Ekkehard Klug

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Last Statements

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die totale Uneinheitlichkeit der Sozialstaffelregelungen in Kindertageseinrichtungen ist wirklich ein großes Ärgernis in diesem Land.
Der Landesrechnungshof hat das Problem anhand mehrerer Musterfälle deutlich gemacht. Bei einer alleinerziehenden Mutter wichen die Bedarfsgrenzen bis maximal 430 € pro Monat voneinander ab. Beim anrechenbaren Einkommen betrug der Unterschiedsbetrag bis zu 355 € pro Monat. In allen berechneten Musterfällen ergaben sich trotz gleicher persönlicher und wirtschaftlicher Verhältnisse je nach Wohnort Ermäßigungen bei den Kindergartengebühren zwischen 0 % und 100 %. Dass die Frage, in welchem Umfang soziale Ermäßigungen gewährt werden, so massiv von der Postleitzahl abhängt, die man zufälligerweise hat, das kann einfach nicht sein.
Man kann diesen Befund wirklich nur als Bankrott sozialdemokratischer Bildungs- und Familienpolitik bezeichnen. Es sind sozialdemokratische Kabinettsmitglieder gewesen, die seit Jahren für dieses Thema zuständig waren
bis vor Kurzem jedenfalls.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Sozialdemokraten, das kann ich Ihnen nicht ersparen. Wir Liberalen teilen jedenfalls die Empfehlung des Landesrechnungshofs, künftig eine einheitliche Bedarfsgrenze verbindlich im Kita-Gesetz festzulegen und dabei auch 100 % der Regelsätze nach § 28 SGB XII anzusetzen.
Dass die SPD-Fraktion noch rasch im Ausschuss eine Antragsvorlage dazu eingebracht hat, ist - wie ich finde - aus mehreren Gründen bemerkenswert. Schließlich waren es die Sozialdemokraten selbst, die damals in der Koalition mit den Grünen zum 1. Januar 2005 eine Gesetzesbestimmung eingeführt haben, wonach den Kreisen eine Absenkung auf 85 % der SGB-XII-Regelsätze ermöglicht wor
den ist. Nun hat sich bei Ihnen die Einsicht durchgesetzt, dass das zu einem echten Problem führt allerdings recht spät.
- Die FDP-Fraktion stimmt dem Antrag Ihrer Fraktion, lieber Herr Kollege Hentschel, zu,
auch wenn wir nach wie vor - wir haben das Thema ja im Bildungsausschuss diskutiert - der Auffassung sind, dass es bei einer Reihe von Punkten, zum Beispiel bei der Finanzierung, aber auch bei einigen weiteren Aspekten, die der Landesrechnungshof in seinem Schreiben an den Landtag angesprochen hat, noch Klärungsbedarf gibt. Wir wollen uns aber nicht nachsagen lassen, wir seien gegen eine Vereinheitlichung der Sozialstaffelregelung, denn diese haben wir immer angestrebt. Aber die Materie ist nicht so einfach, wie manche das hier suggerieren wollten, und es sind noch einige Details zu klären. Das, was Sie beantragen, bedeutet, dass die geforderte Neuregelung im Hinblick auf die Sozialstaffel zum Kindergartenjahr 2010/2011, also erst in knapp einem Jahr, in Kraft tritt.
Zu den Hinweisen des Rechnungshofs will ich noch Folgendes sagen: Der Landesrechnungshof weist darauf hin, dass es landesweit sehr uneinheitliche Bestimmungen zu den Geschwisterermäßigungen gibt; diesen Punkt haben Sie gar nicht angesprochen. Bei den Geschwisterermäßigungen, also bei den Ermäßigungen für das zweite oder dritte Kind, gibt es in den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten teils einkommensabhängige, teils einkommensunabhängige Regelungen und teils Mischformen. Daraus folgt - wie der Landesrechnungshof festgestellt hat -, dass die Ermäßigungen für das zweite Kind gegenwärtig von Ort zu Ort zwischen 10 % und 70 % schwanken. Das ist nicht nachvollziehbar, und das ist ein Themenkomplex, den man in einer solchen Reform eigentlich mit angehen müsste.
Ich halte die Überlegung aus dem Bildungsausschuss für sinnvoll, dass wir als Gesetzgeber, der gefordert ist, weil es um die Änderung des Kindertagesstättengesetzes geht, uns in das Gespräch mit den kommunalen Landesverbänden und den Wohlfahrtsverbänden einschalten sollten. Wir sollten die Sache also nicht ausschließlich der künftigen Re
gierung überlassen. Aus den von mir angesprochenen Gründen werden wir Ihrem Antrag allerdings zustimmen, auch wenn wir wissen, dass in der nächsten Wahlperiode noch einiges zu vervollständigen ist.
Herr Kollege Hentschel, wie ist eigentlich das, was Sie eben ausgeführt haben, in Einklang zu bringen mit dem Antrag auf Auflösung des Landtags, den die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Ihrer Unterschrift doch mit eingebracht hat, über den wir am Montag abgestimmt haben? Das verstehe ich nicht ganz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Einrichtung von Campuszentren in Kiel und Lübeck ist aus Sicht meiner Fraktion eine sinnvolle Entwicklung im Bereich des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein. Die FDP-Fraktion begrüßt diese Entwicklung nicht nur deshalb, weil dadurch der Weg zu einer mittelfristig von uns angedachten Defusionierung des UK S-H erleichtert wird. Wie Sie alle wissen, befürworten wir die Umwandlung der Universität Lübeck in eine Stiftungsuniversität, die dann natürlich ihr eigenes Klinikum erhalten müsste.
Abgesehen von dieser Zukunftsperspektive halten wir es ohnehin für unabdingbar, dass so große Klinikkomplexe, wie sie beim UK S-H an beiden Standorten existieren, vor Ort über eigene Managementkompetenz verfügen. Die Bildung der Campuszentren ist ohnehin eine sinnvolle Sache. Es war ja schon seit Jahren beim UK S-H eines der wesentlichen Probleme, dass der Vorstand mit operativen Managementaufgaben schlicht und ergreifend überlastet gewesen ist. Das haben die Spatzen wirklich von allen Klinikdächern gepfiffen. So konnte man von Hochschulmedizinern hören, man müsse dem Vorstand morgens um acht Uhr bei Dienstbeginn quasi vor der Bürotür auflauern, wenn es darum gehe, eine rasche Vorstandsentscheidung herbeizuführen, die dringend nötig sei, um etwa eine sechsstellige Summe an Drittmitteln für Forschungsprojekte zu sichern, um zu verhindern, dass dieses Geld der Hochschulmedizin in Kiel oder Lübeck durch die Lappen gehen würde.
Allzu viele Einzelvorgänge häuften sich auf den Schreibtischen des UK S-H-Vorstands - so war immer wieder zu hören -, der wegen seiner Überlastung im operativen Geschäft kaum noch genügend Zeit für wesentliche strategische Führungsaufgaben hatte.
Staatssekretär de Jager hat diesen Sachverhalt in seinem Schreiben vom 13. Juli an den Bildungsausschuss in aller Offenheit dargelegt:
„Das Unternehmen UK S-H weist derzeit eine deutlich zu schwach ausgeprägte betriebswirtschaftlich orientierte Unternehmenskultur auf … Die Führungsarbeit des Vorstands ist zu einem erheblichen Teil durch Fragen des operativen Geschäftsbetriebs belegt.“
Zu den neuen Campuszentren heißt es dann weiter:
„Die vorgesehene Zentrumsstruktur weist die operative Steuerung der Abteilungen (Klini- ken und Institute) den Leitungen der Zentren zu. Dadurch werden beim Vorstand des UK S-H mehr Kapazitäten für die strategische und die übergreifende operative Steuerung, die Entwicklung und regelmäßige Überprüfung der Strategie, die Definition der Unternehmens- und Wirtschaftsziele, die Repräsentation des UK S-H nach außen und den Aufbau von Kooperationen und Netzwerken mit externen Partnern frei. Die neue Struktur unterstützt maßgeblich die nachhaltige Sicherung des Sanierungsprozesses.“
Da bleibt eigentlich nur die Frage: Warum nicht gleich so?
Im Übrigen ist noch zu sagen: Im Nachhinein erweist sich das große Theater aus dem vorigen Jahr um die prestigeträchtige Frage des UK S-H-Verwaltungssitzes als ein klassischer „AustermannBöller“. Jedenfalls ist es geradezu witzig, was man vor etwa vier Wochen in den „Lübecker Nachrichten“ lesen konnte: Da schwankte die Zahl der nach Lübeck umgesiedelten Mitarbeiter zwischen 26 - so die offizielle Angabe - beziehungsweise 16 - so die Rechnung der Personalräte, die außerdem erklärten, acht dieser 16 Neu-Lübecker hätten nur an zwei Wochentagen Präsenzpflicht in Lübeck. Von der ursprünglichen Zahl von 160 Umsiedlern ist schon lange nicht mehr die Rede gewesen.
Meine Damen und Herren, kurz noch ein bisschen Wasser in den Wein: Wenn Sie in den diesjährigen Bericht des Landesrechnungshofs blicken, werden Sie dort eine sehr kritische Äußerung zu den eigentlich noch 22 Millionen € versteckten Defizitbeträgen finden, die quasi noch in dem Problemkomplex Universitätsklinikum schlummern. 22 Millionen € - so der Landungsrechnungshof - werden aus
dem Budget für Forschung und Lehre jährlich zweckentfremdet und ausgekoppelt zur Deckung von Defiziten in der Krankenversorgung. Das ist ein ernsthaftes Problem, weil dieses Geld für Forschungsaufgaben in einem erheblichen Umfang nicht mehr zur Verfügung steht.
Was den Antrag der Grünen betrifft - wir stimmen ihm ausdrücklich zu. Wir halten ihn für vernünftig. Man wird sich sehr genau ansehen müssen, ob es bei den geplanten Privatisierungsvorhaben darum geht, einen Einmalbetrag zu erwirtschaften, damit man im Jahr 2010 formal schwarze Zahlen verkünden kann, aber vielleicht in den fortlaufenden Jahren registrieren muss, dass man zu höheren Preisen Dienstleistungen wird einkaufen müssen, die den laufenden Geschäftsbetrieb belasten. Das ist ein Thema, das wir im Ausschuss zu erörtern haben werden.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Begriff Bologna ist auf dem besten Wege, einen ähnlichen Klang zu bekommen wie der Name Hartz.
Ich habe in früheren Debatten immer die Befürchtung geäußert, dass sich aus dieser Entwicklung das größte bildungspolitische Desaster seit Entstehung der Bundesrepublik ergeben könnte, und ich sehe meine Befürchtungen Jahr für Jahr bestätigt. Da nutzt es auch nicht, dass man gebetsmühlenartig sagt, es habe keine Alternative zu Bologna gegeben. Denn wir wissen alle, dass in den einzelnen europäischen Staaten diese Bologna-Vereinbarung, die im Übrigen die Unterschrift von Frau Erdsiek-Rave trägt, auf ganz unterschiedliche Art und Weise umgesetzt worden ist. Ich könnte das hier breit ausführen, habe aber leider die Zeit nicht dafür.
