Jutta Matuschek
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da die Baugenehmigung für den 5. Nachtrag am BER nach wie vor aussteht und der 6. Nachtrag demzufolge noch gar nicht eingereicht werden konnte, aber trotzdem umfangreiche Baumaßnahmen am BER stattfinden, frage ich den Senat: Wird dort schwarzgebaut, und hat das etwas damit zu tun, dass man den avisierten Eröffnungstermin März 2018 nur so einigermaßen realistisch halten könnte?
Vielen Dank! – Herr Regierender Bürgermeister! Baurechtlich ist Bauen ohne Baugenehmigung ein Schwarzbau. Lassen wir das mal dahingestellt sein. Ich erinnere daran, dass aus dem 3. und 4. Nachtrag ca. 750 Auflagen der Baugenehmigungsbehörde erteilt wurden. Wie verhält es sich damit, dass jetzt ohne Baugenehmigung in Erwartung von entsprechenden Auflagen gebaut wird, die sich aus dem 5. Nachtrag, dessen Genehmigung aussteht, ergeben und die noch gar nicht da sind?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte mich als Erstes bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusses für die umfangreiche Arbeit und das außerordentliche Engagement bedanken. Herr Wagner, Frau Huang, Frau Kunze – sie saß vorhin dort oben –: Vielen, vielen Dank für die Arbeit!
Wir Linke haben dem Mehrheitsbericht nicht zugestimmt, weil er im Widerspruch zur Beweislage Märchen und Mythen, die es doch eigentlich aufzuklären galt, in vielen Facetten kolportiert, und Kollege Kreins hat sie auch wieder vorgetragen.
Ich will versuchen, in der kurzen Rede – ich könnte darüber zwei Stunden reden, aber ich muss mich an die Redezeit halten – einige von diesen Märchen und Mythen anzusprechen. Fangen wir beim Geld an! Der Untersuchungsauftrag hat die Aufklärung der Kostenentwicklung an herausgehobener Stelle impliziert. Dazu hat die Koalition aber gar keine Initiative ergriffen. Die Behauptung, der BER sei deshalb teurer, weil er größer geworden ist, wird bis heute von Wowereit, Mehdorn und neuerdings auch von Mühlenfeld vorgetragen. Das ist aber nur die halbe Wahrheit und deswegen nicht richtig.
Es waren und sind die vielfältigen Fehler des Baumanagements und der Bauherren, die dazu geführt haben, dass mehr als 25 Prozent der Kosten auf die Nachtragsforderungen der Baufirmen und weitere Kosten auf die Mängelbeseitigung zurückzuführen sind. Diese Nachträge haben mehrere Ursachen: erstens eine unklare Leistungsbeschreibung bei der Auftragsvergabe, zweitens die willkürliche, nicht mit Planern und sonstigen Baubeteiligten abgestimmte Anordnung von Leistungen durch die FBB, drittens ausufernde, sogenannte Beschleunigungsmaßnahmen, die etwas beschleunigen sollten, was bautechnologisch gar nicht umsetzbar war – diese Maßnahmen waren zum großen Teil einfach hinausgeworfenes Geld –, viertens der Verzicht auf Nachbesserungen von Schlechtleistungen und die Übernahme der finanziellen Verantwortung durch die FBB auch von Mängeln bei der Bauausführung. Dies wurde zuletzt bei der Firma Imtech öffentlich bekannt. Im Klartext heißt das, dass die
(Stefan Evers)
bauausführenden Firmen schlecht oder gar nicht arbeiten konnten, trotzdem aber bezahlt wurden, weil sie den Grund der Mängel der FBB zuordnen konnten und die FBB den Konflikt in der Fixierung – da teile ich die Meinung von Herrn Evers – auf den Eröffnungstermin nicht austragen konnte oder wollte.
Das traurige Bild, das wir Ergebnis konstatieren mussten, war, dass es eine stringente Kostensteuerung weder bei der Geschäftsführung noch beim Projektsteuerer gegeben hat, der sich nach eigenen Aussagen auch eher für das Geldausgeben interessierte als für das Geldzusammenhalten.
Der Aufsichtsrat nahm die Kostenexplosion wie ein Naturereignis hin oder glaubte bei den vielen Planungsänderungen den vagen Versprechungen der Geschäftsführung über sprudelnde Geldquellen in der Zukunft, weswegen man in der Gegenwart nicht knausern sollte. Der Aufsichtsrat kam allen Forderungen der Geschäftsführung nach, ohne sie ernsthaft zu prüfen. Er gab sich mit dem Mantra zufrieden, es sei alles im Finanzierungsrahmen. Das war natürlich nicht richtig, denn der Finanzierungsrahmen, der zu Beginn des Projektes tatsächlich relativ üppig ausgestattet war, war schon 2010 an seine Grenzen gestoßen und wurde klammheimlich in den Jahren 2011 und 2012 ausgeweitet, übrigens ohne das Parlament darüber zu unterrichten.
Der Finanzierungsrahmen war lange gesprengt, bevor der Eröffnungstermin abgesagt werden musste. Schlimmer noch, die Geschäftsführung Schwarz/Körtgen hat das Unternehmen FBB Mitte 2012 finanziell an die Wand gefahren. Wowereit hatte davon spätestens zu dem Zeitpunkt Kenntnis, als aus seinem Haus versucht wurde, die absehbare Liquiditätsklemme durch Verzicht auf Bürgschaftsentgelte zu kaschieren. Die FBB musste Mitte 2012 durch Steuergelder aufgefangen werden, selbst wenn die Eröffnung gelungen wäre.
Wenn etwas zu viel in dem Projekt war, dann war es die feste Rückversicherung, dass der Steuerzahler zahlen wird. Deshalb mangelte es auch an Risikobewusstsein. Deshalb wurde das Geld ohne wirtschaftliche Vernunft mit beiden Händen ausgegeben. Umso erschreckender ist es, heute feststellen zu müssen, dass sich an dieser Rückversicherungsmentalität immer noch nichts geändert hat. Der Vortrag von Herrn Mühlenfeld bei der IHK war ein beredtes Beispiel dafür. Ich fordere den Aufsichtsrat auf, dieses laxe Schwadronieren über Steuergelder nicht kritiklos durchgehen zu lassen.
Zum Mitschreiben: Seit 2006 stecken in dem Unternehmen FBB 2 Milliarden Euro direkte Steuergelder. Hinzu kommt die Bürgschaft, für die der Steuerzahler geradestehen muss. Gestern ist der Geldhahn im Hauptausschuss weiter aufgedreht worden. Es ist unverantwortlich,
wie frühere und jetzige Geschäftsführer, aber auch Aufsichtsratsmitglieder leichtfertig so tun, als sei das alles ganz normal. Nichts daran ist normal.
Damit bin ich bei dem zweiten Märchen, der Aufsichtsrat sei falsch informiert worden. Richtig ist, die Geschäftsführung hat katastrophale Fehler begangen, hat beschönigt, wichtige Schreiben vorenthalten, brisante Probleme nicht offengelegt, keine Risikoabwägung getroffen und anderes. Das haben wir alles aufgeschrieben.
Falsch ist, der Aufsichtsrat hätte von alledem nichts erkennen können. Vielmehr war der Aufsichtsrat offensichtlich nicht in der Lage, die vielfältigen Alarmsignale zu hören. Es mangelte ihm schlicht an Expertise. Er hat sie sich auch nicht eingeholt. Der Aufsichtsrat unterließ es, überhaupt die Tätigkeit der Geschäftsführung von unabhängiger Stelle prüfen zu lassen, selbst als das Kind schon in den Brunnen gefallen war. Diese Unterlassung ist eindeutig auf Klaus Wowereit zurückzuführen, der als Aufsichtsratsvorsitzender dafür die Verantwortung trug.
Ich habe zu wenig Zeit für Zwischenfragen. – Entschuldigung!
Der Aufsichtsrat hat sich darüber hinaus wichtige Entscheidungen von der verantwortungsscheuen Geschäftsführung regelrecht zuschanzen lassen und gleich selbst entschieden. Drei Fälle seien genannt. Erstens betrifft es die Entscheidung zur ersten Verschiebung im Jahr 2010. Diese Verschiebung war nicht – wieder ein Märchen, Herr Kreins, hören Sie zu – von außen durch die EUVerordnung oder die Insolvenz des Planers bedingt. Sie hätte in jedem Fall auch ohne EU-Verordnung wegen der etwa auf ein Jahr angewachsenen Bau- und Planungsrückstände vorgenommen werden müssen. Doch mit dem Verweis auf das quasi von außen hereingebrochene Ungemach, unterließ es der Aufsichtsrat, die Prospektstrukturen und die Arbeit der Geschäftsführung zu überprüfen. Der Aufsichtsrat hat seine Zustimmung trotz der erkennbar mangelhaften Vorlagen gegeben. Obendrein wurde zugleich die Geschäftsführung sogar noch mit einer Gehaltserhöhung und Herr Schwarz mit einer Vertragsverlängerung belohnt.
Zweites Beispiel: Das Genehmigungsrisiko wurde zwar als wesentlich bezeichnet, nur gab es keinerlei Aktivitäten des Aufsichtsrats, das Genehmigungsmanagement der FBB einmal unter die Lupe zu nehmen. Stattdessen akzeptierte er die Ausführungen von Herrn Körtgen, der von einer politischen Begleitung der Genehmigungsbehörde orakelte. Der Aufsichtsrat hat auch hierbei keinerlei Aufsicht geführt.
Drittes Beispiel: Der Aufsichtsrat hat aus dem einzigen Grund, der Öffentlichkeit Handlungsfähigkeit beweisen zu wollen, die Trennung vom Generalsplaner ohne eine ernsthafte Prüfung der Folgen einzig auf der Grundlage eines geschönten Berichts des Projektsteuerers und einer inquisitorischen Befragung durch Wowereit entschieden. Die Allmacht des Regierungschefs und des Aufsichtsratsvorsitzenden geriet zu Ohnmacht des Miteigentümers Berlin. Das war ein fataler Fehler.
Damit bin ich beim dritten Komplex meiner Ausführungen. Das Beteiligungsmanagement des Landes Berlin ist seinen Namen nicht wert. Alle schönen Richtlinien, zum Beispiel, dass sich der Gesellschafter nicht allein auf die Ausführungen der Geschäftsführung verlassen darf, dass die verschiedenen Senatsressorts zusammenarbeiten sollen, dass zu einem Beteiligungsmanagement die umfassende Beurteilung der Unternehmensentwicklung und die Ausrichtung der Unternehmensstrategie an den Interessen des Gemeinwohls vorzunehmen sei, das alles sind im Fall der FBB nur bedrucktes Papier. In Wirklichkeit hat sich der Eigentümer Berlin seines eigenen Beteiligungsmanagements entledigt. Es gibt keine Kontrolle, sondern bestenfalls zusammenfassende Vermerke ängstlicher Verwaltungsmitarbeiter über die Verlautbarungen der Geschäftsführung.
