Protocol of the Session on October 6, 2005

Ich heiße Sie heute Morgen alle sehr herzlich willkommen zu unserer Plenarsitzung und eröffne sie hiermit. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen die Abgeordnete Ehrlich-Strathausen. Die Rednerliste führt heute Morgen der Abgeordnete Worm.

Für die heutige Sitzung liegen mir Entschuldigungen vor: Herr Ministerpräsident Althaus hat sich entschuldigt, Frau Abgeordnete Künast, Herr Abgeordneter Ohl, Frau Abgeordnete Reimann und Frau Abgeordnete Dr. Kaschuba.

Wir haben heute im Foyer vor dem Landtagsrestaurant eine Ausstellung und eine Präsentation aufgebaut. Das ist eine Ausstellung des Landratsamts des Ilm-Kreises gemeinsam mit dem Netzwerk Zivilcourage zum Thema „Schülerkunst für Zivilcourage, Toleranz und Weltoffenheit“. Sie treffen heute die Preisträger und die Initiatoren der Ausstellung vom Netzwerk Zivilcourage des Landratsamts des Ilm-Kreises. Sie werden also kompetente Gesprächspartner heute hier im Foyer vorfinden.

Die Mitteldeutsche Medienförderung GmbH hat zu einem parlamentarischen Abend heute eingeladen, der um 20 Uhr im Raum 201 stattfindet.

Ich möchte Ihnen folgende Hinweise zur Tagesordnung geben:

Zu Punkt 1: Wir haben uns im Ältestenrat verständigt, im Anschluss an die zweite Beratung des Gesetzentwurfs gleich die dritte Beratung durchzuführen. Ich gehe davon aus, dass dem hier nicht widersprochen wird.

Zu TOP 16 - der Fragestunde - kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu: Drucksachen 4/1263, 4/1264 und 4/1268.

Da Minister Reinholz gegebenenfalls nicht von Beginn der Fragestunde an anwesend sein kann, ist die Landesregierung mit der Fragestellerin, Frau Abgeordnete Enders, übereingekommen, ihre Mündliche Anfrage in Drucksache 4/1215 als letzte Mündliche Anfrage in der heutigen Fragestunde aufzurufen.

Ferner hat die Landesregierung angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 4, 5, 7 b und 8 b von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2

Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der von mir genannten Ergänzungen widersprochen? Das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 1

Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thürin- gen (Gesetz zur gebührenfreien Hochschulbildung) Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 4/578 - dazu: Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Wissenschaft, Kunst und Medien - Drucksache 4/1236 - ZWEITE und DRITTE BERATUNG Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Krause aus dem Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien zur Berichterstattung. Bitte, Abgeordneter Krause.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, durch Beschluss des Landtags wurde am 25. Februar 2005 der Gesetzentwurf der PDS zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen, Gesetz zur gebührenfreien Hochschulbildung, Drucksache 4/578 an den federführenden Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien und an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten überwiesen.

Der Gesetzentwurf sieht vor, Artikel 28 Abs. 1 der Verfassung des Freistaats Thüringen zu verändern, und zwar zu ergänzen um den Satz: „Der freie, gleiche und unentgeltliche Zugang zu allen öffentlichen Hochschuleinrichtungen wird gewährleistet.“ Der Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien hat den Gesetzentwurf in seiner 5. Sitzung am 3. März 2005, in seiner 6. Sitzung am 7. April und in seiner 8. Sitzung am 1. September beraten. Der Ausschuss hat eine schriftliche Anhörung durchgeführt, 40 Anzuhörende wurden angeschrieben, nur 16 haben geantwortet, eine Zuschrift kam ohne Anfrage.

Der Ausschuss für Wissenschaft, Kunst und Medien empfiehlt dem Thüringer Landtag, den Gesetzentwurf abzulehnen. Wegen dieser Empfehlung und laut § 81 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat der mitberatende Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten den Gesetzentwurf nicht beraten. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Hennig, Die Linkspartei.PDS.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, guten Morgen meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will nicht noch einmal über das Zustandekommen unseres Gesetzentwurfs zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen in Bezug auf Studiengebühren referieren. Ich glaube, die Zusammenhänge mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches den Ländern das Recht einräumt, über Gebühren zu entscheiden, sind allen gegenwärtig. Ich weiß auch genau, welches Schicksal unserem Antrag droht, dennoch will ich nichts unversucht lassen, um im Sinne unserer Studierenden zu argumentieren und mich gegen drohende Studiengebühren auszusprechen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Als Erstes möchte ich ein paar Worte zum Werdegang in Bezug auf Studiengebühren verlieren, zweitens mich den Ländern bzw. der Landesregierung widmen, drittens der Opposition SPD, viertens etwas zu den Banken sagen und in einem letzten Punkt auf die schriftliche Anhörung eingehen.

