Stefan Sarrach
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Last Statements
Frau Ministerin, wie wird mit den Liegenschaften verfahren, bei denen das Land bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist?
Herr Präsident! Liebe zuhörende Kolleginnen und Kollegen und vor allen Dingen sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsparteien! Sie gleichen dieser Tage mit Ihrem Bestätigungsgesetz einem Kapitän auf hoher See, der sein Schiff vor dem eindringenden Wasser abzudichten versucht, ohne überhaupt darüber informiert zu sein, wo genau sich die Lecks befinden und wie groß diese sind.
Der Kapitän hat wohl kaum eine Wahl. Er muss sein stark ramponiertes Schiff bis September in den Hafen bringen, weil sonst sein Unternehmen gescheitert ist.
Das vorliegende Bestätigungsgesetz erfasst überwiegend Gemeinden, in deren Fällen das Verfassungsgericht noch gar kein verbindliches Urteil gefällt hat.
Danke, Herr Präsident! Das nahm auch den zuhörenden Gästen die Sicht auf den aktuellen Redner.
Dieses vorliegende Bestätigungsgesetz - ich wiederhole es gern für Herrn Homeyer - erfasst überwiegend Gemeinden, in deren Fällen das Verfassungsgericht noch gar kein verbindliches Urteil gesprochen hat.
Wie wollen Sie also schon heute Fehler reparieren, die man Ihnen morgen erst mitteilen wird?
Nehmen Sie einmal beispielhaft die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts vom Mai zu Herzsprung und Königsberg. In beiden Fällen rügte das Gericht nicht etwa nur formelle Fehler, also Anhörungsfehler. Nein, es stellte auch die eigentliche Zuordnungsentscheidung als abwägungsfehlerhaft heraus.
Nur gut, dass Sie das in diesem Fall schon seit Mai wissen. Ansonsten hätten Sie womöglich auch hier eine Bestätigungsregel erlassen, um sich hinterher vom Verfassungsgericht sagen lassen zu müssen, dass Ihr Bestätigungsversuch völlig nutzlos war. Sie dürfen davon ausgehen, dass Sie mit dem vorliegenden Bestätigungsgesetz Regelungen erlassen, die lediglich geeignet sind, einige schon bekannte formelle Fehler zu heilen, während Ihnen das Verfassungsgericht später andere formelle und materielle Fehler bescheinigen wird. Meinen Sie nicht, dass dies das Gegenteil von verantwortungsvoller Parlamentsarbeit ist?
Wie wollen Sie sich denn verhalten, wenn Sie erfahren, dass das Gericht in einem Monat oder zwei Monaten neue und andere Fehler entdeckt hat? Werden wir dann das 1. Bestätigungsgesetz zu einem Bestätigungsgesetz erleben? Wie werden Sie etwa im noch unentschiedenen Fall der Gemeinden des Amtes Unteres Dahmeland reagieren? 2 100 Petitionen von Bürgerinnen und Bürgern aus Kablow, Niederlehme, Senzig, Wernsdorf, Zeesen und Zernsdorf liegen Ihnen vor, in denen mit gutem Grund die inhaltliche - nicht die formelle! - Verfassungsgemäßheit bezweifelt wird. Alle sechs jetzigen Ortsbeiräte haben Ihnen ihre ablehnenden Beschlüsse zukommen lassen.
Bei der Anhörung im Innenausschuss hat man die mangelnde bauliche Verflechtung ebenso angemahnt wie die fehlenden kulturellen Verbindungen nach Königs Wusterhausen und eine bessere Neugliederungsvariante, die amtsfreie Gemeinde Unteres Dahmeland, angeregt. Mehrfach betonten die Vertreter der Gemeinden und jetzigen Ortsteile, es sei nötig, die Entschei
dung des Landesverfassungsgerichts zunächst einmal abzuwarten.
Neu und bedeutend ist auch, dass sich die Stadtverordnetenversammlung Königs Wusterhausen jüngst mit Beschluss gegen dieses die Zwangseingemeindung bestätigende Gesetz ausgesprochen und Zusammenschlüsse nur auf freiwilliger Basis gefordert hat. Sie in der Koalition glauben, diesen Beschluss der aufnehmenden Stadt damit abtun zu können, dass 19 der 32 Stadtverordneten sowieso aus den neuen Ortsteilen stammen und das Ergebnis damit verzerren. Richtig ist, dass der Beschluss am 24. Mai mit 22 Jastimmen bei nur 2 Neinstimmen und 6 Enthaltungen gefasst wurde.
Statt diese Einwände und veränderten Sachverhalte ernst zu nehmen und als eigene Faktoren in den Abwägungsprozess einzustellen, bezweifeln Sie in der Begründung im Antrag zur Beschlussempfehlung den Wahrheitsgehalt solcher Aussagen. Man tut dies vorsichtig, galant, man sagt nicht, es sei gelogen worden, man sagt, dem könne nicht gefolgt werden. Was für eine unerträgliche Arroganz der Macht. Die entsprechende Bestätigungsnorm zu den Gemeinden des Amtes Unteres Dahmeland steht somit heute immer noch im Gesetz. Meine Fraktion beantragt daher mit der Drucksache 3/7671 die Streichung dieser Regelung. Dennoch wird es wohl für niemanden eine Überraschung sein, wie die gleich anschließende Abstimmung dazu ausfallen wird.
Ich empfehle Ihnen aber für den Zeitraum nach der Entscheidung durch das Gericht, schon einmal ein neues Bestätigungsgesetz auszuarbeiten, nur für alle Fälle. Vielleicht raten Sie einfach einmal ins Blaue hinein, was das Gericht noch so zu rügen haben könnte.
Offen gestanden, liebe Kollegen von der Koalition, Sie geben in meinen Augen ein höchst widersprüchliches Bild ab. Sie waren doch bis vor gar nicht langer Zeit durchweg sehr stolz auf die sechs Neugliederungsgesetze. Allen Mahnungen und Zweifeln unsererseits zum Trotz hielten Sie selbst die bedenklichsten Regelungen und Vorgehensweisen für noch verfassungsgemäß. Wie kommt es dann, dass Sie es heute nicht schaffen, die Entscheidungen des Verfassungsgerichtes zu Ihren Gesetzen erst einmal ruhig abzuwarten, bevor Sie schon wieder neue Gesetze erlassen und die Rechtsschutzmöglichkeiten dieser Gemeinden verkürzen bzw. komplizierter gestalten.
Aber nicht nur Sie sind unruhig. Sie haben die Gemeindebürger Brandenburgs insgesamt in bedenkliche Unruhe versetzt. Man zweifelt im Land nicht nur an Ihrer Entscheidungsfähigkeit, man bezweifelt, ob überhaupt noch etwas dran ist an jener Definition der kommunalen Selbstverwaltung, sie sei die geschützte Befugnis der Gemeinden, sich selbst zu regieren.
Wie einst in den alten Bundesländern wird es Jahrzehnte dauern, bevor die Zeit die Wunden heilt. Es ist bitter, das zur Kenntnis zu nehmen. Es ist noch bitterer zu wissen, dass all das vermeidbar gewesen wäre. Das sage ich Ihnen im Namen meiner Fraktion schon heute, aber ich werde es Ihnen gerne später noch einmal „bestätigen“.
Wir als PDS-Fraktion lehnen den Gesetzentwurf ab. - Ich danke Ihnen.
Kollege Schippel, wissen Sie, dass Sie genau mit diesem Bestätigungsgesetz Gemeinden, die einmal klagen, jetzt zu einer zweiten Klage drängen?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 18-mal hat der Landtag zugestandenermaßen fehlerhaft am 5. März des letzten Jahres im Rahmen der Gesetze zur Gemeindegebietsreform Gemeinden zwangsaufgelöst. Zweimal hat dies das Landesverfassungsgericht für die Gemeinden Selbelang und Wachow am 18. März 2003 auch ausgeurteilt. In allen anderen Fällen von Gemeinden, die nun Gegenstand einer gesetzlichen Bestätigung bereits beschlossener Neugliederungen werden sollen, gibt es diesen Urteilsspruch jedoch noch nicht.
Doch wie der Begründung des Gesetzentwurfs zu entnehmen ist, sind die vom Verfassungsgericht für die Gemeinden Selbelang und Wachow gerügten Anhörungsfehler ebenfalls erkennbar gegeben und sollen nach Meinung der Landesregierung durch dieses Gesetz hier in vorauseilendem Gehorsam, so meine ich, möglichst vor weiteren Verfassungsgerichtsentscheidungen geheilt werden. Bravo! Doch, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht das denn überhaupt?
Sie stellen fest, was die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der zwangsaufgelösten Gemeinden Ihnen, den Koalitionsabgeordneten, im Innenausschuss und im Ministerium des Innern schon im Gesetzgebungsverfahren des letzten Jahres im Rahmen der Innenausschussanhörung gesagt haben. Die fehlerhafte Anhörung der Bevölkerung war Gegenstand der Beratungen im Landtag, zum Beispiel im Falle des Amtes Unteres Dahmeland, bei dem zunächst die Bildung einer amtsfreien Gemeinde vorgesehen war und bei dem dann die Eingliederung dieser Gemeinden des Amtes Unteres Dahmeland in die Stadt Königs Wusterhausen beraten und beschlossen wurde.
Das alles haben wir jedenfalls gewusst. Doch diese und andere berechtigte Kritik haben Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Jetzt hat das Ministerium des Innern gemeinsam mit den zuständigen Landräten noch einmal zu einer Anhörung der Bevölkerung aufgerufen. Wieder ein Hoch auf die Regierung!
Weshalb tun Sie das? Weil die Anhörung der Bevölkerung an sich für Sie einen hohen Stellenwert hat? Weil Sie die Sorgen und Hinweise der Bevölkerung ernst nehmen wollen und Schlussfolgerungen daraus ziehen werden? - Nein, nicht aus diesen Gründen.
Das Verfassungsgericht hat zu Recht eine ordnungsgemäße Anhörung der Bevölkerung verlangt und die Einwohnerinnen und Einwohner in den betroffenen Gemeinden dürfen zu Recht fordern, dass ihre Sorgen und Hinweise vom Gesetzgeber ernst genommen werden. Die erneuten Anhörungen sind kein Angebot an die Menschen in den von der Gebietsreform betroffenen Gemeinden, sondern eine Pflichtübung vor dem Verfassungsgericht, die man formal durchführen und abhaken möchte. Dies mache ich Ihnen, Herr Minister des Innern, zum Vorwurf.
