Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und begrüße ebenfalls die Vertreterinnen und Vertreter der Medien recht herzlich.
Als Schriftführer hat neben mir die Abgeordnete Weißbrodt Platz genommen. Die Rednerliste führt die Abgeordnete Wolf.
Ich möchte Sie noch einmal an die Buchpräsentation erinnern, die wir in der Lobby aufgebaut haben vom quartus-Verlag. Heute Abend findet ein parlamentarischer Abend des VdK statt.
Gemäß Übereinkunft im Ältestenrat beginnen wir die heutige Plenarsitzung mit der Regierungserklärung des Kultusministers. Danach rufen wir entsprechend dem Beschluss bei der Feststellung der Tagesordnung den Tagesordnungspunkt 26 auf. Die Wahlen zu den Tagesordnungspunkten 29 und 30 werden wir nach der Mittagspause durchführen. Auf jeden Fall werden heute aufgerufen die Tagesordnungspunkte 24 und 28.
Zu TOP 26, Auswirkungen der Finanzmarkt- und Immobilienkrise auf Thüringen, wurde ein Alternativantrag der Fraktion der CDU in Drucksache 4/4509 verteilt.
Zu TOP 27, Aufnahme sozialer und ökologischer Kriterien im öffentlichen Beschaffungswesen Thüringens, wurde eine Neufassung verteilt.
Regierungserklärung des Kultus- ministers zum Thema „Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur in Thüringen“
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, Thüringen ist Bildungs- und Kulturland auf hohem Niveau. Einem solchen Land
Ich konnte ein wohlgeordnetes Ressort übernehmen und will eingangs noch einmal ausdrücklich von dieser Stelle aus meinem Vorgänger Prof. Goebel für seine geleistete Arbeit danken.
Ich werde Bewährtes fortsetzen und weiterentwickeln und ich werde auch aufgrund meiner pädagogischen Arbeit und meiner politischen Erfahrung eigene Akzente setzen. Vor allem aber werde ich mich dafür einsetzen, dass wir Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur unter drei Kriterien fortentwickeln:
Staat und Kultur - wie passt das zusammen? Dem Begriff „Kultur“ ist in Deutschland traditionell ein humaner, ins Ästhetische zielender, nicht selten apolitischer Sinn zu eigen. In der deutschen Klassik ist Kultur wesentlich individuelle Bildung und Reifung. Damals war der Begriff Kultur individualisiert und vom Politischen abgehoben. Damals wurde Kultur mit individueller Bildung gleichgesetzt. Erst im 18. und 19. Jahrhundert hat der Staat die früheren kirchlichen Kulturaufgaben übernommen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland hat Klarheit geschaffen und drei wesentliche Eckpunkte gesetzt; zum einen die Zuweisung der wesentlichen innerstaatlichen Kulturaufgaben an die Länder, also das Prinzip der Kulturhoheit der Länder, zum Zweiten - Kunst ist frei, so wie Wissenschaft, Forschung und Lehre und zum Dritten den Verzicht auf ein materielles Kulturideal. Der Staat, konkret die Länder, haben treuhänderische Funktion gegenüber autonomen Kulturträgern. Sie haben die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die freien Bürger, die Vereine und Verbände ihren kulturellen Auftrag erfüllen können. Die Föderalismusreform hat die Kulturhoheit der Länder, deren kulturelle Kompetenzen bestätigt und gestärkt. Das ist gut so, denn mit dem Zentralismus haben wir keine guten Erfahrungen gemacht. Der freiheitliche Staat ist Garant der Freiheit der Kunst und der Kultur, der freiheitliche Staat, der schützende und pflegerische Aufgaben der Kultur übernimmt, ansonsten aber eine neutrale Position in inhaltlichen Fragen der Kunst und Kultur bezieht. Kunst ist frei, so will es das Grundgesetz und so wollen wir es. Für mich als Kultusminister ist Kultur kein Ornament, sondern Fundament nachhaltiger Gestaltung die Kultur fördernder und stimulierender
Rahmenbedingungen. Kunst als edelste Form der Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit braucht Freiraum. Kultur kann sich nur in einem Klima der Freiheit und Vielfalt entfalten. Staatsmonopolismus erstickt Kultur. Wer Antworten auf die Herausforderungen der Wissensgesellschaft geben will, muss bei Kultur, Bildung und Wissenschaft ansetzen. Ohne Kultur entsteht keine Bildung, ohne Bildung wächst keine Kultur und wir brauchen die Bildung in Naturwissenschaften und in Sprachen genauso wie die musische, literarische und künstlerische Bildung. Ich trete ein für eine freiheitliche Kulturpolitik, die Bedingungen für die freie Entfaltung kreativer künstlerischer Begabungen schafft. Kultur ist Sache aller Bürger, nicht das Privileg einiger Kunstschaffender.
