Protocol of the Session on January 26, 2012

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 7. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Frau Kollegin Felicitas Kubala von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat heute Geburtstag. – Herzlichen Glückwunsch, Frau Kollegin! Alles Gute für den heutigen Tag!

[Allgemeiner Beifall]

Ich habe wieder Geschäftliches mitzuteilen. Die Piratenfraktion zieht ihren Änderungsantrag zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke, Drucksache 17/0082 Neu – Bestenauslese für den Polizeipräsidenten von Berlin – auch der CDU-Innensenator muss eine echte Ausschreibung einleiten – auf Drucksache 17/0082 Neu-1 – zurück. Der Antrag wurde in der 6. Sitzung am 12. Januar 2012 an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung überwiesen.

Am Montag sind folgende vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU zum Thema: „Berliner Schul- und Sportanlagen: bauliche Unterhaltung in dringenden Fällen sichergestellt“,

2. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Regierungserklärung zur S-Bahn – der Senat muss endlich seine Pläne für die Zukunft der Berliner S-Bahn offenlegen“,

3. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „CSUCDU-Fantastereien zurückweisen: Marx-EngelsForum gehört in die Mitte Berlins“,

4. Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Massenhafte Funkzellenabfrage in Berlin – Ausmaß und Hintergründe offenlegen“.

Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied einer Koalitionsfraktion das Wort. Es beginnt Frau West.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den vergangenen Wochen ist in der Öffentlichkeit immer mal wieder die Frage hochgekocht, ob und wie Mittel aus dem Schul- und Sportstättensanierungsprogramm von den Bezirken ausgegeben werden können. Es wurde die Befürchtung laut, es könne zu einem Sanierungsstau kommen. Ich denke, wir müssen hier nicht ernsthaft darüber diskutieren, dass die Sanierung der Berliner Schulen und Sportstätten erstens richtig und zweitens dringend nötig ist. Da sind wir uns ja wohl

alle einig, sowohl hier untereinander im Parlament als auch mit den Vertretern der Bezirksämter, die sich hier zu Wort gemeldet haben. Dass wir hier nicht von Luxusproblemen reden, weiß jeder, der regelmäßig in den Bezirken unterwegs ist. Ich denke, jeder von Ihnen wird wahrscheinlich eine Schule kennen, die dringend saniert werden muss.

Bei einem SPD-geführten Senat wird Bildung immer ein Schwerpunkt sein. Dazu gehört eben nicht nur, dass man das Lehren und Lernen verändert. Es geht auch um ganz praktische Fragen wie undichte Dächer oder kaputte Toiletten. Es geht darum, dass unsere Kinder unter anständigen Bedingungen lernen können.

Seit 2001 haben wir im Rahmen des Programms über eine halbe Milliarde Euro in die Schulen und Sportanlagen investiert. Die Erfolge können sich wirklich sehen lassen, aber lassen Sie uns ehrlich zueinander sein: Es gibt noch eine ganze Menge zu tun.

Genau deshalb bin ich froh darüber, dass ich mit Blick auf die schlimmsten Befürchtungen Entwarnung geben kann. Der Artikel 89 sieht zwar vor, dass nur alles Begonnene und dringend Notwendige gemacht werden darf, bis ein neuer Haushalt beschlossen ist, aber – genau das ist in diesem Zusammenhang wichtig – darüber, was dringend und notwendig ist, entscheiden die Bezirke selbst und niemand anderes.

Die andere gute Nachricht besteht darin, dass nach Artikel 89 alle Maßnahmen sofort durchgeführt werden können, die der Gefahrenabwehr dienen. Im Klartext: Kaputte Heizungen und Toiletten können jetzt schon repariert werden, weil hier gesetzliche Aufgaben erfüllt werden müssen. Das Gleiche gilt für bereits begonnene Maßnahmen.

