Protocol of the Session on September 9, 2004

Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, Vertreter der Regierung, verehrte Gäste auf der Besuchertribüne, verehrte Anwesende der Medien, ich begrüße Sie alle recht herzlich heute zu unserer 2. Plenarsitzung des 4. Thüringer Landtags.

Als Schriftführer haben neben mir die Abgeordnete Wolf und der Abgeordnete Carius Platz genommen. Für die heutige Sitzung hat sich der Abgeordnete Nothnagel entschuldigt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, seit der konstituierenden Sitzung des 4. Thüringer Landtags am 8. Juli dieses Jahres sind mehr als acht Wochen vergangen. In dieser Zeit haben viele von uns sich einen wohlverdienten Urlaub nach der anstrengenden Wahlkampfzeit gegönnt und ich freue mich, dass ich Sie hier heute gut erholt begrüßen kann.

In dieser Zeit sind aber auch Dinge geschehen, die unfassbar sind und die in einer zivilisierten Welt des 21. Jahrhunderts fremd erscheinen, aber dennoch auch unseren Alltag eindringlich erreichen und auch unsere Welt dramatisch verändern. Ich meine die Geiselnahme in Beslan am ersten Tag des neuen Schuljahres, einem Tag, der dem Neuanfang im Leben von Kindern gewidmet ist, und dieser Tag wurde ein Tag des tragischen Endes, des Todes von mehr als 300 Menschen. Ich verurteile in besonderer Weise die Grausamkeit und die menschenverachtende Brutalität dieses Geschehens und sehe es deshalb als unsere Pflicht und Verantwortung an, der Opfer zu gedenken, um für eine Welt ohne Terror einzutreten. Deshalb bitte ich Sie, sich zu Beginn der 2. Plenarsitzung des 4. Thüringer Landtags im Gedenken an die Opfer des Terroranschlags von Beslan von Ihren Plätzen zu erheben und die unschuldigen Menschen mit einer Schweigeminute zu ehren, aber zugleich durch Ihr Gedenken ein Umdenken in der Welt zu erreichen.

Ich danke Ihnen.

Meine sehr verehrten Kollegen Abgeordneten, verehrte Regierungsvertreter, liebe Gäste, auch Thüringen hat in den letzten Tagen ein schwerer Verlust betroffen. Wir haben, Gott sei Dank, nicht einen solchen Verlust an Menschenleben zu beklagen, aber wir beklagen den Verlust an unwiderbringlich verloren gegangenen geistigen Schätzen und Werten, die der Brand der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar verursacht hat. Die Thüringer Kulturlandschaft, Weimar, das Unesco-Weltkulturerbe haben einen unersetz

lichen Verlust erlitten, der uns sehr schmerzt. Viele von uns haben den Zauber und die Faszination der Anna-Amalia-Bibliothek bei ihren Besuchen erlebt und sind besonders durch dieses Geschehen beeindruckt und betroffen. Ich muss Ihnen aber sagen, ich bin besonders beeindruckt von der großen Welle der Hilfsbereitschaft und Solidarität unserer Bevölkerung in Thüringen und weit darüber hinaus in Deutschland und hierfür bedanke ich mich im Namen des Thüringer Landtags recht herzlich. Ich bedanke mich insbesondere bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen, den Weimarer Bürgern und Feuerwehrleuten für ihren mutigen Einsatz in der Brandnacht. Hätten sie nicht beherzt und unter Zurückstellung der Risiken für die eigene Gesundheit viele Kunstgegenstände aus der brennenden Bibliothek gerettet, der Schaden wäre noch um ein Vielfaches größer. Jetzt geht es vor allem um den Wiederaufbau. Viele haben ihre Unterstützung zugesagt, viele sind den Spendenaufrufen bereits gefolgt. Das zeigt, wir stehen zusammen, wenn es darauf ankommt.

(Beifall im Hause)

Der Ministerpräsident Dieter Althaus hat einen Spendenaufruf verfasst, den viele andere auch unterzeichnet haben; neben Bernhard Vogel, Lothar Späth habe ich auch unterzeichnet. Ich möchte Sie deshalb, meine Damen und Herren, bitten, diesem Spendenaufruf zu folgen. Denken Sie daran: Jede Spende zählt die Anna-Amalia-Bibliothek wieder aufzubauen.

