 bis 70 € pro Hektar rechnen. Insbesondere betroffen von dieser Modulationserhöhung wären im Freistaat Thüringen ca. 1.930 Betriebe, welche ca. 97 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche bearbeiten. Darüber hinaus wären noch ca.

580 Betriebe von den zusätzlichen Kürzungen infolge von Direktzahlungen von über 100.000 € betroffen. Diese Betriebe erhalten über 83 Prozent der gesamten Direktzahlungen und bewirtschaften knapp vier Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche. Diese großen Betriebe bringen damit die flächenmäßig größte Leistung bei der Pflege und dem Erhalt der Thüringer Kulturlandwirtschaft. Ich denke, dass diese Zahlen eine sehr deutliche Sprache sprechen. Ich bleibe deshalb bei meiner Auffassung, dass die angekündigte zusätzliche Kürzung der Direktzahlungen für die Landwirte in größeren Unternehmen nicht akzeptabel ist. Wir würden die größeren Unternehmen einseitig und übermäßig belasten. Eine solche Gleichbehandlung kann und will ich auch nicht akzeptieren, weil die arbeitsintensiven und wertschöpfungsorientiert ausgerichteten Unternehmen, insbesondere die tierhaltenden Betriebe, mit enormen Wettbewerbsnachteilen zu rechnen hätten. Eine pauschale Anwendung dieser Kürzungsregelung würde zwangsläufig zu einem massiven Abbau von Arbeitskräften vorrangig in den tierhaltenden Betrieben führen mit allen ihren negativen Auswirkungen auch auf Arbeitsplätze und Wertschöpfung in vor- und nachgelagerten Bereichen, also auf den gesamten ländlichen Raum. Um es ganz unmissverständlich zu sagen: Dieser Vorschlag würde unsere Vorstellung, nämlich Beschäftigung und Wertschöpfung im ländlichen Raum zu erhalten bzw. zu fördern, behindern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, genau dies sind auch Gründe, warum ich grundsätzlich einer Modulationserhöhung, unabhängig davon, ob das Modell nun linear oder progressiv gewählt wird, sehr skeptisch gegenüberstehe. Wir haben in den verschiedensten Gesprächen mit den Mitgliedern der Kommission, mit Frau Fischer Boel, mit ihrem stellvertretenden Kabinettschef Dr. Borchert, unsere Position sowohl in Brüssel als auch auf anderen Beratungen vorgetragen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es uns gemeinsam gelingen wird, hier noch Veränderungen herbeizuführen. Man weiß ja immer, dass erst einmal mit sehr hohen Vorschlägen in das Rennen gegangen wird, man aber schon in der Schublade noch einige kleine Veränderungen hat. Dass wir ganz ungeschoren davonkommen werden, das glaubt keiner. Das wissen wir, dass da was kommt, aber man muss immer wieder deutlich machen, dass es egal ist, wie groß der Betrieb ist, ein Hektar ist ein Hektar, ob ich das in einem 50-Hektar-Betrieb habe oder in einem 500 Hektar oder 2.500 Hektar großen Betrieb. Ich muss da eine Gleichbehandlung durchführen. Wir dürfen nicht vergessen, das haben wir auch vorgerechnet, dass ja unsere großen Betriebe von einer ganzen Reihe von Gesellschaftern geführt werden. Wenn ich einen Betrieb hernehme mit 1.500 Hektar und ich habe dort 30 Gesellschafter, dann hat jeder dieser Gesellschafter 50 Hektar und würde damit, wenn er das allein bewirtschaften wür

de, aus dieser Modulationsgeschichte insgesamt herausfallen, aus diesen Kürzungen herausfallen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch ein Wort zu einem weiteren mir sehr wichtigen Element - dem Gesundheitscheck der Milch. Wir haben ja in den letzten Tagen und Wochen erlebt, mit welcher Vehemenz unsere Milchbauern darum gerungen haben und darum kämpfen, mehr Geld für ihr Produkt, die Milch, zu bekommen. Es kann ja nicht sein, dass das Glas Milch billiger ist als ein Glas Mineralwasser und dass die Wertschöpfung, die in der Milch steckt und die Leistungen und die Arbeit, die drinsteckt, nicht dementsprechend honoriert wird. Ich bin dafür, dass man Aktionen durchführt, aber ich sage auch ganz offen und ehrlich und habe das auch den Milchbauern gesagt, ich bin aber dagegen, dass wir Milch weggießen; denn das ist nicht der richtige Ansatz, um die Forderungen durchzusetzen.

(Beifall SPD)

Hier muss man mit ganz anderen Dingen letztendlich aufwarten. Ich denke, die Verhandlungen, die gegenwärtig laufen und die vorgenommen werden, das ist der richtige Weg. Wenn ich schon blockiere, dann muss ich so blockieren, dass ich nicht in eine Gesetzesfalle schlüpfe und dann letztendlich noch dafür zahlen muss, wenn ich etwas Gutes in diese Richtung umsetzen möchte und umsetzen will.

Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, klar ist - und da beißt die Maus auch keinen Faden ab, auch wenn das der eine oder andere meiner lieben Kollegen gern hätte -, ab 2015 werden wir keine Milchquote mehr haben. Die Milchquote läuft aus.