Es stellt sich aber noch eine weitere Frage: Besteht für noch nicht vom Verfassungsgericht beurteilte Neugliederungen schon jetzt ein gesetzlicher Regelungsbedarf?
Nur bei den Gemeinden Selbelang und Wachow, bei denen die gesamte Neugliederungsentscheidung - die gesamte Neugliederungsentscheidung! - und nicht nur ein herausgegriffenes Problem der formellen Verfassungsmäßigkeit Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung war, muss der Landtag handeln. Richtig. Nur für diese beiden Gemeinden hat das Verfassungsgericht geurteilt, dass der Landtag bei Vermeidung der Nichtigkeit der entsprechenden Regelungen spätestens mit Wirkung ab 1. Januar 2006 eine Neuregelung treffen muss.
Die Bestätigung der anderen Neugliederungen durch den vorliegenden Gesetzentwurf stellt hingegen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen dar, das sich für schwebende verfassungsgerichtliche Verfahren verbietet. Beurteilungsgegenstand für das Verfassungsgericht ist die Prognose und die Abwägungsentscheidung des Gesetzgebers am 5. März 2003 beim Gesetzesbeschluss. Dieses Bestätigungsgesetz hier greift in laufende kommunale Verfassungsbeschwerden von Gemeinden ein und bringt eine Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten für diese Gemeinden mit sich, die aufgelöst sind und die ausdrücklich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nicht einmal für eine juristische Sekunde als wieder selbstständige Gemeinde bzw. fortbestehende selbstständige Gemeinde, sondern weiterhin als aufgelöst gelten sollen.
Mit dem Gesetzentwurf verbunden ist aber eine neue Anhörung der Bevölkerung, der damaligen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und der jetzigen Ortsbürgermeisterinnen und Ortsbürgermeister. Der Gesetzentwurf stellt eine neue, wenn auch bestätigte Prognose und Abwägung des Landtags dar, indem Gründe des öffentlichen Wohls bemüht werden, die Zwangseingemeindungen im letzten Jahr gegen den Willen von Gemeinden rechtfertigen sollen. Hierbei, liebe Kolleginnen und Kollegen, können aber auch wieder neue Fehler im Gesetzgebungsverfahren gemacht werden.
Doch wer soll diese dann neu gemachten Fehler und das neue Gesetzgebungsverfahren hinterher rügen, wenn die Gemeinden nicht als selbstständig und als fortbestehend gelten dürfen. Diese Gemeinden - ich sage es noch einmal - gelten aus Ihrer Sicht weiterhin als aufgelöst. Sie sind als Ortsteile keine selbstständigen Rechtssubjekte. Doch gegen Gesetze, die die kom
munale Selbstverwaltung verletzten, steht Gemeinden - und nur diesen - der Rechtsweg offen, nämlich die kommunale Verfassungsbeschwerde beim Verfassungsgericht.
Wie Sie aus diesem Dilemma herauskommen wollen, ergibt möglicherweise die Anhörung im Innenausschuss. Dem werden wir uns auch nicht verschließen. Nur brauchen wir auf diese rechtliche Frage bis zur 2. Lesung eine Antwort. - Ich danke Ihnen.
Kollege Petke, Sie wollen tatsächlich nicht verstanden haben, dass sich aufgelöste Gemeinden, die sich eigentlich gegen ein solches Gesetz mit kommunaler Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen können, gegen dieses Gesetz nicht zur Wehr setzen können, und Sie Ihnen damit die Rechtsschutzmöglichkeiten abschneiden?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Erarbeitung eines einheitlichen Juristenausbildungsgesetzes mit dem Land Berlin wurde auch von der PDS unterstützt und mitgetragen. In Konsequenz hieraus ist auch die ohnehin enge Zusammenarbeit der Prüfungsämter fortzuentwickeln und kann sinnvollerweise in ein Gemeinsames Juristisches Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg münden.
Insofern steht meine Fraktion diesem Staatsvertrag grundsätzlich offen gegenüber und stimmt natürlich auch der Überweisung zu. Gleichzeitig ist aber an den Rechtsausschuss die Kritik der fehlenden Beteiligung des Deutschen Richterbundes und des Gemeinsamen Gesamtrichterrates herangetragen worden, die ich sehr ernst nehme. Im Rechtsausschuss kamen wir heute Morgen auf Initiative von Kollegen Muschalla und mir überein, vor dem Ausschuss den beiden Interessenvertretungen aber noch die Möglichkeit des Gesprächs zu geben. Dass dies notwendig ist, ergibt sich auch schon daraus, dass in der Sache gewichtige Kritik an den angeblichen Einsparpotenzialen, aber auch an den angeblich nicht genügenden Einflussmöglichkeiten Brandenburgs geübt wurde.
Wir müssen zum Abschluss und im Ergebnis dieser Beratung im Rechtsausschuss zu der Bewertung kommen, ob der Staatsvertrag für Brandenburg tatsächlich akzeptabel ist oder nicht. Dieser Diskussion stellt sich meine Fraktion. Dabei sparen wir aber auch nicht die Frage der Justizakademie Kolpin als einen möglichen Standort des Justizprüfungsamtes aus. - Ich danke Ihnen.
Nach eigener Aussage war Justizministerin Richstein erst seit dem 30. April über konkrete Vorwürfe mutmaßlicher Misshandlungen von Gefangenen in der JVA Brandenburg informiert. Auch im Ministerium soll vorher nichts bekannt gewesen sein. In der Sitzung des Rechtsausschusses am Montag legte sich die Ministerin auf Nachfrage fest, dass vor dem 30. April 2004 überhaupt keine Hinweise auf angebliche Misshandlungen von Gefangenen an das Ministerium herangetragen wurden.
Vor zwei Jahren protestierten hungerstreikende Gefangene in dieser JVA jedoch gegen die Haftbedingungen und diktatorisches Verhalten von Bediensteten. In den letzten fünf Jahren gab es aus dieser JVA 57 Anzeigen bzw. Beschwerden über Bedienstete, von denen einige direkt an das Ministerium gerichtet waren, weil diese Post nicht geöffnet werden darf. Im Juni 2003 berichtete der ORB in Bild und Ton über Bedienstete dieser JVA, die Gefangene misshandelt haben sollen, wobei der damalige Abteilungsleiter Strafvollzug im Ministerium sogar hierzu interviewt wurde. Schließlich warnte Ende März 2004 der Leiter dieser JVA den zuständigen Referatsleiter im Ministerium, dass der Besuch der „Klartext“-Redaktion bei dem herzkranken Gefangenen Friedrich F. heikel sei, weil „der Querulant uns alle in die Pfanne hauen“ werde.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: Weshalb hat die zuständige Justizministerin Informationen über mutmaßliche Misshandlungen von Gefangenen nicht unverzüglich an den Landtag und an die Landesregierung weitergegeben?
Ich habe drei Nachfragen. Frau Ministerin Richstein, bestätigen Sie also das bereits vor dem Rechtsausschuss am Montag vom Ministerium gezeichnete Bild vom herzkranken Gefangenen Friedrich F., nämlich das Bild eines wenig glaubwürdigen Querulanten, der offensichtlich nicht geschlagen worden sei, da er keine äußeren Verletzungen aufweist?
Zweitens: Trifft es zu, dass der dem Ministerium vorliegenden Akte dieses Gefangenen zu entnehmen ist, dass der Gefangene
nach dem Infarkt zwei Wochen mit Fieber in der Anstalt lag und erst dann ein seit diesem Zeitpunkt aufgetretener Nierenund Harnwegsinfekt - er hatte Blut im Urin - mit Antibiotika behandelt wurde, den der Gefangene auf Verletzungen durch Schläge in den Bauch zurückführte?
Drittens: Weshalb ist - falls dies zutrifft - dem Rechtsausschuss diese ebenfalls zur Bewertung der Glaubwürdigkeit des Gefangenen wichtige Information am Montag nicht gegeben worden?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine gemeinsame Erledigung von Aufgaben mit dem Land Berlin ist
für Brandenburg sinnvoll und zu befördern, wo ein Nutzen für beide Seiten entsteht. Natürlich müssen dabei auch die Menschen mitgenommen werden. Sie dürfen nicht den Eindruck vermittelt bekommen, dass der eigentlichen Länderfusion derart vorgegriffen wird, dass ein Volksentscheid nur noch nachvollzieht, was längst beschlossene Sache ist und sich dokumentiert durch gemeinsame Institutionen, Behörden und Gerichte, die bereits entstanden sind. Aus diesem Grund ist der vorgelegte Gesetzentwurf zu dem Staatsvertrag über die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte der Länder Berlin und Brandenburg verfrüht, inhaltlich falsch angepackt und nicht nachvollziehbar, finanziell für Brandenburg ohne Nutzen, in den Standortentscheidungen nicht ausgewogen und damit überhaupt eine Belastung für den Fusionsgedanken beider Länder. Wir sind schon einmal 1996 damit auf die Nase gefallen.
Für die PDS-Fraktion bedarf es vor der Errichtung gemeinsamer Obergerichte, insbesondere vor der Errichtung eines gemeinsamen Oberverwaltungsgerichts, das, wie Sie wissen, unterschiedlichste Rechtsmaterien beider Länder zu bewerten hat - denken Sie nur an das Kommunalrecht und dabei an die Stadtbezirksverfassung in Berlin und die Kommunalverfassung in Brandenburg -, einer echten, energischen Harmonisierung der Gesetzgebung beider Länder. Von diesem Prinzip, glaube ich, entfernen wir uns immer mehr. Vor der Errichtung gemeinsamer Obergerichte sollten überdies der nötige Volksentscheid über eine Fusion beider Länder und die Fusion selbst stehen.
Außerdem ist derzeit noch nicht absehbar, welche weitere Entwicklung bundesgesetzlich für die Zusammenlegung von Fachgerichten vorgezeichnet wird, die sich dann als neue Standortfrage zusammengelegter Fachgerichte stellt.