Das Beteiligungsmanagement des Landes Berlin muss grundsätzlich neu aufgestellt werden. In ihm muss Sachverstand zur betriebswirtschaftlichen Steuerung der Landesunternehmen mit Experten für Unternehmensstrukturen und Risikomanagement gebündelt werden. Eine regelmäßige Überprüfung der Unternehmensstrategie muss im Beteiligungsmanagement vorgenommen und dem Parlament darüber berichtet, gegebenenfalls zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Das Copy-und-Paste im Beteiligungsbericht ist einfach zu wenig. Das Land muss seine Rolle als Eigentümer stetig neu überprüfen und präzisieren. Das ist die Herausforderung, die das Abgeordnetenhaus künftig zu bewältigen hat, damit es nicht weiter als Sparschwein herhalten muss.
Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit meine letzte Parlamentsrede. Zum Abschied sei mir eine Bemerkung gestattet. Wir alle hier im Parlament sollten ein Vorbild für Verlässlichkeit und Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen sein. Doch gerade in den vergangenen fünf Jahren ist dies immer einmal wieder misslungen. Anträge wurden zwar eingebracht, aber jahrelang nicht behandelt,
eine Verfassungsänderung erfolgte ohne jede Begründung und Debatte, einfach so, weil es gerade politisch passte. Wenn sich aber Politiker schon nicht an Regeln halten, warum sollte es dann irgendjemand tun? Eine Aufgabe – da schließt sich der Kreis zum BER – wurde sträflich vernachlässigt: Wer, wenn nicht wir Abgeordneten, sollte in der Lage sein, aus den vielfältigen, zum Teil gegenläufigen Interessen einzelner oder einzelner Gruppen das herauszufiltern, was man mit Gemeinwohlinteresse beschreibt?
Das übergeordnete Gemeinwohlinteresse zu extrahieren, darzulegen und durchzusetzen, ist die ureigenste Aufgabe der Politik. Weil wir alle, ich nehme keine Partei dabei aus, das in den letzten Jahren nicht immer vermochten, reagieren die Bürgerinnen und Bürger so, wie sie reagieren. Wir alle müssen wieder politischer werden, nicht parteiegoistischer, sondern politischer im Sinne des Allgemeinwohls zur Überwindung von sozialer Spaltung, Hass und Benachteiligung. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema heißt „Starkes Wachstum der Berliner Wirtschaft“. Das ist ja wohl die erste Variation des CDU-Wahlslogans, und deswegen ist die heutige Debatte wohl mehr als Wahlkampfveranstaltung zu verstehen.
Die Berliner Wirtschaft wächst.
Das ist richtig. Aber wir nehmen doch mal die Werte aus der jetzigen Regierungszeit zu Hilfe, und da ist zu nennen: 2012 minus 0,2 Prozent, 2013 immerhin schon plus 0,2 Prozent, 2014 dann plus 2,1 Prozent, und 2015 lag das Wirtschaftswachstum exakt wieder auf dem Niveau von 2010 mit glatten 3 Prozent. Das ist erfreulich für die Einnahmen des Landes und die Verdienstmöglichkeiten der Erwerbstätigen. Auch bei der Arbeitsproduktivität holt Berlin auf und liegt mit knapp 65 000 Euro je Erwerbstätigen aber noch immer rund 3 000 Euro deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Hamburg hat im Vergleich eine 30 Prozent höhere Bruttowertschöpfung je Erwerbstätigen. Da fehlt es Berlin an Stärke.
Bei der Investitionsquote ist Berlin mit 19,4 Prozent nach wie vor ziemlich schwach. Unser Nachbarland Brandenburg bringt es da bereits auf 22,7 Prozent, also deutlich mehr als Berlin. Die verfügbaren Einkommen der Berlinerinnen und Berliner entwickeln sich nur langsam und mühselig nach oben und liegen derzeit bei knapp 17 600 Euro. Im Bundesdurchschnitt sind es 20 400 Euro. Achtung, kein Beifall – ganz schwaches Berlin.
Insgesamt hat Berlin nach wie vor eine Schieflage in der Wirtschaftsstruktur. 84 Prozent der Wertschöpfung kommen aus dem Dienstleistungssektor und nur 16 Prozent aus dem produzierenden Gewerbe. Bundesweit wäre der Durchschnitt bei 30 Prozent zu 70 Prozent. Allein in den ersten vier Monaten dieses Jahres haben wir wieder Diskussionen und Meldungen gehört über Betriebsschließungen beim Dynamowerk Siemens, bei Redknee, bei Nokia, bei Coca-Cola. Das gehört mit in eine Gesamtschau zur Wirtschaftspolitik, Herr Jahnke,
vor allem deshalb, weil zu überprüfen ist, ob dies tatsächlich Einzelfälle sind oder Indikatoren für eine nachlassende Attraktivität Berlins. Denn nach Mitteilung des Amts für Statistik Berlin-Brandenburg hat der Wirtschaftsstandort Berlin gegenüber dem Vorjahr wieder an Popularität eingebüßt. Für einen Umzug in die Hauptstadt haben sich im Jahr 2015 insgesamt gut 1 000 Betriebe, das sind 11 Prozent weniger als im letzten Jahr, entschieden. Die Anzahl der Fortzüge in ein anderes Bundesland stieg hingegen um 2 Prozent, und die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen stieg um fast 8 Prozent. Demgegenüber sank die Zahl der Gewerbeanmeldungen um 2
(Frank Jahnke)
Prozent. Das sind Anzeichen einer Trendwende und hat nichts mit starkem Berlin zu tun. Der gewerbliche und industrielle Hochbau, ein wichtiger Indikator für Investitionsneigung der Unternehmen, war im Jahr 2015 mit minus 3,4 Prozent ebenfalls rückläufig. Man kann das ja alles vom Tisch wischen und als oppositionelle Nörgelei abtun, aber eine positive Wirtschaftsentwicklung ist eben kein Selbstläufer, und die Anzeichen einer Trendwende sind deutlich erkennbar. Da muss gehandelt werden!
Im Übrigen wissen wir, dass es ein ganzes Konglomerat an überwiegend externen Einflussfaktoren gibt, die darüber mitentscheiden, wie die wirtschaftliche Dynamik sich entwickelt. Berlin kommt von sehr weit hinten. Insofern sind überdurchschnittliche Zahlen zwar immer erfreulich, sie beziehen sich jedoch immer auf das nach wie vor bescheidene Ausgangsniveau, von dem wir kommen. Solange sich Berlin immer nur mit sich selbst vergleicht, kann die Freude über positive Zahlen ja gar nicht groß genug sein. Legt man aber die Latte auf das Vergleichsniveau mit wirklich großen und bedeutenden Hauptstädten und Ballungsräumen, brauchte Berlin ca. 80 000 Industriearbeitsplätze mehr, als zurzeit vorhanden sind, also fast das Doppelte. Das ist der Maßstab, an dem Berlin sich messen lassen muss.
Die aktuelle Anziehungskraft Berlins für wirtschaftliche Akteure beruht zu einem großen Teil auf sogenannten weichen Standortfaktoren und externen Effekten wie dem exportfreundlichen Eurokurs, niedrigen Mineralölpreisen und – nicht zu vergessen – der lockeren Geldpolitik der EZB. Auf all das hat Berlin wenig Einfluss. Das ist aber der Honig, aus dem die CDU und die SPD vermeintliche Stärke saugen.
Der Start-up-Boom, wenngleich unter Rot-Rot mit vielen Einzelmaßnahmen begünstigt, ist letztlich nicht zielgerichtet herstellbar. Hier hat die Gesamtattraktivität Berlins mit günstigen Mieten, hoher Wirtschaftsdichte, vielen Freiräumen und dem Image der kreativen Metropole im Aufbruch gewirkt. Diese Standortvorteile werden aber gerade von der aktuell regierenden Koalition leichtfertig verspielt. Der schwerste Bremsklotz an der Wirtschaftsentwicklung Berlins ist der Berliner Senat selbst.
Berlin ist als Investor nach wie vor ein Totalausfall. Eine Stadt mit einer kollabierenden Verwaltung ist kein Anziehungspunkt für ernsthafte Investoren. Eine Stadt, in der ansässige und zuziehende Menschen keine bezahlbare Wohnung finden, ist kein Zukunftsort.
Eine Stadt, in der Bürgerämter geschlossen sind, Schulen verdrecken, Kitas die Kinder nicht mehr aufnehmen können, ist keine Stadt, in der man Wurzeln schlagen möchte.
Ein speziell die Wirtschaft betreffendes Thema sind die Gewerberäume. Ich wiederhole es zum x-ten Mal: Die Verdrängungsprozesse von Gewerbe aus den Wohngebieten sind dramatisch. Hier ist schnelles und mutiges Handeln erforderlich – über die Senatsressorts hinweg. Herr Müller, das ist eine Aufgabe für Sie, die Sie auch verstehen, dass sie gelöst werden muss! In einer von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag gegebenen Überprüfung des StEP Industrie und Gewerbe, schon vom Dezember 2014, heißt es:
Die Verknappung von verfügbaren und tatsächlich am Markt angebotenen Flächen wird zu einem Anstieg der Preise führen. Die Entwicklung der Wirtschaft in Berlin ist jedoch nicht als so robust einzuschätzen, als dass deutliche Preissteigerungen verkraftet werden können. Insofern ist auf die Preisentwicklung dämpfend einzuwirken. Dies beinhaltet ein angemessenes Angebot an verfügbaren Flächen in unterschiedlichen Qualitäten und Lagen. Zum anderen sollte das Eindringen von hochwertigen Nutzungen vermieden werden, die zu einem Anstieg von Preisen bzw. Preiserwartungen in einzelnen Gebieten führen. Dies betrifft neben Nutzungen wie Einzelhandel und Vergnügungsstätten auch Wohnen oder Wohnsonderformen.
So die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung 2014. Die Gutachter empfehlen darüber hinaus, die Flächeneffektivität zu erhöhen und kompakte Mischstrukturen wie z. B. in Kreuzberg zu erhalten, da vergleichbare kompakte Strukturen nicht wieder aufgebaut werden können. Sie empfehlen eine Sicherung der Flächenkulisse aus dem StEP Industrie und Gewerbe. Dessen Potenziale seien zwischen 2020 – faktisch morgen – und 2025 rechnerisch aufgezehrt. Und da nur ein Teil dieser Potenziale auf dem Markt angeboten wird, stößt die Nachfrage bereits früher auf ein knappes Angebot. Im Jahr 2030 werden sich die Potenziale insgesamt deutlich reduziert haben. Soweit die Gutachter!
Die Realität ist weitaus dramatischer. Gerade aus den Gebieten der berühmten Berliner Mischung in Kreuzberg-Friedrichshain, Mitte und Prenzlauer Berg verschwinden Gewerbe und Handwerk in rasanter Geschwindigkeit. Nach Einschätzung der bezirklichen Wirtschaftsverantwortlichen aus diesen Gebieten ist davon auszugehen, dass in spätestens zehn Jahren dort gar kein Gewerbe mehr ansässig sein wird.
