Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 13. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Zunächst habe ich Geschäftliches mitzuteilen: Mit Schreiben vom 8. Mai dieses Jahres hat mich der Chef der Senatskanzlei über die Absicht des Regierenden Bürgermeisters unterrichtet, in der heutigen Sitzung eine Erklärung gemäß Artikel 49 Abs. 3 der Verfassung von Berlin zum Thema „Sicherheit geht vor – mit Nachdruck weiter am Erfolg des Hauptstadtflughafens BER arbeiten“
abzugeben. Gemäß der Verständigung aller Fraktionen werde ich diese Erklärung sowie die Aussprache darüber als Punkt 2 A der Tagesordnung aufrufen.
1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „1. Mai in Berlin: Konzept aus Kommunikation und Konsequenz geht auf – Erfolg erst, wenn Walpurgisnacht und 1. Mai komplett friedlich!“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „1. Mai in Berlin: Konzept aus Kommunikation und Konsequenz geht auf – Erfolg erst, wenn Walpurgisnacht und 1. Mai komplett friedlich!“,
3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Kultursenator Wowereit im Niemandsland: Rot-Schwarz begeht Wortbruch und verhindert Neubau der Hochschule für Schauspielkunst ’Ernst Busch’“,
4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Hochschule für Schauspielkunst braucht zentralen Standort – Berliner SPD muss kulturpolitischen Amoklauf beenden“,
5. Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Streit der SPD-Führung zerstört Hoffnung auf Fortschritt – Zentralstandort der Ernst-Busch-Hochschule endlich verwirklichen!“.
Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Fraktion der SPD das Wort. Wer spricht dazu? – Hier ist Herr Schreiber genannt. – Dann, bitte schön, Herr Kollege Schreiber!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben am 30. April und am 1. Mai zwei Tage erlebt, wo Zehntausende Berlinerinnen und Berliner und Touris
ten in dieser Stadt unterwegs waren. Sie haben unzählige Veranstaltungen in den Bezirken besucht, und vor allen Dingen Großveranstaltungen und Großdemonstrationen. Man kann sagen – und dann muss man es auch sagen –: Es war überwiegend friedlich. Es waren zwei tolle Tage für die Berlinerinnen und Berliner und für die Touristen dieser Stadt.
Warum ist das so? – Es hat auch damit was zu tun, dass wir an dieser Stelle einen Dank aussprechen sollten – das haben wir auch schon im Innenausschuss gemacht –, und zwar einen Dank an die Berliner Polizei,
an die Unterstützungskräfte der einzelnen Bundesländer, an die Berliner Feuerwehr – ich möchte besonders die Freiwillige Feuerwehr erwähnen, die, wie wir alle wissen, ehrenamtlich unterwegs war und einen wichtigen Dienst geleistet hat –, an die BVG, an die S-Bahn und an die Berliner Stadtreinigung. Das darf man nicht vergessen.
Was ich auch gern erwähnen möchte, ist, dass die Zivilgesellschaft der NPD die rote Karte gezeigt hat. Wir haben es geschafft, dass Demokratinnen und Demokraten im Ostteil der Stadt den Rechten die rote Karte gezeigt haben. Das ist ganz wichtig, und das ist auch gut für Berlin.
Es zeichnet sich auch ab, was vor zehn Jahren entwickelt wurde – ich möchte es hier auch klar und deutlich benennen –: das Konzept der Deeskalation. Ich möchte die beiden Gründungsväter nennen, den ehemaligen Innensenator Dr. Körting und den ehemaligen Polizeipräsidenten von Berlin Dieter Glietsch, die die Grundlage gelegt haben für dieses Konzept, das der jetzige Innensenator Frank Henkel und die Polizeivizepräsidentin Koppers übernommen haben und weiterführen werden. Sie bezeichnen das als Doppelstrategie, ich sage ganz klar: Es ist ein lernendes Konzept, ein Konzept, das sich an jedem 1. Mai aufs Neue bewähren muss und das auch richtig ist für die Stadt.
