Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich eröffne die heutige Sitzung des Thüringer Landtags. Ich begrüße ebenso die Gäste auf der Zuschauertribüne, die Vertreterinnen und Vertreter der Medien und begrüße insbesondere die Angehörigen von Wieland Rose. Ich möchte die heutige Plenarsitzung mit einer Würdigung unseres verstorbenen Abgeordneten beginnen.
Sehr geehrte Angehörige, meine Damen und Herren Abgeordneten, geehrte Mitglieder der Landesregierung, verehrte Gäste, das Jahr 2007 endete für uns alle mit Bestürzung und Fassungslosigkeit. Gerade in den Tagen, in denen sich mit dem Jahreswechsel symbolisch das Tor in die Zukunft öffnet, erfuhren wir vom Tod Wieland Roses. Gerade in diesen Tagen ging das Leben eines Menschen zu Ende, der noch sehr viel gestalten wollte und den wir noch sehr gebraucht hätten. Wir alle wussten um seine schwere Erkrankung. Dennoch traf uns sein Tod unvorbereitet und, ich glaube, es fällt immer noch schwer, diese Nachricht zu begreifen. Noch schwerer fällt es, die Gedanken zum Tode in Worte zu kleiden, denn Worte können kaum den Schmerz lindern, den Sie, verehrte Angehörige, empfinden. Aber wir möchten eine Botschaft der ehrenden Anteilnahme vermitteln. Wieland Rose war ein lebensbejahender, ein aktiver Mensch. Wir haben seine umgängliche Art, seine Freundlichkeit und seinen Optimismus besonders geschätzt. Er hat sich durch seine Krankheit nicht davon abhalten lassen, für andere Menschen da zu sein, sich für andere zu engagieren. Er hat sich unermüdlich für seine Gemeinde, für seine Region und für den Freistaat Thüringen eingesetzt. Er hat sich nicht geschont, wenn es darum ging, Probleme zu lösen und gangbare Wege in die Zukunft zu finden. Wieland Rose war stolz auf seine Vorfahren, die über viele Jahrzehnte hinweg in Crossen ehrenamtlich tätig waren und sich politisch engagierten, sofern es ihnen Diktaturen nicht verwehrten. Aus dieser demokratischen Tradition heraus, aber auch aus eigener Erfahrung erwuchs eine entschiedene Ablehnung jedweder Form des Unrechts und der Unfreiheit. Seine politische Leidenschaft galt dem Natur- und Umweltschutz. Er war für eine Beschäftigung mit diesem wichtigen Politikfeld nicht nur hoch motiviert, sondern als Diplomingenieur für Wasserwirtschaft auch hoch qualifiziert. Sein Einsatz für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen verrät viel über seine Denkweise. Die langfristigen Folgen politischer Entscheidungen waren ihm wichtig. Verlässlichkeit und Verantwortung waren die Werte, an denen er sein Handeln ausrich
tete. Für ihn war die Bewahrung der Schöpfung sein christliches Vermächtnis. Wieland Rose hat seinen Mitmenschen vorgelebt, wie man sein Leben und sein Lebensumfeld aktiv gestalten kann, wie man sein Leben in die eigene Hand nehmen, etwas bewegen und voranbringen kann. Er war damit einer jener Menschen, die nach 1990 aktiv dazu beigetragen haben, den Freistaat Thüringen zu einer lebendigen Demokratie zu machen, ihn nach neuen Wertvorstellungen aus dem christlichen Verständnis heraus zu gestalten. Die Politik und seinen Einsatz in verschiedenen Ehrenämtern begriff er als Chance zur Gestaltung und zugleich als Verpflichtung gegenüber dem Gemeinwesen. Von diesem Ethos des Gemeinsinns hat in besonderer Weise seine Heimatgemeinde Crossen profitiert. Seit 1997 war er dort ehrenamtlicher Bürgermeister, dem Gemeinderat gehörte er bereits seit 1990 an. 1999 wurde er in den Kreistag des Saale-Holzland-Kreises gewählt. Ab 2004 konnten wir ihn hier im Thüringer Landtag als Kollegen begrüßen. Als Experte im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes und als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses Fernwasser hat er uns durch seine Gradlinigkeit und sein konstruktives Herangehen an offene Fragen beeindruckt.