(Beifall CDU)

Dieser geplante Systemwechsel ist ein einschneidender Schritt, der gut vorbereitet sein will. Die Kommission will diesen Wechsel über eine Quotenentwertung bis 2015 erreichen. Diese Entwertung soll durch eine Aufstockung der Quote in den kommenden Jahren um insgesamt 7 Prozent erfolgen. Die erste Anhebung von 2 Prozent ist bereits zum 1. April dieses Jahres geschehen. Die weiteren 5 Prozent Quotenanhebungen sollen bis 2013/2014 erfolgen. Allein diese Quotenerhöhung bzw. die Vorschläge zur Lockerung des Interventionssystems in diesem Bereich können mich nicht überzeugen. Hier fehlt ein schlüssiges Gesamtkonzept. Es wird ein ganzer Fächer von Maßnahmen nötig sein, damit die Milchwirtschaft den europäischen wie globalen Wettbewerbsbedingungen gewachsen ist. Um sich auf den schärferen Wettbewerb vorzubereiten, müssen die Milchviehbetriebe in den kommenden Jahren weiter erhebliche Investitionen durchführen. Bei diesen Anpassungsmaßnahmen brauchen die Unter

nehmen die notwendige Unterstützung, eine Unterstützung, die auch finanziell solide untersetzt sein muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber das sind Forderungen, die haben wir eigentlich schon immer gestellt, schon seitdem wir wissen, dass die Milchquote auslaufen wird. Ich bin ein Verfechter dafür, die Quote gar nicht erst in Deutschland einzuführen oder bei den neuen Ländern einzuführen, weil ich genau wusste, was dann letztendlich kommt - nur Ärger, nur Ärger, nur Trödel. Die einen unterliefern die Milch und kommen damit nicht auf ihr Geld, werden da nicht effektiv; die anderen überliefern sie und müssen noch eine Abgabe dafür leisten, wenn sie zu viel Milch liefern. Lasst uns doch bei fairen Milchpreisen, die der Handel den Molkereien und letztendlich auch die Molkereien dann den Bauern zahlen, den freien Verlauf. Ich denke, dann haben wir die größten Chancen auch in dieser Richtung.

Was bleibt nun als Fazit? Wir werden den sehr umfangreichen Gesetzestext in den kommenden Wochen noch eingehend zu prüfen haben und uns sehr intensiv mit dem Bund und den anderen Ländern abstimmen. Ein erster wichtiger Termin dazu war die Sonderagrarministerkonferenz von Bund und Ländern am 2. Juni, bei der erstmalig die Legislativvorschläge und das weitere Vorgehen gemeinsam beraten wurden. Der gemeinsame Beschluss der AMK wurde vom Agrarausschuss des Bundesrates bestätigt. Dieses harmonisierte Vorgehen der Bundesländer und der Bundesregierung um Aussichten auf eine Veränderung der KOM-Vorschläge zu haben, ist mir wichtig, wichtiger als detaillierte Folgeabschätzungen für Thüringen und eine Entscheidung zu den Vorschlägen.

Entscheidungen der EU können heute nur noch durch eine breite Allianz revidiert werden. Da ist es wichtig, dass Deutschland eine einheitliche Meinung hat. Darüber hinaus müssen alle anderen 26 Länder in der Europäischen Union auch bereit sein mitzuziehen, um hier Veränderungen in dieser Richtung durchführen zu können.

Ich erwarte bis zur avisierten politischen Einigung zum Jahresende eine Vielzahl von Debatten auf nationaler und europäischen Ebene und hoffe, dass die Bundesländer gemeinsam mit der Bundesregierung in den weiteren Verhandlungsprozessen, insbesondere in der Frage der Reduzierung der Direktbeihilfen, noch Veränderungen bewirken können. Dies ist erforderlich, weil unsere Unternehmen Planungssicherheit bei den Direktzahlungen bis 2013 benötigen und darüber hinaus der Berufsstand natürlich auch politische Verlässlichkeit erwartet. Auch nach 2013 ist eine Fortsetzung der Zahlung aus der ersten Säule der Agrarpolitik erforderlich, da die Land

wirte auch danach ihre vielfältigen Leistungen für die Gesellschaft, die der Markt nicht honoriert, nicht über öffentliche Mittel erbringen können. Folglich ist, und das wird mit den Alternativvorschlägen sehr deutlich, dass ein weiteres Agieren der Landesregierung vorrangig darauf fokussiert ist, erstens die größenabhängige Modulation weiter zu verhindern bzw. zu reduzieren, zweitens die Basismodulation, wenn möglich, deutlich abzusetzen und drittens den Ausstieg aus der Milchquote mit angemessenen Mitteln der Europäischen Union zu begleiten. Diese ambitionierten Ziele erfordern ein hohes Maß an politsicher Überzeugungsarbeit, und ich darf Sie dabei bitten, dass Sie uns, so wie Sie das mit Ihren Alternativvorschlägen schon getan haben, auch weiterhin unterstützen werden. Schönen Dank.

(Beifall CDU)