Ja!
Lieber Kollege Lederer! Das bringt der Wahlkampf so mit sich. Man hält seine Wahlrede und verschwindet dann.
Lassen Sie mich noch ganz kurz etwas zur Digitalisierung und Smart City sagen. Der Senat hat ein Papier mit Anhang beschlossen, das er Strategie nennt. Wir würden es eher eine Skizze nennen. Bisher ist Smart City auch im weltweiten Kontext eher ein erfolgreiches Branding großer IT-Unternehmen zur politischen und realen Implementierung smarter Technologien in urbane Ballungsräume.
Wir wollen das möglicherweise so gar nicht. Für uns gehört zu einer wirklichen Smart-City-Strategie nicht so sehr die Frage, was alles geht und wie man die Bürgerinnen und Bürger dafür werberisch gewinnt, sondern die Frage: Was braucht die Stadt tatsächlich? Was wollen die Bürgerinnen und Bürger?
Wem gehören die Daten, wer verdient daran, und wer bestimmt über ihre Verwendung? Wir reden hier immerhin über den nächsten großen Investitionszyklus, über die Entstehung eines neuen riesigen Marktes, der in der letzten Konsequenz unsere Biologie und unser Verhalten bitgenau ausliest, steuert und verwertet. Es ist völlig klar, dass auch Berlin einen produktiven Umgang mit dieser Entwicklung finden muss – übrigens auch für die ITStruktur des Landes –, aber genau wegen der Tragweite dieser Entwicklungen muss es dazu auch eine gesellschaftliche, stadtpolitische Debatte geben. Lassen Sie uns darüber reden!
Ein letzter Satz in Richtung CDU: Bei 19 Prozent nicht übermütig werden!
Vielen Dank! – Herr Regierender Bürgermeister! Weder dem Aufsichtsrat noch der Geschäftsführung dürfte unbekannt sein, dass mit jedem Bauantrag auch eine Fortschreibung des Brandschutzkonzepts vorzulegen ist, das dann entsprechend geprüft werden muss. Deswegen stellt sich auch mir die Frage: Wie kann die Geschäftsführung, wie kann der Aufsichtsrat überrascht sein, dass mit dem fünften Nachtrag zur Baugenehmigung nunmehr ein fortgeschriebenes Brandschutzkonzept gefordert wird?
Herr Senator! Wir reden überhaupt nicht über das Planfeststellungsverfahren – ohne das Sie da sowieso nichts bauen können –, sondern wir reden über den Bundesverkehrswegeplan. Da frage ich Sie noch einmal: Wie erklären Sie den Bürgerinnen und Bürgern – wenn sie Einfluss nehmen oder auch nur Informationen haben wollen über den 17. Bauabschnitt der A 100, der in der jetzigen Form des Bundesverkehrswegeplans gar nicht mehr auftaucht, weswegen auch keine Informationen über das Portal erlangt und keine Einwendungen eingereicht werden können –, dass auf merkwürdige Weise der 17. Bauabschnitt, für den es in dem Bundesverkehrswegeplanentwurf keinerlei Untersuchungen, keinerlei Informationen gibt, als schon im Bau befindlich klassifiziert wird und der Bürger deswegen – –
Das ist schön, wenn Sie die Frage verstanden haben.
Ich hoffe, der Senator hat sie auch verstanden. – Wie erklären Sie das den Bürgern, dass sie ihre Einflussmöglichkeiten zum 17. Bauabschnitt dennoch wahrnehmen können?
Vielen Dank! – Da es ja immer noch keine Baugenehmigung für die Änderungsmaßnahmen u. a. an der Entrauchungsanlage gibt, frage ich Sie: Welche Informationen liegen Ihnen darüber vor, was zurzeit tatsächlich an Baugeschehen an den Entrauchungsanlagen stattfindet, ohne dass die Genehmigung vorliegt? Wenn sie vorliegt, wird sie sicherlich auch noch Auflagen mit sich bringen. Was wissen Sie also über die konkreten Baumaßnahmen, die uns zurzeit auch über Pressearbeit vorgestellt werden, deren Inhalt wir aber nicht nachvollziehen können?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Abend hole ich heute mal meine konservative Seite raus. Als ich den Titel „Spielbare Stadt“ las, habe ich gedacht: Eins der bekanntesten und populärsten Spiele ist nach wie vor „Mensch ärgere dich nicht“. Dazu gibt es auch Welt
(Anja Schillhaneck)
meisterschaften, die in der Kleinstadt Wiesloch in BadenWürttemberg stattfinden. Wollen wir jetzt die Weltmeisterschaften in „Mensch ärgere dich nicht“ nach Berlin holen? – Ich glaube, das war nicht der Sinn Ihres Antrags. Jedes Jahr findet kurz vor Ostern in Oberhof ein Spieleentwicklertreffen statt. Da kommen Hunderte Leute zusammen, die sich tatsächlich an Tische setzen, um Spiele auszuprobieren und zu entwickeln, die etwas Haptisches haben, z. B. Würfel- und Kartenspiele. Es geht um Spiele wie Siedler, bei denen Leute miteinander Face-to-Face – um in der Sprache zu bleiben, die die Spieleentwickler offenbar gerne benutzen – spielen und kommunizieren. Sie meinten sicher auch nicht, dass dieses Spieletreffen nach Berlin geholt werden sollte. Sie haben ja gesagt, dass es um Videospiele und die Gamesindustrie geht.
Da komme ich auf unsere letzte Debatte zurück, in der es um das Spielen und die Spielsucht ging. Ich habe bei der ganzen Euphorie über Start-Ups und Spieleentwickler in Berlin – inzwischen ein bemerkbarer Wirtschaftsfaktor – einen Hinweis darauf vermisst, dass wir, wenn wir daran denken, das weiter zu fördern, gleich die Kehrseite mitdenken müssen: Es gibt auch Spielsucht im Internet, im E-Sport, wie Sie es nennen. Daran sollte man denken, wenn man euphorisch sagt, die Spieleindustrie muss in Berlin gefördert werden, weil sie so dynamisch ist. Das ist das Wasser, das ich in den Wein gieße. Es ist zweifellos richtig, dass die Spielentwicklungsindustrie in Berlin ein wichtiger Faktor ist.
Lieber Jochen Esser! Ich spiele wirklich gerne „Mensch ärgere dich nicht“. Das tue ich.
Ich ärgere mich dabei nicht, aber ich schätze den kommunikativen Aspekt dabei. – Ernsthaft: Die Spieleindustrie ist ein Teil des sogenannten IKT-Clusters, in dem Informations- und Kommunikationstechnik und Kreativwirtschaft gebündelt sind. Der Ernst des Antrags, den ich daraus entnehme, ist, dass wir über die Struktur und die Mechanismen dieses Clusters reden müssen. Da fehlt sehr viel Wissen, was da konkret passiert. Der ClusterManager ist in Berlin noch nicht gesehen worden. Das ist ein gemeinsames Cluster mit Brandenburg. Die künstlerisch Kreativen fühlen sich zum Teil an die Wand gedrückt, weil die Spieleindustrie in diesem Cluster inzwischen tatsächlich überproportional vertreten ist.
Nein! Am Ende des Tages brauche ich keine Zusatzfrage mehr. – Über die Struktur dieses Clusters müssen wir reden. In dem Sinne kann ich mich auch gut mit der Idee anfreunden, über eine Studie oder Ähnliches mehr Wissen dazu zu erlangen, was in diesem gesamten Cluster passiert. Darüber können wir dann im Ausschuss gerne reden.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Buchholz! Sie haben vielleicht gehofft, dass ich eine Kurzintervention gegenüber Ihren persönlichen Beleidigungen in meine Richtung mache. Das habe ich nicht gemacht. Es ist allerdings auch ein bisschen schwer, mit einem Eiferer Ihres Typs zu diskutieren, wenn Sie die Argumente, die vorlegt werden, von Vornherein diskreditieren.
Eine ordentliche Anhörung zu diesem Gesetz im Wirtschaftsausschuss ist von der Koalition versagt worden, und damit hat sich die Koalition selbst auch der Möglichkeit entledigt, den Vorwurf – der steht im Raum –, mit diesem Gesetz ein Quasi-Berufsverbot zu erlassen – dieser Vorwurf ist von der IHK erhoben worden –, aus dem Weg zu räumen. Das haben Sie unterlassen. Sie werden Ihre Gründe dafür haben, warum Sie den 500 legalen Spielhallenbetreibern eine solche Diskussion nicht ermöglichen.
Dass es Missstände gibt, zum Beispiel durch die Konzentration von Spielhallen in bestimmten Straßenzügen, bestreitet doch überhaupt niemand. Dass diese Missstände zum Beispiel durch unterschiedliche Handhabung des Bauordnungsrechts in Ost- und Westbezirken herrühren, blenden Sie, Herr Buchholz, seit Jahren aus.
Im Bezirk Lichtenberg ist die Untersagung einer Spielhalle am Bahnhof Karlshorst aus baurechtlichen Gründen durchgesetzt worden. Da ist es üblich, dass bei dem Antrag schon sofort auch das Bauamt zur Prüfung des Ortes auf Geeignetheit mit einbezogen wird.
Nein, keine Fragen! – In anderen Bezirken, offensichtlich vornehmlich in Spandau, unterbleibt oder unterblieb die Prüfung der Anträge auf Errichtung von Spielhallen oder spielhallenähnlichen Einrichtungen nach bauord
nungsrechtlichen oder sonstigen Vorgaben offenbar flächendeckend.
Richtig ist, dass das Spielhallengesetz von Berlin die Befristung der vorhandenen Konzessionen zum 31. Juli dieses Jahres vorschreibt. Sie von der Koalition hatten jetzt viereinhalb, fünf Jahre Zeit, ausgestattet mit Regierungsverantwortung eine rechtlich einwandfreie, transparente und nachvollziehbare Regelung zu finden, wie die Neuvergabe von Konzessionen und die Durchsetzung der 500-Meter-Abstandsvorgabe hätte geregelt werden können. Jetzt, kurz vor Ultimo, kommen Sie um die Ecke, und der dichte Bezug zum Wahlkampf ist nicht von der Hand zu weisen. Sie haben fünf Jahre gepennt,
vielleicht auch auf Zeit gespielt und kommen jetzt mit einem umständlichen, aufwendigen Verfahren, an dessen Ende ein Losentscheid, also ein Glücksspielverfahren, steht, und das nennen wir Verweigerung von Regierungsverantwortung, Herr Buchholz.
Das Verfahren zur Bestimmung der Abstandsregelung ist dermaßen kompliziert und arbeitsaufwendig für die Ordnungsämter wie für die anderen beteiligten Ämter, dass man nur staunen kann, was der Gesetzgeber angesichts der Ämterkatastrophe in Berlin denen an zusätzlichen Arbeiten überträgt. Der Senat hat Ihnen in seiner Stellungnahme mitgeteilt, dass nämlich in den Bezirken weder personell noch fachlich entsprechende Ressourcen zur Verfügung stehen. Die wie aus dem Hut gezauberten zusätzlichen Kräfte nur für die Umsetzung dieses Spielhallengesetzes wären in anderen Bereichen wie Jugend- oder Bauämtern schon vor Jahren gern in den Bezirken gesehen worden und hätten dort Gutes getan, unter anderem auch Café-Casinos kontrolliert.
