Protocol of the Session on March 7, 2002

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen guten Morgen. Mein Gruß gilt ebenso den Vertretern der Medien, aber ganz besonders unseren Gästen, unter ihnen junge Leute aus dem Peter-Joseph-Lenné-Gymnasium in Schwedt. Herzlich willkommen in Potsdam!

Ich eröffne die 53. Sitzung des Landtages Brandenburg.

Mit der Einladung ist Ihnen der Entwurf der Tagesordnung zugegangen, zu der ich Folgendes zu bemerken habe: Es wird vorgeschlagen, die Beschlussempfehlungen und Berichte des Ausschusses für Haushalt und Finanzen zu den Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91 a des Grundgesetzes, „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur”, Drucksache 3/3943, sowie „Ausbau und Neubau von Hochschulen”, Drucksache 3/3944, als Tagesordnungspunkte 4 und 5 aufzunehmen. Da diese Vorlagen ohne Debatte behandelt werden sollen, wäre damit keine wesentliche Ausdehnung der vorgesehenen Sitzungszeit verbunden. Außerdem weise ich darauf hin, dass die unter Tagesordnungspunkt 10 aufgeführte mündliche Beantwortung der Kleinen Anfrage 1431, Drucksache 3/3816, hinfällig geworden ist, da dem Fragesteller inzwischen die schriftliche Antwort zugegangen ist.

Gibt es von Ihrer Seite Bemerkungen zur Tagesordnung? - Da das nicht der Fall ist, bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen zu der veränderten Tagesordnung. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist so beschlossen.

Es gibt eine ganze Reihe von Abwesenheitserklärungen für den heutigen Tag, die vor allem mit einem Staatsbesuch des Präsidenten der Republik Polen im Zusammenhang stehen. Wenn heute also leere Stühle im Saal zu sehen sind, hängt das auch damit zusammen, dass wir über Brandenburg hinaus in der Pflicht stehen. Das betrifft insbesondere die Exekutive. Wir haben Verständnis dafür, dass die Abwesenheit im Plenum im Hinblick auf unseren östlichen Nachbarn notwendig ist.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 3/3961 Drucksache 3/3903

Dazu gibt es die Dringliche Anfrage 17 (Krankenhausplanung - Geplante Schließung der Abteilung Gynäkologie/Geburtshilfe am Krankenhaus Spremberg).

Zur Formulierung dieser Frage erteile ich Frau Bednarsky das Wort.

Das Krankenhaus Spremberg arbeitet wirtschaftlich; gleich bleibende Patientenzahlen beweisen das. Die Mitarbeiter leisten eine qualitativ hochwertige Arbeit. Nach Informationen der Beschäftigten am Krankenhaus Spremberg beabsichtigt die

Landesregierung, im Zuge der Fortschreibung des Krankenhausplanes die Abteilung Gynäkologie/Geburtshilfe zu schließen.

Ich frage die Landesregierung: Aus welchen Gründen soll diese Abteilung am Krankenhaus Spremberg geschlossen werden?

Zur Beantwortung der Frage erteile ich Herrn Minister Ziel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Bednarsky, wenn wir uns im Lande umschauen, stellen wir fest, dass in manchen Regionen die Geburtenzahlen anhaltend rückläufig sind. Die Einwohnerzahlen gehen ebenfalls in manchen Regionen zurück, auch wenn sie landesweit stabil sind. Darauf muss natürlich auch die Krankenhausplanung reagieren. Wir können keine Betten vorhalten, die gar nicht mehr benötigt werden. Das stellt die Qualität der Arbeit, die auch im Krankenhaus Spremberg geleistet wird, überhaupt nicht infrage.

Da wir auch in der Spremberger Region vor der eben beschriebenen Situation stehen, wird im April auf der Gebietskonferenz für das Versorgungsgebiet Cottbus die Schließung der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe des Spremberger Krankenhauses vorgeschlagen werden. Einige wesentliche Gründe dafür: Die Bettendichte im Fachgebiet Gynäkologie und Geburtshilfe liegt im Versorgungsgebiet Cottbus um 14 % über dem Landesdurchschnitt. Sie ist fast 22 % höher als im benachbarten Versorgungsgebiet Frankfurt (Oder). Die Entbindungszahlen in Spremberg sind stark rückläufig. Im Vorjahr waren es gerade einmal 253. Die Mindestempfehlung für die dauerhafte Gewährleistung der medizinischen Qualität liegt bei uns, im Lande Brandenburg bei 300. Damit weichen wir erheblich von anderen Bundesländern ab, die eine Mindestzahl von 500 oder sogar 600 vorschreiben. Wir wollen mit unserer Mindestzahl natürlich den besonderen Bedingungen im Lande Rechnung tragen.