Zum Antrag der Grünen. Darin wird von Studierfähigkeit gesprochen, meint aber eigentlich Studierbarkeit. Das nur nebenbei bemerkt. Da geht es natürlich um Dinge wie Arbeitsbelastung, Studienorganisation, Prüfungswesen, alle diese Dinge, wo vieles im Argen liegt, was heute unter anderem zu der hohen Studienabbrecherquote in diesen Studiengängen führt. Die Grünen gehen auf einige Lösungsmöglichkeiten ein.
Zu Punkt eins im Antrag der Grünen möchte ich sagen: Da verfehlen die Antragsteller komplett den eigentlich sinnvollen Lösungsweg, indem sie an der Fiktion von den berufsqualifizierenden Bachelor-Abschlüssen - diese Fiktion ist von Anfang an ein Geburtsfehler bei der ganzen Sache gewesen festhalten. Wenn wir sagen - das hat Jürgen Weber völlig zu Recht ausgeführt -, dass wir als Länder Lehrer nur mit einem Master-Abschluss einstellen, dann bedeutet das logischerweise, dass alle Studierenden, die in Lehrerbildungsstudiengängen nur bis zum Bachelor gelangen, in einer Sackgasse landen. Für die gibt es beruflich im Kern keine Alternativen, die hängen in der Luft. Das ist in vielen anderen Berufsfeldern eben auch der Fall. Das Dogma der Zweistufigkeit schafft in vielen Bereichen solche Sackgassen. Deshalb muss es überdacht werden.
Jürgen Weber hat zu Recht auf die Problematik der Spezialisierung von Studiengängen und auch der Konstruktion der Module hingewiesen. Darin liegt nach meinem Dafürhalten eine wesentliche Ursache dafür, dass wir nicht mehr Mobilität und mehr Internationalität haben, sondern sich stattdessen die Hochschulen wie Kleingärten, die durch Zäune abgeriegelt sind, abschotten und eine eigene kleine Hochschulwelt aufbauen, die dann nicht mehr Mobilität zu anderen Standorten ermöglicht, weil anderswo ganz andere Studienkonzepte gefahren werden.
Hierin liegt ein zentrales Problem. Da ist Murks gemacht worden. Da nützen auch schöne Umfragen wie an der Uni Kiel „Wie kommt der Bachelor an?“ nichts. Universitätsangehörige an der CAU in Kiel machen schon den Witz und antworten auf die Frage „Wie kommt der Bachelor an?“: „Nackt und zu Fuß“. Das ist der Sarkasmus, der sich in zunehmendem Maße an den Hochschulen ausbreitet.
Lösungswege werden gesucht. Frau Schavan spricht davon, dass man ja nicht sechs Semester im Bachelor vorschreiben soll, ein Bachelor könnte ja auch acht Semester dauern. Das macht - Stichwort Verlängerung der Gesamtstudiendauer -, wenn noch weitere Abschlüsse folgen sollen, die Sache ganz rund.
Das schraubt natürlich den Bedarf an Lehrkapazität insgesamt noch einmal nach oben. Es ist das Grundproblem, dass Bachelor und Master zusammengenommen ein Plus an 15 % Lehrkapazität erfordern und die Politik nirgendwo bereit ist, diesen Zuschlag an Lehrkapazität, sprich an Wissenschaftler-, Dozenten- und Professorenstellen, den Hochschulen auch tatsächlich für eine vernünftige Umsetzung dieses Bachelor/Master-Modells zu geben. Das ist der Kern aller Probleme bei der Ausgestaltung dieser Studiengänge.
Der Lösungsweg ist eben nicht der, den Frau Schavan anbietet, sondern nach meiner Überzeugung liegt die Lösung in einer Abkehr vom Dogma der Zweistufigkeit, das für alle Studiengänge im Bachelor-Master-Modell vorgeschrieben werden soll. Wenn man stattdessen wie in England auch einen grundständigen Master ermöglicht, also ohne vorgeschalteten Bachelor in einer vernünftigen Regelstudienzeit auch einen Master an den Universitäten möglich macht, dann könnte man viele jetzt vorhandene Probleme sehr leicht in den Griff bekommen. Dann würde auch das Nadelöhr, das sich zunehmend herauskristallisiert beim Übergang vom
Bachelor zum Master, als Problem nicht mehr zu bewältigen sein.
Es gibt also Möglichkeiten. Ich denke, die Hochschulpolitik ist gut beraten, sich alsbald über diese Lösungsmöglichkeiten Gedanken zu machen und nicht darauf zu warten, bis wir an den Universitäten eine Unruhe unter den Studenten bekommen, wie sie in den späten 60er-Jahren in Deutschland in ähnlicher Größenordnung schon einmal vorhanden gewesen ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion hat große Sympathie für die Anregung, die Landeszentrale für politische Bildung beim Landtag anzubinden. Das ist übrigens ein Vorschlag, den wir im zurückliegenden Jahr auch schon einmal im Rahmen von Haushaltsberatungen selber unterbreitet haben. Ich finde es auch gut, dass der Antrag der Grünen so formuliert ist, dass er eine offene Diskussion zu diesem Punkt in Gang setzt. Ich kann meinen Redebeitrag dazu relativ kurz halten.
Erste Position. Das Land Schleswig-Holstein braucht eine Landeszentrale für politische Bildung.
Es wäre schon kurios, wenn wir das einzige Bundesland in Deutschland ohne eine solche Institution wären. Dass wir historisch-politische Bildung stärken müssen - Frau Eisenberg hat einige Beispiele genannt -, das sollte in unseren Reihen eigentlich unbestritten sein. Die Frage ist natürlich, wie man die Arbeit einer solchen Institution optimiert. Darüber zu diskutieren, war in der Vergangenheit sozusagen die geborene Aufgabe des Kuratoriums, in dem unter anderem die Fraktionen des Hauses gut vertreten sind.
Ich möchte eine Kritik vorbringen. Die Arbeitsmöglichkeiten in diesem Kuratorium waren in den zurückliegenden Jahren - vorsichtig ausgedrückt - suboptimal. Kurzfristig angesagte Sitzungstermine durch die Bank weg, immer in der Mittagspause einer Landtagstagung, wo man eh bis zur Halskrause mit anderen Dingen eingedeckt ist, mehrfach kurzfristig abgesagte Termine - wie auch der letzte.
Das war auch nicht das erste Mal. Die Möglichkeit, über die konzeptionelle Entwicklung der Arbeit der Landeszentrale im Kuratorium einen Dialog zu führen, sich mit den Mitarbeitern und den externen Experten auszutauschen, hat es in der Vergangenheit nicht gegeben. Insofern ist es gut, dass wir aufgrund des Antrages, den die Grünen eingebracht haben, die Möglichkeit haben, über die weitere Entwicklung im Bildungsausschuss intensiver zu beraten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die von Herrn Minister Biel hier angekündigte Erweiterung der Hochschulautonomie im Rahmen des neuen Hochschulzulassungsgesetzes ist etwas, was an den Hochschulen nur mit Schmunzeln wahrgenommen wird. Ich zitiere einmal aus der Stellungnahme der Fachhochschule Flensburg:
„Eine gestärkte Autonomie und Eigenverantwortung der Hochschule kann im Hinblick auf den § 11 (Zuständigkeiten und Ermächti- gungen) nicht erkannt werden! Dort heißt es im Absatz 1, dass das Ministerium ermächtigt wird, die Einzelheiten des Kapazitätsermittlungs-, Auswahl- und Vergabeverfahrens und der dabei anzuwendenden inhaltlichen Kriterien durch Verordnung zu regeln.“
Das heißt letztlich nichts anderes, als dass den Hochschulen durch das Ministerium per Verordnung alles Wesentliche vorgeschrieben wird.
Der vertrauliche Entwurf für die Verordnung ist uns bereits zugegangen; 24 eng beschriebene Seiten sind nicht gerade wenig. Ich möchte in der gebotenen Kürze aber noch auf einige inhaltliche Punkte eingehen.
Erstens. Im Ausschuss war die Ermittlung der Aufnahmekapazität ein Streitpunkt; er ist einer der Gründe, weshalb wir dem Antrag nicht zustimmen können. Die Landesregierung will eine Orientierung an bestimmten Beispielstudiengängen; das ist allerdings sehr vage gehalten. Wir folgen einem Vorschlag, der in der Ausschussanhörung vorgebracht wurde. Danach ist die Berechnung der Aufnahmekapazität an den im Akkreditierungsverfahren als notwendig anerkannten Ausbildungsaufwand für die jeweiligen Studiengänge auszurichten.
Zur Erläuterung für Nichthochschulpolitiker: Im Akkreditierungsverfahren werden bestimmte qualitative und quantitative Kriterien für die Studienmodule, das Prüfungsverfahren und so weiter festgelegt. Wenn man die Lehrkapazität - also die Zahl der verfügbaren Stellen - kennt, kann man daraus auch Konsequenzen für die Aufnahmekapazität ableiten. Es ist schon eigenartig, dass der Leiter der Hochschulabteilung im Wissenschaftsministerium als „Bologna-Papst“ im Rahmen der KMK das Hohelied des Akkreditierungsverfahrens singt, qualitative Maßstäbe, die aus dem Akkreditierungsverfahren abzuleiten sind, aber nicht bei der Berechnung der Aufnahmekapazität berücksichtigen will.
Zweitens. Wir nehmen die Kritik aus den Hochschulen an der Einführung eines zweistufigen Aufnahmeauswahlverfahrens für örtlich gebundene Studiengänge ernst. Diese orientieren sich an dem bisherigen ZVS-Zulassungsverfahren. Die Universität Lübeck hat aber darauf hingewiesen, dass es ein solches zweistufiges Verfahren nur noch in zwei Bundesländern gibt; alle anderen greifen mittlerweile auf ein einfacheres einstufiges Verfahren zurück.
Die Universität Lübeck hat in ihrer Stellungnahme sehr überzeugend dargelegt, dass es bei den auf dem freien Markt verfügbaren Studienplätzen an verschiedenen Universitäten - anders als bei den Verfahren der ZVS - nicht nur eine Bewerbung, sondern viele Parallelbewerbungen gibt. Das führt in der Praxis dazu, dass diejenigen, die von mehreren Universitäten Zusagen bekommen haben, auch mehrere Absagen erteilen. Die Folge ist, dass die vorgesehene Quotenregelung bei dem zweistufigen Verfahren nicht greifen kann, da es auch nach den Einschreibungen noch eine sehr hohe Fluktuation der Bewerber zwischen den einzelnen Hochschulen und Studiengängen gibt. Deshalb wird sich das jetzt vorgesehene Auswahlverfahren in der Praxis nicht realisieren lassen.