Jetzt kommen neue Kräfte und ein Übermaß an Verwaltungstätigkeit zur Bekämpfung der legalen Spielhallen gleich dazu. Ob das Amt für Statistik, dem die zentrale Ausübung der Abstandsermittlung übertragen wird, dafür die nötigen Ressourcen hat, wage ich zu bezweifeln.
Bezüglich der Café-Casinos, deren Anzahl die Zahl der legalen Spielhallen um ein Vielfaches übersteigt, hätten längst in den vergangenen Jahren die entsprechenden Kontrollen, die Sie jetzt mit dem neuen Gesetz versprechen, stattfinden können. Da hätte man längst einschreiten können. Für Café-Casinos oder Ähnliches gibt es übrigens keine Abstandsregelung, weder von Schulen und Jugendeinrichtungen noch voneinander selbst.
Dort findet zu großen Teilen halb oder gänzlich illegales Glücksspiel statt, dort muss es bekämpft werden. Da
(Stefan Evers)
hätten Sie längst und seit Jahren mehr Personal einsetzen und das Problem bekämpfen können.
Das neue Gesetz, und das hat Ihnen, Herr Buchholz, Ihr geschätzter Kollege Buschkowsky ins Stammbuch geschrieben, wird massive Verdrängungseffekte ins halb- oder illegale Glücksspiel bewirken.
Da wir nun auch schon über die Spielverordnung reden: Wo waren Sie denn, Herr Buchholz? Warum haben Sie denn keine Pressekonferenz gemacht, als die Spielverordnung 2013, 2014 auf Bundesebene geändert wurde, die Reduzierung der Anzahl der Spielautomaten auf zwei, aber erst ab 2019? Warum sind Sie da nicht aufgesprungen und haben nicht sofort gesagt: Das ist ein Gesetz, vom Wirtschaftsminister Gabriel unterschrieben, das nicht Ihren Intentionen entspricht? Wo waren Sie, als in diesem Gesetz, in der Spielverordnung die jetzige Bestandsregelung von drei Automaten pro Café festgeschrieben wurde? Da waren Sie nicht zu sehen. Das ist ein bisschen merkwürdig.
Ein letzter Satz sei mir noch zu den Grünen vergönnt: Sie haben den Antrag für die Spielverordnung eingebracht. Sie, Herr Behrendt, haben im Ausschuss gesagt, Sie möchten sämtliche Glücksspielautomaten und sämtliche Spielhallen verbieten. Das kann eine Meinung sein. Aber ich frage Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: In anderen Sphären der Sucht, z. B. bei Alkohol- oder Drogensucht, verfolgen Sie eine Politik, die die Süchtigen nicht in die Kriminalität zwingt – warum machen Sie es beim Spiel? – Es gibt Gewerbe, die müssen und sollen streng reguliert werden, es gibt sogar Gewerbe, die müssen verboten werden, beispielsweise der Waffenhandel. Aber die persönliche Abneigung gegen bestimmte legale gewerbliche Tätigkeiten, Herr Buchholz, sei es Schaustellerei, Prostitution oder eben Spielhallenbetrieb, sollte nicht ausschlaggebend sein für Gesetzestexte. Gesetzesfolgen abzuschätzen gehört zur ordentlichen Gesetzesarbeit. Das haben Sie unterlassen!
Herr Buchholz!
Ihr Eiferertum in allen Ehren, aber das macht es nicht einfacher. Sie beschimpfen mich hier persönlich, und ich
kann Ihnen sagen, ich bin auch dafür bekannt, dass ich nachdenke,
dass ich Argumente abwäge. Ich habe es nicht nötig, irgendwelchen Lobbyistenverbänden hinterherzulaufen, aber ich rede mit der Automatenwirtschaft wie Sie auch. Ich weise das strikt zurück, dass Sie mich hier quasi als Abgesandte der Automatenwirtschaft darstellen! Das können Sie nicht belegen, das ist auch falsch, und es hat im Übrigen auch nichts mit Linkssein zu tun. Wenn man hier den Eindruck erweckt – und diesen Eindruck erwecken Sie –, dass jegliches Spielen sofort zur Sucht führt: Das ist nicht richtig!
Zum Thema und zum Wort „Berufsverbot“: Die IHK hat den Vorwurf Berufsverbot erhoben. Und da sage ich, man muss sich doch wenigstens einmal dem Gedanken hingeben: Wenn das Ziel Ihrer Gesetzesverschärfung – und das haben Sie verkündet, Herr Buchholz! – die Reduzierung der legalen Spielstätten auf unter 10 Prozent sein soll,
dann hat das schon etwas damit zu tun, dass ein legales Gewerbe an der Berufsausübung gehindert werden soll. Das kann ja so sein, aber dann machen Sie ein anderes Gesetz, und das heißt dann: Verbot jeglichen Spielbetriebes! Dann müssen Sie mir aber erzählen – und das können Sie eben nicht –: Was passiert eigentlich mit den Verdrängungseffekten? – Ich habe Herrn Buschkowsky zitiert, und Herr Buschkowsky weiß doch wohl genau, wovon er spricht: Wenn man die Sonnenallee hoch und runter läuft – –
Das Problem der Verdrängung lösen Sie mit diesem Gesetz nicht. Und es wird eine Folge dieses Gesetzes sein, dass – übrigens, diese Befürchtung hat er Evers selbst geäußert – aus dem legalen Spielhallenbetrieb in halblegales und illegales Spiel ausgewichen werden wird. Das sollten Sie in Ihre Überlegungen einbeziehen.
Um dagegen vorzugehen, hätten Sie in den letzten fünf Jahren mehr Aktivitäten zeigen können!
Nun noch mal zu Ihrer Frage: Was haben wir gemacht?
Sie sind Regierung! Wir machen in der Opposition auch die Kontrolle der Regierung. Aber Sie haben es nicht vorgelegt.
(Daniel Buchholz)
Und jetzt auf andere zu zeigen: Ein schlechtes Gesetz liegt da auf dem Tisch, ein besseres hat die Opposition nicht geschrieben!
Lassen Sie doch mal die Kirche im Dorf und bleiben dabei: Die Regierung hatte Regierungsarbeit zu leisten, und die Regierungsarbeit der letzten fünf Jahre war katastrophal, auch im Bereich der Bekämpfung von halblegalem und illegalem Spielen, genauso wie das Ersinnen einer ordentlichen, nachvollziehbaren Regelung, wie mit den Konzessionen umzugehen ist und wie eine Abstandsregelung durchzusetzen ist. Das haben Sie als Regierungsfraktion nicht geleistet, und diese Kritik bleibt stehen.
Wir waren nicht fünf Jahre in der Regierung – das waren Sie!
Herr Behrendt! Da wir ja ein Wortprotokoll von der Sitzung im Wirtschaftsausschuss haben werden, können wir das alles dann schön nachlesen. – Was Sie jetzt gerade beschrieben haben, ist ein wichtiges Thema, nämlich Spielsucht im Internet. Davon ist im Zusammenhang mit dem Spielhallengesetz und Mindestabstandsumsetzungsgesetz bisher nicht die Rede gewesen. Das empfinde ich als großes Manko, und da warte ich auch auf entsprechende Anträge und entsprechende Initiativen. Da haben Sie uns an Ihrer Seite.
Und wenn wir noch mal über Spielsucht reden: Ja, Spielsucht ist eine Krankheit, und es ist eine schreckliche Krankheit. Aber nicht jeder, der spielt, ist auch spiel
süchtig, und nicht jeder, der Wein trinkt, ist alkoholsüchtig. Da müssen wir einfach mal wirklich die Kirche im Dorf lassen! Aber die Spielsucht zu bekämpfen und präventiv dagegen vorzugehen, ist eine wichtige Aufgabe. Dafür hat die Koalition im letzten Jahr die Mittel gekürzt. Da, denke ich, muss man drauflegen, und dann kann man sich auch gerne mal anschauen, was bei der Stelle für Suchtprävention diesbezüglich an Angeboten vorhanden ist: Da ist sehr viel gegen Alkoholsucht, sehr viel gegen Drogensucht vorhanden, weniger gegen Spielsucht. Das, denke ich, ist ein Thema, dem man sich unter dem Aspekt der Gesundheitspolitik sehr viel stärker und umfänglicher widmen muss. Aber man kann das nicht alles in einen Topf schmeißen und sagen: Wenn es in Berlin keine Spielhallen mehr gäbe, dann hätten wir keine Spielsucht! – Das ist Quatsch!
Herr Behrendt! Ich wollte Sie fragen: Wenn Sie sagen, von den legalen Spielhallen sind noch nicht so viele geschlossen worden – wissen Sie denn, wie viele illegale Spielstätten in dieser Zeit neu entstanden sind?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe heute ganz gute Laune.
Dann gucke ich mir an, was wir in diesem wunderbaren Papierberg haben. Da haben wir zunächst – die Vorredner sagten es schon – eine Worthülse. Herr Buchholz! Ich bin ja ein bisschen traurig, dass das nicht Ihre Erfindung ist.
Aber es bleibt eine Worthülse, auch wenn sie die Größe eines Geschützes hat.
Mindestabstandsumsetzungsgesetz – da zuckt man schon gleich zusammen. Was haben wir noch? – Der buchholzene Don Quijote reitet zusammen mit Matze Brauner durch die Stadt, die Spandau heißt, um sie zu retten.
Und beide wollen den Wahlkampf gewinnen. Also gehen sie völlig spaßfrei gegen – im Übrigen legale – Spielstätten vor. Wenn man Ihnen zuhört, wird auch jedem ganz gleich klar: Jedes Spiel trägt den Keim der Sucht in sich, wie auch jeder, der einmal in der Nähe eines Tütchenrauchers steht, sofort und unwiderruflich der Drogensucht verfällt. Ist doch logisch!
Das wissen schließlich alle, die in der Nachbargemeinde von Spandau, im dörflichen Berlin ihr trostloses Dasein fristen müssen,
weshalb die rigide Drogenbekämpfung als Vorbild für die konsequente Spielunterbindung herhalten muss.
Nun liegt also das glorreiche Gesetz auf dem Tisch. Demzufolge müssen sich in ausreichender Zeit, also in drei Monaten, alle Betreiber von Spielhallen völlig neu um ihre Gewerbegenehmigung bemühen. Die listigen beiden Kämpfer haben ein unschlagbares Mittel gefunden, die Genehmigungserteilung zu verhindern: Die Bittsteller müssen nur unendlich viele Bescheinigungen von ihrem jeweiligen Bürgeramt erhalten, um diese dann in Papierform und natürlich persönlich bei einem weiteren Termin wieder dem Bezirksamt vorzulegen. Der „Tagesspiegel“ kann doch einpacken mit seiner täglichen Wasserstandsmeldung, wann man mal einen Termin beim Bezirksamt innerhalb von drei Monaten bekommt. Aber wenn es doch jemandem gelingen sollte, diese Hürde zu überspringen, dann haben Düsendaniel und Matze Brauner noch einen Trumpf im Ärmel: den Losentscheid.
