Protocol of the Session on March 3, 2006

Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Plenarsitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße ebenso unsere Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen die Abgeordnete Wolf und die Rednerliste wird von dem Abgeordneten Rose geführt.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Minister Dr. Gasser, Minister Wucherpfennig, Abgeordneter Fiedler, Abgeordneter Ohl und die Abgeordnete Leukefeld.

Ich möchte heute recht herzlich Frau Skibbe zum Geburtstag gratulieren.

(Beifall im Hause)

Ich wünsche Ihnen im Namen aller Abgeordneten alles Gute, Gesundheit im neuen Lebensjahr und viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

Damit komme ich zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 8

Änderung der Ladenöffnungs- zeiten während der FIFA-Welt- meisterschaft 2006 Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 4/1677 -

Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zur Begründung? Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Kubitzki, Linkspartei.PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, nach dem letzten Mittwochabend heute über Fußballweltmeisterschaft zu sprechen, geht schon fast an die Schmerzgrenze und erhöht auch unsere Leidensfähigkeit.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Wessen Leidensfähigkeit?)

Aber nichtsdestotrotz müssen wir heute hier auch feststellen, dass Thüringen kein Spielort der Fußballweltmeisterschaft ist. Das ist natürlich bedauerlich,

meine Damen und Herren, aber es ist Tatsache. Die CDU-Fraktion geht in ihrem Antrag wohl davon aus, dass dennoch Fußballfans zu uns kommen. Eines vorweg: Dass WM-Gäste die Chance nutzen, auch Ausflugsziele in Thüringen zu besuchen, ist wahrscheinlich und ich persönlich hoffe auch, dass das passiert. Aber diese Menschen besuchen Thüringen dann wegen der Sehenswürdigkeiten, wegen der Kultur und der Natur und ich hoffe auch, dass solche Gäste unseren Baumkronenpfad im Nationalpark besuchen.

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Hoffen können Sie allemal.)

Sie werden aber nicht wegen Einkaufsmöglichkeiten nach 20.00 Uhr kommen. Der Antrag der CDU fordert, die Ladenöffnungszeiten in ganz Thüringen an Werktagen, also von Montag bis Sonntag, völlig freizugeben. Dieser Vorschlag, meine Damen und Herren, um in der Fußballsprache zu sprechen, geht weit am Tor vorbei. Der Kollege Thomas Kretschmer hat in einer Pressemitteilung vom 7. Februar geäußert, Thüringen wolle dem Anspruch gerecht werden, ein gastfreundliches und weltoffenes Land zu sein.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich, dafür sind wir auch - der Beifall ist richtig, Herr Kretschmer -, aber ob man das ausgerechnet an den Ladenöffnungszeiten nach 20.00 Uhr für alle Läden festmachen muss, ist unwahrscheinlich. Es ist doch unwahrscheinlich, dass WM-Touristen Autos, Fernseher oder Schrankwände kaufen wollen, die sie dann in ihre Heimatländer transportieren.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU)

Herr Kretschmer, ich denke an unsere einheimischen Fußballfans. Es kann natürlich sein, Herr Kretschmer, dass die nach einem Spiel unserer Mannschaft dann ein paar Frusteinkäufe machen wollen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Die Möglichkeit besteht natürlich. Ich möchte dazu auf eine Stellungnahme des katholischen Bischofs Norbert Trelle aus Hildesheim hinweisen. Er hat längere Ladenöffnungszeiten zur Fußballweltmeisterschaft als einen - ich darf zitieren - „Verlust an Menschlichkeit“ kritisiert. Wenn der Mensch nur noch definiert wird als Produzent oder Konsument, sei das nicht sinnstiftend, meint der Bischof.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Wie Sie es brauchen, jeden Tag anders.)

Trotzdem läuft die CDU-Fraktion mit ihrem Antrag bei der Landesregierung natürlich offene Türen ein, denn das Kabinett hat sich ebenfalls schon mit diesem Thema befasst. Interessant ist auch der Hinweis in der „Financial Times Deutschland" vom 5. Januar. Dort heißt es, Thüringen habe bereits ein eigenes Ladenschlussgesetz „in der Schublade“. Angemessen wäre es allerdings, wenn auch der Gesetzgeber, also der Landtag, vom Inhalt dieses Schubladengesetzes etwas erfahren würde. Es sei natürlich wieder, meine Damen und Herren der CDU, Sie wollen mit Ihrem Antrag einen Versuchsballon starten, bevor dieses Gesetz auf den Tisch kommt; mal sehen, wie im Land reagiert wird. Noch regelt aber das Ladenschlussgesetz des Bundes die Ladenöffnungszeiten. Dort ist die Rechtslage klar.