Drittens. Wir halten es für sinnvoll, für die weiterführenden Studiengänge ein hochschuleigenes Auswahlverfahren, über das die Hochschulen durch Satzung selbst bestimmen, einzuführen. Bachelor ist nicht gleich Bachelor; dieses Thema haben wir auf die nächste Tagung verschoben. Eine Hochschule, die gute Leute für ihre Masterstudiengänge gewinnen will, muss durch die Festsetzung eigener Kriterien dafür sorgen können, dass die wirklich geeigneten Bewerber bei der Vergabe der
Plätze zum Zuge kommen und es nicht einfach nur nach der Bachelorabschlussnotenhierarchie geht.
Viertens. Wir haben im Ausschuss einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem wir das Ministerium auf eine Verordnungspraxis verpflichten wollten, die dem Grundsatz der Verwaltungsvereinfachung Rechnung trägt und auf Anregungen der Hochschulen eingeht. Dieser Antrag war nicht konsensfähig. Auch aus diesem Grund lehnen wir den Gesetzentwurf der Landesregierung in der vorliegenden Fassung ab.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Antrag, über den wir heute beraten, enthält zuerst und vor allem einen Prüfauftrag. Ob die Schaffung eines Parlamentsforums Nordsee möglich sein wird, bleibt daher abzuwarten. Nach meiner Auffassung sollte der erste Schritt darin bestehen, zunächst einmal mit den Landesparlamenten der anderen norddeutschen Bundesländer in dieser Frage Kontakt aufzunehmen, also mit den Kolleginnen und Kollegen aus Bremen, Niedersachsen und Hamburg darüber zu sprechen. Falls nicht einmal eine gemeinsame norddeutsche Haltung in dieser Frage erreicht werden kann, wäre die Sache nach meinem Dafürhalten schon in dieser ersten Phase erledigt, jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt.
Ich meine, dass der Anstoß, den dieser Antrag enthält, insofern auch ein Testfall für die so viel beschworene norddeutsche Zusammenarbeit ist.
Die Einrichtung eines Parlamentsforums Nordsee darf nicht unter dem Motto stehen: Schön, dass man sich mal wieder trifft. Anders ausgedrückt: Die Veranstaltung sollte nicht konzipiert sein als eine Veranstaltung für reisende Abgeordnete - obwohl wir wissen, dass einige ganz gern auf Reisen sind. Kollege Ritzek sehe ich momentan nicht. - Doch, direktemang. Es gibt ja Spötter, die meinen, am liebsten wäre einigen die Einführung eines Parlamentsforums Nördliche Südsee.
Das, was ich mit diesem Begriff andeuten will, darf es gerade eben nicht sein, sondern man muss klarmachen, dass an allererster Stelle eine inhaltliche Begründung für einen Einstieg in diese erweiterte parlamentarische Zusammenarbeit in der Region stehen muss. Nur so ließe sich der zeitliche und materielle Aufwand für ein neues Parlamentsforum rechtfertigen. Interparlamentarische Kontakte sind nämlich kein Selbstzweck. Ihr Sinn liegt darin, über staatliche Grenzen hinweg die Bewältigung gemeinsamer politischer Aufgaben in Gang zu setzen beziehungsweise voranzubringen. Dies wird am überzeugendsten deutlich, wenn gleich am Anfang konkrete Anliegen und Themen im Vordergrund stehen und eben nicht bloß die Tatsache, dass man sich irgendwo in der Nachbarschaft einmal trifft.
Darüber und über geeignete Ansatzpunkte für dieses Vorhaben sollten wir deshalb im Europaausschuss noch einmal eingehend auch unter Einbeziehung des guten Rates unseres Europaministers Uwe
Döring beraten. Deshalb plädiere ich dafür, dass wir beide Anträge in den Europaausschuss überweisen und uns noch einmal mit dem Thema intensiv befassen.
Für weniger sinnvoll halte ich den Antrag der Grünen, die Nordseezusammenarbeit quasi an die bestehenden Strukturen der Ostseekooperation „anzupappen“. Eine solche Ausfransung der bestehenden partnerschaftlichen Verbindungen und der Kooperationsstrukturen der Ostseezusammenarbeit nach Westen würde meines Erachtens dazu führen, dass beide Anliegen, also die Ostseezusammenarbeit und die Nordseekooperation, am Ende nicht mehr mit der nötigen Wirksamkeit betrieben werden könnten. Dazu hat auch der Kollege Hamerich eben schon einiges - wie ich finde - Zutreffendes ausgeführt.
Mein Plädoyer ist: Lassen Sie uns diese ganze Thematik, vor allem, wie man überhaupt an das Thema in der Vorbereitung, in der Umsetzung des Prüfauftrages, herangehen soll, noch einmal im Ausschuss beraten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die FDP-Fraktion unterstützt den Antrag des SSW, der sich für eine Stärkung der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen, der FUEV, einsetzt.
Als eines der wenigen Bundesländer mit nationalen Minderheiten und angesichts der Bedeutung der Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland hat
Schleswig-Holstein in dieser Frage besondere Interessen. Wir sollten daher auch gegenüber den anderen staatlichen Ebenen als Fürsprecher für den Dachverband der nationalen Minderheiten Europas auftreten. Diese Rolle sollten wir nicht nur gegenüber der Bundesregierung wahrnehmen, sondern auch gegenüber der EU-Kommission.
Es ist erklärungsbedürftig, warum die EU-Beamten in Brüssel die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel zur Förderung zivilgesellschaftlicher Strukturen in der Europäischen Union an bestimmte Verbände vergeben, an andere aber nicht. Während beispielsweise dem Dachverband der nationalen Minderheiten Europas FUEV trotz mehrerer Anläufe bislang keine institutionelle Förderung zugestanden worden ist, hatte die Dachorganisation der freiwilligen Feuerwehren Europas wesentlich mehr Glück. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass auch deren Engagement und Strukturen auf europäischer Ebene unterstützt werden. Weshalb aber die Vertretung der nationalen Minderheiten FUEV bisher leer ausgegangen ist, ist im Hinblick darauf schwer verständlich.
Dabei geht es ja nicht um „weltbewegende“ Summen. Die FUEV kämpft mit einem jährlichen Defizit von 60.000 €; in diesem Jahr ist allerdings aus besonderen Gründen ein Fehlbetrag in doppelter Höhe entstanden. Letztlich handelt es sich aber um Beträge, die sich in einem sehr bescheidenen Rahmen halten. Die FUEV-Geschäftsstelle in Flensburg ist mit zweieinhalb Stellen ganz gewiss nicht gerade üppig besetzt. Ihre wichtigsten Förderer auf staatlicher Ebene sind - Anke Spoorendonk hat es vorhin schon erwähnt - die Region Südtirol, das Königreich Dänemark, die deutschen Bundesländer Sachsen und Schleswig-Holstein sowie die Republik Ungarn.
Die Bundesrepublik Deutschland, sprich die Bundesregierung, widmet sich im Ausland zwar der Unterstützung von 22 deutschen Minderheiten, die in anderen Staaten beheimatet sind, sie hat aber dem Dachverband FUEV, der auch die Interessen der deutschen Minderheiten in Europa in gebündelter Form vertritt, bisher keine institutionelle Förderung zukommen lassen. Der im Antrag des SSW formulierte Appell an die Bundesregierung, dies zu ändern, sollte, wie wir meinen, die Unterstützung des gesamten Hauses erhalten.
Die nationalen Minderheiten brauchen in Europa eine starke Stimme. Falls diese Stimme verstummt, würde sich die EU ein weiteres Mal von den Idealen des europäischen Einigungsgedankens entfernen. Denn zu diesen Wertvorstellungen, die mit dem europäischen Einigungsgedanken verbunden sind, gehört nicht zuletzt auch der Respekt gegenüber Minderheiten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Konjunkturpaket II verbindet sich die Hoffnung, dass der Staat durch öffentliche Investitionen in Höhe von mehr als 433 Millionen € in SchleswigHolstein den Folgen der Wirtschaftskrise entgegenwirken kann. Das Konjunkturpaket II erstreckt sich dabei auf eine ganze Reihe von Förderbereichen. An dieser Stelle kann ich - lediglich in einer Fünfminutenrunde - nur auf die Schwerpunkte im Bildungsbereich eingehen, auf die sich auch unser Berichtsantrag vorrangig bezogen hat.
Das Zukunftsinvestitionsprogramm hat bei kommunalen Schulträgern und in den Schulen viele Erwartungen geweckt. Eine vom Bildungsministerium zu Jahresbeginn bei den Kreisen und kreisfreien Städten durchgeführte Blitzumfrage führte sehr schnell zu Anmeldungen in einem Volumen von rund 800 Millionen €. Das verfügbare Förderbudget wurde also auf einen Schlag um etwa das Vierfache überschritten - obwohl die Umfrage des Ministeriums, wie die Ministerin am 15. Januar 2009 im Bildungsausschuss festgestellt hat, eigentlich nur dazu diente, eine grobe Wasserstandsmeldung zu erheben.
Dies wirft im Übrigen auch ein Schlaglicht auf die im Land insgesamt noch vorhandenen Investitionsbedarfe im Schulbereich. Wenn die Ministerin nun - wie in den „Kieler Nachrichten“ vom 10. Juni 2009 nachzulesen ist - von der „größten finanziellen Investition in Bildung“ seit Jahrzehnten spricht, so kann man eigentlich mit Blick auf die Anmeldungen der Kommunen nur mit Erschrecken reagieren: Wie soll das alles in absehbarer Zeit jemals angesichts der finanziellen Situation des Landes und der Kommunen abgearbeitet werden? Dazu reicht offenbar nicht eine einzige große Wirtschaftskrise, sondern es wären mindestens vier davon nötig, um mit entsprechenden darauf folgenden staatlichen Investitionsprogrammen diesen enormen Investitionsstau abzuarbeiten.
Der Löwenanteil der im Konjunkturpaket II für Schulgebäude verwendeten Mittel - mindestens die Hälfte der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben fließt gemäß den rechtlichen Vorgaben des Bundes in den Bereich der energetischen Sanierung. Die Landesregierung führt - wie ich finde mit nachvollziehbarer Argumentation - in ihrem Bericht aus, man habe darauf verzichtet, im Vorgriff auf eine etwaige Grundgesetzänderung von dieser Schwerpunktsetzung abzuweichen, vor allem deshalb, weil man das Land, die Kommunen und andere Träger vor eventuellen Rückforderungen des Bundes schützen wollte.
Die Föderalismuskommission II hat unterdessen bereits im Frühjahr, in den letzten Monaten, über eine Änderung des Art. 104 b Grundgesetz beraten. Eine Änderung soll Finanzhilfen des Bundes in „außergewöhnlichen Notsituationen“ auch für Zwecke ermöglichen, in denen der Bund keine Gesetzgebungsbefugnisse hat. Im Klartext: Es sollen auch allgemeine schulische Zwecke förderfähig werden.