Meine Damen und Herren Abgeordneten, hohes Haus, ich möchte jetzt zur Tagesordnung der heutigen Sitzung übergehen, Sie aber zu Beginn noch darauf hinweisen, dass heute Abend ein parlamentarischer Abend stattfindet, zu dem das Universitätsklinikum Jena eingeladen hat. Ich bitte Sie recht zahlreich dieser Einladung zu folgen und sich davon zu überzeugen, wie modern dieses Krankenhaus in Jena aufgebaut worden ist, und sich auch von der Leistungskraft dieses Klinikums hier berichten zu lassen.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen ebenfalls mitteilen, dass der Ältestenrat gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung folgenden Medien eine Dauerarbeitsgenehmigung für die 4. Wahlperiode für Ton- und Bildaufnahmen im Plenarsaal erteilt hat: Es ist die

- TLZ - OTZ - ddp - BILD Thüringen - MDR Landesfunkhaus Erfurt - AP, Thüringen-Büro - alpha TV Gera

- ZDF Landesbüro Thüringen - Bildreporter Volker Hielscher - Gordon Schmidt (ebenfalls Bildjournalist) - Thomas Kalusa (freier Journalist für MDR 1 Radio Thüringen) - Andrea Terstappen (freie Journalistin) - DeutschlandRadio - dpa - die Zeitschrift Deutsche Polizei und - TA

Darüber hinaus habe ich aufgrund der Dringlichkeit gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung dem MDR 1 Radio Thüringen, Herrn Gerlach, sowie dem Dokumentationskanal "Phoenix" Genehmigungen für die heutige und die morgen stattfindende Plenarsitzung erteilt. Sollte es weitere Interessenten geben, mögen diese bitte einen Antrag an mich einreichen.

Wir kommen damit zum nächsten Punkt, zur Feststellung der Tagesordnung. Ich möchte Ihnen zur Tagesordnung folgenden Hinweis geben:

Zu TOP 1 a und b liegt Ihnen zwischenzeitlich ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen der CDU, PDS und SPD in Drucksache 4/90 vor. Gleichzeitig haben die Fraktionen der SPD und CDU ihre Anträge in Drucksache 4/71 und 4/75 zurückgezogen.

Ich muss Sie ebenfalls darauf aufmerksam machen, dass der gemeinsame Antrag nicht in der nach § 51 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu entnehmenden Frist, das heißt, Verteilung der Vorlage spätestens fünf Werktage vor Beginn der Beratung, verteilt werden konnte. Daher ist Fristverkürzung gemäß § 66 Abs. 1 Geschäftsordnung zu beschließen. Ich frage die Abgeordneten: Gibt es Einspruch gegen diese Fristverkürzung? Das ist offensichtlich nicht der Fall, dann ist diese Fristverkürzung beschlossen.

Ich möchte Ihnen ferner mitteilen, dass die Landesregierung angekündigt hat, zu den Tagesordnungspunkten 9, 10, 12 und 16 von der Möglichkeit eines Sofortsberichts gemäß § 106 Abs. 2 Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.

Ich frage die Abgeordneten: Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der von mir genannten Ergänzungen widersprochen? Abgeordneter Stauch.

Frau Präsidentin, für die Tagesordnungspunkte 12, 14 und 15 beantragen wir gemeinsame Aussprache und wir bitten um Einordnung morgen als Tagesordnungspunkt 1.

Gibt es weitere Anträge? Bitte.

Frau Präsidentin, für die Fraktion der SPD beantrage ich in Abänderung des eben gestellten Antrags der CDU-Fraktion die gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 12 und 15 und die Beibelassung der Tagesordnungspunkte 13 und 14.