Ich sehe es als Aufgabe staatlicher Kulturpflege an, Anreize zur schöpferischen Entfaltung zu schaffen und schöpferische Impulse unter Anerkennung uneingeschränkter Freiheitsräume ideell und materiell zu fördern. Pluralismus ist für mich ein entscheidendes Kriterium freiheitlicher Kulturförderung. Das ist mein Kulturverständnis, welches doktrinäres und ideologisches Denken ausschließt. Davon, sage ich ausdrücklich, hatten wir 40 Jahre lang genug.
Sein kultureller Reichtum verleiht dem Freistaat Thüringen zweifelsohne ein gewisses Alleinstellungsmerkmal unter den Ländern der Bundesrepublik Deutschland. Wohl kein anderer Flächenstaat verfügt in einer solch hohen Verdichtung über so beeindruckende Monumente der Kultur-, Kunst- und Geistesgeschichte. Allein in Weimar konzentrieren sich zwei Stätten des UNESCO-Kulturerbes. Die gerade begonnene Luther-Dekade wird bis zum Jahre 2017 auch die dritte Thüringer Weltkulturerbestätte, die Wartburg, wieder in den Fokus des öffentlichen Interesses rücken. Es sind dies die kulturellen Leuchttürme, deren nationaler und internationaler Rang hier vor diesem Haus sicherlich keiner ausführlichen Betonung bedarf. Im Blaubuch der kulturellen Leuchttürme der fünf neuen Länder wird ihnen die Rolle von Orientierung zugewiesen - ich zitiere: „die über den Standort hinaus von ferne wahrnehmbar und richtungsweisend sind.“ Doch wären die nachhaltigen kultur- und geistesgeschichtlichen Impulse, die von Thüringen ausgingen, allein mit den Namen Goethe, Schiller, Luther und Herder, Bach, den Welterbestätten Wartburg und Bauhaus nur unzureichend beschrieben. Es soll hier nur mit gebotener Kürze in Erinnerung gebracht werden, dass beispielsweise das Wort „Kindergarten“ als Lehnwort in das Englische, die Lingua Franca des Informationszeitalters, Eingang fand und dessen Schöpfer Friedrich Fröbel der bedeutende pädagogische Reformer im thüringischen Bad Blankenburg gewirkt hat, oder die Erziehungsanstalt Schnepfenthal, an der im 18. und 19. Jahrhundert mit Johann Christoph Friedrich GutsMuths und Christian Gotthilf Salzmann zwei weitere
Wegbereiter der modernen, ganzheitlich orientierten Pädagogik wirkten. Das in Jena von Peter Petersen entwickelte Konzept der Jenaplan-Schule gewinnt heute neue Aktualität. Es wirkte und wirkt als weltweiter Reformansatz. Reformpädagogik erlebt heute wieder eine Renaissance, nicht nur bei uns in Thüringen.