Das Protokoll der Föderalismuskommission II, das heißt der Schlusssitzung vom 5. März 2009, enthält dazu einige bemerkenswerte Ausführungen des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten. Herr Carstensen führte - laut Protokoll dieser Sitzung Folgendes aus:
„Erstens gebe ich gerne zu, dass die Regelung selbstverständlich auch im Länderinteresse ist. … weil ich die Diskussion zu führen habe, dass in den Schulen die energetische Sanierung finanziert werden kann, aber die Bundesmittel nicht verwendet werden dürfen, wenn Farbe von den Wänden blättert.“
„- Das kann man ja gern sagen, dass dies das Land zahlen muss. Wir haben es deswegen nicht gezahlt, weil wir vorher das Geld dafür nicht hatten.
Kinder, kommt doch für ein paar Jahre nach Schleswig-Holstein und lebt dort einmal! Dann wisst ihr wenigstens, wie es ist, wenn man ein bisschen schlechter dabei ist.“
- Das steht im Protokoll, ich gebe Ihnen das gleich. Diesen lauten Stoßseufzer des Ministerpräsidenten will ich nicht weiter kommentieren, aber das Zitat macht doch eines deutlich: Die Rahmenbedingungen für eine möglichst sinnvolle Verwendung der
Investitionsmittel waren nicht gerade supergünstig. Wie gesagt, Herr Ministerpräsident, das ist gar kein Vorwurf an Sie, das ist einfach die rechtliche Ausgangslage und auch die Verfassungslage, wie man solche Sonderprogramme des Bundes beziehungsweise die Mittel einsetzen kann.
- Ja, das ist inzwischen geändert worden, aber man hat das Konzept entworfen, als die alte Rechtslage noch bestand. Ich habe eben erläutert, warum sie dann aus Sicherheitsgründen von der damals bestehenden rechtlichen Situation ausgegangen sind.
Ich möchte noch ganz kurz auf den Hochschulbereich eingehen: Hier ist die Auskunft im vorliegenden Bericht nach meiner Auffassung etwas dürftig. Das müssen wir im Bildungsausschuss, der von dem größten Anteil dieser Fördermaßnahmen betroffen ist, noch einmal mit dem Ministerium besprechen. Es wird nicht klar, nach welchen Kriterien die 77 Millionen €, die auf den Hochschulbereich entfallen, wirklich verteilt worden sind. Es ist auch abweichend von der Aussage, die Herr de Jager zu Jahresbeginn einmal im Ausschuss getroffen hat, nun doch ein relativ großer Anteil für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen eingesetzt worden. Der Kernbereich der Hochschulen hat vergleichsweise wenig abbekommen, weil man einen Riesenbrocken an das UK S-H gegeben hat. Wir wären daran interessiert, einfach noch einmal vom Ministerium zu erfahren, nach welchen Kriterien man die verfügbaren Mittel verteilt hat, für welche Vorhaben, und welche Vorhaben gewissermaßen das Nachsehen gehabt haben.
Wir wissen, dass auch hier die Anmeldungen in der Größenordnung von 200 Millionen € lagen, also damit eine dreifache Überzeichnung des Programms verbunden war.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die im Antrag der Grünen erhobene Forderung nach landesweit einheitlichen Rahmenbedingungen für die Sozialstaffel der Kindertageseinrichtungen entspricht seit Langem der Position der FDP. Ich habe zuletzt im Februar 2008 im Rahmen der Diskussion über die Initiative „Kein Kind ohne Mahlzeit“ auf diese Thematik hingewiesen und diese Forderung für meine Fraktion im Landtag erhoben.
Die Sozialministerin und die Bildungsministerin, die beiden zuständigen sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder, haben es aber bislang nicht zustande gebracht, eine solche landeseinheitliche, transparente Sozialstaffelregelung für Schleswig-Holstein einzuführen. Die Initiative der Grünen wird von uns - das ist klar - selbstverständlich unterstützt. Ich möchte aber resümieren: Was wir hier diskutieren, ist wirklich ein Bankrott sozialdemokratischer Politik.
Es gibt keine landeseinheitliche Sozialstaffel. Die Beitragshöhe richtet sich nach der Postleitzahl. Ich brauche nur die „Kieler Nachrichten“ von heute mit ihrem Artikel über die Kita-Thematik zu zitieren, dessen Untertitel lautet: „Geringverdiener zahlen die bundesweit höchsten Elternbeiträge“.
Meine Damen und Herren, Schleswig-Holsteins Sozialdemokraten sind damit verantwortlich für die unsozialste Kita-Politik in ganz Deutschland.
Bereits im Februar letzten Jahres hat eine Studie, die die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gemeinsam mit der Zeitschrift „Eltern“ in Auftrag gegeben hat, im bundesweiten Vergleich dargelegt, dass die schleswig-holsteinischen Kommunen die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen um es zu konkretisieren: bis zur Höhe von maximal 25.000 € Jahreseinkommen - am stärksten belasten. Eltern, die ein Kind im Kindergarten haben, zahlen, wenn sie zu dieser Einkommensgruppe gehören, in Baden-Württemberg maximal 80 € im Monat, in Schleswig-Holstein betragen die Kita-Gebühren für sie zwischen 90 und 130 €.
Dazu noch ein konkretes Beispiel, das sich auf die Hansestadt Lübeck bezieht. Dort haben Eltern, die zu dieser Einkommensgruppe gehören, im Jahr für ein Kind Kita-Beiträge in Höhe von 1.692 € zu zahlen - 1.692 €! Bezogen auf das zu dieser Einkommensgruppe zählende maximale Jahreseinkommen von 25.000 € bedeutet das, dass sie 7 % ihres Jahreseinkommens für die Finanzierung der Kita-Gebühren für ihr Kind aufwenden müssen - 7 %!
- Eines Kindes!
Meine Damen und Herren, wenn frühkindliche Förderung über spätere Chancen im Leben entscheidet - und das ist ja so -, dann sind in Schleswig-Holstein die Hürden für Kinder aus einem Elternhaus mit geringem Einkommen zu hoch.
Chancengleichheit hängt in Schleswig-Holstein vom Wohnort ab: nicht nur bei den Kindergartengebühren, sondern auch bei der Frage, für wie viele Stunden am Tag die Sozialstaffel gilt. In einigen Kreisen, etwa Plön und Ostholstein, sind es nur vier Stunden, in anderen Regionen, etwa Kiel, sind es acht Stunden. Wie sozial ist die Sozialstaffel, wenn ausgerechnet die Kinder aus Elternhäusern mit geringem Einkommen früher nach Hause geschickt werden müssen, weil die Eltern nicht in der Lage sind, einen Kita-Platz für mehr Stunden zu finanzieren?
Chancengleichheit sieht anders aus. Das regelmäßige Beschwören der Chancengleichheit durch den Genossen Stegner bekommt hier einen ziemlich faden Beigeschmack. Immerhin ist die SPD seit 20 Jahren in der Landesregierung für die Bereiche Bildung und Soziales zuständig. Die immer wieder auch an dieser Stelle betonten sozialdemokratischen Forderungen, dass Bildung nicht vom Geldbeutel
abhängen dürfe, entpuppen sich in der Praxis als reine Sonntagsreden, als pure politische Seifenblasen.
Meine Damen und Herren, wer auf der einen Seite Beitragsfreiheit für alle Kinder in den Kindergärten fordert und auf der anderen Seite nicht einmal in der Lage ist, einheitliche Rahmenbedingungen für alle Kinder bei der Sozialstaffel herzustellen, ist schlicht und ergreifend unglaubwürdig.
Über eine Reihe von Punkten, die im Zusammenhang mit der Initiative der Grünen im Detail zu erörtern sein werden - das eine oder andere ist schon angesprochen worden -, werden wir im Ausschuss diskutieren. Ich freue mich auf die Beratungen und hoffe sehr, dass diese Landtagsmehrheit der noch existierenden Großen Koalition in der Lage sein wird, hier in einem erkennbar mit Handlungsbedarf verbundenen Punkt zu einer Entscheidung zu kommen, und zwar noch in dieser Wahlperiode.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sind uns alle darin einig, dass die Arbeit der Europaschulen in Schleswig-Holstein und ihr Engagement außerordentlich verdienstvoll sind, dass sie zur Entwicklung des europäischen Gedankens beitragen und dass sie ein Beispiel für eine gute Bildungsarbeit in entsprechend profilierten Schulen in unserem Land darstellen
Ich möchte nur ein Beispiel aus den Aktivitäten von Europaschulen herausgreifen und zeigen, wie innovativ dort auch gearbeitet wird, nämlich etwa mit einem Beitrag, den die einzige Europaschule in Stormarn, das Emil-von-Behring-Gymnasium in Großhansdorf, mit der Entwicklung eines Konzepts geleistet hat, bei dem man den Schüleraustausch mit einer Schule in Bilbao in Spanien mit dem Angebot von Wirtschaftspraktika koppelt. Das macht, glaube ich, deutlich, wie man Schülern dieses Europa, das sowohl ein gemeinsamer Binnenmarkt als auch ein gemeinsamer Arbeitsmarkt ist, mit solchen Angeboten einzelner Schulen vertraut machen und ihnen öffnen kann.
Nun hat sich der Verein, in dem sich die Europaschulen unseres Landes zusammengeschlossen haben, Ende letzten Jahres in einem Resümee der bisherigen Arbeit, die die Schulen geleistet haben, für eine Reihe von Verbesserungen der Arbeitsbe
dingungen dieser Schulen ausgesprochen. Ich denke, es ist vor allem auch notwendig, dass wir in der Ausschussnachbereitung dieser Landtagsdebatte darüber reden, wie man in den drei Punkten, die der Verein Europaschulen hier nennt, weiterkommen kann, nämlich etwa in der Verbesserung der Bedingungen für Berufs-, Betriebs- und Wirtschaftspraktika im Ausland einschließlich der Verbesserung der Angebote im Bereich des Lehrlingsaustauschs. Weiter geht es um eine Konzeption, die die Lehrkräfte dieser Schulen einschließt - bis hin zu ersten Schritten zur Einführung einer Art Europareferendariat.
Auf einen dritten Punkt wird man als Abgeordneter immer wieder hingewiesen, wenn man die Schulen vor Ort besucht. Es geht dabei um die Frage, ob es nicht ein spezielles Förderinstrumentarium jenseits der nur immateriellen Äußerungen geben könnte, aber eben zusätzlich, das für die Europaarbeit der Schulen bereitgestellt werden könnte. Vielleicht wäre auch eine zentrale Beratungsstelle nützlich, wenn es um die Inanspruchnahme von EU-Förderprogrammen geht.
Das sind jedenfalls Dinge, auf die man als Abgeordneter vor Ort angesprochen wird, weil alle wissen, wie schwierig manchmal das Anzapfen von EU-Programmen in der Praxis ist. Okay, ich will diese Stichworte hier nur noch einmal zur Diskussion stellen. Ich denke, wir werden uns im Ausschuss vertiefend darüber austauschen.