Meine Damen und Herren, bereits Anfang des Monats haben wir von Wieland Rose in einer bewegenden Trauerfeier Abschied genommen. Ich bedanke mich ganz herzlich bei allen, die daran teilgenommen haben. Die große Zahl der Abgeordneten und vor allem auch der Menschen aus seiner Gemeinde, die ihm die letzte Ehre erwiesen haben, sind auch ein Zeichen der würdigenden Anerkennung und des Respekts für sein Schaffen.
Wir werden Wieland Rose in guter Erinnerung behalten als einen Politiker, der viel für seine Wählerinnen und Wähler bewegen konnte und als Kollegen, der kreativ wirkte. Wir danken für die heitere Art des Umgangs miteinander, die nie der Tiefe entbehrte, sondern in charakterlicher Geradlinigkeit und innerer Seelenstärke von Wieland Rose wurzelte. In unserer Erinnerung wird er als liebenswerter Mensch, als sachkundiger Kollege und als engagierter Streiter für das Gemeinwohl und die Entwicklung Thüringens fortleben. Unsere Gedanken und Gebete sind in diesen Tagen vor allem bei seinen Angehörigen.
Wir, die Abgeordneten des Thüringer Landtags, werden den Verstorbenen ehrend im Gedächtnis behalten. Wir verneigen uns in Ehrfurcht vor der Allmacht der Ewigkeit und vertrauen auf Gottes Güte und Hilfe.
Lassen Sie uns nun gemeinsam in einer Schweigeminute des Verstorbenen gedenken. Erheben Sie sich bitte von Ihren Plätzen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, für den verstorbenen Abgeordneten Wieland Rose gehört nunmehr Herr Abgeordneter Andreas Sonntag dem Thüringer Landtag an. Herr Abgeordneter Sonntag war bereits in der 1. bis 3. Wahlperiode Mitglied des Thüringer Landtags. Herr Sonntag, ich begrüße Sie recht herzlich und freue mich auf die erneute Zusammenarbeit.
Als Schriftführer hat heute neben mir Platz genommen Abgeordneter Gerhard Günther. Die Rednerliste führt Abgeordneter Eckardt.
Wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns. Prof. Dr. Juckenack hat heute Geburtstag und ich möchte ihm recht herzlich gratulieren, ihm alles Gute wünschen, viel Erfolg bei seiner Arbeit und sonst möge er seine persönliche Heiterkeit beibehalten.
Ich möchte nochmals an die Gedenkveranstaltung für die Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Die Gedenkveranstaltung beginnt morgen um 9.00 Uhr hier im Plenarsaal. Sie haben die Einladung dazu erhalten. Im Anschluss an die Gedenkveranstaltung lade ich Sie alle sehr herzlich zur Eröffnung der Ausstellung „Ein beschwerlicher Weg - Samuel Bak: 60 Jahre künstlerisches Schaffen“ im Zwischengang zum Fraktionsgebäude ein. Es ist eine Ausstellung des Freundeskreises von Yad Vashem Jerusalem hier in Deutschland. Ich glaube, es ist eine sehr sehenswerte Ausstellung.
Der Ältestenrat ist übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 20, die Nachwahl, Ernennung und Vereidigung eines Mitglieds und stellvertretenden Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs, heute nach der Aktuellen Stunde aufzurufen. Aufgrund des Wahlvorschlags der Fraktion der SPD für ein Mitglied, das bisher Stellvertreter ist, ist ein weiteres stellvertretendes Mitglied zu wählen.
Zu Tagesordnungspunkt 1, Gesetzentwurf der Landesregierung, Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetz, wurde ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD in Drucksache 4/3754 verteilt.