Wir haben – und das haben die Zahlen deutlich gemacht – weniger Verletzte. Aber – das muss man sehr deutlich machen – die Brutalität gegenüber Menschen in Uniform, gegen Polizeibeamtinnen und -beamte hat massiv zugenommen. Es ist in der Tat nicht hinnehmbar, wenn Beamte, die auf dem Boden liegen, mit Füßen getreten und mit Spott und Häme begleitet werden.
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir hier auch noch mal ein Stück weit Solidarität zeigen gegenüber den Beamten, die schwerstverletzt wurden, und, ich möchte auch hinzufügen, gegenüber den beiden Polizeibeamten, die letzten Sonntag im Abschnitt 53 überfallen wurden und leider momentan außer Dienst sind. An dieser Stelle wünschen wir ihnen gute Besserung und dass sie bald wieder zurück in den Dienst kommen.
Es ist wohl auch so, dass alle erwartet haben, dass bei der 18-Uhr-Demonstration etwas passieren muss. In der Tat ist es leider immer so, dass einige Linksautonome, die entpolitisiert sind, so muss man das einfach nennen, blinde Wut und Hass gegen all das hegen, was den Staat auszeichnet. Es ist traurig, dass die politischen Inhalte nicht zählen, eine Demonstration missbraucht wird und ihr in Teilen von 300 bis 400 Linksautonomen purer Hass entgegenschlägt.
Ich bedauere, dass wir beim Thema Rohrbomben in eine Situation geraten, in der ein Stück weit die Besserwissermentalität – Stichwort Deutscher Bundestag –, aber auch die Tatortmentalität – man will am liebsten sofort nach 90 Minuten geklärt haben, wer der Schuldige war – herrscht. Die Vizepräsidentin der Berliner Polizei, Frau Koppers, hat uns am Montag im Innenausschuss über den Tatvorgang informiert, sie hat sehr deutlich gemacht, was dort stattgefunden hat. Es ist richtig, dass die Berliner Polizei ausreichend Zeit erhält zu ermitteln, was es tatsächlich war. Wir sollten nicht den Fehler begehen – nach den NSU-Morden –, sofort festzustellen: Das ist Linksextremismus, das ist linker Terrorismus. Wir sind alle gut beraten, dahin gehend ruhiger zu sein und der Polizei die nötige Zeit zu geben, Ermittlungen vorzunehmen und das Täterumfeld ins Visier zu nehmen. Deswegen wollten wir diesen Besprechungspunkt noch einmal begründen und Danke sagen dafür, dass der 1. Mai doch so friedlich verlaufen ist.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz vieler Teilnehmer ist die Walpurgisnacht in diesem Jahr friedlicher als sonst verlaufen. Beim 1. Mai ist es allerdings nicht ganz friedlich geblieben, dennoch gab es keine Straßenschlachten zwischen den Chaoten und der Polizei, keine Steinhagel oder brennenden Barrikaden. Das zeigt sich auch daran, dass weniger Personen festgenommen werden mussten. Dabei haben sich die Befürchtungen, Vermutungen oder gar vereinzelt auch hämischen Erwartungen nicht erfüllt, der
1. Mai würde im Chaos enden. Anlass zu solchen Spekulationen hat es ja gegeben – zum einen war es der 25. Jahrestag der gewalttätigen Umzüge, zum anderen die erste Veranstaltung unter der Verantwortung des neuen christdemokratischen Innensenators Frank Henkel. Die Grünen in Friedrichshain haben in diesem Zusammenhang sogar einen Aufkleber herausgegeben: „Henkels 1. Mai – ich war dabei!“ Das kann man als humoristische Einlage werten, man kann sich aber auch die Frage stellen, warum man so etwas macht. Hier haben einige schon in vorauseilender Erwartung, dass es am 1. Mai Ausschreitungen geben werde, gehandelt.
Darüber hinaus reduziert sie den 1. Mai auf eine Veranstaltung gewalttätiger Demonstranten einerseits und Staatsmacht andererseits. Sie negiert dabei völlig die überwiegende Mehrzahl von friedlich feiernden und demonstrierenden Menschen. Jeder, der so agiert, beweist nur, dass er 1. Mai untauglich ist – die Grünen müssen ihre Rolle auf diesem Gebiet offenbar noch finden.