Der Entwurf dieses Artikelgesetzes stellt aber auch fachlich kein Meisterstück dar. So ist beispielsweise Artikel 2, die Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg, zu unbestimmt. Formuliert wird eine Öffnungsklausel für einen Staatsvertrag. Weitere Verfassungsänderungen sind nicht vorgesehen, sodass die wesentlichen Fragen aus der Verfassungsänderung ausgegliedert sind. Wir schließen uns da der Auffassung von Prof. Dr. Böttmann an, dass sich eine Verfassungsänderung durchaus auf Detailfragen zur Errichtung gemeinsamer Gerichte, auf richterrechtliche Fragen usw. erstrecken muss und dies nicht einem Staatsvertrag vorbehalten bleiben kann.
Interessant ist auch die Kostenschätzung im Entwurf. Außer dem Wunschdenken für zu erzielende Einsparungen in der Zukunft, die nicht unterlegt sind, finden sich kaum Einsparpotenziale, aber jede Menge Anschubkosten. Im Ergebnis der Kostenprüfung durch eine Arbeitsgruppe beider Länder hat Brandenburg rund 921 000 Euro wegfallende Kosten der bisherigen Fachobergerichte, aber fast 943 000 Euro Kosten der gemeinsamen Fachobergerichte zu tragen. Die jetzigen Kosten für Miete und laufenden Betrieb der Gerichte in Höhe dieser 921 000 Euro relativieren sich jedoch, da bei einem Umzug des Oberverwaltungsgerichts in Frankfurt (Oder) vom jetzt noch angemieteten Bürohaus Oderturm in die landeseigene Liegenschaft des jetzigen Landgerichts Frankfurt (Oder) 158 000 Euro Mietkosten wegfallen werden.
Weshalb sich die Bilanz der Kosten so schlecht darstellt, liegt auf der Hand, wenn man weiß, dass Mietverträge bis zum 31. März 2009 bestehen, die weiter erfüllt werden müssen, auch wenn die Gebäude leergezogen sind.
Vielleicht liegt es an der fehlenden Belastbarkeit dieses Berichts der Arbeitsgruppe, dass er dem Landtag noch nicht zur Kenntnis gegeben wurde, denn er taugt auch an anderen Stellen nicht als ein Argument für diesen Gesetzentwurf. Auch die Fragen des nichtrichterlichen Personals sind längst gestellt und diese Fragen, so meine ich, sind allesamt noch nicht beantwortet. Gibt der Stellenplan in unserem beschlossenen Landeshaushalt her, dass 22 Mitarbeiter am Oberverwaltungsgericht am Standort Frankfurt (Oder) im Zweifel nicht nach Berlin mitgehen und tatsächlich an anderen Justizeinrichtungen in der Stadt Frankfurt (Oder) untergebracht werden können, wenn gleichzeitig anteilige Personalkosten in Berlin für das Oberverwaltungsgericht an diesem Standort durch das Land Brandenburg mitzutragen sind? Das Versprechen - erst wieder diesen Montag -, eine Gesprächsrunde vor Ort mit dem Personal durchzuführen, wurde wieder einmal nicht eingelöst.
Hinzu tritt, dass uns auch aus Berlin die politische Kritik einiger Parteien ereilt, dass der Standort Cottbus für ein gemeinsames Finanzgericht nicht akzeptiert wird. Diese Fragen der Standorte sind aber, da ein Gesamtpaket geschnürt wurde, nicht mehr verhandelbar. Der Staatsvertrag droht also, an dieser Frage zu scheitern. Es hätte nicht zugelassen werden dürfen, dass diese Konfrontation mit den Landesparlamenten provoziert wird; denn ein für nicht verhandelbar erklärter Staatsvertrag wird nach dem „Alles oder Nichts“-Prinzip abgestimmt und da reichen Koalitionsmehrheiten wegen der für eine Änderung der Verfassung nötigen Mehrheit nur bedingt.
Verständnis habe ich auch für die Sorge, dass Brandenburg beim Oberverwaltungsgericht 2005 in Vorleistung geht, während das Finanzgericht mit Sitz in Cottbus erst 2007 errichtet werden soll. Der Staatsvertrag ist jedoch von jedem Land kündbar und vor einer Auseinandersetzung über bereits errichtete Obergerichte wird, so meine ich, die Einigung über eine abgespeckte Staatsvertragsvariante ohne Cottbus stehen.
Angezeigt ist somit, diesen Gesetzentwurf wenigstens zurückzustellen, und nicht mehr vor den Landtagswahlen zu behandeln.
Die PDS-Fraktion wird diesen Gesetzentwurf aus den vorgenannten Gründen ablehnen. Im Hauptausschuss soll aber, so wird es meine Fraktion beantragen, eine Anhörung stattfinden. Der Bedarf hierfür ist groß. Das zeigen die Schreiben und die Gesprächswünsche, die uns erreicht haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte soll beispielhaft für die Vorteile einer Länderfusion sein. Die Errichtung gemeinsamer Fachobergerichte muss einen spürbar positiven Effekt für die Recht Suchenden haben. Diesen positiven Effekt habe ich in diesem Gesetzentwurf vergeblich gesucht. - Ich danke Ihnen.
Herr Minister, ich habe zwei Fragen. Habe ich Sie erstens richtig verstanden, dass Sie es als eine Aufgabe der Landesverwaltung ansehen, nicht nur für den eigenen Bedarf auszubilden, sondern auch der Verantwortung, Ausbildung anzubieten, nachzukommen?
Zweitens: Wie bewerten Sie dann aber - auch darüber könnte man eine Ausbildungsplatzabgabe minimieren -, dass im Bereich der Justiz nach dem Haushaltsplan 90 Ausbildungsplätze
für Justizfachangestellte vorgesehen sind, in diesem Jahr aber nur eine Klasse mit 16 Auszubildenden aufgemacht wird und nach einer Ausbildungsplatzabgabenquote ein Bedarf an 110 Justizfachangestellten in diesem Ressort vorhanden wäre? Zeigt sich so die Verantwortung der Landesverwaltung bezüglich Ausbildung?
Herr Minister, ich habe zwei Fragen. Können Sie erstens bestätigen, dass auch die Härtefallkommissionen anderer Bundesländer nicht in einem gesetzlosen Zustand leben und arbeiten, und zweitens, dass es bereits beim Minister des Innern ein externes Beratungsgremium für ausländerrechtliche Härtefälle gegeben hat? Sie hoben auf die Beratungstätigkeit der Ausländerbeauftragten ab.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich macht betroffen, dass wir in eine Debatte zu unserem Gesetzentwurf eintreten, deren Ausgang ich schon jetzt kenne. Die PDS-Fraktion stellt auf die Situation von Menschen im Abschiebehaftvollzug des Landes Brandenburg ab und will diesen Vollzug für die Menschen darin erträglicher und humaner gestalten.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, wissen hingegen schon, dass Sie nicht einmal der Ausschussüberweisung zustimmen und den Gesetzentwurf in 1. Lesung ablehnen werden.
Wenn Sie sich schon dem Anliegen der Angleichung von Rechtsvorschriften der Länder Brandenburg und Berlin verschließen wir haben bei den Vorschlägen zur Änderung und Ergänzung des bestehenden brandenburgischen Gesetzes die Vorschriften des Berliner Gesetzes über den Abschiebungsgewahrsam berücksichtigt, weil die darin enthaltenen Regelungen gelungener sind -, dann verschließen Sie sich doch bitte nicht den Problemen und der Situation der Menschen in der Abschiebehaft!
Ich kann Ihnen nur empfehlen, sich die Abschiebehafteinrichtung in Eisenhüttenstadt anzuschauen. Der grundlegende Regelungsbedarf ist mir durch Besuche in Eisenhüttenstadt und Gespräche vor Ort genauso deutlich geworden wie durch die wichtige und unerlässliche Zuarbeit von Hilfsorganisationen von und für Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlingen.
Im Übrigen hat der Bericht des Antifolterausschusses des Europarates vom März des vergangenen Jahres unserer bisherigen Kritik an dem ausländer- und asylpolitischen Regime, die sich auch stets der Problematik der Abschiebung und dessen Vollzugs in unserem Land zugewandt hatte, erneut Nachdruck verliehen.
In den letzten Monaten sind Berichte über die so genannten Ruhigstellungsräume bzw. Beruhigungszellen in Eisenhüttenstadt an die Öffentlichkeit gelangt. In einer dieser Zellen werden so genannte unruhige Inhaftierte mithilfe eines Gurtsystems an einem ebenerdigen Bett festgegurtet.
Außerdem sind Berichte bekannt geworden, nach denen sich
viele Inhaftierte über die medizinische Versorgung beschwert haben. Dabei ging es um Wartezeiten, fehlende Übersetzung und eine insgesamt schlechte Kommunikation zwischen Ärzten, nicht ärztlichem Personal und Patientinnen und Patienten.
Für mich war das allemal Grund, die Einrichtung zweimal, zuletzt am 23. Februar gemeinsam mit der Kollegin Wolff-Molorciuc, aufzusuchen. In einem Bericht hat mein Mitarbeiter hierzu sachlich korrekt festgehalten - ich zitiere hieraus sinngemäß -: Tatsächlich geändert hat sich die Situation in den beiden Ruhigstellungszellen. Zwar bestehen beide Räume fort, aber statt der bekannten und kritisierten Fesselung mittels Metallhandschellen wird wie gehabt weiterhin nur in einem der beiden Räume eine Fesselung vorgehalten. Dabei findet ein Gurtsystem der Fa. Segufix Verwendung, das auch in psychiatrischen Anstalten in Gebrauch ist. Zur Handhabung ist zu sagen, dass laut Anstaltsleitung die Anordnung nur durch Beamte - somit insoweit formaljuristisch korrekt - erfolge und nicht beamtete Mitarbeiter eines Wachschutzes des Betreibers zur Durchführung herangezogen würden.
Allerdings bleiben diesbezüglich neben anderen nach wie vor Zweifel hinsichtlich der Art und Weise der Anlegung der Fesseln. Es gab wohl einmal eine einmalige technische Unterweisung durch den Hersteller. Im Übrigen werden die Methoden der Anlegung hausintern und am lebenden Objekt, jedoch im Selbstversuch des beteiligten Personals, weitergegeben. Allerdings habe es einen Erfahrungsaustausch mit der psychiatrischen Abteilung des benachbarten Krankenhauses gegeben.
