Wir haben insofern einen besonderen Tag, als sich wieder einmal ein Abgeordneter den Plenarsitzungstag als Geburtstag ausgesucht hat. Ich denke auch in Ihrem Namen zu sprechen, wenn ich dem Abgeordneten Dr. Stolpe herzlich zum 65. gratuliere. Es ist immerhin der Tag der Grenzmündigkeit.
Ich wünsche ihm weiterhin eine stabile Gesundheit und das Stehvermögen, das er über mehr als zehn Jahre auch in diesem Saal bewiesen hat. Wenn die Regierungsbänke teilweise fast leer waren - sein Platz war wohl immer besetzt. Dafür auch noch einmal herzlichen Dank.
(Unter allgemeinem Beifall überreicht Präsident Dr. Knob- lich dem Ministerpräsidenten Dr. Stolpe einen Blumen- strauß.)
Ich darf mich ganz herzlich bedanken. Für mich als gelernten DDR-Bürger war der Hinweis auf die Grenzmündigkeit natürlich sehr wichtig. Meine Tochter hat mir heute früh schon eine Zollerklärung für den Grenzübertritt überreicht.
In Anbetracht des Ehrentages unseres Ministerpräsidenten haben wir die heutige Sitzung hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs ein wenig anders angelegt. Wir werden auf die Mittagspause verzichten, sodass wir gegen 15.30 Uhr Gelegenheit haben, den Ministerpräsidenten mit aller Wucht zu umarmen und dann auch an der Feier teilzunehmen. - Dies ist der angenehme Teil.
Mit der Einladung ist Ihnen auch die Tagesordnung in ihrem Entwurf zugegangen. Ich frage Sie: Gibt es von Ihrer Seite Hinweise, Bemerkungen, Änderungswünsche zu dieser Tagesordnung? - Dies ist nicht der Fall. Dann bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen, dass wir gemäß Entwurf verfahren. Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit werden wir den heutigen Tag dem Entwurf entsprechend gestalten.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich insbesondere den Teilnehmern, die sich des elektronischen Mediums Fernsehen bedienen, eine kurze Erklärung geben.
Sie werden sich sicherlich darüber wundern, dass der ORB nur noch mit zwei Kameras statt der ursprünglich vier aus dem Plenarsaal überträgt. Wie mir der Fernsehdirektor gestern mitgeteilt hat, ist er gehalten - jetzt zitiere ich -, „nicht zuletzt durch
die Beschlüsse des Landtages” - sicherlich meint er damit die erst kürzlich beschlossene Gebührenerhöhung - „ökonomisch und sparsam mit unseren Ressourcen umzugehen”.
Vor einigen Wochen wurde ich vom ORB angesprochen, ob nicht aus Kostengründen auf die Aufsagekamera auf der Galerie verzichtet werden könnte. Das ist die Kamera, die zuweilen dort oben in dem Fenster zu sehen ist und die sich im Wesentlichen auf die Totale in diesem Saal richtet. Dem habe ich zähneknirschend zugestimmt, obwohl ich mich noch sehr gut daran erinnere, wie vehement seinerzeit der ORB für eine vierte Kamera im Plenarsaal gefochten hat, um - wie es damals hieß - eine qualitativ hochwertige Übertragung der Sitzung und eine ausgewogene bildliche Darstellung aller Fraktionen sicherzustellen, und das ja auch vor dem Hintergrund, dass der ORB mit der Konstituierung dieses Landtages das ausschließliche Übertragungsrecht zugesichert bekam und er sich seinerzeit verpflichtete, sein Bildmaterial allen übrigen Fernsehanstalten gegen Kostenerstattung zur Verfügung zu stellen.
In der vergangenen Woche wurde ich über Dritte mit der Entscheidung des ORB konfrontiert, künftig nur noch mit zwei Kameras präsent zu sein. Meine Intervention beim Intendanten hatte die Versicherung des Fernsehdirektors zur Folge, nach der der ORB bemüht sein werde, eine optimale Übertragung für den Zuschauer zu erreichen. Zitat:
„Wir haben die Zwei-Kamera-Variante eingehend geprüft und sind zu einem positiven Ergebnis gekommen.”
„Anmerkung, dass die Bildführung eintönig und damit für den Zuschauer langweilig werde, trifft nur zum Teil zu. Kamera bzw. Bild können eine Sache nur unterstützen. Das Interessante”
Unabhängig davon, dass es kein guter Stil ist, den Landtag klammheimlich vor vollendete Tatsachen zu stellen, nährt diese Entscheidung das schon vor der Gebührenerhebung aufgetauchte Gerücht vom schleichenden Abschied von den Liveübertragungen aus dem Plenarsaal durch den ORB. Dem sollten wir nicht tatenlos zusehen. Das Angebot des ORB, das Übertragungsergebnis der jetzigen Sparvariante genau zu beobachten und auszuwerten, werden wir bestimmt annehmen, nicht zuletzt deshalb, weil in Bezug auf die Kosten offensichtlich der Umfang des Personalkörpers keine große Rolle spielt. Heute haben wir eine sehr rege Anteilnahme durch den ORB und seine Mitarbeiter. Herzlichen Dank.
