Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich eröffne die 19. Plenarsitzung des Thüringer Landtags. Ich heiße Sie alle recht herzlich willkommen, begrüße unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien. Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen die Abgeordnete Wolf und die Rednerliste führt der Abgeordnete Dr. Krause. Für die heutige Sitzung hat sich Herr Minister Schliemann entschuldigt.
Ich möchte Sie am Anfang darauf hinweisen, dass der MDR seine Plenarberichterstattung verstärken möchte, was ich sehr erfreulich finde. Dazu sind Interviews mit Politikern hier am Rande des Plenums und auch Kommentare und Berichte zum Plenum vorgesehen. Das soll vor dem Plenarsaal erfolgen. Ein Reporter wird hier außerhalb des Plenarsaals rechts an dieser Tür postiert werden und die Interviews führen und Berichte und Beiträge sprechen. Die Aufnahmen sollen in der Regel im Zeitraum zwischen 17.00 und 18.00 Uhr erfolgen. Es wird dazu ein kleiner Scheinwerfer auf der Kamera angeschaltet, der gegebenenfalls auch hier in den Plenarsaal hineinleuchtet. Der Plenarsaal erscheint als Hintergrund. In der heutigen Plenarsitzung möchte der MDR eine Testaufnahme durchführen; die nicht gesendet wird. Das Band mit der Aufnahme, die heute hier entsteht, wird dem Ältestenrat zur Verfügung gestellt werden und erst der Ältestenrat entscheidet dann darüber, ob für diesen Standort eine Drehgenehmigung erteilt werden kann. Ich glaube, es ist in unser aller Interesse, wenn wir diesem Gesuch für heute stattgeben. Ich habe das genehmigt, weil mir daran liegt, dass über die Plenarsitzungen intensiver im MDR berichtet wird.
Ich möchte Sie darüber informieren, dass sich die Fraktionen geeinigt haben, in der Plenarsitzung am heutigen Donnerstag keine Mittagspause durchzuführen.
Sie finden in der Lobby vor dem Plenarsaal eine Präsentation der Universitätsgesellschaft Erfurt e.V. gemeinsam mit der Schülerakademie Erfurt, die unter dem Titel „Die unglaubliche Karriere der Null“ von Adam Ries bis Konrad Zuse, von der Null bis zum Computer zusammengestellt wurde.
Heute Abend hat die Landespressekonferenz zu ihrem Sommerfest eingeladen, das nach dem Ende der heutigen Plenarsitzung gegen 19.00 Uhr beginnen wird.
Wir sind ferner im Ältestenrat darüber übereingekommen, dass die morgige Plenarsitzung um 8.00 Uhr beginnen wird.
Ich möchte Sie ferner darauf aufmerksam machen, dass im Landtagsgebäude die Ausstellung des Künstlers Adolf Krause für Sie zusammengestellt worden ist, und ich würde mich freuen, wenn die Abgeordneten diese Ausstellung rege besuchen.
Zu TOP 8: Die angekündigte Beschlussempfehlung des Innenausschusses zu dem Antrag der Landesregierung „Entwurf einer ‚Richtlinie für die Gewährung von Zuweisungen des Freistaats Thüringen zur Förderung freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse’“, hat die Drucksachennummer 4/1027. Die Beschlussempfehlung wurde erst am 29. Juni 2005 verteilt, so dass der Tagesordnungspunkt ohne Beschlussfassung über eine Kürzung der Frist gemäß § 58 Abs. 1 der Geschäftsordnung erst in der morgigen 20. Plenarsitzung aufgerufen werden kann.
Zu TOP 20: Der Bericht des Ausschusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten über den Stand der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD zur Auflösung eines Landgerichts und einer Staatsanwaltschaft in Thüringen wird unabhängig von der Abarbeitung der Tagesordnung im Übrigen gemäß § 77 Abs. 4 Geschäftsordnung auf jeden Fall an einem dieser Plenartage aufgerufen.
Und zu TOP 22: Der Tagesordnungspunkt wird von der Tagesordnung abgesetzt, da die Fraktion der PDS mit Schreiben vom 28. Juni 2005 mitgeteilt hat, dass sie keinen weiteren Wahlvorschlag unterbreiten wird und somit den ihr zustehenden Sitz in der Parlamentarischen Kontrollkommission nicht in Anspruch nehmen wird.