Werte Abgeordnete, als Erstes zu einer, nennen wir es einmal Kurzhistorie zu Studiengebühren. Bis zum Jahre 1998 gilt allgemein zwischen allen Bundesländern, dem Bund und allen im Bundestag vertretenen Parteien, dass ein Studium in Deutschland gebührenfrei bleiben muss. Niemand, auch die CDU nicht, votierte anders. Man plante nur einen Staatsvertrag, in dem diese Gebührenfreiheit festgeschrieben werden sollte. Noch auf ihrer 290. Plenarsitzung am 25. Mai 2000 in Meiningen fasste die Kultusministerkonferenz sogar einen formellen Beschluss dazu. In Punkt 1 heißt es: Die Länder vereinbaren, das Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss grundsätzlich gebührenfrei zu halten. Dieser Beschluss gilt formal bis heute weiter und wurde zu keinem Zeitpunkt aufgehoben. Infolge dieses Beschlusses kam es zur Festschreibung eines gebührenfreien Studiums im Hochschulrahmengesetz 2002. Doch dann kam der Schwenk hin zu einer Klage durch die Länder vom Bundesverfassungsgericht, die zwar formal nicht den Studiengebühren galt, de facto aber die Hoffnung auf einen Freibrief enthielt, den man leider bekommen hat. Die Landesregierung - und da komme ich zu einem zweiten Punkt - begrüßt das Urteil in Bezug auf Studiengebühren, will sie jedoch erst ab 2009 einführen. Studiengebühren begrüßt noch eine Reihe weiterer Länder, sie sind jedoch aus verschiedenen

Gründen unsicher oder lavieren; Hessen will Gebühren erheben, muss dazu jedoch die Landesverfassung ändern, wofür - und da sage ich, Gott sei Dank - dem Ministerpräsidenten die notwendigen Mehrheiten fehlen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Einige suchen, weil in Koalitionen gebunden, ihr Heil in der Diskussion um Studienkonten. Trotz der Äußerung der thüringischen Landesregierung, erst 2009 Gebühren zu erheben,

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

hält man sich ein Hintertürchen offen, weil bereits geäußert wird, man beobachtet die anderen Länder. Das ist ein Zickzackkurs, den wir von der Landesregierung bereits mehrfach an anderen Stellen erlebt haben und der stets nichts Gutes ahnen ließ. Die Regierung sollte den Menschen in Thüringen wenigstens reinen Wein einschenken, was sie wirklich plant. Oder liebäugelt man schon mit einem Wahlversprechen, das dann je nach Ausgang der Wahl am Ende - man muss leider sagen, wieder - gebrochen wird?

(Zwischenruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt: Das ist doch Quatsch.)

Wir werden sehen, ob es Quatsch ist, Herr Minister.

Lassen Sie mich noch ein paar wenige Worte zu meinen Kollegen von der SPD verlieren: Im Wahlkampf haben die Vertreter der SPD landauf und landab getönt, dass auch sie gegen Studiengebühren sind. Es steht auch in ihrem Wahlmanifest und das klang alles ganz gut. Aber konkrete Initiativen außer Ankündigungen sind nicht erfolgt. Hier bin ich auch von der Thüringer SPD enttäuscht. Gebetsmühlenartig haben sie wiederholt, dass der PDS-Gesetzentwurf kein gangbarer Weg sei. Nun gut, ich kann das ja noch nachvollziehen, aber was mich wirklich ärgert, dass die SPD nichts beigesteuert hat, um diese Diskussion voranzubringen. Sie hätten ja neben der Ablehnung unserer Initative wenigstens einen eigenen Vorschlag machen können. Betonen, dass nicht alles funktioniert, das kann jeder, doch ich denke, Sie hätten wenigstens alternative Vorschläge einbringen sollen.