Fazit auch mit Blick auf die bevorstehende Europawahl: Das Engagement, das die Europaschulen erbringen, ist politische Bildung für Europa im besten Sinne. Ich bin nicht ganz so überzeugt wie Frau Höfs, ob es das Ziel sein sollte, dass jede Schule in Schleswig-Holstein Europaschule im Sinne des Vereins Europaschulen sein sollte. Man sollte Schulen unterschiedlicher Profile in unserer Schullandschaft ermöglichen, aber die Zahl 30 ist deutlich steigerungsfähig.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht der Landesregierung beginnt mit der Aussage, bei der Eintragung von Objekten in das Denkmalbuch spielten allein denkmalfachliche Aspekte eine Rolle. Wörtlich erklärt die Landesregierung im vorliegenden Bericht - Zitat -:
„… der Behörde steht kein Ermessensspielraum zu.“
Diese Aussage der Landesregierung steht allerdings im Widerspruch zu dem, was ausgewiesene Denkmalexperten selbst sagen. So hat beispielsweise der Hannoveraner Stadtdenkmalpfleger Eckart Rüsch in seiner Eröffnungsansprache zu dem Symposium „Nachdenken über Denkmalpflege“ am 3. November 2001 Folgendes ausgeführt:
„Denkmalpflege gibt sich gern den Anstrich von objektiver Wissenschaftlichkeit....
Nicht wissenschaftlich ist allerdings das Wesentliche, was die Denkmalpflege zum Beispiel von der Bau- und Kunstgeschichte un
terscheidet: Nicht wissenschaftlich sind die Bewertungs- und Auswahlkriterien, wenn es darum geht, aus der Masse des Altbaubestandes das Denkmalwerte herauszufiltern. Die Bewertungsmaßstäbe sind so unterschiedlich wie die dahinter stehenden Inventarisatoren selbst. Über deutsche Ländergrenzen hinweg und gar im internationalen Vergleich wird noch deutlicher, wie unterschiedlich die Denkmalauswahl überall gehandhabt wird.
Dieser Befund ist im Grunde kein Wunder, denn alle Denkmalerkenntnis ist subjektiv geprägt, wenn nicht individuell, dann gruppenbezogen. Und wenn man sich einmal die Mühe macht, in die Geschichte unserer Zunft einzusteigen, dann wird zudem noch deutlich, wie sehr der Denkmalbegriff auch abhängig ist vom Zeitgeist. Da bemerkt man ganz wesentliche Einschätzungswechsel schon nach rund 20 Jahren.“
Subjektive, vom Zeitgeist geprägte Auswahlentscheidungen - das klingt völlig anders als die Worte der Landesregierung von angeblich nicht existierenden Ermessensspielräumen. Die Landesregierung lässt sich hier nach unserer Überzeugung allzu blauäugig vor den Karren einer Fachbehörde spannen, die so tut, als handele sie nach den Maßstäben unanfechtbarer fachlicher Autorität.
Der Konflikt um die Denkmalschutzverfügung über den Kieler Uni-Campus zeigt beispielhaft, wie sehr neuerdings auch Bauten aus der Zeit nach 1945 in den Mittelpunkt von Auseinandersetzungen geraten. Auch das hängt entscheidend mit dem von Herrn Rüsch in seinem Referat erwähnten Prozess der Veränderlichkeit der Bewertungsmaßstäbe durch Veränderungen im Zeitgeist und auch Moden in der eigenen Zunft zusammen. Wenn die Fachbehörde dabei mit einem Absolutheitsanspruch auftritt, wie dies jedenfalls anfangs beim Kieler UniCampus der Fall gewesen ist, dann bleibt dem Gesetzgeber nach unserer Überzeugung gar nichts anderes übrig, als solchen Formen obrigkeitlichen Handelns in absehbarer Zeit auch durch Änderung der gesetzlichen Grundlagen einen Riegel vorzuschieben.
So kann es im Zweifelsfall nicht gehen. Nicht jeder Konfliktfall kann durch ein Mediatorengespräch im Büro des Ministerpräsidenten ausgeräumt werden. Eigentlich müsste jedem klar sein, dass das keine Praxis in diesem Bereich sein kann, der sowohl für die Kultur, aber auch für die wirtschaftli
che Entwicklung dieses Landes und im Fall der Universität auch für die Entwicklungsspielräume einer ganz wichtigen Hochschule dieses Landes von erheblicher Bedeutung ist. Das, was wir bisher haben, kann nicht die Basis für Entscheidungsprozesse in diesem Bereich sein.
Nach der Unterschutzstellungsverfügung vom 6. November vorigen Jahres sind die Reaktionen der Universität Kiel, des AStA der Universität Kiel, und auch die Landtagsinitiative der FDP-Fraktion nicht ganz ohne Wirkung geblieben. Das Landesamt für Denkmalpflege hat den Denkmalschutz für einige Bereiche des Kieler Uni-Campus wieder aufgehoben, nämlich für die Hauptgebäude der Angerbauten sowie für einen Teil des Sportforums. Außerdem heißt es in dem Bericht der Landesregierung, die Denkmalschutzbehörde habe signalisiert, hinsichtlich der geplanten Errichtung eines Restaurants in unmittelbarer Nähe zum Auditorium Maximum „erhebliche Bedenken“ zurückzustellen.
Aus der Kieler Universität hört man nun zu dem Bericht der Landesregierung, dass sich das nach diesen Zugeständnissen sehr viel besser liest als am Anfang. Also auch aus Sicht der Universität ist durch die erzielten Kompromisse mittlerweile ein Fortschritt zu konstatieren. Allerdings sagt die Universität auch ganz klar: Die zu geringe Reduzierung der Außenfläche Sport und der Ensembleschutz im Bereich des Uni-Hochhauses wird von der Universität, was die Entwicklungsmöglichkeiten in der Zukunft betrifft, weiterhin kritisch gesehen.
Ich habe erst vor rund zehn Tagen ein Gespräch mit dem Präsidium der CAU geführt, in dem mir diese kritische Einschätzung, die dort nach wie vor besteht, bestätigt worden ist. Ich halte es deswegen für sinnvoll, dass wir die Thematik im Fachausschuss nacharbeiten. Anders als der Kollege Höppner, der sich immer ein bisschen als wackerer Ritter Henning vom rotem Ziegelstein vor die Fachbehörde stellt, bin ich der Meinung, dass genauso wie bei Anträgen auf Errichtung von Industrieanlagen oder Straßenbauvorhaben Dinge, die im Bereich fachlicher Behördenentscheidung liegen, für eine politische Diskussion im zuständigen parlamentarischen Bereich nicht automatisch tabu sind. Man muss solche Dinge auch erörtern können.
Ich komme zum Schluss. - In einer Ausschusssitzung hat der Kollege Höppner das aus prinzipiellen Gründen einmal zurückgewiesen, weil er meinte, das liege allein in der Kompetenz der Fachbehörden. Wie gesagt, ich habe da eine etwas andere Sicht. Der Kollege Höppner war früher selber unterer Denkmalpfleger im Kreis Plön, hat also auch ein bisschen die eigene berufliche Erfahrung im Hintergrund. Ich meine, dass sich, wenn es um eine politische Dimension, wie gerade im Bereich der Universität Kiel, geht, auch das Parlament mit solchen Dingen beschäftigen können muss. Wir sollten diese Thematik im Ausschuss gründlich nacharbeiten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach der Devise: „Das Positive zuerst!“, möchte ich zunächst hervorheben, was der neue Europabericht der Landesregierung auf Seite 8 unten feststellt:
„Gleichzeitig ist jedoch das Vertrauen in die EU mit 48 % höher als in die eigene nationale Regierung mit 36 %.“
Hier hat die Große Koalition wirklich Bemerkenswertes geleistet, um Europa in einem besseren Licht erscheinen zu lassen als die eigene Bundespolitik.
- Hier gibt es auch eine Große Koalition, deshalb darf man die im Sinn der Familienverbindungen einbeziehen.
Die genannten Zahlen stammen übrigens nach dem Bericht der Landesregierung aus dem Eurobarometer vom Dezember 2008.
Die Lektüre eines Europaberichts der Landesregierung stellt die meisten Leser, also jene Abgeordneten oder Fraktionsmitarbeiter, die immer die Redebeiträge für die Debatte vorbereiten sollen, vor ein schwieriges Problem: Sie haben die Qual der Wahl, weil es so viele Themen mit Europabezug gibt, dass man eigentlich über alle wesentlichen Probleme dieser globalisierten Welt sprechen könnte, weil in irgendeinem Absatz oder in irgendeiner Zeile das Thema im Bericht auftaucht. Ich muss neidvoll anerkennen, dass sich meine Kollegen Manfred Ritzek und Hans Müller dieser schwierigen Aufgabe wie immer mit großer Meisterschaft gewidmet haben und viele inhaltliche Punkte, die auch der Bericht tangiert, hier schon angesprochen haben.
Deshalb kann ich mich stärker auf ein zweites Themenfeld konzentrieren, das meines Erachtens durch die Lektüre des Berichts auch aufgeworfen wird: Diese Europaberichte bieten insoweit eine schwe
re Kost, als es nicht einfach ist, aus dem Inhalt dieser Berichte politische Energie mit Blick auf die bevorstehenden Europawahlen freizusetzen.
Dazu eine kurze Leseprobe - und ich könnte beliebige andere Stellen in Länge zitieren. Ich zitiere aus dem Abschnitt 3 „Landespolitische Schwerpunkte“ von Seite 21 die „Beschreibung von Gegenstand und Zielen“ der als wesentlich eingestuften Maßnahme „Haushaltsüberprüfung“ - ein spannendes Thema:
„Es soll geprüft werden, welche Reformen notwendig sind, um den Beitrag Europas zur Bewältigung wichtiger Herausforderungen im nächsten Jahrzehnt unter Zugrundelegung der Grundsätze des Mehrwerts beim Verfolgen des gemeinsamen Interesses und der Wirksamkeit der Ausgaben zu erhöhen, und wie dieser Beitrag zu finanzieren ist. Diese Untersuchung wird ein wichtiger Beitrag zu Vorschlägen sein, die die nächste Kommission für einen neuen mehrjährigen Finanzrahmen vorlegen wird.“
Aha!
Hier sieht man wirklich flammende Begeisterung für Europa hervorbrechen. Und selbst die auf Seite 19 offenbarte Tatsache, dass sich die Staatssekretärsrunde der schleswig-holsteinischen Landesregierung fortwährend mit solchen Fragen beschäftigt, vermag die Flamme auch nicht wieder gänzlich zu löschen.
Aber im Ernst: Das von der Politik dargestellte Europa ist derart bürokratisch und technokratisch geworden, dass es die Bürger viel zu wenig anspricht. Es lässt die Menschen kalt. Das ist das Problem, und unfreiwillig ist der Bericht der Landesregierung ein Musterbeispiel für diese Entwicklung.
- Herr Kollege Nabel, wollen wir also hoffen, dass die Europäer doch eher etwas anderes im Blick haben, wenn sie demnächst zur Wahlurne gerufen werden. Hoffentlich denken sie vor allem daran, dass sie heute ungehindert von dem einen Ende Europas an das andere Ende Europas reisen können, was weiß Gott nicht immer so gewesen ist.