Ich möchte Ihnen ferner mitteilen, dass zu TOP 23 in der Fragestunde folgende Mündliche Anfragen hinzukommen: die Drucksachen 4/1005, 4/1006, 4/1007, 4/1010, 4/1015, 4/1016 und 4/1017.
Die Landesregierung hat angekündigt, zu den Tagesordnungspunkten 9 und 16 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.
Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der von mir genannten Ergänzungen widersprochen? Dies ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung als festgestellt.
Gesetz zur Änderung des Unter- suchungsausschußgesetzes und des Thüringer Verfassungsgerichts- hofsgesetzes Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 4/514 - dazu: Beschlussempfehlung des Aus- schusses für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten - Drucksache 4/1001 - ZWEITE BERATUNG
Das Wort hat der Abgeordnete Schröter aus dem Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten zur Berichterstattung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf wurde im Plenum am 27.01. dieses Jahres behandelt und von dort an den Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten verwiesen, wie Sie der Beschlussempfehlung in der Drucksache 4/1001 entnehmen können. Der Ausschuss für Justiz, Bundes- und Europaangelegenheiten hat sich insgesamt in fünf Ausschuss-Sitzungen mit dem Gesetzentwurf befasst, wobei davon vier mit Verfahrensfragen behaftet waren. In der Sitzung am 17.02. wurde von der einbringenden Fraktion eine schriftliche Anhörung beantragt und gleichzeitig wurden drei Anzuhörende vorgeschlagen. Um den anderen Fraktionen ebenfalls die Möglichkeit zu geben, Anzuhörende zu benennen, legte der Ausschuss eine außerplanmäßige Sitzung für den 25.02. fest. In dieser Sitzung wurden weitere sechs - also von den beiden Fraktionen der CDU und der SPD je drei Anzuhörende - benannt und die Gesamtliste beschlossen. Da eine hinreichende Frist zur Abgabe der Stellungnahme festgelegt war, wurde die erneute Behandlung des Gesetzentwurfs in der Sitzung des Ausschusses am 11.05. auf die Tagesordnung gesetzt. Es zeigte sich jedoch, dass zu diesem Zeitpunkt lediglich eine Stellungnahme vorlag. Der Ausschuss einigte sich auf eine Fristverlängerung bis zum 26.05. dieses Jahres mit der Maßgabe, dass die Anzuhörenden, die sich bisher nicht geäußert hatten, nochmals schriftlich durch die Landtagsverwaltung zur Abgabe aufgefordert werden sollen. In der Sitzung am 26.05. lagen keine weiteren Stellungnahmen vor, so dass man übereinkam, unter Einbeziehung von bis zu 10 Tagen vor der Sitzung noch eingehende Stellungnahmen den Gesetzentwurf am 22.06. inhaltlich zu beraten. Dies fand dann auch so statt. Die einbringende Fraktion verwies auf das gesteigerte Interesse einen Gesetzentwurf einzubringen, der vor allem die Minderheitenrechte stärkt, und sah dies
hauptsächlich durch die Fixierung der Untersuchungsaufträge durch die Minderheit, die Einführung eines Instituts eines unabhängigen Ermittlungsbeauftragten, die Einsetzung eines Unterausschusses sowie ein Sondervotum oder einen alternativen Abschlussbericht der Minderheit verwirklicht. Nach einer inhaltlichen Diskussion zu eventuellen Veränderungen einiger Punkte, die von der Mehrheit nicht als verfassungskonform bewertet wurden, kam es zu folgender Situation: Es lagen der Gesetzentwurf und zwei Stellungnahmen Anzuhörender vor. Änderungsanträge zum Inhalt waren nicht gestellt. Ein Antrag auf Fortberatung in der nächsten Ausschuss-Sitzung fand keine Mehrheit. Die mehrheitliche Meinung, dass der Gesetzentwurf überwiegend verfassungsrechtlich bedenklich sei und das Mehrheitsprinzip der Demokratie durch diesen Entwurf faktisch aufgehoben wird, brachte in der Abstimmung das Ergebnis - wie in der Beschlussempfehlung nachzulesen -, der Ausschuss empfiehlt, den Gesetzentwurf abzulehnen. Vielen Dank.