Das hat ja schon mancher seit Jahren geahnt, und jetzt kriegen wir es als Gesetz. Bei behördlichen Angelegenheiten entscheidet nicht die Sachkunde oder geht es nicht nach klaren, nachvollziehbaren Regeln zu, man könnte meinen, nach Spielregeln, nein, da entscheidet das Los. Manche nennen so etwas auch Willkür.
Gibt es auch Nebenwirkungen oder gar Risiken? – Der legale Spielstättenbetrieb wird in die Illegalität getrieben. Der illegale Spielstättenbetrieb, Café-Casinos genannt, Internetspielplattformen usw. bleiben weitestgehend unangetastet.
Die Spielsüchtigen flüchten an die heimischen Computer.
Was sagt eigentlich Herr Isenberg dazu?
Aber für die Spiel- und Spaßkamarilla Buchholz/Brauner ist das Ziel erreicht. Die Stadt wird schöner, weil man die im Dunkeln ja nicht mehr sieht. Und der Staat wird ärmer, weil er die Steuern verliert. Was waren das in Russland für Deppen, die die Alkoholsucht bekämpften, indem sie die Verkaufsstellen für Schnaps und Wein geschlossen hielten! Seit Jelzin kennt die ganze Welt den Erfolg solchen Tuns. Und was sind wir in Berlin doch für
(Matthias Brauner)
Glückspilze! Berlin, die Boomtown der Games-Industry, also der Spieleindustrie und der Spieleentwickler, wird die einzige Metropole sein, die von fast allen legalen Stätten zum Spielen und Ausprobieren der Spieleentwicklung befreit wird – wieder ein Titel, den Berlin beanspruchen kann. Stattdessen haben wir einen Turboshooter für illegale Café-Casinos. Das ist der Kollateralschaden, den allerdings die Spaßkamarilla gerne hinnimmt.
Herr Buchholz! Das ist ja das Problem, dass Sie in Ihrem Eifer nicht mehr in der Lage sind zu differenzieren.
Wir haben überhaupt nichts gegen Regeln bei den legalen Spielstätten, die auch eingehalten werden müssen. Da haben wir das Spielstättengesetz gemeinsam beschlossen. Diese Regeln müssen umgesetzt werden. Was Sie beschreiben und in Ihrem Eifer hier wieder an die Wand gemalt haben, sind aber in den meisten Fällen, und zwar in den überwiegenden Fällen, die illegalen Spielstätten. Da haben Sie ein Vollzugsproblem. Das konnten wir in den vergangenen vier Jahren beobachten.
Dort, in den sogenannten Café-Casinos, wo keiner hinkommt und das kontrolliert, findet illegales Glücksspiel statt, findet auch keine Besteuerung von Glücksspiel statt, wie es in den legalen Spielhallen eben auch stattfindet. Dort ist das Problem, dass da Leute reingehen können und sich dort um Kopf und Kragen wegspielen. Und das ändern Sie durch dieses Gesetz nicht einen Millimeter.
Dann haben wir außerdem noch die vielen Wettbüros. Ich fand das ja auch lustig, der „Tagesspiegel“ kam auch auf die Idee, der Losentscheid wäre schon wieder ein Grund für ein Wettbüro. Die Wettbüros haben Sie auch nicht in Ihrem Fokus.
Und Sie setzen hier ein Gesetz mit einem Eifer an, der wirklich weit über Ihr Ziel hinausschießt, weil Sie das Ziel gar nicht mehr im Auge haben. Das Ziel muss doch heißen, die illegalen Spielstätten zu bekämpfen und aufzulösen.
Und als allererstes Ziel muss oben anstehen, die Spielsucht zu bekämpfen. Deswegen habe ich es vorhin in meiner satirischen Rede auch gesagt: Alkoholsucht bekämpft man nicht, indem man den Alkoholverkauf unterbindet.
Spielsucht bekämpft man nicht, indem man die legalen Spielstätten auf ein Zehntel ihrer Anzahl reduziert. Die Suchtprävention ist ein ganz anderes Thema, als Sie in Ihrem Gesetz überhaupt nur angerissen haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um es vorwegzunehmen: Wir Linke teilen das Anliegen, eine erneute Haftungsprüfung vorzunehmen.
Diese Meinung basiert übrigens nicht, und schon gar nicht ausschließlich, auf dem Bericht des Brandenburger Landesrechnungshofs, in dem wir im Übrigen bestimmte Sachverhalte überhaupt nicht berücksichtigt sehen.
Das betrifft insbesondere den Fakt, dass die Koordination der Akteure für die Wahrnehmung der Eigentümerfunktion bei der Senatskanzlei bzw. bei der Staatskanzlei lag, eben weil die Flughafengesellschaft keine normale Beteiligung ist, und da gab und da gibt es vielfältige Abstimmungen bei jedem einzelnen Gesellschafter wie auch zwischen den Gesellschaftern, in der Regel auf der Ebene des Regierenden Bürgermeisters und seines Brandenburger Kollegen, des Ministerpräsidenten. Die sind nicht alle dokumentiert, die sind nicht alle protokolliert. Es bleibt aber – und das ist auch die Kritik des Rechnungshofs –, dass die formelle Gesellschafterversammlung zu einem Appendix des Aufsichtsrats geworden ist, zumindest dem Anschein nach, zumindest nach der Dauer der Sitzungen.
Das heißt nicht, dass es vorher keine Absprachen gegeben hat – die hat es gegeben. Aber diese Kritik ist eine fundamentale Kritik, und darüber sollte sich jede Gebietskörperschaft Gedanken machen: Wie werden Gesellschafterversammlungen ausgestattet, vollzogen, und gibt man – und das ist ja der Vorwurf des Brandenburger Rechnungshofs – die eigenständige Kontrollfunktion als Gesellschafter auf, indem man die Gesellschafterversammlung zu einer formalen Abstimmungsangelegenheit macht? – Darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein. Das ist aber nicht der Grund, weswegen wir für die erneute Haftungsprüfung sind.
Unsere heutige Zustimmung zur nochmaligen Haftungsprüfung ist vielmehr auch eine vorweggenommene Empfehlung aus der langwierigen und kurz vor dem Ab
schluss stehenden Arbeit im Untersuchungsausschuss des Berliner Parlaments, Herr Kreins. Diese Haftungsprüfung hat unabhängig und vorbehaltlos zu erfolgen. Sie kann nicht, wie die vorherige, auf dem Bericht der alten Geschäftsführung oder auf von ihr, der alten Geschäftsführung, selbst zusammengestellten Unterlagen beruhen, wie es eben der Fall war. Herr Schwarz hat die Unterlagen selber zusammengestellt, auf deren Grundlage ein Rechtsgutachten erstellt wurde, ob es denn zu entsprechenden Verfehlungen kam. Das ist doch absurd! Eine unabhängige Haftungsprüfung muss unabhängig erfolgen; da muss der Haftungsprüfer auch alle Rechte und Möglichkeiten haben, nach eigenen Erkenntnissen Unterlagen zu suchen, Sachverhalte zu beleuchten, und nicht nach dem, was ihm die Geschäftsführung vorgelegt hat.
Insofern konnte die alte Haftungsprüfung nicht unabhängig und vorbehaltlos erfolgen. Das sagen ja die Rechtsanwälte selbst, und dass sie den Makel ihrer eigenen Untersuchung so benennen, finde ich dann schon einen sehr souveränen Umgang mit ihrer Arbeit.
Die Rechtsprechung in den vergangenen Jahren zu Haftungsverpflichtungen von Aufsichtsräten führte zu klareren und anspruchsvolleren Anforderungen an Mitglieder von Aufsichtsräten. Diese beziehen sich explizit auf die Art und Weise, wie der Aufsichtsrat seine Kontrollpflichten auszuüben hat, gerade auch dann, wenn die zu kontrollierende Gesellschaft in Turbulenzen gerät – und das ist ja wohl hier der Fall. Ein Aufsichtsrat, der nicht bemerkt, dass die Geschäftsführung ihn belügt oder belogen hat, hat vermutlich nicht sorgfältig genug und möglicherweise fahrlässig knapp kontrolliert. Die Grundlage für eine Haftungsprüfung ist die Verfehlung der Geschäftsführung – das noch mal ganz klar hingestellt –, und die ist in diesem Fall auch eindeutig belegt, mindestens durch die Zahlung aus der D&O-Versicherung.
Warum der Aufsichtsrat trotz dieser Verfehlung der Geschäftsführung nicht in der Lage war, dem verbliebenen Geschäftsführer Schwarz so zu kündigen, dass er nicht noch mit Millionen nach Hause geht, sollte man auch prüfen. Das gehört eben auch zur Überprüfung der Tätigkeit des Aufsichtsrats.
Und man muss natürlich überprüfen, ob der Aufsichtsrat seine Entscheidungen zu den verflossenen Eröffnungsterminen oder auch zum chaotischen Rausschmiss der pg bbi auf der Grundlage eigener Erwägungen und Erkenntnisse, die einer Sachprüfung standhalten, getroffen hat oder ob er, wie zuvor, dies auf der Grundlage einer bloßen Empfehlung einer unfähigen Geschäftsführung getan hat. – Das ist der Sinn einer nochmaligen Haftungsprüfung, und deswegen stimmen wir ihr zu.
(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)
Meine Nachfrage bezieht sich darauf, dass die Ertüchtigung der infrage stehenden Baureihen natürlich auch die Frage der Genehmigung durch das Eisenbahnbundesamt zur Grundlage hat, um dann die Betriebsfähigkeit auch darstellen zu können. Deswegen frage ich Sie, Herr Senator: Welche Äußerungen des Eisenbahnbundesamtes über die technische Machbarkeit und entsprechend welche Kostenschätzungen zu diesen Ertüchtigungen für eine weitere Laufzeit gibt es denn? Und wie lange soll denn die Laufzeit dieser Baureihen betragen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Berliner Wirtschaft geht es gut. Es gibt ein günstiges Konjunkturklima. Niedrige Rohstoffpreise, lockeres Geld und ein günstiges Zinsniveau sind die ausschlaggebenden Ursachen dafür. Die Koalition rühmt sich dessen. Was hat sie denn dazu beigetragen?
Eine Wirtschaftspolitik kann ich kaum erkennen, stattdessen ein lustiges Ringelreihen bei der Besetzung von Senatoren- und Staatssekretärspositionen.
Deswegen ignoriert die Koalition offensichtlich auch Fakten, die sie nicht gerne hören will. Die nenne ich einmal.