Zu Tagesordnungspunkt 2, Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, Zweites Gesetz zur Änderung der Thüringer Bauordnung, wurde ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in Drucksache 4/3751 verteilt.
Zu Tagesordnungspunkt 23, der Fragestunde, kommen folgende Mündliche Anfragen hinzu: Die Drucksachen 4/3722, 4/3737, 4/3738, 4/3739, 4/3740, 4/3742, 4/3743, 4/3744.
Die Landesregierung hatte bereits zur letzten Plenarsitzung angekündigt, zu dem Tagesordnungspunkt 10 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 Geschäftsordnung Gebrauch zu machen. Darüber hinaus hat sie Sofortberichte zu den Tagesordnungspunkten 12 a und b sowie 13 und 18 angekündigt.
Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der von mir genannten Ergänzungen widersprochen? Bitte, Abgeordneter Blechschmidt.
Frau Präsidentin, namens meiner Fraktion bitte ich um Aufnahme der Drucksache 4/3753. Zur Dringlichkeit wird der Abgeordnete Hausold die Rede halten.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, verehrte Gäste, bekanntermaßen hält sich zurzeit der Zug der Erinnerung hier auf dem Erfurter Hauptbahnhof auf. Er ist vorher schon in Gotha gewesen, wird eine weitere Station in Thüringen haben. Sie alle wissen, dass es eine Ausstellung in diesem Zug gibt, die in besonders berührender Weise die Verbrechen und Gräueltaten des deutschen Faschismus deutlich macht, und dass insbesondere Jugendliche, aber auch viele Bürgerinnen und Bürger, auch hier in unserem Land, dies nutzen. Mit Blick auf den morgigen Tag muss wohl niemand über die Bedeutung sprechen. Viele von Ihnen selbst, der Ministerpräsident, Mitglieder des Thüringer Kabinetts, haben die Gelegenheit bereits genutzt, diesen Zug zu besuchen. Nun gibt es bekanntermaßen in völlig unverständlicher Weise die finanziellen Forderungen der Deutschen Bahn AG gegenüber dem Projekt „Zug der Erinnerung“ und wir sind der Auffassung, dass diese Sicht der Dinge keinesfalls dieses Projekt befördert, im Gegenteil, es gefährdet es sogar. Deshalb haben wir uns entschlossen, um hier noch einmal die Position Thüringens deutlich zu machen, diesen Antrag einzubringen.
Mir war es auch wichtig, das will ich so deutlich sagen, dies hier noch einmal vor dem Hohen Haus zu betonen. Nun ist uns heute Morgen erst bekannt geworden, dass die Thüringer Landesregierung in dieser Frage gegenüber der Deutschen Bahn AG bereits aktiv geworden ist und hier ihre Position deutlich gemacht hat, die kritisch zu dieser Haltung der Bahn AG ist. Aus diesem Grund, wenn auch etwas ungewöhnlich, sehen wir unsere Forderung dadurch erfüllt und ich würde den Antrag hier zurückziehen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, nachdem die Wahl der Verfassungsrichter, also die Nachwahl in Punkt 20, heute erfolgen soll, beantragen wir, dass die Punkte 21 und 22 nach der Nachwahl heute auch noch durchgeführt werden, so dass die Wahlangelegenheiten nacheinander durchzuführen wären.
Der Abgeordnete Schröter hat beantragt, dass die Wahlen, die laut Tagesordnungspunkt 21 und 22 anstehen, heute vorgenommen werden im Nachgang der Wahlen zu den Verfassungsrichtern. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Wer ist gegen diesen Antrag, den bitte ich um das Handzeichen. Wer enthält sich der Stimme? Keine Gegenstimme, keine Stimmenthaltung, damit ist einstimmig diesem Antrag stattgegeben und wir werden heute die Wahlen nach der Wahl zu den Verfassungsrichtern und der Ernennung und Vereidigung durchführen.
Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen zur Tagesordnung vor. Damit ist die Tagesordnung bestätigt.