Ich danke dem Abgeordneten Schröter und eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Hahnemann, PDS-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Entwurf der PDS-Fraktion für ein Gesetz zur Änderung des Untersuchungsausschussgesetzes geht ganz offenbar den Weg aller Oppositionsinitiativen, nämlich den der Ablehnung.
Das Mehrheitsprinzip werde ausgehöhlt. Das ist einer der Einwände, den die CDU-Mehrheit dieses Hauses, gebetsmühlenartig fast, nicht erst seit der ersten Beratung des PDS-Gesetzentwurfs zur Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes wiederholt. Aber dieser Vorwurf der Mehrheit des Hauses übersieht einige wichtige verfassungsrechtliche Tatsachen. Nach Artikel 64 der Thüringer Verfassung kann ein Fünftel der Mitglieder des Landtags einen Untersuchungsausschuss durchsetzen. Die Verfassung selbst gibt einer parlamentarischen Minderheit das Recht, mit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein Instrument zu schaffen, das eine wirksame Aufklärung bestimmter Sachverhalte und Kontrolle von Regierungshandeln ermöglichen soll. Der Wille des Verfassungsgesetzgebers, gerade der Minderheit wirksame Aufklärungsmöglichkeiten in die Hand zu geben, wird unter anderem auch deutlich an dem Minderheitenrecht zur Erzwingung von Beweiserhebungen im Untersuchungsausschußgesetz. Die Verfassung bringt damit indirekt aber deutlich eines
zum Ausdruck: In der Verfassungswirklichkeit - und das ist ein auch bei Juristen gängiger Fachbegriff - ist es vor allem die Parlamentsopposition, die Kontrolle über das Regierungshandeln ausübt und ausüben will. Zumindest ist ihr Interesse deutlich größer als das der regierungstragenden Abgeordneten oder Fraktionen. Unterstützt wird diese unsere Sicht auch durch Artikel 59 der Verfassung. Die Opposition hat im Thüringer Landtag eine besondere, geschützte Position und konkrete Rechte zur Chancengleichheit zugebilligt und das haben wir damals ganz absichtsvoll getan, meine Damen und Herren. Dass ein Untersuchungsausschuss kein Ausschuss wie alle anderen ist und das formalisierte Mehrheitsprinzip hier zugunsten des wirksamen Informations- und Kontrollrechts gerade der Minderheit im Parlament zurückweichen muss, wird auch an Folgendem deutlich: Durch die Regelung der Untersuchungsausschüsse in einem eigenen Verfassungsartikel und in einem Untersuchungsausschußgesetz, gesondert von den anderen Ausschüssen, damit erhält der Untersuchungsausschuss eine systematisch andere Stellung - eine Sonderstellung. Auch das ist gewollt gewesen und kein Zufall. Wenn alle diese Verfassungsvorgaben aber nicht zur Farce werden sollen, dann muss die Grundentscheidung zugunsten einer Minderheit auch wirksam - ich betone: wirksam - im Untersuchungsausschußgesetz zur Geltung gebracht werden. An dieser Wirksamkeit mangelt es nach unserer Auffassung dem derzeit geltenden Gesetz.
Deshalb hat die PDS-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf insbesondere folgende Vorschläge zur wirksamen Umsetzung der verfassungsmäßigen Minderheitenrechte gemacht:
Der Untersuchungsauftrag eines Minderheitenuntersuchungsausschusses soll der Möglichkeit der Deformation durch die Mehrheit entzogen werden. Dieser Vorschlag entspricht im Übrigen den Regelungen, die sich im Untersuchungsausschussgesetz des Bundestages wiederfinden. Zur Sicherung des Beweiserhebungsrechts einer Minderheit im Ausschuss sollen die Ausschlussgründe für Beweisanträge auf das gesetzlich notwendige Maß beschränkt werden. Es muss aufhören, dass die Minderheit im Ausschuss durch Beschluss Beweiserhebungen z.B. mit der Behauptung verhindern kann, dass das Gegenteil nach Ihrer Auffassung schon erwiesen sei. Es gibt nach unserem Gesetzentwurf nur drei Gründe, einen Beweisantrag abzulehnen: 1. Er ist unzulässig, weil er gegen gesetzliche Vorgaben verstößt.