Die Anzahl der Insolvenzen von Berliner Unternehmen liegt heute 10 Prozent über der Anzahl aus dem vergangenen Jahr. Der Umsatz in der Berliner pharmazeutischen Industrie, eine Erfolgsbranche nach dem Verständnis der Koalition, liegt um 20 Prozent unter dem des Vorjahres. Es gibt 7 Prozent weniger Gewerbeanmeldung im dritten Quartal 2015 als im Vorjahr. Für eine Präsenz ihres Unternehmens in Berlin entschieden sich 18 Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Der Stern sinkt. Doch was tut der Senat angesichts dieser Fakten? Er macht Marketing. Toll! Der Kaiser und die Kaiserin lassen sich neue Kleider schneidern.
Was wäre aber die Aufgabe kluger Wirtschaftspolitik? Marketing? Schauen wir in den Haushalt! Ausgerechnet bei einer der Kernaufgaben der Wirtschaftsverwaltung, der Wirtschaftsförderung, setzen Sie von der Koalition völlig unnötigerweise den Rotstift an. Dieser Titel ist eine sinnvolle Hilfe bei Betriebsverlagerungen für Einzel
(Heiko Melzer)
maßnahmen der Gewerbe- und Industrieansiedlungen sowie der Bestandspflege. Um die schmale Decke des produzierenden Gewerbes in Berlin wenigstens zu halten und wenn möglich zu unterstützen, bräuchte man diese Mittel. Sie verzichten darauf, und senden damit ein klares Signal, nämlich ein abweisendes.
Die Gewerbeflächen der Stadt werden rar. Ein Bericht der Senatswartung für Stadtentwicklung – ich denke mir die Zahlen nicht aus – sieht spätestens 2025 – das ist schon dichter als morgen – keinen Platz mehr für Ansiedlungen vor. Macht die Koalition an der Stelle irgendetwas? Das ist bitter für Berlins Wirtschaft. Sie hätte etwas Besseres verdient. Berlin hat die Chance, zu einer tatsächlichen Musterstadt des 21. Jahrhunderts zu werden, ressourcensparsam, sozial, energieeffizient, modern zu sein, den Herausforderungen der Digitalisierung genauso gewachsen wie den Chancen der Industrie 4.0. Diese Chancen werden gerade verspielt. Dazu gehört, dass über Smart City zwar trefflich gefaselt wird, aber nicht gehandelt. Ach, ich vergaß, es wird dilettiert. Bei Horizon hat Berlin einen glatten Bauchklatscher hingelegt. Berlin sieht mit großen Augen zu, wie internationale IT-Konzerne Digitalisierungsprozesse vorantreiben und dafür das in Berlin vorhandene Potenzial an kreativen Kräften abschöpfen. Die Wirtschaftssenatorin freut sich über das Wagniskapital für solche Unternehmungen. Berlin selbst ist aber nicht in der Lage, seine eigene Rolle als Akteur bei den Digitalisierungsprozessen der Verwaltung auch nur zu definieren.
Man kann nicht über Smart City reden, wenn man keine smarte Verwaltung hat und sie nicht mal anstrebt
Digitalisierte Information über Baustellen und straßengebundene Leitungsnetze bekommt man heutzutage bei privaten Firmen leicht, schnell und unkompliziert über das Internet, nicht jedoch bei der Verwaltung. Die elektronische Akte führt ein virtuelles Dasein. Einen Maßnahmeplan für die Smart-City-Strategie gibt es bis heute nicht. Berlin verliert den konzeptionellen Anschluss an die wichtigsten Zukunftstechnologien, um Stadtleben und Wirtschaft im Interesse der Allgemeinheit zu steuern. Nun hat der Regierende die Sache in die Hand genommen. Das ist mutig, Herr Müller. Doch wie war das noch gleich mit dem öffentlichen WLAN-Netz? Das ist doch nicht mehr als ein Häkeldeckchen, und das ist noch nicht einmal fertiggehäkelt in diesem Jahr.
Das Thema Energiewende lasse ich jetzt einmal aus. Zur Elektromobilität sage ich einen Satz: Statt jeder Mode angeblicher Elektromobilität hinterherzulaufen, fehlt es an einer tatsächlichen Strategie zur radikalen Mobilitätswende, nämlich zur Steigerung des ÖPNV um mindestens 50 Prozent. Das wäre mutig. Das wäre modern.
Noch nie in meiner 20-jährigen Parlamentstätigkeit sind der Senat und die IHK sowie die Handwerkskammer so weit voneinander entfernt gewesen. Das sollte Ihnen zu denken geben. Die öffentliche Wirtschaft selbst wird von ihnen eher drangsaliert und soll dafür auch noch danke sagen. Woher soll die BSR die Mittel nehmen, die sie an den Haushalt abführen soll, wenn nicht entweder aus dem Gebührenaufkommen oder durch den Verzicht auf Investitionen? Der Runde Tisch Tourismus ist irgendwie eine Quasselbude geworden. Die City-Tax für akzeptanzerhaltende Maßnahmen im Interesse eines guten Tourismus zu verwenden, wird von Ihnen gar nicht mehr irgendwie wahrgenommen.
Das größte Versagen in der Wirtschaftspolitik ist das faktische Einstellen jeglicher Industriepolitik. Der Masterplan Industrie 2.0 ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Der Steuerungskreis trifft sich de facto nicht. Die Berliner Wirtschaftskonferenz ist nach jahrelangem Ausfall als folgenlose Quasselbude auferstanden. Für das Marketing gibt es übrigens die Berlin Partner GmbH. Für eine Wirtschaftspolitik gibt es in Berlin leider gar keine Ansprechpartner. Die Wirtschaft selbst hofft jeden Tag, dass die CDU dieses Ressort wieder hergeben muss. Helfen wir der Wirtschaft!
Vielen Dank, Herr Jahnke! – Da wir heute die zweite Lesung dieses wunderbaren Antrags haben, will ich Sie fragen: Was erzählen Sie uns eigentlich heute Neues im Vergleich zu dem, was Sie bei der Einbringung des Antrags gesagt haben?
Sehr herzlichen Dank! – Ich frage den Senat bezüglich des in Aussicht genommenen Staatssekretärstreffens zur Sulfatbelastung des Trinkwassers, welche konkreten
Maßnahmen in dem Maßnahmeplan besprochen werden sollen. Wie wird ausgeschlossen, dass die Senkung der Sulfatbelastung im Trinkwasser sowohl in Berlin als auch in Brandenburg letztlich durch die Wasserkunden zu zahlen sein wird?
Sie können doch aber einmal darlegen – Sie sagten vorhin, Sie hätten keine Geheimnisse –, welche Vorschläge für Maßnahmen Berlin in diese Verhandlungen einbringt.
Angesichts der Flüchtlingssituation hat der Senat durchaus bewiesen, dass er auch zu drastischen Maßnahmen fähig ist, nämlich der Beschlagnahme eines Bankgebäudes. Die Frage ist: Hat der Senat geprüft, auch vorhandene Wohnungen für den dringenden Bedarf der Unterkunft von Flüchtlingen zu beschlagnahmen?
Genau, kurze Frage! – Herr Geisel! Wie haben die Vertreter des Gesellschafters Land Berlin im Aufsichtsrat des VBB zu dieser Entscheidung abgestimmt? Gab es vorher eine Verständigung innerhalb des Senats über das Abstimmungsverhalten dieser zwei Mitglieder des Aufsichtsrats des VBB?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Abgeordneter Jahnke! Sie haben mal wieder Ihre Kompetenz bewiesen. Sie wissen nicht, wovon Sie reden. Ihre ganze Rede strotzte vor Ignoranz gegenüber diesen Unternehmungen der solidarischen Wirtschaft, die übrigens sich selbst Bilanzierungsregeln auferlegen und überaus erfolgreich wirtschaften, aber ein Nischendasein führen, wenn es z. B. in der politischen Debatte um diese Unternehmungen geht.
Möglicherweise halten ja auch Sie, Herr Jahnke, diese ganze Debatte für Gedöns – das ist ja ein sozialdemokratischer Begriff –, für schlicht irrelevant oder für ideologische Folklore.
Solidarische Wirtschaft, die übrigens nicht mit Sozialwirtschaft verwechselt werden darf, führt in Berlin ein Schattendasein und erfährt keine besondere Förderung, weil der besondere Wert dieser Art wirtschaftlicher Betätigung völlig unterschätzt wird und meist auch unbekannt ist. Ein Beispiel hatten wir gerade. Die faktische Marginalisierung ist allerdings kein Beweis für die Irrelevanz. Im Gegenteil: Hier gibt es Ansätze für Unternehmungen und Wirtschaftsformen, die Lösungsoptionen darstellen, um die allgegenwärtigen Existenzbedrohungen und Probleme einer rein renditegetriebenen Wirtschaft gar nicht erst entstehen zu lassen. Doch das Einzige, was im wirtschaftspolitischen Mainstream zählt, ist eben die Rendite und nicht die Nachhaltigkeit.
Nun kommen wir noch mal zu dem Höhepunkt der Ignoranz gegenüber diesem Wirtschaftsbereich: Auf eine Frage des Kollegen Olalowo zur Berücksichtigung der gemeinwohlorientierten und solidarischen Ökonomie im neuen operationellen Programm der EU antwortete Frau Yzer 2013 hier im Plenum, dass Armutsbekämpfung ja Schwerpunkt des ESF sei und die Solidarwirtschaft daher beteiligt werde. Das ist nicht willkürlich aus dem Zusammenhang gerissen, sondern von Frau Yzer genau in dieser logischen Verkettung gesagt worden. Daran wird aber deutlich, dass über das Wesen solidarischer Wirtschaftsformen dort, wo die Wirtschaftspolitik unserer Stadt entwickelt und betrieben wird, Unwissenheit und Ignoranz herrschen, jedenfalls keine Kenntnis. Das muss man leider so konstatieren.
Solidarische Wirtschaft hat nicht in erster Linie etwas mit Armutsbekämpfung zu tun, sondern mit einer anderen Form der Verteilung von Risiken und Profiten. Anders als in herkömmlichen Unternehmen, wo Risiken sozialisiert und Profite privatisiert werden, ist hier beides sozialisiert. Gigantische Abfindungssummen für gescheiterte Manager sind in solchen Unternehmensformen ebenso undenkbar wie die Abwälzung von Managementfehlern auf die Belegschaften oder Betriebsverlagerungen in Billiglohnländer.
Wir haben die Debatte um die Unterstützung solidarischer Wirtschaftsformen im Abgeordnetenhaus nicht zum ersten Mal. In der Regel wird behauptet, diese Unternehmensformen würden, sofern sie Mindeststandards erfüllten, in allen Förderprogrammen gleichberechtigt behandelt und daher gebe es gar keinen Regelungsbedarf und erst recht keinen Handlungsbedarf. Herr Jahnke sprach auch wieder so. Dieses Argument ist aber schlicht falsch, Herr Jahnke, denn natürlich haben beispielsweise Genossenschaften oder Belegschaftsunternehmen am Kreditmarkt nicht die gleichen Zugangschancen. Bei den großen Banken und auch bei den Förderbanken geht es in erster Linie um Renditeaussichten und die Sicherung derselben.