Wir stimmen zuerst über den Antrag der CDU-Fraktion ab. Es war beantragt worden, dass die Tagesordnungspunkte 12, 14, 15 in einer gemeinsamen Aussprache behandelt werden. Wer ist für diesen Antrag? Das ist die übergroße Mehrheit. Damit werden diese Anträge in einer gemeinsamen Aussprache behandelt.

Ich lasse noch darüber abstimmen, dass diese beiden Tagesordnungspunkte morgen als erste behandelt werden. Wer ist für diesen Antrag? Das ist ebenfalls die Mehrheit im Hause. Damit werden die Punkte gemeinsam morgen beraten und als Erstes morgen aufgerufen.

Damit erübrigt sich die Abstimmung über den Antrag der SPD. Die Tagesordnung ist somit festgelegt.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 1

Bildung und Stärke der Fachausschüsse in der 4. Wahlperiode Antrag der Fraktionen der CDU, PDS und SPD - Drucksache 4/90

Wird eine Begründung durch einen der Einreicher gewünscht? Das ist nicht der Fall. Wird eine Aussprache gewünscht zu diesem Punkt? Das ist ebenfalls nicht der Fall. Dann stimmen wir über diesen Antrag ab. Wer ist für den Antrag? Den bitte ich ums Handzeichen. Wer ist gegen den Antrag? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen und die Ausschüsse können gebildet werden.

Wir kommen damit zu Tagesordnungspunkt 2

Immunität von Abgeordneten des Thüringer Landtags Antrag der Fraktionen der CDU, PDS und SPD - Drucksache 4/77

Wird eine Begründung gewünscht durch einen der Einreicher? Wird eine Aussprache gewünscht? Das ist nicht der Fall. Damit können wir über diesen Antrag abstimmen. Wer ist für den Antrag, den bitte ich ums Handzeichen. Wer ist gegen den Antrag? Wer enthält sich der Stimme? Damit ist dieser Antrag einstimmig angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 3

Übertragung von Zustimmungsvorbehalten für den Landtag nach der Thüringer Landeshaushaltsordnung (ThürLHO) auf den Haushalts- und Finanzausschuss Antrag der Fraktionen der CDU, PDS und SPD - Drucksache 4/80

Möchte eine Begründung gegeben werden? Das ist nicht der Fall. Wird Aussprache gewünscht? Das ist ebenfalls nicht der Fall. Dann stimmen wir auch über diesen Antrag ab. Wer ist für den Antrag? Danke. Wer ist gegen den Antrag? Enthält sich jemand der Stimme? Damit ist auch dieser Antrag einstimmig angenommen.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 4

Regierungserklärung des Ministerpräsidenten "Chancen nutzen - Zukunft gestalten" dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 4/79

Ich bitte den Ministerpräsidenten um die Regierungserklärung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der schon erwähnte Großbrand in der Weimarer Anna-Amalia-Bibliothek hat wertvolles Kulturgut zerstört und mehrere zehntausend Bücher beschädigt. Es ist aber dem selbstlosen Einsatz vieler Helfer zu verdanken, dass der Schaden nicht noch größer geworden ist. Dafür auch von dieser Stelle noch einmal meinen herzlichen Dank!

(Beifall im Hause)

Dieses Engagement zeigt einmal mehr: Die Bereitschaft, ohne zu zögern Hilfe zu leisten und damit auch Verantwortung zu übernehmen, ist in Thüringen sehr stark ausgeprägt. Diese erneute erfreuliche Erfahrung stimmt mich optimistisch. Mit dieser Einstellung werden wir auch die Probleme meistern, die in Thüringen noch vor uns liegen. Auch wenn wir schon viel geschafft haben, es bedarf noch einiger Anstrengungen, um dorthin zu kommen, wo wir hin wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dieser Regierungserklärung möchte ich den Kurs für die nächsten fünf Jahre abstecken. "Was sich bewährt hat, werden wir beibehalten, was nicht, werden wir ändern", habe ich am 8. Juli nach meiner Vereidigung gesagt. Die Strukturen unseres Landes stehen auf dem Prüfstand. Es sind Strukturen, die nach der "Wende" neu aufgebaut worden sind und die ihre Berechtigung hatten. Die aber jetzt - und nach veränderten Bedingungen - nicht mehr den Erfordernissen und auch nicht mehr den Erwartungen der Thüringerinnen und Thüringer an eine moderne, bürgernahe und effizient arbeitende Verwaltung gerecht werden. Es geht also darum, die vorhandenen Potenziale unseres Landes für mehr Wirtschaftswachstum und damit für mehr Arbeitsplätze zu stärken. Die hohe Arbeitslosigkeit ist nach wie vor unser drängendstes Problem. Wir werden es nicht von heute auf morgen und wir werden es schon gar nicht allein lösen können, aber wir werden unseren Beitrag zur Lösung leisten.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen das tun, was wir tun können, und das heißt: Wir müssen konsequent an der weiteren Verbesserung der Rahmenbedingungen arbeiten. Deshalb haben wir unsere Kräfte zu bündeln, den Haushalt zu konsolidieren und vor allem in die Bereiche zu investieren, die Zukunft bedeuten, d.h. Wirtschaft, Bildung und Familie.