Diese eng gefassten Gründe finden sich im Übrigen auch in den Untersuchungsausschussgesetzen anderer Länder wieder.
Unser Gesetzentwurf sieht vor, die Entscheidung über die Zulässigkeit von Beweisanträgen nicht mehr einer exotischen Kommission aus drei hochgestellten Richtern Thüringer Gerichte zu überlassen. Der Umstand, dass die bisherige Richterkommission, Ihre, meine Damen und Herren, ausufernde Ablehnungspraxis immer bestätigte, hat keinen sonderlichen argumentativen Wert. Außerdem verschweigen Sie etwas: Von den Gutachtern, die sich in der schriftlichen Ausschussanhörung zu dem Entwurf geäußert haben, schlagen beide vor, diese Konstruktion der Richterkommission abzuschaffen und durch eine Überprüfung an ordentlichen Gerichten zu ersetzen. Zwar geben die Gutachter zu bedenken, dass man die Überprüfung von Beweisanträgen nicht unbedingt, wie von uns vorgeschlagen, dem Ermittlungsrichter beim OLG übertragen müsse, sondern man könne dies auch einem Senat des OLG überlassen oder an den Verfassungsgerichtshof geben. Hier wäre unsere Fraktion bereit gewesen, über die Lösung im Detail zu diskutieren. Es blieb aber dabei, dass selbst ein von der CDU benannter Gutachter die Abschaffung der Richterkommission befürwortete. Warum greife ich dieses Detail heraus, meine Damen und Herren? An ihm lassen sich mehrere Probleme bei Ausschussberatung des Gesetzentwurfs der PDS aufzeigen.
Zum einen, es haben sich nur zwei Gutachter gemeldet, einer von der CDU benannt, der andere von der SPD benannt. Manche Absagen waren vielleicht logistischen Gründen geschuldet. Der von der PDS genannte Gutachter Hans-Christian Ströbele, der am Untersuchungsausschussgesetz des Bundestages erheblichen Anteil hat, scheint wegen des nach der Benennung eingetretenen Tohuwabohus um die vorgezogene Bundestagswahl abgesagt zu haben. Allerdings kam aus der Landtagsverwaltung auch ein anderer wichtiger Hinweis. In Thüringen gibt es wohl immer wieder mal Probleme, renommierte Gutachter für Anhörungen zu gewinnen. Der vermeintliche Grund: Thüringen ersetzt, anders als andere Bundesländer, für die Erstellung von Gutachten im Rahmen von Anhörungen keine Aufwendungen. Hier sollte überlegt werden, inwieweit sich Thüringen der Praxis anderer Bundesländer annähern sollte, um die Substanz der Anhörungen zu verbessern.
Ein weiteres in der Ausschussarbeit häufiges Problem, welches wesentlich schwerer zu beheben wäre: Die Ausschussmehrheit nimmt in Anhörungen viel
fach nur das wahr, was in ihr vorgefertigtes Klischee zum Thema passt. So kommt es, dass die Mehrheit nicht einmal dann über mögliche Gesetzesänderungen zu diskutieren bereit ist, wenn die von ihr selbst benannten Gutachter Änderungen vorschlagen. Das Festhalten an der Richterkommission mit dem genannten angeblichen Argument ist ein beredtes Beispiel. Offenbar hat die Ausschussmehrheit aus dem Gutachten Ihres Gutachters, Herrn Prof. Benner, nur den Satz wahrgenommen, dass der Gesetzentwurf das Mehrheitsprinzip aushöhlen würde. Das bestätigt Ihre, meine Damen und Herren, Denkklischees und gibt Ihnen ungeprüft den Vorwand, sich einer unvoreingenommenen Betrachtung und Diskussion zu entziehen.