Wenn ich damit die Vielfalt kultureller Erinnerungsorte in Thüringen und die von hier in die Welt ausstrahlenden Ideen in groben Strichen skizziere, so darf dies nicht allein nur quantitativ bilanziert werden, denn ebenso sehr wie bedeutende Geister des Humanismus haben hier auch dessen größte Feinde symbolhaltige Spuren hinterlassen. Hier wird die Janusköpfigkeit der Geschichte sichtbar. Wenn wir uns der deutschen Geschichte mit all ihren Licht- und Schattenseiten stellen, dann müssen auch die Gedenkstätte Buchenwald und die Erinnerungsorte der deutschen Teilung erwähnt werden. Im nächsten Jahr begehen wir sowohl den 250. Geburtstag Friedrich Schillers als auch in den Thüringer Schulen das Jahr der Demokratie, 20. Jubiläum der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR. Wir gedenken aber auch 70 Jahre seit Beginn des Zweiten Weltkriegs. Schiller, der Idealist der Freiheit, und das KZBuchenwald als historisch singuläre Negation des Freiheitsbegriffes - die Erinnerungsstätten an diese entgegengesetzten Pole des Humanismus und der Barbarei konzentrieren sich hier in Thüringen auf engstem Raum.
Das nächste Jahr, 2009, wird ein Jahr des historischen Gedenkens. Wir feiern das 90. Jubiläum der Weimarer Verfassung und 90 Jahre Weimarer Bauhaus. Zum 60. Mal jährt sich die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, aber auch jene der DDR. Mit dem Gedenken an den 20. Jahrestag der friedlichen Herbstrevolution in der DDR wird die Erinnerung an die Überwindung der deutschen Teilung wachgehalten. Mit diesem kursorischen Bezug auf die Kultur- und Geistesgeschichte, auf die historischen Ursprünge bis heute tragender pädagogischer Konzepte sowie auf nationale Symbole der politischen Erinnerungskultur habe ich zugleich die Spannbreite des von mir geleiteten Ressorts umrissen. Es pflegt unser kulturelles Erbe und gestaltet zugleich die Zukunft unserer Jugend mit und es bietet mit seinem Zuschnitt die Chance, aus der Verpflichtung dieses Erbes zugleich Impulse für die Zukunft abzuleiten, im Wissen um das Vergangene Zukünftiges verantwortungsvoll zu gestalten.
Von der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung über das Schulwesen, die Hochschulen, die Forschung bis hin zur Erwachsenbildung und Kultur waren äußerst vielfältig die Eindrücke und Anregungen, die ich seit meinem Amtsantritt als Thüringer Kultusminister gewonnen habe. So oft wie nur mög
lich bin ich den Einladungen von Kultur- und Bildungseinrichtungen, von Kindertagesstätten, Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen, Ausbildungsbetrieben, von Vereinen und Gesellschaften gefolgt, um mir vor Ort ein authentisches Bild von den Leistungen der dort Tätigen zu machen. Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern, den Bediensteten der Denkmalbehörden, Archive, Forschungseinrichtungen und Hochschulen, aber auch den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, ihnen allen gilt mein Dank dafür, dass wir heute mit Fug und Recht sagen können, der Freistaat Thüringen hat sich als Bildungs-, Forschungs- und Kulturland weiter erfolgreich profiliert.
Doch wir werden uns auf dem einmal Erreichten nicht selbstzufrieden ausruhen. Mit dem Leitmotiv „Bildung braucht Kultur - Kultur braucht Bildung“ möchte ich neue Akzente in der Kultur- und Bildungspolitik des Freistaats Thüringen setzen. Wir werden eine hohe Kulturquote halten. Die Erhaltung und Fortentwicklung einer der eindrucksvollsten deutschen Kulturlandschaften stellt eine Herausforderung dar, die, so ehrenvoll sie auch ist, natürlich nur in Abhängigkeit von der gesamtwirtschaftlichen Lage bewältigt werden kann.