Gestern haben wir noch einmal mit der Geschäftsführung des Krankenhauses Strategien beraten. Es wurde der Auftrag erteilt, anhand des neuen Fallpauschalengesetzes des Bundes für die Region Überlegungen anzustellen, die insbesondere den SpreeNeiße-Kreis betreffen, also die Krankenhäuser Spremberg, Forst und Guben, aber auch die Stadt Cottbus mit ihrem Schwerpunktkrankenhaus und den dort vorhandenen großen Kapazitäten. Mir geht es darum, dass sehr bald Klarheit herrscht, damit Planungssicherheit entsteht. Deshalb sind wir auch so intensiv über die Fortschreibung des Zweiten Krankenhausplanes im Gespräch. - Vielen Dank.

Frau Bednarsky hat noch Klärungsbedarf. Bitte sehr.

Herr Minister, Sie sprachen von Planungssicherheit. Gehört aus Ihrer Sicht zur Planungssicherheit auch, dass dem berechtigten Anliegen des Spremberger Krankenhauses entsprochen wird, weiterhin ein Krankenhaus der Grundversorgung zu bleiben?

Ja, Frau Kollegin, genau das gehört dazu; das haben wir gestern ebenfalls besprochen. Daran wird es keine Abstriche geben. Das gilt sowohl für die Chirurgie als auch für die Innere Medizin. Danke schön.

Ich danke auch. - Wir sind damit bei den mündlichen Fragen. Als Erstes kommen wir zur Frage 1084 (Bessere Rahmenbedingun- gen für Polikliniken), gestellt vom Abgeordneten Dr. Kallenbach.

Laut Presseberichten strebt Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt an, die Stellung der Gesundheitszentren zu stärken. Dies betrifft in Brandenburg vor allem die ehemaligen Polikliniken. Durch eine Änderung des § 311 SGB V soll unter anderem erreicht werden, dass sie ihr bestehendes Angebot an Fachgebieten ausweiten und ihren Standort - beispielsweise wohnortnah verlegen können. Da Polikliniken wegen ihrer Fachärztekooperation eine hervorragende integrierte Versorgung anbieten und durch die Zusammenlegung von Verwaltungsaufgaben in diesem Bereich kosteneffizient arbeiten, können sie einen wesentlichen Beitrag zur Reform unseres Gesundheitswesens leisten.

Ich frage die Landesregierung: Welche Haltung hat sie zu dieser Initiative der Bundesgesundheitsministerin im Hinblick auf die gesundheitliche Versorgung in Brandenburg?

Herr Minister Ziel, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Kallenbach, wir gehen völlig konform mit der Initiative der Bundesgesundheitsministerin. Auch wir wollen die Kompetenzen der Gesundheitszentren so ausgestalten, dass sie ihren Aufgaben in vollem Umfang und immer besser gerecht werden können. Das war von Anfang an unser Anliegen, als sich die ehemaligen DDR-Polikliniken in neuer Qualität zu solchen gesetzlich zugelassenen Gesundheitszentren entwickelten. Es ist schön zu sehen, dass unser damals von vielen mit Skepsis betrachteter Schritt nunmehr deutschlandweit positiv bewertet wird und mit der Änderung des § 311 des Sozialgesetzbuches V auch im Gesetz verankert werden soll.

Wenn die Gesundheitszentren aufgrund dieser Initiative die Palette der in ihnen vertretenen medizinischen Fachgebiete erweitern und ihren Standort verlegen dürfen, kommt dies der wohnortnahen ambulanten Versorgung der Bevölkerung umfassend entgegen. Ich verspreche mir für die Zukunft viel davon, wenn Haus- und Fachärzte unter dem gemeinsamen Dach eines Gesundheitszentrums kooperieren. Das bietet unter anderem jenen Ärztinnen und Ärzten gute Arbeitsmöglichkeiten, die das finanzielle Risiko einer eigenen Praxis scheuen. So haben sowohl die Ärzteschaft als auch die Patientinnen und Patienten Vorteile von dieser Initiative. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Wir kommen zu den nächsten beiden Fragen, die die Fragesteller am liebsten im Zusammenhang beantwortet bekämen. Dazu erlaube ich mir noch eine Bemerkung. In der gestrigen Fragestunde gelang es uns, 18 Fragen zu beantworten. Bei Fragen mit einem solch langen Vorspann, wie sie jetzt aufgerufen sind, gelingt uns das nicht. Vielleicht könnten die Fragesteller das Ganze etwas komprimieren.

Ich rufe die Frage 1085 (Urteil des Landesverfassungsgerichtes zur Kostenregelung in der Behindertenbetreuung) der Abgeordneten Frau Schulz sowie die Frage 1086 (Konsequenzen aus dem Verfassungsgerichtsurteil zu Kostenausgleichsregelungen) des Abgeordneten Herrn Domres auf. Könnten Sie Ihre Fragen bitte kurz vorstellen, damit wir sie anschließend beantworten lassen können?

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um das Urteil des Landesverfassungsgerichtes zur Kostenregulierung in der Behindertenbetreuung. Wir alle wissen, dass es hierbei zu großen Problemen gekommen ist. Am 14. Februar wurde die Landesregierung durch das Landesverfassungsgericht beauftragt, für das Jahr 2003 eine verfassungskonforme Regelung vorzulegen.

Deshalb frage ich die Landesregierung, welche Auswirkungen diese Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes haben wird.

Herr Domres, bitte.