Das Gesetz sieht in § 3 an Werktagen Öffnungszeiten bis 20.00 Uhr vor. Deshalb ist insbesondere der letzte Satz in der Begründung des CDU-Antrags sehr merkwürdig. Er lautet - ich zitiere aus dem Antrag: „Damit wird in der Wirtschaft Planungssicherheit hergestellt.“ Weshalb soll bisher keine Planungssicherheit bestehen? Es besteht die Planungssicherheit, dass Verkaufsstellen an Werktagen bis 20.00 Uhr geöffnet werden können. Ich glaube, noch planungssicherer geht es kaum. Es stimmt, das Ladenschlussgesetz kennt eine Ausnahme. Die obersten Landesbehörden können in Einzelfällen befristete Ausnahmen davon bewilligen, wenn diese Ausnahmen im öffentlichen Interesse sind, so lautet § 23 Abs. 1, auf den sich der CDU-Antrag bezieht. Aber wo ist das dringende öffentliche Interesse? Das Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit schien sich auch nicht ganz sicher gewesen zu sein; der Antrag der CDU sei wegen eines erheblichen Rechtsrisikos verworfen, meldete die TA am 20. Februar. Seitdem wird geprüft. Die Gewerkschaft ver.di hat bereits eine Klage gegen die völlige Freigabe der Öffnungszeiten angekündigt, und das zu Recht, meine Damen und Herren, wie ich meine.

In diesem Zusammenhang möchte ich noch einmal auf die Pressemitteilung vom Kollegen Kretschmer eingehen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Mein lieber Mann …)

Heimatgefühle, Herr Kretschmer, Heimatgefühle.

Am Ende entscheiden die Händler und Unternehmer selbst, schreibt er, ob sie von längeren Öffnungszeiten Gebrauch machen wollen. Nein, ganz so einfach ist das nicht, Herr Kretschmer. Sie haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerade im Einzelhandel, wo viele Frauen beschäftigt sind, ganz einfach vergessen. Es sei denn, Herr Kretschmer, Sie möchten, dass die nörgelnden Frauen beim Fußball

empfang aus dem Wohnzimmer kommen, damit die Männer in Ruhe Fußball gucken können. Das Motiv könnte ich ja noch eventuell verstehen.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Thierbach, Die Links- partei.PDS: Es gibt aber auch Frauen, die gucken!)

Ich muss aber dazu sagen, was die Mitarbeiter betrifft … Es gibt auch Frauen, die gucken, die können dann ihre Männer zum Einkaufen schicken. Es gibt aber Tarifverträge, muss an dieser Stelle festgestellt werden. Die Mitarbeiter im Einzelhandel haben Arbeitsverträge und dort sind auch Arbeitszeiten geregelt. Und wenn ich daran erinnere, meine Damen und Herren, gerade die Gewerkschaft ver.di hat jetzt zum 8. März aufgerufen, auf die schlimmen Arbeitsbedingungen besonders im Einzelhandel für Frauen aufmerksam zu machen. Dieser Antrag würde diese Arbeitsbedingungen, meine Damen und Herren, der Frauen im Einzelhandel noch weiter verschärfen.

(Beifall bei der SPD)

Falls jemand von Ihnen jetzt natürlich auf Berlin verweist und mir Berlin um die Ohren hauen will, dort gibt es einen PDS-Wirtschaftssenator. Berlin ist Weltmeisterschaftsspielort und dort sind die Ladenöffnungszeiten auch angehoben worden, aber sie sind nicht völlig frei, meine Damen und Herren. Sie sind freigegeben worden von 6.00 bis 24.00 Uhr.

Abschließend noch eine kritische Stimme aus der Wirtschaft: Der Präsident des Hessischen Einzelhandelsverbands, Frank Albrecht, wies am 20. Januar in der FAZ darauf hin, dass sich 90 Prozent aller Betriebe längere Öffnungszeiten gar nicht leisten können. Vorteile hätten, so Albrecht, allenfalls die großen Einzelhandelsketten.

Meine Damen und Herren, durch längere Ladenöffnungszeiten rund um die Uhr wird Thüringen auch während der Fußballweltmeisterschaft nicht attraktiver. Fazit: Wir werden dort nicht zustimmen.

(Beifall bei der Linkspartei.PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schubert, SPDFraktion.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, da wir beim Thema Fußball sind, kann man ja auch mal eine persönliche Meinung abgeben: Also,

ich hoffe immer noch, dass die deutsche Mannschaft eine Turniermannschaft ist und sich weiter steigern wird und uns dann viel Freude bei der Weltmeisterschaft machen wird.