Mit unserem Erneuerungsprogramm verfolgen wir mehrere Ziele: Wir wollen die öffentlichen Aufgaben überprüfen, den Regelungsbestand durchforsten, Wirtschaftsaspekte noch stärker betonen, mehr Bürgernähe schaffen, die Verwaltung verschlanken, Verwaltungsverfahren vereinfachen und neue Informationstechnologien besser nutzen. Wir wollen, dass Thüringen im Wettbewerb der Länder gut aufgestellt ist - zum Nutzen aller Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Thüringerinnen und Thüringer haben bei der Landtagswahl am 13. Juni 2004 die absolute Mehrheit der Unionsfraktion bestätigt

und PDS und SPD die Rolle der Opposition zugewiesen. Wir sehen das Votum der Wählerinnen und Wähler als Vertrauensbeweis, aber auch als Verpflichtung, die erfolgreiche Arbeit der vergangenen Jahre für die Menschen im Freistaat Thüringen fortzusetzen.

(Beifall bei der CDU)

Mein Kabinett und ich sind uns der Verantwortung bewusst, die damit verbunden ist, gerade in einer Zeit des Umbruchs, die Politik, Wirtschaft und Gesellschaft vor schwierige Herausforderungen stellt. Die öffentlichen Kassen von Bund, Ländern und Kommunen sind leer, auch in Thüringen. Aber wir sparen nicht nur um des Sparens willen. Wir sollten diese Situation als Chance begreifen veraltete Strukturen aufzubrechen und unser Land zu modernisieren. Eine Modernisierung, die auch dann notwendig wäre, wenn wir nicht sparen müssten.

Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern die Gestaltungsspielräume geben, die sie benötigen, um ihr Leben eigenverantwortlich in die Hand zu nehmen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für mehr Eigeninitiative und aktive Mitarbeit in unserem demokratischen Gemeinwesen. Diese Freiheit haben sich die Menschen in den jungen Ländern in der friedlichen Revolution von 1989 mutig erstritten. "Freiheit bedeutet Verantwortung; das ist der Grund, weshalb die meisten Menschen sich vor ihr fürchten", hat George Bernhard Shaw einmal gesagt. Ob es wirklich so ist? Aber natürlich stimmt es: Freiheit bedeutet Verantwortung. Und Verantwortung wird zu häufig nur als Belastung empfunden. Ein Leben in Freiheit zu führen bedeutet, die Verantwortung für das eigene Leben anzunehmen, sich zu entscheiden, für sich selbst zu sorgen, etwas Neues zu wagen, Chancen zu erkennen und mutig zu ergreifen, aber auch Risiken einzugehen und für Misserfolge einzustehen. All das kann auch negative Gefühle erzeugen, Gefühle von Angst und Unsicherheit. Die Thüringer Landesregierung nimmt die Sorgen der Menschen ernst, aber wir sagen auch deutlich, eine Mentalität, die durch ein ausgeprägt etatistisches Denken, durch ein Klammern an gescheiterte sozialistische Denkweisen gekennzeichnet ist, bringt uns in Deutschland nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)