Der im September dieses Jahres veröffentlichte Kulturfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes weist den Kulturausgaben des Freistaats Thüringen einen Spitzenplatz im Ranking aller deutschen Länder zu. Die Landesregierung wird sich auch künftig an dieser hohen Kulturquote von 1,3 Prozent orientieren, um das Renommee unseres Freistaats als Kulturland mit weltweiter Ausstrahlung zu sichern und weiterzuentwickeln. Laut Kulturfinanzbericht 2008 beliefen sich die Kulturausgaben aller deutschen Bundesländer im Jahr 2005 durchschnittlich auf rund 85 € je Einwohner. In Thüringen waren es dagegen deutlich überdurchschnittliche 101 € je Einwohner. Das meiste Geld gab der Freistaat für Theater und Musik aus. Der Anteil dieser beiden Sparten an der gesamten Kulturfinanzierung betrug 2005 über 47 Prozent. Hier liegt Thüringen nach Berlin und Bremen an dritter Stelle und unter den Flächenländern sogar an erster Stelle. Auch aus diesen Zahlen wird deutlich, dass Thüringen von allen deutschen Flächenländern das dichteste Netz an Theatern und Orchestern besitzt. Kulturförderung bedeutet jedoch nicht nur Ausbau der kulturellen Leuchttürme oder die Konzentration auf die Kultur- und Wissenschaftszentren unseres Landes. Sowohl Hochkultur als auch Alltagskultur, Förderung an der Spitze und Breite, in Zentrum und Fläche war und ist Grundanliegen der Kulturpolitik des Freistaats.
Wir modernisieren die Bibliotheken. Die Förderung der öffentlichen Bibliotheken über die Schlüsselzuweisungen des Kommunalen Finanzausgleichs haben wir auf eine neue Grundlage gestellt, um den Kommunen mehr Eigenverantwortung und Gestaltungsspielräume zu eröffnen. Daneben steht jedoch nach wie vor die Förderung verschiedener Einzelprojekte sowie der Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken als Institution. Im Jahr 2008 wird der Ausbau der örtlichen Mittelpunktsbibliotheken zu regionalen Bibliothekszentren beispielsweise mit 235.000 € gefördert. Das Projekt „Thüringen liest“ der Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken erhält eine Zuwendung in Höhe von 18.500 €. Mit der Finanzierung des digitalen Bibliotheksportals in Höhe von 40.000 € wird dem Medienwandel in den Nutzungsgewohnheiten der Bibliotheksbenutzerinnen und -benutzer Rechnung getragen. Das sind zwar bescheidene Summen, aber dies ist sehr sinnvoll angelegtes Geld. Deshalb an dieser Stelle noch einmal: Bildung braucht Kultur und Kultur braucht Bildung. Unsere öffentlichen und wissenschaftlichen Bibliotheken sind entscheidende Multiplikatoren für die Umsetzung dieses Anliegens.
Mit dem Thüringer Bibliotheksrechtsgesetz vom 16. Juli 2008 hat der Freistaat Thüringen eine nationale Vorreiterrolle in der Bibliotheksgesetzgebung übernommen. Es ist das erste derartige Gesetz in Deutschland. Bibliotheken als unverzichtbare Elemente des Bildungskanons wurden damit in den Gesetzesrang erhoben und das neue Gesetz selbst wird bereits mit Leben erfüllt.
Neben den bereits genannten Fördermaßnahmen konnte sich die Burg Ranis seit dem Frühjahr 2008 als eine Art Literaturakademie des Freistaats profilieren. Dies geht auf die gelungene Kooperation zwischen der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten und dem Verein Lesezeichen zurück. Für qualifizierte Nachwuchsautoren hat das Thüringer Kultusministerium das Harald-Gerlach-Stipendium ausgelobt, das im Frühjahr 2009 erstmals vergeben wird.
Wir werden die Museen aufwerten. Für die Museen unseres Landes zeugt eine Besucherzahl von vier Millionen im Jahr 2007 von einer kreativen und erfolgreichen Arbeit. Mehrere Ausstellungen haben sich als regelrechte Besuchermagnete mit überregionaler Ausstrahlung erwiesen. So können die CamilleClaudel-Ausstellung im Kunsthaus Apolda Avantgarde bereits 2006, die im vorigen Jahr eröffnete Ausstellung „Rococo en miniature“ des Landesmuseums Heidecksburg in Rudolstadt sowie die 3. Thüringer Landesausstellung „Elisabeth von Thüringen - eine europäische Heilige“ 2007 als Einzelbeispiele für viele aufgeführt werden. Es waren und sind dies Projekte in unterschiedlicher Trägerschaft, Thematik und zeitlicher Dimension, doch stehen sie gerade
in dieser Differenziertheit für die Vielgestaltigkeit, die eben auch unsere Thüringer Museumslandschaft prägt.