Dass im Anwendungsfalle eine weitere, beispielsweise medizinische Überwachung in jedem Fall stattfindet, ist nicht klar bzw. selbstverständlich. Im Vordergrund steht die Vollzugsüberwachung per Monitor aus einem Raum auf dem gleichen Flur.
Bezüglich der Häufigkeit der Anwendung der Maßnahme wird die Zahl von vier- bis fünfmal pro Jahr genannt. Die Anstaltsleitung beteuert, dass diese Art der Unterbringung die Ultima Ratio sei, betont aber gleichfalls den Überwachungsaufwand, der im Falle eines Falles entstehe. Hierüber sei konkret Protokoll zu führen. Es finde Bildschirmüberwachung und Magnetbandaufzeichnung mit späterer Löschung statt. Die Aufrechterhaltung der Maßnahme werde fortlaufend überprüft, aber nicht vom medizinischen Personal begleitet.
Zum Beobachtungsschwerpunkt medizinische Versorgung ist festzustellen, dass diese vornehmlich durch eine täglich stundenweise anwesende Krankenschwester stattfindet. Nach der ärztlichen Erstuntersuchung bei der Aufnahme gibt es im Zwei-Wochen-Rhythmus eine Sprechstunde eines Vertragsarztes in der Anstalt. Den Zugang zu diesem kanalisiere allerdings in erster Linie die Krankenschwester. Zu Fachärzten werde je nach Dringlichkeit überwiesen.
Die auftretenden sprachlichen Hürden würden durch andere Abschiebehäftlinge oder das Personal als Sprachmittler überbrückt. Durch die Einbeziehung Dritter entstehen natürlich erhebliche Probleme im Bereich der Patientenrechte und des Arztgeheimnisses. Inwieweit diesbezüglich Sicherungen eingebaut sind, ist nicht ersichtlich.
Neben den sprachlichen Barrieren kann eine geschlechterspezifische Problematik auftreten, die in der Offenbarung intimer Bereiche liegt. Die Anstrengungen seitens der Anstaltsleitung,
diese Problematik unter den gegebenen Umständen so gut wie möglich zu berücksichtigen, bieten wohl keinen ausreichenden Schutz. Rettungsmittel von außen sind innerhalb weniger Minuten vor Ort.
Bei alledem steht die Anstaltsleitung auf dem Standpunkt, die Versorgung sei im Verhältnis zur Situation draußen überdurchschnittlich gut. Die Fremdbestimmung bezüglich der Entscheidung, wann der Arzt der richtige Ansprechpartner ist, wird dabei verkannt. - Zitatende.
Liebe Kolleginen und Kollegen! Es müssen nicht nur grundsätzliche Bedenken gegen die Abschiebepraxis, wie es bei der PDS-Fraktion der Fall ist, die sich vor allem an der Ausübung des Gewahrsams, das heißt der Haft, entzünden, bestehen, um diesbezüglich Handlungsbedarf zu erkennen.
Den betroffenen Menschen, die auf die Abschiebung warten, muss in der Haftsituation alle nur erdenkliche Erleichterung ihrer schwierigen Lebenslage verschafft werden.
Es ist in diesem Zusammenhang deutlich hervorzuheben, dass es sich bei den Personen, die in einer Abschiebungshafteinrichtung festgehalten werden, nicht um Strafgefangene handelt, die dort eine Freiheitsstrafe verbüßen. Sie werden dort festgehalten, weil ihnen die Vereitelung ihrer Abschiebung unterstellt wird, der sie sich durch Flucht entziehen könnten. Am Rande sei der Fall eines Mannes vermerkt, der fast ein Jahr in der Abschiebehafteinrichtung auf seine Abschiebung wartet.
Es muss doch unzweifelhaft klar sein, dass die Situation des Festgehaltenseins und der Freiheitsbeschränkung sich nicht nur auf der formalen sprachlichen Ebene - Gewahrsam oder Haft unterscheiden darf, sondern dass die Behandlung deutlich, das heißt in der Sache, also in den Auswirkungen für die bzw. den Betroffenen, differieren muss. Die Bedürfnisse der Insassen von Abschiebungshaftvollzugseinrichtungen müssen daher erst recht weitestgehend im Einklang mit dem staatlichen Schutzgebot der Menschenwürde und unter rechtsstaatlicher Absicherung beachtet und angemessen erfüllt werden.
Hierfür ist es unseres Erachtens erforderlich, der Sprach-, der Versorgungs- und der Beratungsproblematik in der von uns vorgeschlagenen Art und Weise zumindest näherungsweise gerecht zu werden. Abschiebungshäftlinge haben unserer Auffassung nach Anspruch auf unabhängige Rechtsberatung, auch Rechtsberatung von außen durch Flüchtlingsorganisationen; denn die eingerichtete Beratungsstelle, die mit einer Mitarbeiterin des Ministeriums des Innern besetzt ist, ist damit nicht zu vergleichen.
Abschiebehäftlinge sollen durch einen Beirat von außen begleitet werden, denn sie haben keine Lobby.
Abschiebehäftlinge haben Anspruch auf eine ordnungsgemäße medizinische Versorgung.
Ich bitte Sie, lassen Sie uns dies alles im Ausschuss weiter besprechen. - Danke.
Herr Kollege Muschalla, können Sie mir erklären, wieso Sie die Augen davor verschließen, dass es vom Gesetzestext an und dem möglichen Beschluss und der Anhörung im Landtag - ich habe die Protokolle alle nachgelesen - bis hin zur Rechtsanwendungspraxis so krasse Unterschiede geben kann wie beispielsweise den, dass es ohne gesetzliche Grundlage eine unabhängige Flüchtlingsberatung von außen gab, die es jetzt aber nicht mehr gibt?
Dann zum Regelungserfordernis! Sie sagen: Zum Schutz der Personen. - Das steht nicht darin. Darin steht „zur Sicherung“. „Sicherung“ heißt doch „wegschließen aus anderen Gründen“. Wir formulieren hier:
„Zum Schutz der Personen soll ein besonderer Ruhigstellungsraum verwendet werden.“
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwar nicht im Titel des Tagesordnungspunktes, aber dann doch endlich im Redetext selbst ist das Kind beim Namen genannt worden; in dem weitschweifig zitierten Text geht es um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum so genannten Großen Lauschangriff.
Ja, Herr Schuldt, ich kann feststellen: Die Welt hat darauf gewartet, von Ihnen diesen Antrag präsentiert zu bekommen.
Ich möchte Ihnen auch sagen: Ihr Dozieren von dieser Stelle aus zu rechtlichen Fragen ist unerträglich und albern, vor allen Dingen deswegen, weil die Grundrechte und die Freiheitsrechte, auf die Sie sich beziehen, Ihnen doch in Wirklichkeit - mit Verlaub, Herr Präsident! - scheißegal sind.
Das berücksichtige ich; es ändert an der Tatsache und an der Zustandsbeschreibung nichts. - Der Bundesinnenminister und die Landesinnenminister haben im unmittelbaren Anschluss an die Urteilsverkündung ihr fortbestehendes Interesse am Lauschangriff als Mittel des repressiv-polizeilichen Einsatzes betont. Es darf davon ausgegangen werden, dass es der Bundesinnenminister nicht versäumen wird, Modifikationen zu betreiben, schon weil man auf lieb gewonnene Instrumente zur nachhaltigen Verbrechensbekämpfung schwört. Der Übergangszeitraum ist benannt worden. Hier ist die Frist bis zum 30. Juni 2005 zu beachten. Bis dahin gilt bereits nach Maßgabe der vom Verfassungsgericht ausgeurteilten Grundsätze die Anwendung der bestehenden Regelungen. In diesem grundrechtssensiblen Bereich sollte nichts mit heißer Nadel gestrickt werden. Das Urteil spricht da für sich.
Nebenbei gesagt: Die Kritik seitens meiner Partei an solcher Art staatlicher Maßnahmen und ihres schon exzessiv zu nennenden Einsatzes ist Ihnen bekannt. Zum besseren Verständnis dieser Position meiner Partei zu rechtsstaatlichen Grundsatzentscheidungen sei dem Urteilsreferat in Gestalt eines DVU-Antrages doch der Vollständigkeit halber die Leseempfehlung für die abweichenden Meinungen der Richterinnen Jäger und HomannDennhardt beigegeben, jüngst veröffentlicht in der „Neuen Juristischen Wochenschrift“ des Jahres 2004 auf den Seiten 999 ff.
Somit darf ich abschließend feststellen: Kein Mensch wartet auf - geschweige denn braucht - solche Anträge. - Ich bedanke mich für Ihr Gehör. Wir lehnen den Antrag ab.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie davor bewahren, wegen des Ergebnisses des jüngsten Volksbegehrens gegen Zwangseingemeindungen in Triumphgeschrei auszubrechen. Wenn das 6. Volksbegehren in Brandenburg in Folge scheitert, dann haben wir alle verloren, auch die Demokratie. Denn das Instrument Volksbegehren wird es aus Gründen der Resignation jetzt noch schwerer haben. Die 36 526 Eintragungen waren, gemessen am erforderlichen Quorum von 80 000 Eintragungen, zu wenig.
Aber gemessen an den Eintragungen der zuvor erfolgten Volksinitiative, wo sich bei freier Unterschriftensammlung mit Listen ähnlich viele Bürgerinnen und Bürger eintrugen, gibt es aus meiner Sicht nur einen Schluss: In den von der Zwangseingemeindung betroffenen Orten haben sich die Menschen ein Jahr nach den Gesetzen zur Gemeindegebietsreform und ein halbes Jahr nach dem In-Kraft-Treten der Zwangszusammenschlüsse nicht mit der Gemeindegebietsreform abgefunden. Das zeigen die Einzelergebnisse, zum Beispiel die ehemaligen Gemeinden im Amt Nauen-Land: 1 362 Eintragungen - das waren 67 % der Eintragungen in diesem Stimmkreis. In den ehemaligen Gemeinden des Amtes Wandlitz trugen sich 98 % aller Eintragenden aus dem Stimmkreis 14 ein. Im Amt Unteres Dahmeland waren es 2 735 Eintragungen. Mittenwalde, Heideblick, Lieberose, Lübbenau, Cottbus und Neuhausen - die Liste ließe sich fortsetzen. Nur: Die Interessenlagen der Menschen in den nicht von der Gebietsreform betroffenen Orten waren andere.