Gerade der von Ihnen selbst benannte Gutachter ist wohl eher oberflächlich an die Prüfung herangegangen. Zwei Beispiele: Erstens, das Zustimmungserfordernis der Minderheit bei Veränderung des Untersuchungsauftrags lehnt Prof. Benner als Verletzung des Mehrheitsprinzips ab, ohne sich mit den besonderen verfassungsrechtlichen Vorgaben in Thüringen auseinander zu setzen oder die sinngleichen Regelungen im Untersuchungsausschussgesetz des Bundestags zu bedenken. Auch die Kritik dieses Gutachters an den Möglichkeiten einer Minderheit in Untersuchungsausschüssen und im Hinblick auf die Arbeit des Ermittlungsbeauftragten übersieht, dass sich im Untersuchungsausschussgesetz des Bundestages und in anderen Landesgesetzen vergleichbare Regelungen finden lassen.
Zweitens: Unser Vorschlag, dem Untersuchungsausschuss direkten Zugriff auf Akten bei den zuständigen Behörden auch unterhalb der Ministerialebene zu erlauben, entlockte Herrn Prof. Benner nur das altpreußische Argument der Einheit der Verwaltung. Nach diesem Denken, das wissen wir alle, darf in solchen Fällen nur der oberste Dienstherr, also das Ministerium, mit der Außenwelt kommunizieren. Das ist eine antiquierte Argumentation und sie übersieht, dass der Direktzugriff des Ausschusses auf nachgeordnete Behörden und deren Akten eigentlich schon in Artikel 64 der Landesverfassung verankert ist. Man sollte also solche Regelungen endlich Verfassungswirklichkeit werden lassen.
Angesichts solcher Tatsachen verwundert es dann eigentlich nicht, dass der zweite Sachverständige der Anhörung, der von der SPD benannt worden ist, zu folgender abschließenden Feststellung kommt, ohne dass dieses die Ausschussmehrheit in irgendeiner Weise nachhaltig beeindruckt hätte - Zitat: „Insgesamt ist der Entwurf der PDS-Fraktion in vielen Punkten zu begrüßen, ja, er stellt erst verfassungsgemäße Zustände her.“
Diesem Satz folgen dann zwar noch zwei Bedenken, aber im Kern belegt diese Einschätzung die Notwendigkeit für ein besseres Untersuchungsausschussgesetz. Das gilt auch für die Abschaffung von Ausschlussgründen der Beweiserhebung. Das gilt für die Erweiterung der Akteneinsichtsrechte. Das gilt für die Beschränkung des Zutrittsrechts der Landesregierung zu Untersuchungsausschüssen, um den Abgeordneten einen ungestörten Beratungsfreiraum zu erhalten.
Die von uns vorgeschlagenen Änderungen zum Betroffenenstatus und dem öffentlichen Zugang zu Ausschussunterlagen hält der Gutachter sogar für nicht weit genug gehend. Allerdings vertritt hier die PDS-Fraktion den Vorrang des Schutzes vor dem Zwang der Selbstbezichtigung und des Schutzes persönlicher Daten Dritter.
Meine Damen und Herren, noch ein weiterer Hinweis an die Abgeordneten, vor allem der Mehrheitsfraktion dieses Hauses: Unseren Regelungen für fraktionslose Abgeordnete haben Sie entgegengehalten, der Thüringer Landtag sei ein Fraktionenparlament. Mitnichten; unsere Verfassung und das jetzige Untersuchungsausschußgesetz weisen die grundlegenden Rechte immer dem einzelnen oder einer Anzahl von Abgeordneten zu, nicht Fraktionen. Warum sollte das bei der Besetzung des Ausschusses dann nicht auch so sein? Fraktionslose Abgeordnete müssen zumindest Mitberatungs- und Antragsrechte, soweit möglich auch Mitentscheidungsrechte im Untersuchungsausschuss haben. Bei der Frage der Reservierung eines Sitzes für fraktionslose Abgeordnete im Untersuchungsausschuss wären wir diskussionsbereit gewesen. Doch weder in diesem Punkt noch zu irgendeinem anderen Punkt hatte die Mehrheit des Ausschusses, selbst nach einer Beratung von fünf oder zehn Minuten, die Lust zu einer ernsthaften parlamentarischen Bearbeitung.