Wollen wir hoffen, dass sie auch im Euro eine - bislang jedenfalls - einigermaßen stabile Währung erkennen, die in Zeiten großer Verwerfungen an den Finanzmärkten einen gewissen Schutz vor Schwierigkeiten bietet, die anderen Währungen drohen, weil deren Notenbanken wie in den USA, in Großbritannien oder in Japan in einem gewaltigen Ausmaß, das auf mittlere Sicht nichts Gutes ahnen lässt, die Druckerpresse anwerfen - bis hin zum Ankauf eigener Staatsanleihen mit dem frisch gedruckten Geld.
Wollen wir hoffen, dass Europa vielen wieder stärker als ein „sicherer Hafen“ erscheint - wie es ja europapolitische Stimmungsänderungen in jüngster Zeit in Irland oder in Island andeuten. Die Europäische Union als Gemeinschaft der Freiheit und jedenfalls der leidlichen Stabilität in Zeiten der Krise - das müsste eigentlich ein politischer Bestseller sein. Hoffen wir das Beste.
Aus dem Bericht lassen sich dafür freilich, wie gesagt, nur mühsam Anhaltspunkte und Hilfsargumente hervorkratzen. Allein der Abschnitt „Bessere Rechtsetzung“, wo es um den Abbau von unnötiger Bürokratie, also eigentlich um ein für viele Bürger wichtiges Thema geht, ist auf drei, vier Seiten zäh wie Leder.
Mühsam muss man herausklamüsern, was wirklich spannend ist. Kurz gesagt - ich will einen Punkt hervorheben, ich habe etwas gefunden: Bislang hat man in Brüssel bei diesem Thema im Wesentlichen, so sagt der Bericht, erst die Messphase abgeschlossen. Das ist noch nicht das Sensationelle. Immerhin hätten vorläufige Berechnungen ergeben, dass das größte Vereinfachungspotenzial mit potenziellen Entlastungen der Bürger im Umfang von 18 Milliarden € im Bereich des Steuerwesens liege - so nachzulesen auf den Seiten 43 und 44. An dieser Stelle müsste hartgesottenen Steuersozis eigentlich der Atem stocken. In Brüssel scheint es eine Verschwörung zugunsten liberaler Steuervereinfachungsmodelle zu geben, wie sie die FDP seit eh und je befürwortet. Stegner hat nicht aufgepasst!
Seit der Mann nicht mehr in der Regierung ist, werden solche liberalen Botschaften sogar in Berichte sozialdemokratischer Landesminister hineingeschmuggelt - ungeheuerlich!
Damit komme ich nicht umhin, einiges über Uwe Döring zu sagen. Der sozialdemokratische Europa
minister hat gestern - wie ich finde, zu Recht - in den Blättern des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags das „Zitat des Tages“ zugesprochen bekommen. Nach seiner Reise in die sibirische Arktis hat Herr Döring gesagt:
„Ich habe festgestellt, ich kann auch in frostigem Klima gut arbeiten. Insofern habe ich keine Probleme, meine politische Arbeit in der Großen Koalition fortzusetzen.“
- Ich wusste ja, dass Sie sich auch darüber freuen.
Aber Herr Döring, was ist denn das für eine Botschaft? Schon wieder eine versteckte unverhohlene Kritik an der eigenen Regierung, aber irgendwie nett verpackt - so wie Sie selbst auf den Fotos mit der russischen Pelzmütze, die zumindest die Älteren unter uns an Ivan Rebroff erinnern wird.
Immerhin: Themen wie Umweltschutz, Klimawandel, Meeresforschung und neue Möglichkeiten der Seeschifffahrt - Stichwort: Nord-Ost-Passage wurden anschaulich vermittelt. Sie haben damit mehr zur Vermittlung politischer Themen aus dem Bereich Europa beigetragen, als wir das mit dieser Debatte schaffen. Die Tribüne ist leer und angesichts der Zeit vermute ich, dass auch die Medien wieder einmal keine einzige Zeile über unsere europapolitische Debatte berichten werden. Da haben Sie uns mit großem eigenen Einsatz vorgemacht, wie man es besser machen kann.
Und das auch noch an Tagen, wo unterdessen hier eine hitzige Auseinandersetzung innerhalb Ihrer Koalition stattfand. Das hat Sie in Sibirien alles kalt gelassen. Während Herr Stegner im „Focus“ die vermeintliche „Großbauernart“ des Ministerpräsidenten schmähte - so habe ich das gelesen und in Russland entspräche das in etwa dem Etikett des ,,Kulakentums“ -, redete Döring aus dem fernen Sibirien Tacheles. Sogar die Bildungsministerin bekam dabei eine volle Breitseite ab, was mich natürlich riesig gefreut hat.
In Tiksi, Jakutien, stellte Herr Döring fest: Für Kinder wird hier offenbar viel getan. Es gibt Kindergärten, Spielplätze, deren Spielgeräte jetzt nur teilweise aus dem Schnee ragen, sowie drei Schulen.
Drei Schulen - das ist mehr als in manchen Gegenden Schleswig-Holsteins. Den Schnee können wir jetzt allerdings getrost vergessen.
Der Europaminister besuchte das arktische Gymnasium in Tiksi. Döring sagte wörtlich in seinem Bericht vom 26. April in der „sh:z“:
„Umso überraschender, dass die Schule zwar einfach gebaut, aber in einem Topzustand war. Nicht alle Schulen in Schleswig-Holstein können da mithalten! Auch die technische Ausstattung ist auf dem neuesten Stand der Technik (Laptop, Beamer, Communicati- onboard).“
Meine Damen und Herren von der hiesigen Sozialdemokratie: Das gediegene Neumünsteraner Sozialkosakentum, das diese Berichte aus der sibirischen Arktis aufblitzen lassen, ist doch wirklich mal etwas anderes als der schicke Salonbolschewismus, mit dem hierzulande Leute wie der Herr Ministerpräsident als Kulaken abgestempelt werden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Schleswig-Holstein werden rund 45 % der Förderschüler integrativ in Regelschulen unterrichtet. Der Anteil liegt damit dreimal so hoch wie im Bundesdurchschnitt. Man kann daher feststellen, dass unser Bundesland in Sachen inklusiver Bildung bereits sehr weit vorangeschritten ist und seit den 90er-Jahren hierzu auf breite Erfahrungen zurückblicken kann. Dies betrifft sowohl die Chancen und Möglichkeiten als auch die Probleme und Grenzen integrativer Beschulung. Wenn man nicht beide Seiten gleichermaßen betrachtet und sachgerechte Lösungen entwickelt, wird man am Ende das Ziel, auch jungen Menschen mit sonderpädagogischen Förderbedarfen gute Bildung und damit Wege zu gesellschaftlicher Teilhabe zu eröffnen, komplett verfehlen. „Gut gemeint“ ist bekanntlich manchmal das Gegenteil von „gut“, und das gilt gerade auch bei diesem Thema, über das wir heute sprechen.
Ein zentraler Ausgangspunkt sind dabei die Rahmenbedingungen, unter denen integrative beziehungsweise inklusive Bildung stattfindet. Dazu zählen gesicherte Ansprüche auf eine ausreichende Zahl von Lehrerstunden, die durch Speziallehrkräfte, also Sonderpädagogen, erteilt werden, dazu gehören Lerngruppengrößen, die für alle Schüler eine individuelle Förderung ermöglichen, sowie räumliche Voraussetzungen, die auch schwierige Integrationsprobleme lösbar machen. Ist all dies nicht gewährleistet, wird Integration alias Inklusion im schlimmsten Fall zu einer Form billiger Beschulung, die alle beteiligten Schülerinnen und Schüler zu Verlierern macht.
Die vom Bildungsministerium jährlich vorgelegten Berichte zur Unterrichtsversorgung zeigen mit aller Deutlichkeit, wo auch hier im Land die Probleme liegen.
Nehmen wir die letzten verfügbaren Daten, Schuljahr 2007/2008, aus dem Bericht zur Unterrichtsversorgung: integrative Maßnahmen 6.827 Schüler, rund 11.500 Lehrerwochenstunden als Extrazugabe für sonderpädagogische Förderung. Das sind pro Schüler im Schnitt rund 1,7 Extrawochenstunden. Zehn Jahre vorher, Schuljahr 1997/1998: 3.342 Schüler bei knapp 6.800 Lehrerwochenstunden. Teilt man diese Zahlen, kommt man auf einen Durchschnitt von 2,1 Extrastunden pro Schüler.
Vor zehn Jahren war die zusätzliche Stundenzuteilung also deutlich besser, als sie jetzt ist. Die Lehrer, die die Anfänge der integrativen Beschulung zu Beginn der 90er-Jahre in Schleswig-Holstein noch kennen, sagen: Damals war es üblich, dass man im Schnitt drei Wochenstunden extra bekam. Wenn man das zugrunde legt, hat man praktisch eine Halbierung der im Durchschnitt zugeteilten Ressourcen pro Kind in dem Zeitraum von knapp zwei Jahrzehnten festzustellen.
Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund gewinnen die Forderungen der Grünen binnen drei Jahren eine hundertprozentige Integration erreichen zu wollen, irgendwie einen sehr schalen Beigeschmack.
Meine Damen und Herren, von dem Ansatz, ein bestimmtes Plansoll zu definieren und dann auch noch kurze Umsetzungsfristen festzulegen, halten wir Liberale soundso nichts. Wenn solche Ziele dann auch noch vor dem Hintergrund einer real rückläufigen Zuteilung von Personalressourcen proklamiert werden, ist das grob fahrlässig und schadet die Bildungschancen aller Kinder,
sowohl derjenigen mit besonderem Förderbedarf als auch der übrigen Kinder, die in Integrationsklassen auch einen Anspruch auf ihnen zukommende individuelle Förderung haben.
Die Grünen nennen drei Gruppen, für die sie bis 2012/13 die Möglichkeit zu gesondertem, das heißt stationärem Unterricht in Förderklassen, komplett abschaffen wollen: Das sind die Gruppen der Schüler mit Lern-, Sprach- und Verhaltensbehinderungen.
Zum Thema Sprachheilpädagogik haben wir aufgrund von Initiativen der FDP-Fraktion in dieser Wahlperiode schon verschiedentlich gesprochen. Ich will noch einmal eines deutlich machen: Es hat sich in der Praxis in diesem Land gezeigt, dass es für einen Teil der Kinder, die eine Sprachbehinderung haben, nicht möglich ist, sie im Rahmen einer integrativen Beschulung so zu fördern, dass sie ihr Handicap überwinden können. Deshalb ist gerade in Dithmarschen vor nicht allzu langer Zeit an einem Förderzentrum eine neue stationäre Fördermaßnahme „Lautstark“ eingerichtet worden
- selbstverständlich, Frau Erdsiek-Rave - mit dem Ziel, so schnell wie möglich, wenn es geht, nach einem Jahr oder auch nach zwei oder nach drei Jahren, in einer solchen besonderen Fördereinrichtung dem Problem dann auch wirksam beikommen zu können, weil nämlich alle Schulstunden in der Woche von ausgebildeten Fachkräften, Sonderpädagogen im Bereich Sprachheilpädagogik, erteilt werden, und nicht nur in einer Regelklasse zwei Extrastunden. Das macht natürlich einen Unterschied aus, und das müsste auch jeder Laie einsehen können.