Thüringer Gesetz über die Archi- tektenkammer, die Ingenieurkam- mer und den Schutz von Berufs- bezeichnungen (Thüringer Archi- tekten- und Ingenieurkammerge- setz - ThürAIKG -) Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 4/2907 - dazu: Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Bau und Verkehr - Drucksache 4/3725 - dazu: Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drucksache 4/3754 - ZWEITE BERATUNG
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, das Thüringer Gesetz über die Architektenkammer, die Ingenieurkammer und den Schutz der Berufsbezeichnung in der Drucksache 4/2907 wurde in der 59. Plenarsitzung am 03.05.2007 in erster Beratung behandelt und an folgende Ausschüsse überwiesen: federführend Bau und Verkehr, mitberatend Wissenschaft, Kunst und Medien und Wirtschaft, Technologie und Arbeit.
In der Ausschuss-Sitzung Bau und Verkehr am 31.05. wurde die Durchführung einer mündlichen Anhörung gemäß § 79 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags mit folgenden Beteiligten beschlossen: Ingenieurkammer Thüringens, Architektenkammer Thüringens und die Thüringer Hochschulrektorenkonferenz. Die Anhörung erfolgte in der Ausschuss-Sitzung am 05.07. Ihre Stellungnahmen gaben ab Prof. Dr. Mönnig - Präsident der Ingenieurkammer, Dipl.-Ing. Strube - Präsident der Architektenkammer und Prof. Dr. Zimmermann - Vorsitzender der Thüringer Hochschulrektorenkonferenz. Der Ausschuss für Bau und Verkehr hat in seinen Sitzungen neben der Auswertung und Anhörung mehrere Änderungsvorschläge behandelt, so aus den Fraktionen der CDU und der SPD und aus dem Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Unser Ausschuss tagte abschließend am 17.01. Er empfahl mit großer Mehrheit die Annahme des Gesetzentwurfs der Landesregierung in Drucksache 4/2907 unter Berücksichtigung der Änderungen, die Ihnen in Drucksache 4/3725 vorliegen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine werten Damen und Herren, um es gleich vorweg zu sagen, die Fraktion DIE LINKE wird dem Gesetzentwurf mit den Änderungen der Beschlussempfehlung mehrheitlich zustimmen. Bereits in der ersten Lesung am 3. Mai des vergangenen Jahres hatte ich es begrüßt, dass mit dem Gesetz über die Architektenkammer, die Ingenieurkammer und den Schutz von Berufsbezeichnungen drei bisherige Gesetze zusammengefasst und mit ersetzt werden. Darüber gab es in den Beratungen des federführenden Ausschusses für Bau und Verkehr auch keinerlei Dissens. Letztendlich einziger Grund für die lange Beratungsdauer war die Frage, die sich ebenso in der ersten Beratung bereits andeutete und durch Kammern, Landesregierung und Fraktionen unterschiedlich beantwortet wurde: Wann ist der Ingenieur ein Ingenieur? Einig sind sich alle darüber, dass ein Ingenieur dann ein Ingenieur ist, wenn er die fachliche Qualifikation, die notwendig ist, erworben hat. Eine Binsenweisheit möchte man meinen, aber die Logik der Gesetze verbietet es, eine solche Formulierung aufgrund damit verbundener Unklarheiten in einem Gesetz aufzunehmen. Konkrete, belastbare und rechtssichere Kriterien mussten gefunden werden. Bei allem Respekt gegenüber den am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten war es nicht immer klar, welche Motive für das eine oder andere benannte Kriterium verantwortlich waren. Da war eben im Rahmen der öffentlichen Anhörung von Herrn Strube, dem Präsidenten der Architektenkammer Thüringens, zu hören, dass aufgrund der bereits bislang eingetragenen Planer weitere Planer etwa mit einer an der europarechtlichen Regelung orientierten verkürzten Studiendauer überhaupt nicht nötig wären. Dass der Präsident der Thüringer Architekten die von ihm vertretene Berufsgruppe vor weiterer Konkurrenz schützen möchte, ist völlig nachvollziehbar, aber es kann letztlich nicht Begründung für einen formalen Ausschluss sein. Letztlich begründet wurde aber auch die Forderung nach einer längeren als von der Landesregierung vorgeschlagenen Regelstudienzeit bis zum erfolgreichen Abschluss von sechs Semestern für Ingenieure - für Architekten lag sie von Anbeginn unstrittig bei acht Semestern - mit den notwendigerweise zwingend benötigten fachlichen Voraussetzungen. So seien etwa - darauf bezog sich der Präsident der Ingenieurkammer Thüringens Prof. Dr. Mönnig - Bauvorlagen von schlechter Qualität. Nun kann zunächst dahingestellt bleiben, ob ein zeitlich längeres Studium zwangsläufig zu einer höheren Qualität der lebenslangen Arbeit führen muss. Im Gesetzgebungsverfahren ging