Am 1. Mai waren 7 700 Polizeibeamte aus Berlin, von der Bundespolizei und aus den Bundesländern im Einsatz. Die Polizei agierte trotz extremer Belastung professionell, verhältnismäßig und war immer Herr der Lage. Unser Dank gilt daher den vielen Polizeibeamten, aber auch allen anderen, die durch ihr Engagement dazu beigetragen haben, dass der feierliche Charakter im Vordergrund stand.
Auch in diesem Jahr hat es leider eine Reihe von verletzten Beamten gegeben; in einigen wenigen Fällen waren sogar stationäre Aufenthalte notwendig. Ich wünsche allen, die an diesen Tagen verletzt wurden, eine rasche Besserung! Ihre Verletzungen müssen uns Ansporn bleiben, weiter dazu beizutragen, das Gewaltritual um den 1. Mai zu beenden. Wir dürfen nicht abstumpfen und hinnehmen, dass der 1. Mai in Berlin nur dann nicht in Krawall ausartet, wenn nicht Tausende von Polizisten vor Ort sind. Es ist unstrittig, dass vor allem die Polizeipräsenz Schlimmeres verhindert hat, und ich warne dringend davor, eine direkte oder indirekte Gleichung aufzumachen nach dem Motto: Keine Polizei bedeutet keine Gewalt.
Unsere Aufgabe ist es, uns Gedanken über die Zukunft der Veranstaltung zu machen. Damit verbinde ich die Hoffnung, dass immer mehr Demonstranten begreifen, dass Gewalt kein Argument ist. Wir müssen jedem klar
sagen, dass der Wert eines politischen Arguments auf einer Demonstration durch Gewalt vernichtet wird.
Die Polizei hat sich dabei erneut als lernendes System bewiesen; ein Beispiel ist die Beleuchtung im Mauerpark. In der Vergangenheit war es dort mit Flutlicht zu großer Ausleuchtung gekommen, um einen Überblick über das Terrain zu haben. In den vergangenen Jahren blieb es aber friedlich, und daher konnte man in diesem Jahr darauf verzichten, was für die Feierstimmung dort natürlich ein Gewinn war. Das ist ein gutes Beispiel für das Funktionieren der Doppelstrategie, zunächst erst einmal miteinander zu reden.
Ich wage auch einen Ausblick auf die Entwicklung der autonomen Szene. Die Studie des Verfassungsschutzes zu diesem Thema hat nicht gesagt, die autonome Szene sei dabei zu zerbröckeln, sie hat gesagt, dass ihre Strategie am 1. Mai nicht aufgegangen sei. Die Vermutung bleibt, dass in Zukunft andere Aktionsformen gesucht werden. Insofern haben wir mit großer Abscheu von dem Anschlag auf ein Polizeifahrzeug erfahren müssen. Nur durch geistesgegenwärtiges Handeln und Glück konnte hier das Schlimmste verhindert werden. Auch der Fund der Rohrbomben an der Strecke des Aufzugs zeigt, dass offenbar einige Wenige, aus welcher Richtung auch immer, zu allem entschlossen sind. Für Entwarnung gibt es an dieser Stelle also keinen Anlass, hingegen muss weiterhin die ganze Kraft der Gesellschaft und des Staates aufgebracht werden, um solchem Treiben Einhalt zu gebieten.
Ich betone noch einmal die positiven Aspekte: Die geringe Teilnehmerzahl bei den NPD-Veranstaltungen zeigt, dass diese Partei in Berlin über keine gesellschaftliche Verankerung verfügt. Die großen Umzüge konnten weitgehend friedlich beendet werden, und die Doppelstrategie von Senat und Polizei ist aufgegangen. Der neue Innensenator Frank Henkel hat somit auch seine Feuertaufe am 1. Mai bestanden. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Herr Kollege! – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Frau Kollegin Herrmann das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ereignisreiche Tage in Berlin, die bundesweit für Aufregung sorgen! Der Regierende Bürgermeister erlebt eine Bruchlandung nach der anderen – das Riesendebakel Flughafen BER wird später noch Thema sein. Meine Fraktion ist der Meinung, dass wir auch über ein anderes missglücktes Bauvorhaben – den Zentralstandort der Hochschule für Schauspielkunst – sprechen müssen.