Zweites Themengebiet: Schüler mit Verhaltensproblemen. Ich nenne kurz ein Beispiel, das mir kürzlich aus einer Schule geschildert wurde. Die Integrationsklasse einer Grundschule hatte im ersten Schuljahr einen achtjährigen Mitschüler, der bereits zwei gescheiterte Einschulungsversuche in anderen Klassen beziehungsweise Schulen hinter sich hatte. Nach gut einem halben Schuljahr zeigten sich dann bei seinen sechsjährigen Mitschülern Entwicklungen, die die Eltern - aus verständlichen Gründen - in Aufregung versetzten: Mobbing, Gewalt, Diebstahl von Pausengeld machten innerhalb weniger Monate aus fröhlichen ABC-Schützen verängstigte Kinder. Solche Fälle zeigen, es geht beim Thema Inklusion nicht nur um die Rechte von Kindern mit besonderem Förderbedarf, sondern es geht genauso um die Rechte und Bildungschancen aller anderen Kinder.
Es geht auch um das Vertrauensverhältnis zwischen Eltern und Schule, das durch solche Vorgänge im schlimmsten Fall völlig in die Brüche gehen kann. Dann braucht sich niemand zu wundern, wenn Eltern, die es sich leisten können, ihren Kindern lieber eine Privatschule suchen, in der sie von Problemen, mit denen die öffentliche Schule erkennbar nicht fertig wird, unbehelligt bleiben. Wer sollte Eltern das verdenken? Das Ergebnis einer solchen misslungenen Inklusion ist ein massiv verstärkter Trend zu wesentlich exklusiver Bildung, jedenfalls für Kinder von Eltern, die sich das leisten können.
Schließlich räumen die Grünen selbst ein, dass es manche Eltern gibt, die Kinder mit besonderem Förderbedarf haben und die für ihre Kinder eine besondere Beschulung wünschen. In vielen Fällen sind das Eltern mit geistig behinderten Kindern. Auch hier muss der Elternwille zum Zuge kommen, dem muss man Rechnung tragen.
Beim Thema „Inklusion“ wird vielfach auf internationale Vergleiche Bezug genommen. Das hat auch Frau Erdsiek-Rave öffentlich und hier getan. Im europäischen Ausland - so heißt es - würden 85 % der Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf inklusiv unterrichtet. Bei solchen Zahlen empfiehlt sich freilich ein bisschen der Blick hinter die Kulissen.
Der Ältestenrat des Landtags hat im vorigen Jahr eine Reise nach Finnland unternommen. Wir haben unter anderem in Helsinki eine finnische Gemeinschaftsschule besucht. Die dortige Leiterin des Bereichs sonderpädagogische Förderung hat uns geschildert, wie das an der Schule abläuft. Sie hat nämlich gesagt, nur ein Viertel der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf wird in Regelklassen unterrichtet, während drei Viertel der Kinder in Kleingruppen ausschließlich durch spezielle Lehrkräfte intensiv gefördert würden. Das heißt, sie haben in einer solchen Schule quasi ein Sonderklassensystem unter dem Dach einer Gemeinschaftsschule, faktisch aber in eigenen Lerngruppen. Das ist etwas völlig anderes als das, was in Schleswig-Holstein unter dem Thema integrative Beschulung, sprich Verteilung auf Regelklassen, landläufig verstanden und auch praktiziert wird.
Ich nehme einmal Erfahrungen hinzu, wie man sie bei uns im Land gemacht hat. Ich nehme einmal die Ellerbeker Schule, eine der beiden Schulen für geistig behinderte Kinder, in einem Gebäudekomplex mit einer Grundschule untergebracht. Im Laufe der Jahre hat sich eine sehr enge Zusammenarbeit, ein Miteinander, das vielfältige Begegnungen und Zusammenarbeit von Schülern beider Schulen ermöglicht, ergeben. Solche Konzepte, auch wenn sie formal im Rahmen getrennter Schulangebote erfolgen, bieten ein hohes Maß an gesellschaftlicher Teilhabe für geistig behinderte Kinder. Man muss auch ein bisschen hinter die Formeln und Begriffe schauen und sich ansehen, was konkret vor Ort gemacht wird.
Noch eine allerletzte Anmerkung: Ohne die entsprechenden Lehrer, die entsprechend qualifiziert ausgebildet sind, wird es ohnehin nicht funktionieren. Frau Erdsiek-Rave gibt mir in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage die Auskunft, dass in den nächsten fünf Jahren 350 Sonderpädagogen in den Ruhestand gehen werden. Ich habe einmal in den Umdruck geschaut, mit dem uns das Wissenschaftsministerium vor ein paar Tagen die Belegung der Flensburger Lehramtsstudiengänge mitgeteilt hat:
27 eingeschriebene Studenten in den sonderpädagogischen Master-Studiengängen. Das heißt, wir brauchten jährlich dreimal so viele, um den Ersatzbedarf zu decken. - Natürlich kommen nicht alle aus Flensburg. Aber jeder Bildungspolitiker, der sich in der Republik umschaut, weiß, dass wir bundesweit einen Lehrermangel haben, dass der Wettlauf der Bundesländer um den knappen Lehrernachwuchs immer mehr zunimmt. Wenn wir nicht im eigenen Land auch nur annähernd den Ersatzbedarf durch den hier ausgebildeten Nachwuchs decken können,
dann enden alle Konzepte, die hier wohlklingend aufgestellt werden, von Frau Erdsiek-Rave oder sonst jemandem, im absoluten Nirwana.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es gleich zu Beginn zu sagen: Die FDP-Fraktion kann dem Vertrag mit dem Heiligen Stuhl wegen der Ewigkeitsgarantie, die der Vertragstext enthält, nicht zustimmen.
Verträge, die das Land und damit alle künftigen Generationen von Steuerzahlern ewig binden, sind aus unserer Sicht grundsätzlich nicht akzeptabel, selbst wenn der Wissenschaftliche Dienst des Landtags in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis gelangt ist, dass solche Vertragsvereinbarungen prinzipiell rechtlich zulässig wären.
Ein zweiter Kritikpunkt ist aus unserer Sicht auch die Dynamisierungsklausel, die im Vertragsentwurf in Bezug auf die Staatsleistungen enthalten ist. Der Präsident des Landesrechnungshofs hat hierzu in der Sitzung des Finanzausschusses vom 5. März als Vergleichsbeispiel den Vertrag genannt, den das Land Berlin 2006 mit der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg geschlossen hat. Dort wird auf eine Dynamisierung der Staatsleistungen verzichtet. Stattdessen werden die Zahlungen aus dem Landeshaushalt jeweils für einen Fünfjahreszeitraum festgeschrieben. Danach ist eine Überprüfung vorgesehen. Kommt es dabei zu keiner Einigung, werden die bisherigen Zahlungen fortgeschrieben. Damit erhält der Vertragspartner einerseits eine mittelfristige Planungssicherheit, andererseits wird auch der Staat nicht zu ständigen Steigerungen seiner Leistungen unabhängig von der Entwicklung der öffentlichen Finanzen verpflichtet.
Falls der Vertrag mit dem Heiligen Stuhl in den beiden genannten Punkten - hinsichtlich der Ewigkeitsgarantie und der Dynamisierungsklausel - andere Regelungen enthielte, könnten auch wir einem solchen Vertrag vorbehaltlos zustimmen. Ich möchte ausdrücklich feststellen, dass dies auch für solche Punkte gilt, die in den Ausschüssen zum Teil von einzelnen Kollegen der SPD-Fraktion kritisiert worden sind. Als Beispiel sind hier die Vertragsbestimmungen zum Religionsunterricht und zum Bereich des Rundfunks zu nennen.
Im Hinblick auf den Religionsunterricht - dies möchte ich feststellen - orientiert sich der Vertragstext an den Vorgaben des Grundgesetzes. Danach wird konfessionell gebundener Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt. Falls Eltern oder religionsmündige Schüler sich gegen einen solchen
Unterricht entscheiden, wird in Schleswig-Holstein stattdessen Unterricht im Fach Philosophie erteilt. Im Übrigen können Lehrkräfte - wie Art. 7 Abs. 3 GG festlegt - nicht gegen ihren Willen zur Erteilung von Religionsunterricht verpflichtet werden. Die logische Konsequenz aus diesen Vorgaben besteht andererseits darin, dass staatliche Lehrkräfte, die konfessionell gebundenen Religionsunterricht erteilen, hierfür die in Artikel 5 des vorliegenden Vertrags mit dem Heiligen Stuhl genannte Zustimmung der Kirche benötigen. Wie gesagt, darin sehen wir kein Problem und auch keinen Anlass zur Kritik.
Eine letzte Anmerkung: Es dient meines Erachtens auch nicht einem fairen und partnerschaftlichen Umgang zwischen Staat und Kirche, wenn manche Kollegen - wie dies zum Beispiel im Finanzausschuss der Fall gewesen ist - den vorliegenden Gesetzentwurf unter Hinweis auf das Reichskonkordat von 1933 in ein gewisses Zwielicht rücken. Hierzu hat zum einen Staatssekretär Maurus am 12. Februar im Finanzausschuss zutreffend festgestellt, ich zitiere aus dem Ausschussprotokoll:
„…dass aus politischen Gründen bewusst davon abgesehen worden sei, im Vertrag die Fortgeltung des Reichskonkordats festzuschreiben.“
Zum anderen kann ich mich nicht daran erinnern, dass jemals - und zwar insbesondere auch nicht von Sozialdemokraten - daran Anstoß genommen worden ist, dass bestimmte sozialpolitische Regelungen, die aus guten Gründen bis heute bestehen, erstmals in der Zeit zwischen 1933 und 1945 eingeführt worden sind. Als Beispiel ist hier die Einbeziehung der Rentner in die gesetzliche Krankenversicherung genannt. Kurz gesagt: Es ist ganz einfach unangemessen, unsere aktuelle Kirchenstaatsvertragsdebatte durch Verweise auf 1933 zu belasten. Dies möge bitte auch der Kollege Günther Neugebauer bedenken.
Wenn die FDP-Abgeordneten - wie auch Mitglieder anderer Fraktionen - nachher in der Abstimmung den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen, so geschieht dies ausschließlich aus den eingangs von mir genannten Gründen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 320 Seiten Antworten auf die Große Anfrage der SPDFraktion: Viel Kultur im Norden, das kann man wirklich sagen. Das olympische Motto „höher, schneller, weiter“ scheint auch für viele Kulturbereiche zu gelten. Die Zahl der Schülerbelegungen an den Musikschulen ist von rund 23.500 in 1998 auf 30.400 in 2007 gestiegen. Die Zahl der Ausleihungen in den öffentlichen Bibliotheken des Büchereisystems in Schleswig-Holstein hat sich von 9,2 Millionen im Jahr 1997 auf knapp 15,2 Millionen im Jahr 2007 erhöht.