Solidarische Wirtschaftsformen sind auch bei Existenzgründern eher unbekannt. Auf eine Kleine Anfrage des geschätzten Kollegen Olalowo aus dem Jahr 2013 wurde geantwortet – ich zitiere –:
Von den rd. 1 800 Betriebsübergaben des Jahres 2012 erfolgten allerdings lediglich 26 in der Rechtsform eines e.V. und keine als Genossenschaft.
Das zeigt zunächst einmal nur eines: Einen statistischen Fakt! – Die Interpretation, dass diese Zahlen aus mangelndem Interesse herrühren, dürfte kaum validiert worden sein, denn mit ebensolcher Legitimität ließe sich behaupten, dass es offensichtlich ein Informationsdefizit gibt. Ich meine, dass es vielmehr die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind, die der Ausweitung der Gemeinwohlökonomie im Wege stehen. Aus unserer Sicht erfüllen gemeinwohlorientierte Unternehmungen Artikel 14 Abs. 2 des Grundgesetzes in besonderem Maße und sind auch deshalb besonders förderungswürdig.
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat in seiner Stellungnahme zur Gemeinwohlökonomie vom 17. September 2015 u. a. angeregt, in allen GemeinwohlStädten könnten Gemeinwohl-Schaltstellen eingerichtet werden, die die Gründung von Unternehmen fördern, die von Anfang an eine Gemeinwohlbilanz erstellen und von vornherein als Gemeinwohlunternehmen gegründet werden.
Herr Jahnke! Sie haben jetzt gerade so despektierlich darüber gesprochen, dass das ja schon seit hundert Jahren so sei. Die EU-Kommission hat allen Grund, darauf besonderen Wert zu legen, dass solche Unternehmungen auch förderfähig sind und Förderung erfahren. Wir wollen gern mit den Grünen zusammen – und auch mit Ihnen, Herr Jahnke – im Ausschuss über diesen wichtigen Aspekt reden – darüber, wie wir eine Wirtschaftsform in einer Gesellschaft, die krisengeschüttelt ist, unterstützen können, damit wir dann tatsächlich zukunftsfähige Optionen für diese Wirtschaftsform der solidarischen Ökonomie finden. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag drückt eine gewisse Hilflosigkeit aus, Hilflosigkeit, die uns alle befällt, wenn wir auf dieses Projekt BER schauen. Er drückt aber auch eine gewisse Hilflosigkeit im Hinblick darauf aus, dass wir keine Großen Anfragen mehr haben, denn normalerweise könnte man nach der alten Geschäftsordnung des Abgeordnetenhauses auf eine Große Anfrage Antworten erwarten, die der Senat pflichtgemäß und hoffentlich der Wahrheit entsprechend gegeben hätte.
Dieses Instrument haben wir nicht mehr. Kleine Anfragen haben wir nach wie vor in der Form der Schriftlichen Anfrage. Die werden regelmäßig nicht beantwortet – Herr
(Jörg Stroedter)
Delius wird mir recht geben. Somit ist der Antrag der Grünen das hilfsweise per Antrag ausgedrückte Bemühen, die Antworten zu erhalten, die man gern erhalten möchte – das einmal vorangestellt.
Über den Flughafen reden, das mache ich jederzeit gern. Ich glaube nur nicht, dass man durch den noch sovielten Bericht durch den Senat, durch Politikerbriefe an die Abgeordneten, durch Medienberichterstattung oder was auch immer, Beratung im Ausschuss XY Auskünfte erhält, die tatsächlich dem Auskunftsanspruch nachkommen. Ich bin der festen Überzeugung, dass diejenigen, die da jetzt in der Geschäftsführung wie im Aufsichtsrat die Verantwortung tragen, es auch nicht besser wissen oder – das ist jetzt eine Vermutung – auch gern Sachverhalte in die Öffentlichkeit pusten, die von den tatsächlichen Fehlern und Mängeln ablenken, die es nach wie vor in diesem Projekt gibt.
Weil hier Herr Amann so toll gelobt wurde: Herr Amann hat diese Baustelle lahmgelegt, und zwar richtig. Herr Amann hat befreundete Firmen geholt, die alle für viel Geld Zeugs gemacht haben, und keiner weiß so richtig, mit welchem Ergebnis. Auf jeden Fall haben sie den Bau nicht vorangebracht. Das muss man einfach konstatieren. Es sind nach wie vor viele Firmen dort gebunden, die sich über jeden Tag Stillstand freuen. Die freuen sich über jeden Tag Verzögerung, weil die Verträge offensichtlich so ausgestaltet sind, dass Stillhaltezeiten bezahlt werden. Das, was dort jetzt an Geld abfließt und noch abfließen soll, worüber es Nachfinanzierungsbegehren gibt, das ist intransparent für das Parlament, da gebe ich den Grünen recht, aber es tut sich auch herzlich wenig hinsichtlich einer wirklich tiefgründigen Aufklärung der Sachverhalte, die da heißen: Geldverschwendung in diesem Projekt. Diesbezüglich kommen wir auch mit solchen Anträgen nicht weiter.
Ach, wir sind am Ende des Tages, ich will Sie nicht länger aufhalten, als wir ohnehin schon hier sitzen müssen. Wir können das gern hinterher im Dialog klären.
Ich meine schon, es gibt bestimmte Dinge, die sind nicht abgearbeitet worden. Es gibt diese Mängellisten in verschiedenen Varianten und die Abarbeitung der Baumängel, also der Leistungen, die dort erbracht wurden, die eigentlich in die Gewährleistungspflicht der Firmen, die da schon Geld kassiert haben, fallen, das stockt und hängt nach. Diese vermörtelten und nicht verklebten Brandschutzwände sind nur ein Aspekt davon. Von den Ventilatoren, das haben wir im Untersuchungsausschuss klären können, war 2010 dokumentiert, dass dafür ein Sta
tiknachweis erfolgen muss. Dies war dokumentiert bei der pg bbi, die man davongejagt hat. Allerdings ist offenbar dieser Plan in der großartigen Dokumentation des Projektsteuerers irgendwo verschüttgegangen. Keiner hat mehr darauf geguckt. Jetzt schreien alle: Hallo, hallo, warum hat das keiner mitbekommen? Weshalb hängen dort falsche Ventilatoren? – Hätte man die Dokumentation, die man damals hatte, nicht weggeworfen, sondern aufbewahrt und systematisiert, dann hätte man das schon 2010, 2011, 2012, 2013 oder 2014 längst in Ordnung bringen können, Herr Stroedter! Hat man aber nicht. Man muss sich fragen: Warum hat man nicht? – Nun geht es schon wieder weiter, jetzt werden wieder neue Aufträge ausgelöst. Man kommt dann wieder auf das große Thema: Dieses Mal machen wir alles richtig mit einem Generalunternehmer, der uns das schlüsselfertig macht. – Liebe Leute! Die Kompetenz auf der Bauherrenseite, die eigene Kompetenz, das ist das A und O sowohl bei der Abarbeitung der Mängel als auch bei der Neuauftragsvergabe für die Zukunft. Da gibt es nach wie vor erhebliche Mängel. Aber das klären wir nicht durch Große, Kleine oder Schriftliche Anfragen an den Senat.
Vielen Dank, Herr Regierender Bürgermeister! Da bis zum Jahr 2018 der Mangel an großen Kongressflächen schon da ist, frage ich Sie: Gehört zur Einigung der Koalition auch die Zustimmung zu einem City-Cube II, den die Messegesellschaft gern schon bis zu diesem Jahr errichten will, damit die geplanten Kongresse stattfinden, die Berlin auch braucht?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute reden wir also über den Kapitalismus, denn so heißt das Wirtschaftssystem, in dem wir hier leben, immer noch.
Im Kapitalismus sind konjunkturelle Auf- und Abschwünge völlig normal und haben im Übrigen wenig damit zu tun, wer gerade regiert. Der gegenwärtige konjunkturelle Aufschwung in Berlin hat definitiv nichts mit der Berliner CDU zu tun.
Reden wir heute also mal über Wachstum in Berlin und über Konjunkturprognosen! Den Wert derselben beschreibt der Düsseldorfer Kabarettist Volker Pispers sinngemäß: Da reden Kaffeesatzleser mit Glaskugelanbetern und bestätigen sich gegenseitig in dem Glauben an das, was sie da sehen. – Na dann, Herr Dietmann!
Reden wir auf Wunsch der CDU über Wachstum; ich schlage vor, auf Grundlage der amtlichen Statistiken! Die Berliner Bevölkerung wuchs von 1990 bis 2013 um gerade einmal 1 600 Personen – also gar nicht. Allerdings hat sich die Anzahl derjenigen, die von Sozialhilfe bzw. von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt leben müssen, um 40 Prozent im Vergleich zum Jahr 2009 erhöht. Das ist
eindeutig Wachstum, leider an der falschen Stelle. Wachstum gab es auch bei der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, die sich auf durchschnittlich 39,2 Wochenstunden erhöhte. Die Berliner arbeiten deutlich länger für weniger Geld als Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Bundesdurchschnitt. Ich gebe zu, es gab auch Wachstum bei Einkünften. Das Nettoeinkommen pro Haushalt stieg in Berlin auf 2 421 Euro im Monat. Blöd nur, dass in allen anderen Bundesländern das Einkommen deutlich schneller wächst als in Berlin. So verfügen der Berliner und die Berlinerin heute nur über 86 Prozent des verfügbaren Einkommens im Bundesdurchschnitt, während es im Jahr 2000 immerhin noch 94 Prozent waren. Die Kluft wird also größer, Berlin ärmer. Ist das Wachstum?
Na klar! –, rufen da die Kaffeesatzleser und die Kaiser in neuen Kleidern. Die Anzahl der Erwerbstätigen steigt doch! Auch dazu das Amt für Statistik – ich zitiere, mit Erlaubnis des Präsidenten:
Der Anstieg der Erwerbstätigkeit wurde in Berlin … fast ausschließlich durch einen Beschäftigungsanstieg in den Dienstleistungsbereichen erbracht. … Demgegenüber trat im Verarbeitenden Gewerbe im zweiten Jahr in Folge ein weiterer Abbau an Beschäftigung ein.
Zum Rückgang der Industrieproduktion in Berlin haben wir Ihnen von der Koalition schon öfter die tatsächlichen Zahlen vorgehalten; hier noch einmal zum Mitschreiben: Osram – minus 300 Arbeitsplätze. Rexam – minus 165 Arbeitsplätze. Siemens – bis zu 1 400 Arbeitsplätze Verlust. Da ist eine politische Erklärung des Abgeordnetenhauses heute das eine, wirksame Wirtschaftspolitik wäre aber besser!