(Beifall bei der SPD)

Aber jetzt zum Antrag, der uns vorliegt: Um es gleich vorweg zu sagen, wir lehnen ebenfalls...

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das soll- ten wir beschließen!)

Das sollten wir beschließen, genau. Ich denke mal, vielleicht bekommt man dann eine große Mehrheit im Haus hin.

Aber zurück zum uns vorliegenden Antrag: Wir lehnen die mit diesem Antrag offensichtlich beabsichtigte landesweite Freigabe der Ladenöffnungszeiten ab. Ich finde es auch erstaunlich an Ihrer Vorlage, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, dass Sie für die vier Sonntage während der WM dann die Läden zu lassen wollen, obwohl ja auch an diesen Tagen Spiele und damit auch eine Menge Gäste in Deutschland sind. Diese Logik erschließt sich mir irgendwie nicht.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Der Sonntag ist heilig!)

Wir sehen einfach für Thüringen, für eine thüringenweite Lösung keinen Bedarf, weder einen Bedarf noch eine Notwendigkeit, die Ladenöffnungszeiten an den Wochentagen freizugeben. Wir haben in Thüringen keinen Spielort, allenfalls dürften in Thüringen einzelne Kommunen von den Randbereichen solcher Spielorte erfasst werden. Lediglich dort sind Versorgungsengpässe denkbar. Wir sind der Auffassung, dass sich in Thüringen nur eine kommunale Freigabe der Öffnungszeiten rechtfertigen lässt. Die Entscheidung über eine etwaig notwendige Erweiterung der Ladenöffnungszeiten sollte daher, wie schon im Fall der bestehenden Ladenschlussverordnung, den Landkreisen und kreisfreien Städten obliegen. Die Landesregierung sollte dafür die rechtlichen Voraussetzungen schaffen. Eine kommunale Lösung entspricht auch den Empfehlungen des 5. Forschungsberichts des WM-Stabs 2006. In der Zusammenfassung vom August 2005 heißt es, ich zitiere: Die für die Durchführung des Ladenschlussgesetzes zuständigen Bundesländer haben sich im März 2005 darauf verständigt, dass sie während des Turniers erweiterte Öffnungszeiten auf der Grundlage des Ladenschlussgesetzes zulassen wollen. Die Länder haben beschlossen, dass für die Dauer des Endrundenturniers von montags bis samstags Ladenöffnungszeiten von 6.00 bis 24.00 Uhr sowie sonntags, insbesondere an den Sonntagen

vor, an oder nach Spieltagen, Geschäftsöffnungen von 14.00 bis 20.00 Uhr zugelassen werden sollen. Dies soll jeweils - und jetzt kommt es - am Spielort und dessen Einzugsbereich gelten. In Thüringen gibt es, wie wir ja alle wissen und auch gesagt worden ist, keinen Spielort und deshalb ist das allenfalls in Randbereichen Thema wie vielleicht in Altenburg, was nur 20 S-Bahn-Minuten von Leipzig weg ist.

Die Auffassung in der Begründung des Antrags, dass sich die großen Besucherströme aus dem In- und Ausland nicht nur auf die Spielstandorte oder Mannschaftsquartiere beschränken und deshalb auch in ganz Thüringen eine Erweiterung der Ladenöffnungszeiten erforderlich sei, teilen wir nicht. Dies steht völlig im Widerspruch zu den gerade genannten Empfehlungen. Ein flächendeckender Bedarf, wie im Antrag suggeriert, wird gerade nicht gesehen. Dass gleichwohl einige Bundesländer, wie z.B. Hessen, entgegen der Empfehlung die Ladenöffnungszeiten für das gesamte Land freigeben, sollte für Thüringen, das anders als Hessen gar keinen Spielort hat, nicht der Maßstab sein. Wir sollten, so wie auch Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die das jedenfalls so beabsichtigen, kommunale Lösungen anstreben.

Auch sollte überlegt werden, ob der Anwendungsbereich einer Freigabe der Öffnungszeiten auf solche Waren und Dienstleistungen beschränkt werden kann, in denen überhaupt ein Versorgungsengpass zu erwarten ist. Ein Versorgungsengpass dürfte z.B. für Bauartikel, auch bei den von der CDU erwarteten Besucherströmen, nicht zu erwarten sein. Es ist zumindest zu erwarten, dass es die Ausnahme bleiben wird, dass sich Fußballfans aus Australien in Thüringen vor ihrem Rückflug mit Gipskartonplatten und Fliesen eindecken möchten.