Wie schützen wir aber, auch mit dem Instrument der Volksgesetzgebung, die Position einer Minderheit - hier der Menschen in kleinen Gemeinden -, die auch für sich ein Recht auf Existenz als selbstständige Gemeinde in Anspruch nehmen wollen?
Am 6. November vergangenen Jahres haben wir an dieser Stelle während der 85. Sitzung des Landtages einen Antrag gestellt, der vorsah, die Eintragungsmöglichkeiten bei Volksbegehren zu vereinfachen und zu erleichtern. Ich werde es Ihnen heute nicht ersparen können, sich mit diesem grundsätzlichen Anliegen erneut zu befassen.
Lassen Sie mich noch einmal in Erinnerung rufen: Anspruch war es, dem in der Landesverfassung verankerten Prinzip der Volksgesetzgebung endlich auf die Sprünge zu helfen. Verfassungsanspruch sollte endlich Verfassungswirklichkeit werden. Der Antrag wurde von den Vertreterinnen und Vertretern der Koalition abgelehnt. Interessant waren die Begründungen für diese Ablehnung. Sie kritisierten den Antrag vom 6. November vor allem im Hinblick auf dessen Notwendigkeit und lieferten hierzu beeindruckend präzise Begründungen.
Herr Homeyer von der CDU betonte, dass bereits die bestehende Rechtslage genügend Spielraum für ein erleichtertes Verfahren biete. Denn immerhin halte § 3 Abs. 1 Satz 2 des Volksabstimmungsgesetzes für den Landesabstimmungsleiter die Möglichkeit der Weisungserteilung bereit. Insgesamt bestünde daher kein Regelungsbedarf.
Tatsächlich aber zeigen die jüngsten Erfahrungen mit dem Volksbegehren gegen die Zwangseingemeindung, dass durchaus Regelungsbedarf bestand, zumindest wenn man ein Bedürfnis nach sinnvollen Regelungen hatte.
Herr Kollege Klein, Sie führten aus, dass bereits das schlichte Vorhandensein von Volksbegehren schließlich die politischen Entscheidungen des Landtages beeinflusst. Das sei schon etwas Positives, wollten Sie wohl damit sagen, jedoch seien sechs Volksbegehren innerhalb von zehn Jahren allemal ausreichend - ich zitiere:
„Im Umkehrschluss müsste es uns sehr zu denken geben, wenn die Zahl der Volksinitiativen und Volksbegehren zunähme. Das stellte dann ein echtes Problem dar.“
Angesichts des vorläufigen Endergebnisses des Volksbegehrens gegen Zwangseingemeindungen wird der Abgeordnete Klein wohl jetzt wieder sehr beruhigt sein.
Kollege Klein, Sie fanden in der Debatte des letzten Jahres die Wege der Bürgerinnen und Bürger zu den Eintragungsorten nicht so weit. Das vorgesehene Verfahren sei nicht unzumutbar. Überhaupt werde die Anzahl der Volksbegehren sicherlich nicht weiter ansteigen. Sie haben mit Ihrer Vorhersage Recht behalten. Die Anzahl der Volksbegehren wird natürlich nicht weiter ansteigen, wenn das ihnen zugrunde liegende Verfahren jeden Bürger entmutigen muss, der sich im Wege der Volksgesetzgebung engagieren möchte. Diese Art der Logik ist schlicht beschämend.
Es verblüfft mich heute überhaupt nicht, dass die Vertreter der Koalition denn auch keinen Regelungsbedarf verspürten. Die entscheidende Frage ist nämlich, ob man mit der Tatsache zufrieden ist, dass ein Volksbegehren in Brandenburg nicht ein einziges Mal Erfolg gebracht hat. Wir als PDS-Fraktion sind damit nicht zufrieden. Wir wünschen uns die Verwirklichung des Verfassungsanspruch, nach dem es in Brandenburg zwei gleichberechtigte Mechanismen der Gesetzgebung gibt, deren einer die Volksgesetzgebung ist. Es überzeugt daher überhaupt nicht, dass das Parlament sich völlig unabhängig von der tatsächlichen Wahlbeteiligung für fünf Jahre in allen Fragen der Gesetzgebung als legitimiert sieht, während die Volksgesetzgebung im Rahmen einer einzigen Sachentscheidung durch unmögliche Härten und Hürden bei der Stimmensammlung immer wieder ausgebremst wird. Gerade darin liegt meiner Meinung nach der Regelungsbedarf, den Sie verneinen.
Für das aktuelle Volksbegehren mangelte es entgegen der Vorhersagen an genügend gut erreichbaren Abstimmungsräumen. Damit bestand Regelungsbedarf. Es mangelte vor allem an verlässlicher Klarheit darüber, welche Anforderungen an die Widmung von Räumen und an die Beauftragung von neutralen Vertrauenspersonen zu stellen sind. Da gab es Regelungsbedarf. Die Abstimmung litt unter zahlreichen absichtlichen und unabsichtlichen Behinderungen, zu denen es nicht hätte kommen müssen. Auch da gab es Regelungsbedarf. Es gab Fälle, in denen Wartezeiten für die sich eintragenden Personen behindernd lang waren, in denen für eine digitale Erfassung der Wählerverzeichnisse keine Computer vor Ort vorhanden waren und in denen es hinsichtlich einer mit Listenausdruck vorgenommenen Erfassung rechtliche Unklarheiten gab - da gab es Regelungsbedarf -, dass die Vertrauenspersonen von mobilitätsbeeinträchtigten Personen zurückgewiesen wurden - auch das hat es gegeben -, und das trotz dieser klaren und eindeutigen Rechtslage. Auch hier besteht Regelungsbedarf. Alle diese Beispiele sind von Bürgerinnen und Bürgern an mich herangetragen worden und werden auch an den Landesabstimmungsleiter herangetragen werden.
Jetzt soll keiner sagen, dass all diese Härten von einem politisch aktiven Menschen nun einmal hingenommen werden müssen. Wenn wir diesen Maßstab an die Landtagswahlen und an die Legimitierung des Landesparlaments legten, dann säße wohl bald niemand von uns noch hier; darin, dass wir gern hier sitzen, sind wir uns wohl einig. Der Demokratie würde mehr Mut gut zu Gesicht stehen. Sie lebt von dem Mut zu Veränderungen und sie wird sich verändern müssen, um bei den Menschen glaubhaft zu bleiben.
Auf der Grundlage der von uns beantragten Analyse der Eintragungsbedingungen bei den konkreten Abstimmungsbehörden muss also die Diskussion geführt werden, ob das Volksbegehren in seinem Verfahren dem Verfahren der Volksinitiative angenähert werden sollte.
Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag zur Beseitigung bürokratischer Hemmnisse und Behinderungen bei Volksbegehren und bedanke mich.
Herr Minister, Sie sprachen vom Örtlichkeitsprinzip, das Sie so habe ich Sie verstanden - bewahren wollen. Heißt das, dass Sie in Brandenburg die Änderung der Gemeindeordnung im Bereich der wirtschaftlichen Betätigung mit Blick auf die Öffnung des Örtlichkeitsprinzips aufgegeben und sich von diesem Anliegen, für das Sie ja jahrelang warben, verabschiedet haben?
Herr Minister, Sie können es einfacher haben.
Ich habe zwei Fragen. Erstens: Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass man, wenn man für Härtefälle ausländerrechtliche Spielräume eröffnen möchte, das tun kann, indem man den unteren Ausländerbehörden, den Landkreisen und kreisfreien Städten einen größeren Ermessensspielraum gibt? Erklären Sie mir doch bitte einmal, warum Sie in den vergangenen Jahren durch Ihre Runderlasspraxis die durch ausländerrechtliche Vorschriften vorgegebenen Spielräume der Ausländerbehörden eingeengt haben,
indem Sie etwa Studium und Ausbildung im Asylverfahren nicht mehr gestattetten? Da gibt es keinen Spielraum mehr. Vorher gab es insofern eine Ermessensregelung.
Zweitens: Halten Sie es vor diesem Hintergrund nicht für scheinheilig, auf Bundesebene etwas zu fordern, was Sie auf Landesebene verwirklichen können?
Herr Kollege Schippel, ist Ihnen bewusst, dass die alte Rechtslage im Schulgesetz, die ja auch Gegenstand der Überprüfung vor dem Verfassungsgericht war, besagte, dass die Kreise keine Elternbeitragssatzungen machen müssen, sondern entgegen dem Wortlaut des Schulgesetzes so etwas machen können, dass jetzt aber nach dem Kommunalentlastungsgesetz die Kreise verpflichtet sind, solche Elternbeiträge zu erheben? Es geht doch darum, den Freiraum der kommunalen Selbstverwaltung der Kreise zu erhalten, auf Satzungen also auch verzichten zu können.
Frau Ministerin, ist es, unabhängig von dem, was Sie jetzt zur Frage der Verantwortung vorgetragen haben, nicht trotzdem wichtig, dass man in Brandenburg frühzeitig zur Klärung beiträgt, weil natürlich die sich berechtigt fühlenden Menschen zurzeit vor die Brandenburger Justiz, vor die Brandenburger Gerichte drängen, weil sie glauben, sie müssten jetzt Wiederaufnahmeklagen erheben, sie müssten jetzt rechtlich tätig werden?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ziel der Bundesratsinitiative ist die Änderung des § 66 a Abs. 1 Strafgesetzbuch im Hinblick auf den Beurteilungszeitpunkt durch das Gericht. Abweichungen ergeben sich hierbei bezogen auf den Wortlaut der Fassung seit Einführung am 21. August 2002, der lautet:
„... so kann das Gericht die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten, wenn...“
und im Sinne des Antrages künftig wie folgt lauten soll:
„... so befindet das Gericht über die Anordnung der Sicherungsverwahrung auch zu einem späteren Zeitpunkt während des Vollzuges, wenn...“
Die Begründung für diese Änderung liegt in der Behauptung einer Lücke, da Tatsachen für die Einschätzung als so genannter gefährlicher Täter erst während der Haft zutage treten könnten, dann aber keine staatliche Sanktionsbefugnis mehr bestehen würde oder könnte.