Die Attraktivität Berlins als Industriestandort sinkt – BMW und Mercedes sind wichtig, aber Mercedes zeigt auch, dass zum Beispiel mit Investitionen von 500 Millionen Euro ganze 15 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden –, da die Entwicklung hin zur Industrie 4.0 längst stattfindet, während der Senat noch über ein Anwenderzentrum nachdenkt.
Die Digitalisierung der Wirtschaft erfordert bei Politik und Wirtschaft ein Umdenken im Bereich der Arbeitspolitik. Qualifizierung in den Unternehmen, Fachkräfteentwicklung aus den Unternehmen heraus werden immer wichtiger. Die Ausbildungsbereitschaft Berliner Unternehmen sinkt leider. Viel lieber wird dann auf die „fertige Humanressource“ von außen zurückgegriffen. Deutschland – und Berlin im Besonderen – profitieren von der Abwanderung von Fachkräften aus den Eurokrisenregionen. Berlin ist ein Krisengewinnler!
(Frank Jahnke)
Das Sich-Dranhängen der Koalition an bereits laufende dynamische Entwicklungen, wie wir sie derzeitig im IKT-Bereich erleben, ist im Grunde das Übertünchen eigener Einfallslosigkeit der Koalition. Die Dauerschleife der Wortbeiträge lautet dann: Start-up, Gründerakzeleratoren, Inkubatoren, Labs, Venture-Capital, Business Angels, Smart City, Urban Tech und so weiter. Aber wann haben wir zum letzten Mal ernsthaft etwas über Gewerbeliegenschaften bzw. eine Idee dazu gehört, wie diese für die Wirtschaft verfügbar gemacht und gesichert werden können? Wo bleiben die Initiativen für den Technologietransfer, die tatsächlich in die Breite der Berliner Wirtschaftslandschaft wirken? Warum verschweigt die Koalition, dass die Industrie in Berlin sich eben nicht zum Wachstumsträger entwickelt, dort kein nennenswerter Arbeitsplatzaufbau erfolgt und der Anteil der Industrie an der Berliner Wertschöpfung real sogar sinkt? Wo setzt Berlin selbst Impulse als Wirtschaftsakteur? Keine ITStrategie, kein E-Government-Gesetz, nichts, worauf sich ein strategischer Ansatz für eine Smart City sinnvoll aufsetzen ließe. Die Berliner Investitionsquote ist trotz steigender Haushaltsspielräume unterirdisch.
Die großen Berliner Landesunternehmen – Berliner Wasserbetriebe, BVG, die Wohnungsgesellschaften – werden von der Koalition in den Schwitzkasten der Neuverschuldung genommen. Was macht eigentlich der Eigentümer Berlin in seinen eigenen Unternehmen in Sachen vierte industrielle Revolution? Wollen Sie die Smart City von außen mit Drohnen einfliegen lassen oder die intelligente Ertüchtigung der Infrastruktur Privaten überlassen? Das flächendeckende, viel diskutierte, von der CDU im Wahlkampf übrigens versprochene WLAN für Berlin wird bestenfalls ein Insel-Atoll, aber kein Wirtschaftsfaktor.
Die Gesamtattraktivität Berlins wurde gespeist aus günstigen Mieten, hoher Wissenschaftsdichte, vielen Freiräumen und dem Image der kreativen Metropole im Aufbruch. Diese sogenannten Standortfaktoren werden gerade leichtfertig verspielt.
Offiziell sind wir bei unter 200 000 Arbeitslosen angekommen, nimmt man aber korrekterweise die Unterbeschäftigten dazu, sind wir bei 266 000 Betroffenen. Demgegenüber gab es im Mai nur 20 000 offene Stellen. Ein Viertel der Kinder in Berlin ist armutsgefährdet. Sachgrundlose Befristungen breiten sich ebenso aus wie der Niedriglohnsektor. Viele kleine Selbstständige sind arm und träumen nur vom Mindestlohn. Das alles macht mindestens jenen, die sich diesen Tatsachen nicht verschließen, deutlich, dass wir weit entfernt davon sind, eine Wirtschaftsentwicklung in Berlin zu haben, die allen ein existenzsicherndes Dasein ermöglicht – und darum geht es doch schließlich.
Dann reden wir einmal über die Wachstumsgewinnler. Mit den rosigen Aussichten für Immobilienspekulanten, für Bauträger von Luxuswohnungen haben wir sicherlich tatsächliche Wachstumsgewinnler identifiziert. Zu den Wachstumsgewinnern gehören auch Finanzjongleure, Immobilienhaie und Start-up-Glücksritter wie die Gebrüder Samwer.
Jetzt schauen wir noch einmal in das CDUWahlprogramm, das kann ich Ihnen nicht ersparen. Da haben Sie vieles versprochen: „100 Lösungen für Berlin“. Ganz besonders gefällt mir folgender Satz, ich zitiere auch hier:
Gerade im baulichen Bereich hat der Senat zunehmend die Kontrolle über Planungsprozesse und plangerechte Durchführung der Maßnahmen verloren.
[Oliver Friederici (CDU): Jetzt kriegen wir es ab! – Senator Mario Czaja: Aber die drei Maßnahmen waren doch schon im Haushalt drin! Steffen Zillich (LINKE):Aber sie sind immer noch ohne BPU! ]
Das steht in Ihrem Wahlprogramm von 2011. Ich wusste, gar nicht, dass Sie so viel Voraussicht besessen haben, über Ihren gegenwärtigen Senat so etwas zu sagen. Denn wenn wir auf die Infrastrukturmaßnahmen schauen, stellen wir fest: BER, Staatsoper, ICC – 75 Prozent aller Baumaßnahmen im Berliner Landeshaushalt ohne gültige BPU eingestellt, das sind die Erfolge der CDURegierungsbeteiligung.
Fazit: Zum Feiern gibt es keinen Grund. Die gegenwärtig günstige Wirtschaftsentwicklung Berlins ist maßgeblich importiert worden. Faktoren dafür sind der exportfreundliche Eurokurs, niedrige Mineralölpreise, niedrige bis gar keine Zinsen, steigende Boden-, Immobilien- und Baupreise, der Zuzug von Unternehmen mit entsprechenden Beschäftigten – über die, die wegziehen, spricht ja keiner mit Ausnahme von Herrn Olalowo –, der Zuzug junger und gut ausgebildeter Menschen aus den Eurokrisenländern und Touristen. Der Eigenbeitrag Berlins an der positiven Wirtschaftsentwicklung ist minimal. Die extrem geringe Investitionsquote, also das Fehlen öffentlicher Investitionen – und zwar in die richtigen Projekte und Infrastrukturen –, ist ein sich verschärfendes Problem, an dem die Koalition nichts geändert hat. Das Verfestigen einer hohen Langzeitarbeitslosigkeit und die anhaltend große Kinderarmut haben sich trotz positiver Wirtschaftszahlen fortgesetzt.
Der Wirtschaft geht es gut, aber nicht alle haben etwas davon. Das darf nicht so bleiben. Berlin darf nicht ärmer werden, trotz Mehrarbeit. Berlin muss plan- und sinnvoll investieren. Die Berliner Verwaltung muss erster Anwender für IT-basierte, bürgernahe, transparente Verwaltung
sein. Berliner Gewerbetreibende mit weniger als neun Beschäftigten gehören in den Fokus der Wirtschaftssenatorin. Es gibt viel zu tun und nur wenig zu feiern. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Herr Regierender Bürgermeister! Berlin stehen vier Plätze im Aufsichtsrat zu. Plant Berlin eine Umbesetzung der jetzt aktiven Aufsichtsratsmitglieder?
Wenn ja, wann und in welcher personellen Zusammensetzung?
Vielen Dank! – Herr Otto! Es liegt auch ein Vorschlag des Präsidenten des Landesrechnungshofs Brandenburg vor, die verschiedenen parlamentarischen Ausschüsse der drei Gesellschafter zusammenzulegen. So könnten sich die Gesellschafter über den parlamentarischen Weg vielleicht einmal auf eine einheitliche Strategie zum Flughafen einigen. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Vielen Dank! – Ich würde gerne wissen, welche Bedingungen mit den jeweiligen Fördermitteln verbunden waren hinsichtlich der Einhaltung der Arbeitszeitnormen, des Ausschlusses von Scheinselbstständigkeit, der ILOArbeitsnormen und dergleichen. Und was heißt es, wenn Sie jetzt sagten, die Lohnkostenzuschussfördermöglichkeiten wurden deshalb nicht ausgezahlt, weil die Ursprungsbedingungen nicht nachgewiesen werden konnten?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Am 28. Januar wurde im Hauptausschuss berichtet, dass im Zusammenhang mit der Fusion von Liegenschaftsfonds und BIM der Betriebsübergang mithilfe einer Beschäftigungssicherungsvereinbarung geregelt worden sei, die zu diesem Zeitpunkt schon erzielt worden sei. Meine Frage ist: Wann, mit welchem Datum wurde diese Beschäftigungssicherungsvereinbarung von wem unterschrieben, und was ist der Inhalt?
Meine Frage war relativ profan: Wann, mit welchem Datum und mit welchen Unterschriften ist diese Beschäftigungssicherungsvereinbarung erzielt worden? Lag sie am 28. Januar den Beschäftigten genauso wie dem Senat vor, worüber im Hauptausschuss berichtet wurde? Oder ist sie zu einem anderen Zeitpunkt, wann auch immer, unterschrieben worden, und von wem? Warum ist den Beschäftigten bis heute keine schriftliche Beschäftigungssicherungsvereinbarung vorgelegt worden?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Drei Jahre große Koalition, drei Jahre „kompro-miese“ Traumschlosspflege ICC, und übrigens dann auch noch – Herr Dietmann, das haben Sie völlig falsch verstanden, die Grünen machen Ihnen pausenlos Avancen auf eine künftige möglicherweise gemeinsame Rettung des Traumschlosses ICC.
Das landeseigene Unternehmen Messe Berlin schreibt seit Jahren schwarze Zahlen, das ist gut so. Berlin ist ein starker Messestandort und auch ein sehr starker Kongressstandort, nämlich zurzeit der drittstärkste in Europa. Darüber freuen wir uns auch. Um diesen Platz zu halten und an dem absehbaren Wachstums teilzuhaben, muss Berlin mehr Kongresskapazitäten schaffen. Darüber sind wir uns einig. Worüber wir uns nicht einig sind, ist die Frage, wie groß der Anteil der Privaten an der Ausweitung der Fläche sein soll und wie groß der Anteil des landeseigenen Unternehmens Messe Berlin sein soll. Wir meinen schon, das landeseigene Unternehmen Messe Berlin darf von dem Wachstum dieses Marktes nicht ausgeschlossen werden und muss auch eigene, neue und große Kongresskapazitäten schaffen. Wichtig ist bei der ganzen Diskussion eine Jahreszahl, die ist schon genannt worden: 2018. Spätestens zu diesem Zeitpunkt müssen die Kongressmöglichkeiten nutzbar, also fertig, also gebaut sein. Genauso übrigens wie der BER in Betrieb sein und nicht nur irgendwo auf einem Plakat angepinnt sein muss.