es eigentlich nur am Rande um bauvorlagenberechtigte Ingenieure und Architekten, da dies nicht Gegenstand der Zusammenfassung der bisherigen drei Gesetze ist. Die Voraussetzungen für die Bauvorlagenberechtigung waren und bleiben auch weiterhin in der Thüringer Bauordnung geregelt. Und das Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ für die Eintragung in die Liste nach § 65 Thüringer Bauordnung ist nur eine von insgesamt drei Voraussetzungen, aber dennoch drängt sich an manchen Tagen der Eindruck auf, dass das Gesetz regelt, dass jeder, der sechs Semester an einer technischen Universität studiert hat, künftig eine Bauvorlage erstellen darf.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die im Gesetz vorgeschlagenen Anerkennungsvoraussetzungen für Ingenieure betreffen aber eben alle Ingenieurdisziplinen. Im Kern ging es bei der gesamten Diskussion darum, ob der erste akademische Abschluss an einer technischen Hochschule berechtigt, die Berufsbezeichnung „Ingenieur“ zu führen und in der Folge als solcher tätig zu sein. Die Europäische Union sagt hierzu ja und die meisten Bundesländer sagen dazu ebenfalls ja. Ein Abweichen davon hätte dazu geführt, dass die Qualifikation und die Berufsbezeichnung von Ingenieuren aus der EU und aus anderen Bundesländern der Bundesrepublik in Thüringen anerkannt werden müssen. Eine abweichende Regelung in Thüringen, die rechtlich im Rahmen des föderalen Systems ohne Zweifel zulässig gewesen wäre, hätte ausschließlich Thüringer Absolventen betroffen. An der Sinnhaftigkeit eines solchen Abweichens darf gezweifelt werden, zumal das Qualitätsargument hier nicht greift. Begrüßenswert ist, dass sich Kammern und die Landesregierung nunmehr darauf geeinigt haben, den akademischen Abschluss als Voraussetzung zu nennen. Es mag zwar haarspalterisch klingen, denn der Unterschied zwischen einem erfolgreichen Abschluss eines Studiums mit mindestens sechs Semestern und der Formulierung Bachelor ist rechtlich und formal nicht sehr groß. Aber mit der Formulierung wird eines klargestellt: Der Bachelor ist der erste akademische Abschluss, der auch zur Berufsausübung ermächtigt, auch in Thüringen. Ein anderes Signal wäre fatal gewesen. Ich will aber nicht verschweigen, dass die Diskussion noch einmal die Schwächen der Umstellung bisheriger Diplomstudiengänge sehr deutlich macht. Wenn der Vorsitzende der Thüringer Landesrektorenkonferenz darauf hinweist, dass derjenige irrt, der annimmt, dass der Bachelorgrad ein berufsbefähigender Grad sei, dann ist eine umfassende hochschulpolitische und bildungspolitische Debatte zwingend notwendig. Herr Prof. Dr. Zimmermann verwies anderseits vollkommen zu Recht darauf, dass der Bachelor eingebettet ist in eine mehrstufige wissenschaftliche Ausbildung und nur die erste Stufe eines Prozesses darstellt. In diesem Zu
sammenhang muss dann darüber diskutiert werden, wie denn eigentlich die Durchlassfähigkeit vom Bachelor zum Master in Thüringen in den unterschiedlichen Studienrichtungen ist. Wenn Herr Zimmermann weiter meint, der Bachelor sei keine vollständige wissenschaftliche Basisausbildung, da muss doch die Frage zu stellen sein: Warum und wofür bieten die Thüringer Hochschulen den Studierenden ihn als ersten akademischen Abschluss an? Es gilt keineswegs, hier düster zu zeichnen oder die Ausbildung an den Hochschulen falsch zu bewerten. Aber Angesichts der aufgeworfenen Fragen aus den Hochschulen selbst und aus den entsprechenden Fachverbänden kann ich dem entsprechenden Ausschuss nur empfehlen, sich nochmals umfassend mit dieser Thematik zu beschäftigen. Es macht schließlich keinen Sinn, diese Diskussion einzeln nach Berufsgruppen immer wieder führen zu müssen.