Ich betrachte es als einen Schwerpunkt meiner Arbeit, dass die Förderung unserer Museen zukünftig größeres Gewicht bekommt. Wir wollen in Zusammenarbeit mit den Kommunen und anderen Museumsträgern die Voraussetzungen für neue Höhepunkte im Ausstellungskalender des Landes schaffen. Einer dieser Höhepunkte wird im kommenden Jahr ganz sicher durch das 90jährige Gründungsjubiläum des Weimarer Bauhauses markiert.
Der Schlussbericht der Enquetekommission „Kultur in Deutschland“ des Deutschen Bundestags hat im Dezember 2007 für die deutschen Museen und Ausstellungshäuser weit gefasste Empfehlungen ausgesprochen. Die Landesregierung wird zu deren Umsetzung das in ihrem rechtlichen Kompetenzrahmen und finanziellen Möglichkeiten Stehende beitragen, denn Museen sind nicht nur touristische Anziehungspunkte und kulturelle Beigaben zu einem gelungenen Erholungsaufenthalt - so wichtig diese Zielstellung für sich genommen auch ist. Unsere Museen, und hier meine ich vor allem die mit landes-, regional- und lokalgeschichtlichem Bezug, erbringen einen unverzichtbaren und ganz spezifischen Beitrag zur historischen und kulturellen Bildung. Sie können und sollen in einem Zeitalter supranationaler Zusammenhänge und Strukturen die Bindung der Menschen, vor allem aber der Jugend, an ihre engere Heimat stärken und damit zur Herausbildung regionaler Identität beitragen. Wir haben zukunftsfähige Strukturen für Theater und Orchester. Die bis zum Jahr 2012 festgeschriebene Landesfinanzierung der Theater und Orchester ist Voraussetzung für die Herausbildung zukunftsfähiger Strukturen in diesem Bereich und verleiht den beteiligten Partnern Planungssicherheit.
Es sei in diesem Kontext noch mal an das in Thüringen bundesweit einmalige dichte Netz von Theatern und Orchestern erinnert. Rund 60 Mio. € stellt der Freistaat jährlich für deren Finanzierung zur Verfügung und beweist damit, dass sich die Landesregierung der außerordentlichen Rolle der Theater in unserer Kulturlandschaft in besonderer Weise bewusst ist. Durch Schwerpunktbildung und Vernetzung soll die historisch gewachsene Vielfalt der Thüringer Theatertopographie weiterentwickelt werden. An jedem Theaterstandort wird durch überregionale Kooperationen zwischen den einzelnen Spielstätten auch künftig auf ein Drei-Sparten-Angebot zurückgegriffen werden können. Dabei ist die herausgehobene Position Weimars in kultureller und kulturpolitischer Hinsicht zu beachten. Sie stellt eine his
torische Gegebenheit dar und ist damit konstitutiv für die Profilierung unseres Landes im europäischen Rahmen und darüber hinaus. Weimar ist die Kulturhauptstadt Thüringens, ein überregional und international ausstrahlender Ort, ein Leuchtturm in der nationalen Kulturlandschaft. Aus diesem Grund hat das Land ab Januar 2008 beim Deutschen Nationaltheater Weimar eine Trägerverantwortung übernommen, die auch den finanziellen Gegebenheiten entspricht. Neben der Finanzierung des laufenden Betriebes haben auch die baulichen Investitionen in Theaterspielstätten eine angemessene Landesförderung erfahren. Für die abgeschlossenen Maßnahmen im DNT Weimar - Staatstheater Thüringen und den Theatern in Erfurt sowie in Gera hat mein Ressort zwischen 1995 und 2007 insgesamt 83,8 Mio. € an Fördermitteln zur Verfügung gestellt. Diese Förderung wird bei den laufenden Investitionsmaßnahmen im Theater Meiningen und dem DNT Weimar - Staatstheater Thüringen fortgesetzt. Insgesamt hat das Land zwischen 1993 und 2008 für Investitionen in Theater 98,4 Mio. € bereitgestellt, wobei der Kreis der Zuwendungsempfänger neben den institutionell geförderten Bühnen auch kleinere Theater einschließt.