Mit der Kommunalverfassungsbeschwerde haben die Landkreise geltend gemacht, dass die Kürzungen bei der Erstattung von Kosten der stationären Betreuung durch die Beteiligung des Landes an den Kosten ambulanter Betreuung nicht aufgefangen werden. Es entstünden Kostenerstattungsdefizite in Millionenhöhe. Die Rückführung der stationären Hilfeleistungen auf 93 % der Gesamtausgaben der Behindertenhilfe sei unter den Verhältnissen des Landes Brandenburg nicht - jedenfalls nicht überall erreichbar.

Ich frage die Landesregierung: Welche Konsequenzen hat diese Entscheidung für die Landkreise, die kreisfreien Städte und die Landesregierung?

Das Wort geht zum dritten Mal an Herrn Minister Ziel. - Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Präsident, dass ich die beiden Fragen in einem Guss beantworten darf.

Frau Kollegin Schulz, Herr Kollege Domres, das Landesverfassungsgericht hatte mit seiner Entscheidung vom 14. Februar § 4

Abs. 3 Sätze 1 und 2 des AG BSHG für unvereinbar mit Artikel 97 Abs. 3 der Landesverfassung erklärt. Das Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz sei also mit Artikel 97 Abs. 3 der Landesverfassung nicht vereinbar und wurde daher für nichtig erklärt. Infolgedessen sind die Fallzahlendeckel nach dem Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz und dem Haushaltsstrukturgesetz unwirksam. Das bedeutet, dass den örtlichen Trägern der Sozialhilfe rückwirkend ab 2000 auch die Kosten für Fälle zu erstatten sind, die über dem Fallzahlendeckel liegen.

In welchem Ausmaß das den Landeshaushalt belasten wird, lässt sich vorerst nur für das Jahr 2000 beziffern; denn die Abrechnungen der örtlichen Sozialhilfeträger liegen erst für 2000 vor. Demnach müssen ihnen ca. 2,45 Millionen Euro erstattet werden. Nach der Kostenerstattungsverordnung haben sie bis März 2002 Zeit, die Abrechnungen für das Jahr 2001 vorzulegen. Demzufolge können wir derzeit weder die Mehrbelastungen für 2001 noch diejenigen für 2002 exakt beziffern.

Ähnliches gilt auch für die weitere Entscheidung des Landesverfassungsgerichtes zur Unvereinbarkeit von § 4 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz mit der Landesverfassung. Allerdings gilt er aus Gründen der Rechtssicherheit und der verlässlichen Haushaltswirtschaft bis Ende 2002 weiter, so das Gericht. Wie sich das ab 2003 finanziell auf den Haushalt auswirken wird, kann derzeit niemand definitiv sagen. § 4 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zum Bundessozialhilfegesetz regelte die Kostenquote zwischen Land und Kommunen. Danach erstattete das Land den örtlichen Sozialhilfeträgern 93 % ihrer Nettoausgaben unter anderem für Eingliederungshilfen und Hilfe zur Pflege.

Die Konsequenz aus dem Urteil ist, dass wir eine neue gesetzliche Grundlage schaffen müssen, die ab 2003 gelten soll und die dieses Verhältnis entsprechend den Maßgaben des Gerichtes neu definiert. An den Grundlagen dafür wird in meinem Haus bereits gearbeitet. Erst wenn diese Grundlagen stehen, kann man Näheres zum Kostenrahmen sagen. - Vielen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall bei der SPD)

Herr Domres hat noch Klärungsbedarf. Bitte sehr.

Herr Minister, ich habe drei kurze Nachfragen.

Erstens: Werden Sie das Verfahren zur Landespflegeplanung B und C wieder aufnehmen?

Zweitens: Wie wollen Sie zu einem verfassungskonformen Ausführungsgesetz zum BSHG kommen?

Drittens: Gehen Sie davon aus, dass die Mehrkosten, die aus dem Verfassungsgerichtsurteil resultieren, aus dem Einzelplan 05 oder aus dem Gesamthaushalt zu decken sind?

Sie fragten nach dem Einzelplan 05. Ich möchte nicht gern auf

die Haushalte anderer Minister verweisen, Herr Kollege. Ich glaube, das war ein kleiner Irrtum; Sie meinten den Einzelplan 07.

Den Landespflegeplan B und C haben wir noch nicht zu den Akten gelegt. Ich glaube, Sie wissen, dass darüber weiterhin gesprochen und differenziert verhandelt wird.

Meine Damen und Herren, wir sind uns sicherlich einig, dass es selbstverständlich ist, Verfassungskonformität herzustellen. Gott sei Dank gibt es Gerichte, die eingreifen, wenn sich jemand im Hinblick auf Verwaltungsentscheidungen bzw. haushälterische Fragen nicht richtig behandelt fühlt. Es gab ja auch Stimmen, die rechtzeitig darauf hinwiesen, was uns dabei blühen könnte. Jetzt haben wir das Ergebnis. Ich will mich darüber nicht weiter auslassen, aber jetzt ist es an uns, den Abgeordneten dieses Hohen Hauses, dies sauber zu korrigieren.