Es gibt noch eine weitere gute Nachricht: Wir wissen, dass man mit einem Passus zum Parlamentsvorbehalt über den Beschluss des Haushaltsgesetzes 2012/13 weitere Maßnahmen schon jetzt ausschreiben kann. Das bedeutet, dass nach dem Haushaltsbeschluss mit dem Bauen begonnen werden kann, und damit geht deutlich weniger Zeit verloren.

Hinzu kommt, dass sogar nicht vollständig ausgegebene Mittel ins kommende Haushaltsjahr übertragen werden dürfen. Es war eine Befürchtung, dass solche Mittel gegebenenfalls aufgrund der knappen Zeitspanne verfallen könnten.

Damit ist aus meiner Sicht alles Nötige getan, dass die Sanierung unserer Schulen auch in diesem besonderen Jahr weitergehen kann. Von einem drohenden Sanierungsstau kann also wirklich keine Rede sein.

[Stefanie Remlinger (GRÜNE): Von wegen!]

SPD und CDU haben in ihrem Koalitionsvertrag noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Sanierung von Schulen und Sportstätten in Berlin für uns Priorität hat und dass es in der gleichen Höhe weitergeht wie bisher.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von Clara Herrmann (GRÜNE)]

Um das gleich zu beantworten: Ich gehe nämlich deshalb davon aus, dass sich das entsprechend im Haushaltsentwurf niederschlagen wird.

[Özcan Mutlu (GRÜNE): Das ist ja das Mindeste!]

Warten Sie doch mal ab! – Wie wichtig uns die Bezirke sind, sieht man im Übrigen deutlich daran, dass die Koalition weitere 50 Millionen Euro für die Bezirke in den Haushalt einstellen wird.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Zurufe von den GRÜNEN]

Frau Kollegin! Machen Sie weiter! Sie haben das Mikrofon, und das ist immer lauter.

Zum Thema Schul- und Sportstättensanierungsprogramm ist eigentlich schon alles Nötige gesagt, und wir haben überhaupt kein Problem damit, die Aktuelle Stunden den Funkzellen zu widmen. – Danke schön!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Grünen hat jetzt die Kollegin Pop das Wort. – Bitte schön, Frau Kollegin!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau West! Wie entzückend Sie uns doch die Verfassungslage hier erklärt haben! Das schien in den letzten Tagen auch bei einigen in Ihren Reihen nötig zu sein, weil sie offensichtlich nicht wussten, worum es ging.

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Eigentlich ist heute durch das kurzfristige Vorziehen der Vorstellung der Flugrouten das aktuelle Thema des Tages durch das Bundesamt für Flugsicherung gesetzt worden, und dass der Senat die vom Lärm betroffenen Menschen im Südosten im Stich gelassen hat, ist mit dieser heutigen Vorstellung sehr deutlich geworden.

[Beifall bei den GRÜNEN]

Diese Themen scheinen sich zu häufen. Seit Jahren müssen die Berlinerinnen und Berliner damit leben, dass die

S-Bahn chronisch unpünktlich ist, dass ständig Züge ausfallen – heute Morgen schon wieder –, dass ganze Stadtteile abgehängt werden – heute Morgen auch schon wieder! Allein die Überschriften seit Jahresanfang zeigen die Misere und die Aktualität: „Berliner S-Bahn mit Zugausfällen ins neue Jahr“, „Bei der S-Bahn kriselt es wieder“, „Wieder Fahrermangel bei der S-Bahn“.

[Zuruf von Torsten Schneider (SPD)]

Erinnert sich eigentlich noch jemand daran, dass die Lösung der S-Bahnkrise zur Chefsache ausgerufen worden ist? – Als letztens ein Totalausfall die S-Bahn für Stunden lahmlegte, fiel dem Chef – dem Regierenden Bürgermeister – nichts Besseres ein, als mit den Schultern zu zucken und zu sagen, was soll es, das kann ja mal passieren. Da war er wieder, der alte Regierende Klaus Wowereit, der sich offensichtlich für wenig interessiert, was in dieser Stadt schiefgeht.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Im Wahlkampf hat die SPD noch den Rückkauf der S-Bahn propagiert, eigentlich wissend, dass die Deutsche Bahn die S-Bahn nicht verkaufen will – so viel zum Thema Wahrheit. Das Schwelgen in Rekommunalisierungsträumen ist für die SPD offensichtlich schöner als die schnöde Wirklichkeit.