Das ist nicht gelogen, Herr Kollege. Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Gutachter Prof. Morlok - also nicht unserer - dem PDS-Entwurf bescheinigt, dass er notwendige Änderungen vorschlägt, um das parlamentarische Untersuchungs- und Kontrollrecht in Thüringen so wirksam auszugestalten, dass es die Vorgaben der Verfassung endlich erfüllt. Es hätte also genügend Chancen für eine ernsthafte Diskussion zur Stärkung der parlamentarischen Demokratie und des parlamentarischen Kontrollrechts gegeben. Die Chance zur Verbesserung des Untersuchungsausschusßgesetzes ist einer Mehrheitsarroganz zum Opfer gefallen. Das Demokratie tragende Prinzip hat zugeschlagen - die Mehrheit hat Vertrauen zur Landesregierung.
Wenn man sich die parlamentarische Praxis, das Verhalten der Mehrheit im Landtag und das Handeln der Landesregierung ansieht, dann scheint mir das in Gesetzesform gegossene Misstrauen, von dem ich im Ausschuss sprach, am Ende doch sehr notwendig und angemessen. Das Kontrollrecht des Parlaments, meine Damen und Herren, und gerade der darin vertretenen Opposition, ist eines der wichtigsten und wie es immer sehr gehoben formuliert wird, eines der vornehmsten demokratischen Rechte. Es garantiert die Bindung des Handelns der Regierung an das Parlament und damit an den eigentlichen Souverän, an die Bürgerinnen und Bürger. Das Untersuchungsrecht kann deshalb nie gut genug gestaltet sein. Wir hätten die Chance gehabt, hier in Thüringen etwas dafür zu tun. Eine hinlänglich bekannte Ausschussmehrheit wollte nicht einmal diskutieren.
Meine Damen und Herren, Sie behaupten zwar, Ihnen ginge es um das Mehrheitsprinzip, aber eigentlich geht es Ihnen um das Machtprinzip. Sie haben sich einer ernsthaften Diskussion des Gesetzentwurfs verweigert. Mit der Ablehnung werden Sie sich zum wiederholten Male für die Macht und gegen die Demokratie entscheiden.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ein besseres Untersuchungsausschussgesetz war das Ziel des Antrags der PDS-Fraktion. Sozusagen das schärfste Schwert des Parlaments sollte geschärft werden. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, ja, diesem Grundanliegen kann man durchaus Rechnung tragen. Dieses Grundanliegen hat auch zum Inhalt, dass es in Teilen auch erst - wie es einer der Gutachter ausgedrückt hat - Verfassungsmäßigkeit in Thüringen herzustellen vermag. Aber, meine Damen und Herren, ich muss auch konstatieren am Ende dieses Verfahrens zu diesem Gesetz, es war schon ein merkwürdiges Verfahren. Die Merkwürdigkeiten begannen aus meiner Sicht schon allein damit, dass bei der beschlossenen schriftlichen Anhörung von insgesamt neun Anzuhörenden überhaupt nur zwei geantwortet haben; davon einer erst nach mehrfacher Aufforderung.
Merkwürdig war auch, dass nicht ein einziger der das Gesetz beantragenden Fraktion zu diesem Gesetzentwurf Stellung nehmen wollte - warum auch immer. Deshalb haben wir hier nur die Möglichkeit, bei einer - das muss man ja ganz offen gestehen - relativ komplizierten juristischen Materie auf zwei externe Sachverständige zurückzugreifen. Es darf an dieser Stelle nicht verwundern, dass ich im Namen der SPD-Fraktion natürlich im Wesentlichen auf den Gutachter zurückgreife, der durch meine Fraktion beauftragt wurde und dessen Grundintentionen auch voll inhaltlich von uns geteilt werden.
Insgesamt gesehen, das habe ich schon bei der ersten Lesung hier betont, ist der Grundansatz des Gesetzentwurfs der PDS sehr positiv zu sehen und es haben sich im Laufe des Verfahrens ja doch einige Sachverhalte herausgestellt, die man durchaus auch kritisch beleuchten muss. Bei dieser Beleuchtung möchte ich zunächst einmal auf zwei dieser kritischen Punkte eingehen, um dann auch die positiven Aspekte dieses Gesetzentwurfs hier darzulegen.