Einen Kulturpessimisten wie den Naturforscher Conrad Gessner würde das glatt aus den Puschen heben, hatte er doch seinerzeit die Warnung vor dem „verwirrenden und schädlichen Überfluss an Büchern“ ausgesprochen. Das ist ein wörtliches Zitat. Aber das war 1545, als selbst Gebildete angesichts der Steigerung der Bücherproduktion infolge
der gutenbergschen Buchdruckerfindung etwas den Überblick über die vielen Bücher verloren. Dafür gibt es heute sachkundige Bibliothekare und einen online erreichbaren Zentralkatalog, über den man von zu Hause aus recherchieren kann, um dann gleich das gewünschte Buch zu bekommen.
Kulturelle Angebote sind also zuhauf verfügbar. Es stellt sich nur die Frage, ob ihre tendenziell wachsende Nutzung - ich glaube, das geht als Faktum aus dem Bericht hervor - auf eine intensivere Inanspruchnahme durch einen Teil des Publikums oder auf einen breiteren Zugang durch die Gesamtbevölkerung zurückzuführen ist. Diese Frage allerdings beantwortet die Große Anfrage - soweit ich es sehe - nicht. Beim Thema „Buch“ gibt es allerdings einige Studien, zum Beispiel von der gemeinnützigen Stiftung Lesen, die eher darauf hindeuten, dass in Deutschland tendenziell weniger Menschen immer mehr lesen. Auch die im vorigen Jahr veröffentlichte Studie zum Thema „Vorlesen im Kinderalltag 2008“ hat ähnliche Tendenzen gezeigt. Sie kommt etwa zu dem Ergebnis, dass 37 % aller Kinder in Deutschland weder zu Hause in ihren Familien, noch im Kindergarten oder in der Schule vorgelesen bekommen. Es kommt also sehr stark auf die Bildungsinstitutionen von der Familie über den Kindergarten bis zur Schule an, um in der kulturellen Bildung wesentliche Grundlagen zu vermitteln. Hierauf hat dankenswerterweise auch der Herr Ministerpräsident vorhin hingewiesen.
Gerade in diesem Bereich sind in Schleswig-Holstein katastrophale Defizite, etwa beim Musikunterricht in den Schulen, zu beklagen. Der Landesrechnungshof hat in seinem Sonderbericht zum Unterrichtsausfall in Mangelfächern vor nicht allzu langer Zeit daraufhingewiesen, dass in der Sekundarstufe I in den oberen Jahrgängen - mit Ausnahme an den Gymnasien, also an den anderen Schularten -, in den Klassenstufen 8, 9 und 10, teilweise so gut wie gar kein Musikunterricht in diesem Land mehr stattfindet. Das ist in der Tat eine Situation, die politischen Handlungsbedarf aufzeigt. An dieser katastrophalen Zustandsbeschreibung, die der Rechnungshof vor einiger Zeit abgegeben hat, muss konkret etwas geändert werden.
Es ändert sich ja auch nichts an der Situation, wenn die geprüften Haupt- oder Realschulen künftig Regionalschulen oder Gemeinschaftsschulen heißen. Das geänderte Schild am Gebäude oder am Eingangstor hat leider nicht dazu beigetragen, dass sich
die Situation in der Unterrichtsversorgung hier wirklich verbessert hat.
Der Ruf nach einem Landeskulturentwicklungsplan erklingt in der Großen Anfrage, und die Landesregierung antwortet ganz brav auf Seite 14, dass sie diesem Thema positiv gegenübersteht. Das ist meines Erachtens keine besonders überzeugende Antwort auf die angesprochenen Missstände. Etwas bescheidener, aber mit etwas mehr greifbaren Zielen und Vorhaben an die Aufgabe heranzugehen, wäre meines Erachtens besser. Das heißt aus meiner Sicht, dass man für eine Wahlperiode konkrete Ziele beschreiben muss, die man dann innerhalb von fünf Jahren erreichen kann, und an deren Erreichen oder Nichterreichen sich eine Regierung auch messen lassen muss.
Das gilt beispielsweise für die Verbesserung des musisch-kulturellen Unterrichtsangebotes in den Schulen und bei konkreten Vorhaben im Museumsbereich. Ich nehme einmal ein Zitat von der Seite 120. Da heißt es zum Thema Museen in Schleswig-Holstein: „… die Aufmerksamkeit richtet sich künftig stärker auf die international bedeutenden Lübecker Museen…“.
Ich finde es toll, dass die Landesregierung den Lübecker Museen mehr Aufmerksamkeit schenkt, fände es aber doch besser, wenn etwas konkretere Ziele und Vorhaben für einen überschaubaren Zeitraum beschrieben würden.
Ich nenne als weiteres Beispiel das Freiwillige Soziale Jahr Kultur, das vielen jungen Leuten einen besseren Zugang zu späteren beruflichen Tätigkeiten im Kulturbereich eröffnet. Wenn man die dort jetzt in Schleswig-Holstein vorhandenen 24 Plätze in Schleswig-Holstein auf 36 oder 48 in einem überschaubaren Zeitraum steigern könnte, wäre das ein so konkret beschreibbares Ziel.
Ich nenne die Verbesserung der Vernetzungs- und Förderstruktur. Da geht es oft darum, mit relativ wenig Geld sehr viel erreichen zu können. Im Landesverband der Amateurtheater in Schleswig-Holstein engagieren sich in Schleswig-Holstein 4.000 Ensemblemitglieder. Sie erreichen mit ihren Aufführungen jährlich etwa 200.000 Zuschauer. Wenn man mit Landeszuschüssen beispielsweise die Fortbildungsaktivitäten, Kurse für Regiearbeit oder
auch zu anderen Themen, weiter fördert, ist auch das sicherlich ein ganz wichtiger Beitrag. Das gilt ähnlich auch für den Bereich anderer großer Dachverbände und Vernetzungsstrukturen zum Beispiel im Bereich Musik, dem Landesmusikrat, oder auch auf anderen Gebieten. Hier bedeutet die Unterstützung des Landes auch konkret Nachwuchsund Talentförderung im Kulturbereich und die Stärkung des bürgerschaftlichen und ehrenamtlichen Engagements in unserer Kulturszene.
Abweichend von dem eingangs erwähnten olympischen Motto sind bei den Museumsbesuchen in unserem Land leider Rückgänge zu verzeichnen. Von 3 Millionen im Jahr 2000 auf unter 2,6 Millionen im Jahr 2006. Hier ist eine Entwicklung konträr zum bundesweiten Trend festzustellen. Ich denke, auch hier sollten wir in der Ausschussberatung noch etwas genauer hinschauen und fragen, woran dies liegt. Es gibt gerade im Museumsbereich in Schleswig-Holstein einige bemerkenswerte Verbesserungen. Ich denke zum Beispiel an Schloss Gottorf. Insofern muss man über die rückläufige Tendenz noch etwas genauer nachdenken beziehungsweise nach den Ursachen schauen.
Die Zuordnung der Kultur zum Aufgabenbereich der Staatskanzlei im Jahr 2005 war damals Thema öffentlicher Debatten. Ich hatte damals gesagt: Lasst uns sehen, was das bringt. Mein Fazit nach vier Jahren lautet: Es hat zwar erkennbar nicht geschadet, aber besonderen Nutzen vermag ich dann doch auch nicht zu erkennen, Herr Ministerpräsident. Das Kulturbudget des Landes SchleswigHolstein hat 1990, Anfang der 90er-Jahre, immerhin 1 % des Landeshaushalts ausgemacht. Es ist nach dem Ende der Amtszeit von Björn Engholm, also seit Beginn der Regierungszeit von Heide Simonis, kontinuierlich geschrumpft. Das hat sich leider auch 2005 nicht wesentlich geändert. Rechnet man dann auch noch die Geldentwertung ein, blickt man also nicht nur auf die nominalen Werte, dann ist tatsächlich von der Kaufkraft her das Kulturbudget des Landes etwa um ein Viertel seit Anfang der 90er-Jahre geschrumpft. Ich denke, dass die Trendwende, die Sie ankündigen, nicht zu erkennen ist. Schauen Sie auf Ihre eigene Tabelle auf Seite 324. Wenn man den Finanzausgleich mit einrechnet, vor allem natürlich die eingefrorenen Theatermittel des FAG, dann ergibt das für 2005 bis 2010 gerade einmal eine nominale Steigerung um 3,25 %. Das wird kaum reichen, um die Preissteigerung in diesem Fünfjahreszeitraum auszugleichen.
Kritisch sehen wir Liberale die Neigung der Staatskanzlei, ihre begrenzten, real sogar schrumpfenden Ressourcen durch bürokratische Eingriffe zu kompensieren. Ein Paradebeispiel dafür ist der Denkmalschutz. Die Staatskanzlei lässt sich hier vor den Karren der zuständigen Fachbehörde spannen, die so abstruse Vorhaben hervorbringt wie die Unterschutzstellung des Kieler Uni-Campus.
Über den Entwurf des neuen Denkmalschutzgesetzes haben wir schon im Oktober in erster Lesung debattiert. Wenn per Ukas einer Fachbehörde massive Eingriffe in Privateigentum erleichtert werden, wie es eine nur noch ,,nachrichtlich" den Eigentümern mitgeteilte Eintragung in die Denkmalliste mit sich brächte, dann schadet das letztlich auch der Akzeptanz des Denkmalschutzes.
Damit bringen wir den Kulturstandort SchleswigHolstein nicht voran. Dass der zuständige Referatsleiter der Staatskanzlei momentan als Kieler Oberbürgermeisterkandidat der Linkspartei in Erscheinung tritt,
passt da irgendwie genau ins Bild und ist insofern mehr als nur ein kurioser Zufall.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In aller Ruhe: Nur weil sich der Kollege Dr. Stegner vorhin eingehend im Detail mit der Frage beschäftigt hat, wer in der Vergangenheit was getan, gesagt oder nicht gesagt hat, will ich Ihnen zwei Zitate zur Kenntnis geben beziehungsweise in Erinnerung rufen, denn Sie kennen sie alle. Hier im Plenarsaal dieses Landtags am 15. Dezember 2005, zweite Lesung des Landeshaushaltes 2006. Ich zitiere aus der Rede von Wolfgang Kubicki:
„Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen allerdings auch mehr Geld einnehmen, denn wir wollen die Anteile des Landes an der HSH Nordbank AG verkaufen. Das ist übrigens etwas, was die Union bis zur Landtagswahl auch wollte. Wir meinen, das Land sollte sich nicht an einer privaten Bank beteiligen, und wäre sie noch so ertragreich, denn was heute noch glänzt, kann morgen bereits verblasst sein.
Auf die vielfältigen Probleme im Bereich der Genossenschaftsbanken und der Privatbanken, aber auch der öffentlich-rechtlichen Banken wie zum Beispiel der Berliner Bankgesellschaft will ich hier nur hinweisen.“
Ich erspare Ihnen die schenkelklopfende Heiterkeit damals aus Ihren Reihen zu solchen Vorschlägen, die die FDP schon seit Jahren unterbreitet hatte.