Werte Abgeordnete, das folgende Thema spreche ich eigentlich wegen einer Zuschrift im Rahmen des Anhörungsverfahrens des Ausschusses an, wo eine Bank sich sogleich anbot, die Gebührenerhebung abzuwickeln. Darauf möchte ich nun eingehen.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Sie ha- ben das Anliegen nicht verstanden.)

Es wird aus meiner Sicht besonders problematisch, wenn nun auch Banken ein lukratives Geschäft wittern, was ebenfalls auf dem Rücken der Studierenden ausgetragen wird. So sollen zur Finanzierung des Studiums Darlehen für Studenten bereitgestellt werden. In diesem Sinne hatten die Deutsche Bank und andere ein Fördermodell für Lebensunterhalt und Unigebühren der Studenten präsentiert, nach dem Berechtigten ein Darlehen von bis zu 800 € monatlich gewährt würde. Die Rückzahlung soll individuell aushandelbar sein. Doch was so gut klingen mag, hat seine Tücken. Kein Student, egal welcher Herkunft, muss eine Sicherheit für den Kredit anbieten. Er muss sich eigentlich verpflichten, das Geld zurückzuzahlen, sobald er einen Job und ein Einkommen hat, vorausgesetzt, das Gehalt ist hoch genug, die Rückzahlung zumutbar. Kann der Student seinen Kredit nicht tilgen, wird er zum Härtefall. Die Schulden könnten ihm gestundet oder gar erlassen werden. Am Ende geht der Streit auf das Konto der rückzahlungswilligen Kredit nehmenden Studierenden, denn solange keine Ausfallbürgschaft zustande kommt, wird der Zinssatz das Risiko decken müssen. Bei all diesen Dingen muss man sich ernsthaft fragen: Wissen diese Leute überhaupt, was sie jungen Menschen antun? Junge Menschen sollen sich doppelt verschulden mit BAföG und weiteren Darlehen. Junge Menschen beginnen mit einem Rucksack, der manchen überlegen lässt, ob er da überhaupt noch eine Familie gründet. Zum weiteren kennen alle die Situation auf dem Ausbildungsmarkt und betrachten es realistisch, nicht jeder Absolvent bekommt gleich eine Anstellung. Von was sollen sie ihre Schulden denn zurückzahlen? Und was ist, wenn er oder sie es einfach nicht kann? Es ist widerlich, wie hier Bildung zu einem bloßen Finanzgeschacher verkommen ist!

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Wir reden nicht über ein Stückgut vom Fließband, sondern über Menschen. Das scheint manchem überhaupt nicht klar zu sein, wenn in Bayern der Begriff „Campus-Maut“ kursiert.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Quatsch!)

Im Grunde outet man sich als Partei der Geldelite.

Als Letztes zu den Voten im Rahmen der Anhörung.

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Haben Sie mal die Hochschulen gefragt?)

Ich mache keinen Hehl daraus, ich fand es nicht gut, dass wir keine mündliche Anhörung durchgeführt haben. Dann hätte man auch bei Hochschulen rückfragen können, Herr Seela.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Köckert; CDU: Sie ha- ben nicht mal das Schriftliche gelesen.)

Ich glaube nicht, dass Sie mich 24 Stunden begleiten können, Herr Köckert, und wissen, ob ich die Zuschriften gelesen habe oder nicht. Dort hätte man mehr Möglichkeiten gehabt, ins Gespräch zu kommen und Auffassungen zu hinterfragen. Entscheidend für mich waren die Voten der Studierenden, denn sie sind die Betroffenen. Sie anzuhören und nicht die, die über sie bestimmen, ist für mich nicht nur eine formale Frage der Thematik, sondern eine demokratische Frage.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Meine Fraktion hatte noch vor der Sommerpause eine Anhörung initiiert, zu der Vertreter aller Hochschulen Thüringens gekommen waren. Die Studierendenräte der Thüringer Hochschulen sprachen sich einhellig dafür aus, dass nicht nur das Hochschulstudium, sondern Bildung generell unentgeltlich sein muss.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Ich vergesse dabei aber auch nicht, dass sich zu wenig Studierendenräte - und das ist auch meine Kritik an ihnen - im Rahmen des Anhörungsverfahrens des Ausschusses beteiligten.

Abgeordnete Hennig, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Am Ende bitte.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das steht nicht im Konzept.)