Maßnahmen zur Sicherung der Rechtsgemeinschaft vor solchen Tätern sind aber durch die Änderung des § 66 Strafgesetzbuch und die Einführung des § 66 a StGB, der den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung erst jüngst eingebracht hat, keineswegs versperrt, sondern - im Gegenteil - gestärkt. Freilich muss das Gericht unter gegebenen Voraussetzungen den Vorbehalt in sein Urteil aufnehmen.
Der vorliegende Regelungsvorschlag aber verzichtet in nach rechtsstaatlichem Empfinden unerträglicher Weise auf die Formulierung jenes Vorbehaltes. Er ersetzt die mit Blick auf das Sicherungsinteresse der Allgemeinheit und den gebotenen rechtsstaatlichen Schutz auch des Täters gefundene ausgewogene Formulierung durch eine relativ unbestimmte Möglichkeit für das Gericht, irgendwann während des Vollzuges die Anordnung doch noch auszusprechen, und untermauert dies mit der Autorität des Bundesverfassungsgerichts. Die genannte Balance erlangt damit gefährliche Schlagseite. Die Norm und entsprechend auch ihre Anwendung wird unbestimmt und unklar und kann somit verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht genügen.
Weiter ist zu bedenken, dass mit „Gericht“ aktuell das „Tatgericht“ gemeint ist, dass nach der Änderung kraft verfahrensrechtlichen Sachzusammenhangs jedoch die Strafvollstreckungskammer angesprochen ist.
Der im geltenden Recht der Sicherungsverwahrung ausgedrückte Zusammenhang von Anlasstat und Würdigung der Täterpersönlichkeit bei der Beurteilung durch die Tatsacheninstanz, wie eben auch vom Bundesverfassungsgericht betont, wird durch die mittels Neuformulierung erzielte Überführung in die verfahrensleitenden Hände der Strafvollstreckungskammern unterhöhlt.
Gleichzeitig wird ein Nachtatverhalten in einen Quasi-Zusammenhang mit der Ausgangsverurteilung gerückt, ohne dass eine gleich qualifizierte Überprüfung erfolgt. Außerdem deutet der Vorschlag auf eine Tendenz, den notwendig fragmentarischen und infolgedessen auch statischen Charakter des Strafrechts durch eine „Gleitnorm“ auszuhebeln, die das Strafrecht damit systemwidrig zu einem flexiblen Instrument macht. So wird die Rechtskraft von Strafurteilen unterhöhlt und es geraten damit rechtsstaatliche Garantien in der Strafprozessordnung und folglich zentrale Errungenschaften des Rechtsstaates in Gefahr.
Hier rächt sich auch der Hinweis auf das Bundesverfassungsgericht. Dieses hatte nämlich am 5. Februar 2004 über die Sicherungsverwahrung zu befinden. Es hat ausgeführt, dass Freiheitsentziehungen in berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise zu regeln seien und Artikel 104 Abs. 1 Satz 1
Grundgesetz insoweit für den Bereich der Freiheitsentziehung die sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebenden Bestimmtheitsanforderungen konkretisiere.
Weiter heißt es im Zusammenhang mit dem Wegfall einer Höchstfrist dort:
„Im Hinblick auf die Intensität des Grundrechtseingriffs bei der Freiheitsentziehung muss der Gesetzgeber in diesen Fällen nicht nur bestimmen, unter welchen tatbestandlichen Voraussetzungen überhaupt die freiheitsentziehende Maßregel der Sicherungsverwahrung angeordnet werden kann, sondern darüber hinaus auch sicherstellen, dass Entscheidungen über die Freiheitsentziehung aufgrund einer Prognose keine von vornherein unbegrenzte Wirkung zukommen darf.“
Das bedeutet aber: Die Sicherungsverwahrung darf auch nicht wie ein Damoklesschwert die ganze Zeit unbestimmt über dem Straftäter hängen. Wo da ein Gewinn an Verfahrensklarheit, wie von der Antragstellerin beschworen, erwachsen soll, bleibt schleierhaft. Vielmehr ist es sinnvoll, dass Gerichte gewissenhaft prüfen, ob sie sich eine Sicherungsverwahrung vorbehalten. Zudem kann ein in Haft gezeigtes Verhalten eine Anlasstat für neuerliche strafrichterliche Befassung sein, sodass eine Neubewertung aufgrund neu eingetretener Tatsachen in geordneten Strafverfahren mit allen Folgen einschließlich der Anordnung der Sicherungsverwahrung stattfinden kann.
Dem kann im sensiblen und eingriffsintensiven Strafrecht auch nicht etwa der Hinweis auf Prozessökonomie und Entlastung der Justiz entgegengehalten werden. Vorausgesetzt ist freilich ein Handeln, das dem Tatsbestand des § 66 Abs. 3 StGB genügt.
Verstöße gegen Vollzugsauflagen, wie sie vom Bundesverfassungsgericht gerügte landesrechtliche Vorschriften zum Teil enthielten, reichen allerdings gewiss nicht aus. Hier bestehen insoweit aber von der Allgemeinheit und von einem Rechtsstaat hinzunehmende Lücken. Nur als Nachsatz sei darauf hingewiesen, dass die Bundesjustizministerin den ihr vom Bundesverfassungsgericht zugespielten Ball aufgenommen und erklärt hat, man arbeite auf Bundesebene an einer Regelung im Sinne einer Nachbesserung. - Ich danke Ihnen.
Frau Ministerin, ich möchte an Ihre letzte Antwort anknüpfen. Erstens: Worin bestand für das Land Brandenburg das zwingende Erfordernis, die Bodenreformbegünstigten bzw. deren Erben zu enteignen?
Zweitens: Ist für den Fall, dass die Gerichtsentscheidung
rechtskräftig wird, vorstellbar, dass das Land die Ansprüche aller jetzt als unrechtmäßig enteignet geltenden Betroffenen unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung anerkennt und die Enteigneten auf die Möglichkeit der Wiederaufnahme von Verfahren hinweist, wenn Prozesse streitig beendet wurden oder außergerichtlich Einigung erzielt wurde?
Herr Ministerpräsident, diese Antwort kann nicht befriedigen. Da der eingetretene Zustand skandalös ist und einen Schaden für die Justiz bedeutet und weil auch ich stinksauer bin, weil ich nämlich den Rücktritt von Dr. Macke für vermeidbar hielt...
... frage ich Sie - erstens -: Weshalb war die Justizministerin trotz viermonatiger Vorprüfung nicht in der Lage oder nicht willens, aufgekommene Spekulationen in den Medien über Dr. Macke und Dr. Rautenberg in der letzten Woche sofort zu beenden, weil über Spitzenjuristen wegen des Ansehens der Justiz nicht einen Tag lang spekuliert werden darf?
Zweitens: Kann ausgeschlossen werden, dass Ergebnisse der Prüfung im MdJE gezielt aus dem Ministerium an die Presse gegeben wurden? Denn die Spekulationen hatten von Anfang an einen berechtigten Kern.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der DVU, Sie zeichnen hier ein Bild vom Jugendstrafrecht, das mir als praktizierendem Juristen wirklich einen Schauer über den Rücken jagt. Haben Sie bemerkt, dass im Jugendstrafrecht der Gedanke der Erziehung und nicht der des Strafens im Vordergrund steht und Gegenstand des Jugendstrafrechts ist?
Aus drei Gründen lehnt die Fraktion der PDS diesen Antrag ab.
Erstens: Es ist eine Zumutung - da stimme ich mit Herrn Homeyer überein -, vom Landtag zu verlangen, wegen einer einzelnen zu ändernden Vorschrift im Jugendgerichtsgesetz eine Bundesratsinitiative zu ergreifen, obwohl Sie - hoffentlich selbst wissen, dass Eingriffe in die Sanktionskompetenz der Jugendgerichte komplexe Auswirkungen auf das Gesamtgefüge des Jugendstrafrechtes haben. Das muss Flickwerk eines schädlichen Aktionismus bleiben.
Zweitens führen Sie in der Begründung Behauptungen an, die
statistisch nicht determiniert sind und außerdem von der Unkenntnis des rechtspolitischen Anliegens des Jugendgerichtsgesetzes künden, vielleicht auch deswegen, weil es Ihrem Staats- und Menschenbild zuwiderläuft.
Wenn ich davon ausgehen darf, dass Ausgangspunkt dieser Initiative Probleme in der Anwendung des Jugendgerichtsgesetzes in der Strafrechtspraxis brandenburgischer Gerichte sind, dann kann nicht - auch da stimme ich mit Herrn Homeyer überein von einer immensen Zunahme der Verfahren gesprochen werden. Die Abgeurteiltenstatistik im Statistischen Jahrbuch spricht hier seit Jahren eine andere Sprache.
Ausgeblendet wird überdies, dass - das haben Sie vielleicht gar nicht bemerkt - nicht die Rede von einer Überlastung der Schöffengerichte sein kann in dem Sinne, wie Sie sie darstellen, wenn 80 % der Verfahren vor dem Jugendrichter und ca. 15 % vor Jugendschöffengerichten durchgeführt werden.
Falsch ist auch die angebliche Tendenz, die Sie hier ausmachen, dass, wie Sie schreiben, der eigentliche gesetzliche Ausnahmefall der Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende zur Regel der Verfahrenspraxis gemacht wird. Interessieren Sie sich eigentlich für die Fakten und die Zahlen? Wissen Sie, dass seit Jahren von zehn Abgeurteilten drei Heranwachsende nach dem Jugendstrafrecht, aber sieben von zehn Heranwachsenden nach dem allgemeinen Strafrecht abgeurteilt werden? Ich glaube, Sie sind an diesen Fakten und an dieser Statistik nicht interessiert.
Drittens: Sie haben keine Gründe vorgetragen, die diese Änderung belegen können. Im Gegenteil, die jetzige Regelung im § 39 Abs. 2 Jugendgerichtsgesetz macht Sinn und ist folgerichtig. Ursprünglich war für Jugendstrafsachen grundsätzlich das Schöffengericht zuständig; denn ursprünglich gab es den Einzelrichter in dem Jugendgerichtsgesetz gar nicht.
Schöffengerichte - Kollegialgerichte überhaupt - sind der Überlegung geschuldet, dass eine größere personelle Besetzung mehr Sanktionskompetenz vermittelt. Ja, auch im Jugendstrafrecht gilt der Grundsatz des allgemeinen Strafrechts, dass in schwerwiegenden Strafsachen Kollegialgerichte unter Mitwirkung von Laienrichtern entscheiden sollen. Es ist gewollt und richtig, dass im Vergleich zum Erwachsenenrecht die Zuständigkeit des Jugendschöffengerichtes erweitert und die Zuständigkeit des Einzelrichters auf Fälle von geringerer Bedeutung beschränkt ist.