Wir stärken Erinnerungskultur und Geschichtsbewusstsein. Eine ganz besondere Aufgabe bei der Herausbildung von Erinnerungskultur und Geschichtsbewusstsein nehmen die zeithistorischen Gedenk- und Erinnerungsstätten sowie Aufarbeitungsinitiativen wahr. Der immer wieder vorgebrachte Imperativ „Aus der Vergangenheit für die Zukunft lernen“, aus dem Studium der beiden deutschen Diktaturen zwischen 1933 und 1989 das Bekenntnis zu einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzuleiten, dies bildet den verantwortungsvollen Wirkungsrahmen dieser Einrichtungen.
An erster Stelle soll hier die erfolgreiche und auch international hoch anerkannte Arbeit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora genannt werden. Sie steht beispielhaft für eine reflektierte und wegweisende Erinnerungskultur. Im vergangenen Jahr wurde ihr durch die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ die große Aufgabe anvertraut, mit einem Finanzvolumen von 4 Mio. € eine internationale Wanderausstellung zur Geschichte und Nachgeschichte der NS-Zwangsarbeit zu erarbeiten. Am 22. Oktober 2008 wird die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora mit dem Museumspreis der Sparkassenkulturstiftung Hessen-Thüringen ausgezeichnet. Bereits im Jahr 2005 war der Museumsneubau von der Architektenkammer Thüringen im Rahmen des Architekturpreises mit einer Anerkennung prämiert worden. Jährlich mehrere hunderttausend Besucher aus aller Welt nehmen die Ausstellungs- und Bildungsangebote in Weimar-Buchenwald und Nordhausen in Anspruch, darunter mit
deutlich steigender Tendenz Schüler- und Jugendgruppen. Keine andere Tatsache markiert wohl so klar den Stellenwert der Gedenkstättenarbeit für die politische Bildung und Demokratieerziehung. In der Gedenkstätte Buchenwald konnte kürzlich das zweite Haus der Jugendbildungs- und Begegnungsstätte eingeweiht werden.
Die Erinnerung an die Zeit der deutschen Teilung und den repressiven Charakter des SED-Regimes wird in den Grenzlandmuseen und zahlreichen Aufarbeitungsinitiativen wachgehalten. Im März dieses Jahres wurde die hessisch-thüringische Point-AlphaStiftung gegründet, die sich eine Fortentwicklung des Grenzmuseums Rhön zum Lern- und Gedenkort für die Geschichte des kalten Krieges zum Ziel gesetzt hat. Der Freistaat Thüringen wird im Jahr 2009 in deren Stiftungsvermögen einen Beitrag in Höhe von 4 Mio. € einbringen. Wo fände sich für diese Stiftung ein besser geeigneter Ort als hier im hessisch-thüringischen Grenzland, wo sich über vier Jahrzehnte hinweg die Vorposten von NATO und Warschauer Pakt gleichsam Auge in Auge gegenüberstanden. Heute sind die Grenzmuseen Point Alpha in Teistungen, Schifflersgrund und Mödlareuth symbolhaltige Zeitzeugnisse der unmittelbaren Konfrontation zweier politischer Systeme.
Die Zukunft der Aufarbeitungsinitiativen und Geschichtswerkstätten, die sich der Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit widmen - beispielhaft genannt seien hier die Geschichtswerkstatt Jena, das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte in Jena und die Gedenk- und Begegnungsstätte im Torhaus Gera -, muss durch eine stärkere Vernetzung und Koordinierung gesichert werden. Es wird angestrebt, hierfür den Aufgabenkreis der Stiftung Ettersberg um die Wahrnehmung bestimmter zentraler Koordinierungsfunktionen zu erweitern. Eine besondere Bedeutung in diesem Kontext besitzt die ehemalige Untersuchungshaftanstalt des MfS in der Andreasstraße in Erfurt. In unmittelbarer Nähe des historischen Stadtkerns von Erfurt wird hier der repressive Charakter des SED-Staates besonders sichtbar und setzt damit ein Zeichen gegen eine Verklärung dieses Systems. Gegenwärtig diskutieren wir über die von einer unabhängigen Expertenkommission erarbeitete Empfehlung für ein wissenschaftlich etabliertes Trägermodell einer künftigen Erinnerungs-, Gedenk- und Lernstätte Erfurt Andreasstraße. Auch wird am Ende dieser Diskussion eine Lösung stehen, welche die historische Gebäudesubstanz mit modernen ausstellungstechnischen und didaktischen Elementen kombiniert, so die Würde der Opfer wahrt und zugleich der Jugend ein Lernen aus der Vergangenheit ermöglicht.