[Zuruf von Björn Eggert (SPD)]

Es grenzte schon fast an Wahlbetrug, als der Regierende Bürgermeister in seiner Regierungserklärung en passant verkündete, dass man die S-Bahn gar nicht zurückkaufen könne, weil die Deutsche Bahn nicht verkaufen wolle. Nichtsdestotrotz setzt der SPD-Fraktionsvorsitzende zu diesem Thema eine Arbeitsgruppe ein. Auf welcher Wolke schweben Sie eigentlich, Herr Saleh?

[Beifall bei den GRÜNEN – Vereinzelter Beifall bei der LINKEN]

Hier will doch niemand eine weitere Arbeitsgruppe, sondern eine konkrete Lösung zu diesem Problem.

Meine Damen und Herren von der Koalition! Das Parlament, die Öffentlichkeit, die Menschen haben ein Recht darauf, zu erfahren, was Sie mit der S-Bahn in den nächsten Jahren planen. Stattdessen bekommt man mit, dass hinter verschlossenen Türen bei der SPD gestritten wird. „SPD meutert gegen Wowis S-Bahnpläne“,

[Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit: Was?]

schreibt der „Kurier“. Es soll angeblich Gutachten der Verkehrsverwaltung geben, die aber von Herrn Müller streng unter Verschluss gehalten werden – vermutlich, damit er nicht noch mehr Ärger mit Herrn Saleh kriegt. Die Zeit läuft Ihnen davon. Im Jahr 2017, und das ist überhaupt nicht zum Lachen, braucht es rund 400 neue Züge, um einen vernünftigen S-Bahnbetrieb zu haben. Eigentlich sollten inzwischen alle wissen, dass diese Züge geplant, entworfen und gebaut werden müssen, was wiederum mindestens fünf Jahre dauert.

[Zuruf von Lars Oberg (SPD)]

Wie soll das denn gehen, Herr Müller? Soll das Land Berlin den Wagenpark beschaffen und kaufen, wenn ja, stehen die Mittel im Haushalt? Oder soll als zweite Möglichkeit ein neuer Anbieter diese Züge bestellen und kaufen – dann müssten wir dafür eine Bürgschaft leisten! Ist diese Bürgschaft vielleicht im Haushalt veranschlagt? Wollen Sie den S-Bahnbetrieb ausschreiben, in Teillosen oder in Teilstrecken, insgesamt bzw. ab wann? Wird der neue Anbieter die Züge mitbringen müssen? Den alten S-Bahnvertrag haben Berlin und Brandenburg gemeinsam unterschrieben – stimmen Sie sich ab mit dem Land Brandenburg, oder wollen Sie mal wieder etwas auf eigene Faust machen? – Das sind viele Fragen, die Sie, Herr Müller, bis heute nicht beantwortet haben. Es geht um die Zukunft der Berliner S-Bahn, es geht um die Zukunftsfähigkeit des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin – zeigen Sie uns doch, dass Sie mehr als nur Beton denken können, lieber Herr Müller!

[Beifall bei den GRÜNEN]

Schauen Sie beispielsweise nach Hamburg, dort wird der S-Bahnverkehr ausgeschrieben, u. a. mit der Begründung des Senats, die Stadt habe nichts zu verschenken, auch keine hohen Gewinnabführungen der S-Bahn an ihre Muttergesellschaft Deutsche Bahn AG. Das sollten wir in Berlin doch genauso sehen, oder, Herr Müller?