Belassen wir es dabei und machen wir uns nicht lächerlich!
Ihre Beantwortung dieser Frage impliziert, dass nur das Land Brandenburg eine verantwortliche Kriminal- und Drogenpolitik betreibt. Ich frage Sie deswegen:
Erstens: Vermag die Landesregierung, vermögen Sie trotzdem wissenschaftliche, medizinische und rechtswissenschaftliche Erkenntnisse zu erkennen, die die Position des Landes Berlin, die dortige mehrheitliche Position, unterstützen?
Zweitens: Könnte die Vorlage von einem Richter im Land Brandenburg an das Bundesverfassungsgericht noch Auswirkungen in diesem Zusammenhang haben?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Thema Weiterentwicklung des Gemeindewirtschaftsrechts wären unparlamentarische Kraftausdrücke angebracht, um die rechtliche und politische Rahmensetzung für die Kommunalwirtschaft im Land zu beschreiben.
Während andere Bundesländer - ich erwähne nur NordrheinWestfalen, von diesem Land haben wir in Brandenburg jahrelang jedes Komma übernommen - bereits seit geraumer Zeit die Kommunalverfassungen novelliert haben, tut sich Brandenburg so schwer damit. Wenn es einen Fall des verfassungswidrigen Unterlassens einer Gesetzgebung gibt, dann wäre dies das Paradebeispiel dafür.
Seit Jahren ist der Landtag auf Initiative der PDS-Fraktion mit der berechtigten Forderung konfrontiert, den Kommunalunternehmen neue, moderne Strukturprinzipien an die Hand zu geben, mit denen die unfairen Startbedingungen im Wettbewerb beseitigt werden sollen. Aber selbst der sonst so durchsetzungsfähig erscheinen wollende Minister des Innern ist bei dieser Problematik ausnahmsweise ganz kleinlaut geworden. Haben Sie vergessen, dass die Kommunalwirtschaft ein starker Wirtschaftsfaktor ist, der als Arbeitgeber und Auftraggeber für die örtliche und regionale Wirtschaft von großer Bedeutung ist?
Es kann nicht sein, über Liberalisierung und Privatisierungsdruck im Bereich der kommunalen Daseinsvorsorge zu reden, diese Entwicklungen zu dulden und zu forcieren, aber das Örtlichkeitsprinzip, die kommunale Wirtschaftsklausel und die Organisationsform der Kommunalbetriebe unangetastet zu lassen.
Lassen Sie uns doch wenigstens darüber reden, ob eine Gemeinde mit ihren Kommunalunternehmen auch außerhalb ihres Gemeindegebietes tätig werden darf, ob also das Örtlichkeitsprinzip abgeschwächt werden soll! Lassen Sie uns doch wenigstens darüber reden, wie künftig der öffentliche Zweck zu definieren ist, der eine kommunale Wirtschaftstätigkeit erfordern könnte, und wie stark die Kommunen zur Privatisierung der Aufgaben gezwungen werden können, wie also die kommunale Wirtschaftsklausel ausgestaltet sein soll! Lassen Sie uns doch wenigstens darüber reden, ob es für die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen, eine neue, eigene Organisationsform Kommunalunternehmen geben soll!
Aber auch andere Fragen stehen zur Debatte, zum Beispiel ver
besserte Steuerungsmöglichkeiten der Volksvertretungen in Unternehmen und die wirksamere Arbeit der Kommunalaufsicht. Herr Minister Schönbohm, ich verstehe, dass Sie Widerstände in der Koalition zu überwinden haben, aber es ist ein unhaltbarer Zustand, dass seit mehr als zwei Jahren ein Gesetzentwurf existiert, der nicht eingebracht wird.
Stattdessen gibt es Stückwerk, indem zum Beispiel im Zusammenhang mit dem ersten Entlastungsgesetz der Kommunen von pflichtigen Aufgaben punktuell Änderungen an den Vorschriften der Gemeindeordnung vorgenommen werden. Der Landtag muss endlich das Pro und Kontra der Weiterentwicklung des kommunalen Wirtschaftsrechts im Zusammenhang transparent und ehrlich diskutieren. Legen Sie den Gesetzentwurf vor, Herr Minister, den Sie in der Schublade haben, und sehen Sie nicht tatenlos zu, wenn Verwerfungen und Missstände in der wirtschaftlichen Betätigung, wie jüngst in der Stadt Fürstenwalde, auftreten!
Die Art der wirtschaftlichen Betätigung der Stadt Fürstenwalde ist ein Beispiel für den Handlungsdruck, dem wir ausgesetzt sind, wobei es nicht nur um ein Regelungs-, sondern auch um ein Vollzugsdefizit geht. Das kreisliche Rechnungsprüfungsamt Oder-Spree hat in Abstimmung mit dem Landesrechnungshof die wirtschaftliche Betätigung Fürstenwaldes geprüft und 28 Beanstandungen ausgesprochen, die den Bürgermeister und seinen Ersten Beigeordneten schwer belasten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Prüfer kamen zu dem vernichtenden Urteil, dass die Stadt Fürstenwalde als Gesellschafterin in städtischen Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Risiken eingegangen ist, deren Belastungen für den Haushalt für künftige Zeiträume nicht einschätzbar sind.
Bei einzelnen Gesellschaften war die wirtschaftliche Betätigung nicht durch die Erfüllung des öffentlichen Zwecks begründet. Wie Sie sicher wissen, betreibt die Stadt beispielsweise mittelbar ein Kaufhaus. Bei der Gewährung von Darlehen in Größenordnungen wurde gegen Haushaltsrecht verstoßen, wurden keine Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung eingeholt und waren die Rückzahlungen nicht gesichert, weshalb Darlehen in Zuschüsse umgewandelt wurden, die die Rücklage aufzehrten. Der Erste Beigeordnete war zum Beispiel gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied, Geschäftsführer und Prokurist solcher Unternehmen.
Die Kommunalaufsicht Oder-Spree hat jahrelang zugesehen und nicht beanstandet, dass seitens der Stadt keine Beteiligungsberichte vorgelegt wurden, anhand derer Fehlentwicklungen hätten frühzeitig erkannt werden können. Jetzt hat die Stadt Fürstenwalde keinen ausgeglichenen Haushalt mehr. Die Verwaltungsspitze und die Kommunalaufsicht sind in Erklärungsnot. Das Ziel einer kraftvollen einnahmesichernden Kommunalwirtschaft wurde verfehlt.
Das Negativbeispiel Fürstenwalde zeigt, dass Handlungsbedarf besteht und der Landtag sich den Problemen der Kommunalwirtschaft mit allen positiven und negativen Seiten stellen muss. Vielleicht helfen veränderte Rahmenbedingungen auch der Stadt Fürstenwalde, aus dieser Misere herauszukommen; denn eines ist richtig: Die Grundsatzentscheidung für die Kommunalbetriebe bleibt auch in Fürstenwalde eine richtige Entscheidung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, folgen Sie daher unserem Antrag! Eröffnen wir ab Dezember die Diskussion über die Stärkung der Gemeindewirtschaft im Land Brandenburg. - Ich danke Ihnen.
Herr Kollege, ist Ihnen entgangen, dass das Land Brandenburg in der Innenministerkonferenz den Vorsitz der Arbeitsgruppe zur Novellierung der Gemeindeordnung im Rahmen der wirtschaftlichen Betätigung inne hatte und darüber abstimmte, einen Gesetzentwurf vorzulegen, und diesen auch vorgelegt hat?
Herr Kollege, haben Sie zur Kenntnis genommen, dass ich in meinem Redebeitrag ausgeführt habe, über Strukturprinzipien wie Örtlichkeitsprinzip und kommunale Wirtschaftsklausel sowie den Begriff „Kommunalunternehmen“ im Gesetzentwurf solle im Landtag ergebnisoffen, transparent und ehrlich debattiert werden?
Haben Sie während des Kommunalwahlkampfes in Perleberg tatsächlich versprochen, sich für einen solchen Gesetzentwurf einzusetzen?
Herr Minister, sehen Sie die Verantwortung für eine funktionierende Kommunalaufsicht auch bei sich selbst als der obersten Kommunalaufsichtsbehörde und nehmen Sie diese Verantwortung auch wahr? Ich hatte das in Sorge um die Kommunalaufsicht in den Landkreisen angesprochen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es lohnt sich, am heutigen Tag allen Debattenbeiträgen aufmerksam zu folgen.
In der Aktuellen Stunde sagte Kollege Müller richtig, E-Government sei wichtig für Brandenburg, weil die Wege weiter seien als anderswo und die Leute schlecht zu den Verwaltungen kämen. Herr Homeyer würdigte ausdrücklich den Beitrag des Kollegen Müller als sehr qualifiziert und charakterisierte die Wege im Flächenland ebenfalls als zu weit. Deswegen seien E-Government, aber auch der Gesetzentwurf zur Anpassung verwaltungsrechtlicher Vorschriften an den elektronischen Rechtsverkehr so notwendig. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf spart ausdrücklich die Volksgesetzgebung und hier die Verfahrensmodalitäten bei der Eintragung von Volksbegehren aus. Sie haben das hoffentlich bemerkt und beachten bitte jetzt unseren Vorschlag zur Abhilfe dieses Missstandes. Lassen Sie mich bitte das Problem umreißen.
Der Wunsch der Menschen nach einer möglichst direkten Mitbestimmung ist sicherlich so alt wie die Demokratie selbst. Eine direkte Steuerung der politischen Entscheidungsprozesse jederzeit und in allen Fragen durch die breite Masse des Volkes wäre ohne Zweifel eine große Errungenschaft und eine neue Stufe der Demokratisierung der Gesellschaft an sich. Direkte Demokratie jedoch ist schwer zu verwirklichen. Schon die rein technischen Schwierigkeiten wären immens.
Die brandenburgische Ausgestaltung der Volksgesetzgebung ist ein Ansatz zur Verwirklichung direkter Demokratie. Die technischen Umsetzungsschwierigkeiten wurzeln jedoch nicht in der Volksgesetzgebung selbst, sondern sind ihr künstlich aufgeladen worden.