Meine Damen und Herren, die Regelung für Ingenieure, wonach die Berufsbezeichnung mit dem Abschluss Bachelor erreicht wird, und für Architekten, wonach die Berufsbezeichnung mit dem erfolgreichen Abschluss eines entsprechenden Studiums mit einer Regelstudienzeit von vier Jahren erreicht wird, sind sinnvoll und eingebettet in ein Gerüst europarechtlicher Regelungen. Weiter hervorheben möchte ich insbesondere die möglichen Ausnahmen, die im rechtlichen Sinne gar keine sind, für Beratende Ingenieure, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten und Innenarchitekten, wonach der statt vierjährigen Studienzeit mit erfolgreichem Abschluss auch ein Bachelorabschluss mit einer zusätzlich nachzuweisenden praktischen Berufserfahrung ausreichend ist. Die nunmehr zu verabschiedenden Regelungen, bergen nicht mehr und nicht weniger die Gefahr als bisher, dass mit der Berufsbezeichnung keine qualitative Arbeit verbunden ist. Mängel gab es, Mängel wird es geben mit sechs Semestern oder auch mit acht Semestern Studium an einer Technischen Hochschule. Das neue Gesetz sollte nicht damit auf den Weg gebracht werden, bereits heute Zweifel an der Qualität der künftigen Ingenieure zu äußern. Dafür bietet das Gesetz keinen Anlass und ich gehe davon aus, die ingenieurtechnische Ausbildung an den Thüringer Hochschulen auch nicht.
Nun vielleicht noch einige Anmerkungen zum Änderungsvorschlag der SPD. Sie signalisiert aus unserer Sicht eigentlich jungen Menschen, die einen Bachelorabschluss an einer Technischen Hochschule erfolgreich erreichen, dass sie das technische Studium mit dem Erreichen des ersten akademischen Grades für so geringwertig erachten, dass eine Anerkennung als Ingenieur nicht möglich sein soll. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bolognaprozess wird auf dem Rücken künftiger Ingenieure ausgetragen, vor allem stellt sie Thüringer Absolventen in technischen Berufen schlechter dar als ihre
Kollegen in Europa und anderen Bundesländern. Sie verkennt, dass praktische Erfahrungen, insbesondere in den Bereichen Stadtplanung, Innen- und Landschaftsarchitektur, von enormer Bedeutung sind. Zu meinen, dass unabhängig von praktischen Erfahrungen das Festhalten an einer Mindeststudienzeit in diesen Bereichen Qualität garantiert und alles andere Qualität ausschließt, ist unseres Erachtens nach realitätsfremd. Deswegen werden wir diesen Änderungsvorschlag mehrheitlich ablehnen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit der heutigen zweiten Beratung des Gesetzentwurfs zum Thüringer Architekten- und Ingenieurkammergesetz stehen wir am Ende eines sehr lange dauernden und nicht unbedingt rühmlichen Prozesses. Das muss ich hier so sagen.