Wir werden die Staatsarchive modernisieren. Historische Erinnerung gewinnt durch ihre Ausrichtung an schriftlichen Quellen an wissenschaftlicher Kontur und wäre ohne den Fundus der Archive nicht möglich. Das Thüringische Hauptstaatsarchiv in Weimar und die fünf Staatsarchive in Altenburg, Gotha, Greiz, Meiningen und Rudolstadt fungieren als archiv- und geschichtswissenschaftliche Kompetenzzentren in ihren jeweiligen örtlichen Zuständigkeitsbereichen. Sie erfassen, bewerten und erschließen die Unterlagen, die aufgrund ihres rechtlichen oder wissenschaftlichen Wertes für die dauerhafte Aufbewahrung bestimmt werden. Jenseits manch gängigen Klischees sind Archive lebendige Einrichtungen, die sich den technischen Herausforderungen des digitalen Medienbruchs in der Informationsüberlieferung stellen müssen. Sie arbeiten eng mit den örtlichen Forschungs- und Bildungseinrichtungen zusammen. Immer mehr Schülerinnen und Schüler machen in ihnen ihre ersten Erfahrungen mit historischen Primärquellen, gewinnen aus dieser Perspektive einen ganz neuen Blick auf die Geschichte und werden zu weitergehenden Untersuchungen angeregt.
Das Thüringer Kultusministerium wird in den nächsten Jahren in den Staatsarchiven die Arbeitsbedingungen sowohl für die Mitarbeiter als auch die Benutzer verbessern. Wir sichern den hohen Stellenwert von Denkmalpflege und Archäologie. Ebenso wie in den Archiven werden im Bereich der Denkmalpflege und Archäologie historische Sachzeugnisse und Kunstschätze erhalten sowie öffentlich zugängig und sichtbar gemacht. Mit dem jüdischen Goldschatz in Erfurt, den ich kürzlich sogar in New York präsentieren durfte, und den Grabungsstätten in Bilzingsleben und Weimar-Ehringsdorf sind in den letzten Jahren herausragende archäologische Funde erschlossen worden. Mit der Errichtung des Thüringischen Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie aus zwei vormals selbstständigen Einrichtungen konnte die Handlungsfähigkeit der Denkmalfachbehörde des Freistaats gestärkt werden.
Das novellierte Denkmalschutzgesetz aus dem Jahre 2006 vermittelt zwischen dem Anspruch der Öffentlichkeit auf die Erhaltung von Bau- und Bodendenkmalen und den Interessenten privater Denkmaleigentümer.
Von 2004 bis 2007 hatte Thüringen die Präsidentschaft des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz inne. Seit 1990 beliefen sich die Investitionen des Freistaats Thüringen in den Denkmalschutz auf ca. 520 Mio. €. Insgesamt rund 16 Mio. € stellt das Land in den Jahren 2008/2009 für die Denkmalpflege bereit. Diese Landesmittel wurden in den vergangenen vier Jahren noch durch 17 Mio. €
aus Fördermitteln der Europäischen Union komplettiert. Im EU-Förderzeitraum 2007 bis 2013 stehen für 11 Thüringer Vorhaben insgesamt 26 Mio. € zur Verfügung. Davon sind 19 Mio. € EFRE-Mittel, 7 Mio. € kommen von Bund, Land und Kommunen. Diese Investitionen fließen in eine Denkmallandschaft, deren Vielgestaltigkeit und räumliche Dichte ebenfalls den Charakter Thüringens als Kulturland mit prägt.