Schauen wir einmal auf die Anfänge. Bewusst haben die Verfassungsgeber in allen neuen Bundesländern vor dem Hintergrund der friedlichen Revolution Tendenzen zu einer stärkeren Bürgerbeteiligung in den Verfassungen verankert. Es war dies auch ein Stück gesundes Selbstbewusstsein gegenüber den alten Bundesländern, in denen solche Elemente direkter Demokratie spärlicher vorkamen. Hier sollte ein Neuanfang gewagt werden, vor dem man in der alten Bundesrepublik lange Scheu hegte. Wieso? Es waren wohl weniger die Erfahrungen der Weimarer Republik. Vielleicht war es eine gewisse Vorsicht gegenüber dem Volkswillen überhaupt. Vielleicht empfand man es als ausreichend, sich Volkes Wille im Rahmen der regelmäßigen Wahlen stellen zu müssen.
Man darf sagen: Die repräsentative Demokratie funktioniert. Bei allem, was schon längere Zeit funktioniert, macht sich Selbstzufriedenheit breit. Immerhin aber hat die demokratische Aufbruchstimmung der frühen 90er Jahre auch in der Brandenburger Verfassung die plebiszitäre Teilhabe in Form der Volksgesetzgebung hinterlassen. - So viel zum Verfassungsanspruch.
Schauen wir einmal auf die Verfassungswirklichkeit der Volksgesetzgebung am Beispiel des Volksbegehrens in Brandenburg. Eines lässt sich gleich sagen und das ist ein Kompliment an das Volk: Die Bürger Brandenburgs haben auf der ersten Stufe der Volksgesetzgebung von dem Institut der Volksinitiative regen Gebrauch gemacht. Von den zahlreichen Initiativen zu sozial-, bildungs-, umwelt- und verkehrspolitischen Themen erreichten viele sogar das Stadium des Volksbegehrens, scheiterten dann jedoch sämtlich an den Quoren. Sie kennen die Beispiele alle selbst.
Nach über zehn Jahren Erfahrung mit dem Brandenburger Modell des Plebiszits darf man heute sagen: Verfassungswirklich
keit ist, dass der repräsentativen Demokratie aus dem Volk keine Konkurrenz droht, wenn es um die direkte Teilhabe an politischen Entscheidungen geht.
Das ist schade. Woran aber liegt es, dass niemals ein Volksbegehren erfolgreich war? Zunächst einmal lassen Sie sich bitte nicht von den augenfällig niedrigen Einstiegsquoren für die Bürger für die Volksinitiative ablenken. Betrachten Sie diese einmal in Relation zu den Abstimmungsquoren, dem Gesamtverfahren und den Regelungen der Ausführungsgesetze. Unter Berücksichtigung dieser Aspekte relativieren sich die in Brandenburg getroffenen Regelungen, die zwar im Bundesdurchschnitt die niedrigsten Quoren für Initiative und Begehren vorsehen, jedoch die Funktionsfähigkeit von Volksentscheiden durch Zustimmungsquoren erschweren und moderne Verfahrensbestimmungen im Ausführungsgesetz vermissen lassen. Der Schwachpunkt der Verfassungswirklichkeit liegt genau hier, beim Ausführungsgesetz. Hier wurden Möglichkeiten verpasst, anwendungsfreundliche und damit Demokratie fördernde Verfahren der Volksgesetzgebung zu konzipieren. Die weitgehenden Bestimmungen der Verfassung wurden nicht ausgekleidet, sondern abgeschwächt. Es drängt sich der Eindruck auf, dass der Landesgesetzgeber es vorzog, das Verfahren direkter Demokratie restriktiv zu gestalten statt zu fördern.
Nach Artikel 77 Abs. 3 der Verfassung ist ein Volksbegehren zustande gekommen, wenn mindestens 80 000 Stimmberechtigte innerhalb von vier Monaten dem Volksbegehren zugestimmt haben. Wie aber werden die Eintragungen vorgenommen? Grundsätzlich gibt es zwei Verfahren der Unterschriftensammlung, die auch miteinander verknüpft werden können. Zum einen kann entsprechend der Praxis in den alten Bundesländern die Eintragung in bei den Gemeindebehörden ausliegenden Listen erfolgen. Zum anderen kann die Unterschriftensammlung mit freien Listen von den Initiatoren selbst organisiert werden.
Während bei Volksinitiativen überall die freie Unterschriftensammlung vorgesehen ist, haben die Ausführungsgesetze für das Volksbegehren unterschiedliche Regelungen getroffen. § 15 Abs. 3 des Brandenburgischen Volksabstimmungsgesetzes bestimmt, dass die Abstimmungsbehörden, also die Bürgermeister und Amtsdirektoren, verpflichtet sind, die Eintragungslisten innerhalb der Eintragungsfrist öffentlich auszulegen und dabei die Eintragungsberechtigung zu prüfen. Nach § 17 Abs. 1 des Volksabstimmungsgesetzes kann das Eintragungsrecht nur bei den Abstimmungsbehörden ausgeübt werden. Heißt das nun tatsächlich, dass in Brandenburg die Eintragung nur in den Abstimmungsbehörden während der üblichen Amtsstunden erfolgen kann? Dies stellt dann natürlich gegenüber freien Unterschriftenlisten eine erhebliche Erschwernis dar, da die Möglichkeit, vom Eintragungsrecht Gebrauch zu machen, sowohl zeitlich als auch örtlich stark eingeschränkt ist. In diesem Zusammenhang wiederhole ich gern, was Herr Homeyer und Herr Müller in der heutigen Aktuellen Stunde hierzu vorgetragen haben: Die Wege des Bürgers in Brandenburg zu seiner Verwaltung sind zu weit.
Diese Frage zum Sinn der erweiterten, leichteren Eintragungsmöglichkeit ist also nur über die Auslegung der Begriffe „Amtsraum“ und „aufsichtsführende Person“ zu klären. § 2 der Verordnung über das Verfahren bei Volksbegehren regelt, dass
die Abstimmungsbehörde bestimmen soll, wer während der Eintragungsfrist in den Eintragungsräumen die Aufsicht führt und die sonstigen Pflichten der aufsichtsführenden Person wahrnimmt. Nach § 3 dieser Verordnung sind als Eintragungsräume Amtsräume des Amtes oder der amtsfreien Gemeinde zu bestimmen, die leicht zugänglich sein sollen.
Ich fasse zusammen: Die Bürgermeister und Amtsdirektoren entscheiden vor Ort über die Einrichtung geeigneter Amtsräume und die Bestimmung der aufsichtsführenden Personen. Ähnlich wie bei der Durchführung von Wahlen können somit durchaus auch in Ortsteilen und in amtsangehörigen Gemeinden Räume in Schulen, in Kindergärten oder in Gemeindebüros zumindest zeitweilig als Amtsraum gewidmet werden. Ähnlich wie bei der Durchführung von Wahlen können Bürger ins Ehrenamt berufen werden, um zumindest zeitweilig, und sei es auch nur wenige Stunden an einem Tag im Monat des Eintragungszeitraums, die Aufsicht während der Eintragung zu führen.
Es muss die Bereitschaft da sein, den Bürgerinnen und Bürgern gerade wegen der weiten Wege zu ihren Verwaltungen in unserem Flächenland dieses Entgegenkommen zu zeigen und die oben genannten Vorschriften in diesem Sinne anzuwenden. Zur Bekräftigung dieser Auslegung regen wir als PDS-Fraktion an, dass in Abstimmungsbehörden entsprechende Hinweise gegeben werden. So müsste nicht einmal das Ausführungsgesetz geändert werden, wobei die Einführung freier Unterschriftensammlungen natürlich durchaus auch bei Volksbegehren nachdenkenswert ist.
Ich bitte daher um Zustimmung zu unserem Antrag.
Kollege Homeyer, ist Ihnen bekannt, dass es eine Verordnung über das Verfahren zur Durchführung der Volksbegehren gibt, in der in mehreren Paragraphen die Begriffe „Amtsraum“ und „aufsichtsführende Person“ definiert werden?
Frau Ministerin, ich habe auch zwei Fragen zur außergericht
lichen Streitschlichtung. Halten Sie es für eine Erschwerung der außergerichtlichen Streitschlichtung, dass das Ministerium bereits in diesem Jahr die Fortbildungszuschüsse in Höhe von 5 000 Euro, entgegen dem Haushaltsplanentwurf, den wir haben, für die Schiedspersonen gestrichen hat, und diese 5 000 Euro also auch künftig nicht gezahlt werden?
Frage 2: Wir hatten ja von der Trennungsgeldgeschichte des Ex-Staatssekretärs Stange gehört. Da geht es um 30 000 Euro, die gegebenenfalls zurückgefordert werden können. Teilen Sie meine Auffassung, dass im Falle einer solchen Rückforderung von diesem Betrag die Fortbildungskosten der Schiedspersonen in Höhe von 5 000 Euro für weitere sechs Jahre getragen werden können?
Herr Kollege Petke, meinen Sie nicht, dass auch die CDU nicht die Antwort gefunden hat, wenn Sie von der Verbundquote sprechen? Denn die Verbundquote in Höhe von 25,3 % - ist Ihnen das klar? - sagt noch nichts über die konkrete Höhe der Zuweisungen an die Gemeinden aus. Die sind abhängig von der Verbundmasse, die sich aus den Steuern ergibt.
Frau Hartfelder, darf ich Sie fragen, woher Sie Ihre Informationen über die Stadt Uebigau-Wahrenbrück und die Gemeinde Nuthe-Urstromtal und die überwiegende Position dieser Kommunen haben? Ich war bei der mündlichen Verhandlung im Verfassungsgericht zugegen und habe die Kommentare der Gemeinden sehr wohl vernommen.
Ja, danke.
Herr Schippel, ist Ihnen aufgefallen, dass unser Gesetzentwurf - im Gegensatz zu Ihrem Entlastungsgesetz - nicht das Ziel hat, von oben einheitlich und für alle Standards abzubauen, sondern Einzelnen die Möglichkeit zu bieten, von unten bei Bedarf und bei Sachdienlichkeit Standards zu öffnen, ohne sie generell abzuschaffen?
Darf ich Sie bitten, vor Ihren Bemerkungen jeweils klarzustel