Das Wort zu Frage 691 (Auswirkungen der Gemeindegebiets- reform) hat der Abgeordnete Dr. Wiebke. Bitte sehr.
Unter Bezugnahme auf eine Erklärung des Umweltministers Birthler zur Wirkung der EU-Kommunalabwasserrichtlinie titelte der „Uckermark-Kurier”: „Gemeindereform bringt Bürgern neue Kosten” und kommentierte gar:
„Eigentlich sollte die Gemeindereform kräftig Geld sparen.... Tatsächlich scheint das Pendel... als millionenschwerer Bumerang auf die Bürger zuzurasen.”
Nach der Abwasserbilanz der Landesregierung beträgt der Anschlussgrad von Orten mit mehr als 2 000 Einwohnern ohne die großen kreisfreien Städte nur 77,5 %. Das lässt den Schluss zu, dass besonders im ländlichen Raum Nachholbedarf bei der Abwasserentsorgung nach neuestem Stand der Technik besteht. Da mit der Gemeindegebietsreform die Zahl der Gemeinden mit mehr als 2 000 Einwohnern zunehmen wird, sollen sie, mutmaßt der „Uckermark-Kurier”, nach Maßgabe der EU-Richtlinie flächendeckend und kostenträchtig an die Kanalisation angeschlossen werden. - Dieser Zeitungsartikel hat große Unruhe in dieses sensible Thema gebracht.
Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet die Landesregierung die Auswirkungen der Gemeindegebietsreform auf die Träger und die Kosten der Abwasserentsorgung unter besonderer Berücksichtigung der EU-Richtlinie?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Gemeindegebietsreform wird niemand im ländlichen Raum verpflichtet, lange Abwasserleitungen oder Großkläranlagen zu errichten. Die EU-Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser enthält eine Reihe von Handlungsspielräumen, die wir mit der Umsetzungsverordnung auch genutzt haben.
Auf zwei Punkte möchte ich besonders hinweisen. Das ist zum einen das Abgrenzungskriterium „Gebiete mit mehr als 2 000 Einwohnern” und zum anderen die Zulässigkeit von individuellen Systemen.
Kanalisationsnetze sind nur in solchen Gebieten zu errichten, in denen Besiedlung und wirtschaftliche Aktivitäten ausreichend konzentriert sind. Auch kann auf die Kanalisation verzichtet werden, wenn sie entweder keinen Nutzen für die Umwelt mit sich bringt oder mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist. In diesem Fall sind individuelle Systeme wie Kleinkläranlagen oder andere geeignete Maßnahmen erforderlich, die das gleiche Umweltschutzniveau gewährleisten.
Die Aufgabenträger der Abwasserentsorgung sind nach wie vor in der Pflicht, nur angepasste, technisch sinnvolle und finanzierbare Lösungen für die Abwasserentsorgung gerade im ländlichen Raum zu entwickeln und umzusetzen. Mit der Gemeinde
gebietsreform ändern sich die Besiedlungsstruktur und das Anforderungsniveau nicht. Kleinkläranlagen wird es auch nach der Gemeindegebietsreform in zusammengelegten Gebieten mit mehr als 2 000 Einwohnern geben. Die EU-Richtlinie lässt dies ausdrücklich zu. - Vielen Dank.
Ich danke auch. - Das Wort geht an den Abgeordneten Dr. Niekisch, der Gelegenheit hat, die Frage 692 (Bundesakademie Rheinsberg) zu stellen.
Ich frage die Landesregierung: Welche Entwicklungsmöglichkeiten verbindet sie mit der Erhebung der Musikakademie Rheinsberg zur Bundesakademie?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Niekisch, die Vereinbarung wurde am 31. März 2001 zwischen Frau Bergmann, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und unserem Land geschlossen. Diese Vereinbarung sieht vor, dass die Musikakademie Rheinsberg ab 1. Januar 2002 den Status Bundesakademie und Landesakademie trägt. Mit dieser Statusänderung ist sowohl ein Image- als auch ein finanzieller Gewinn verbunden.
Vom Image her ist es so, dass es in den alten Bundesländern bisher drei Bundesmusikakademien gibt und wir in den neuen Bundesländern die vierte und somit die einzige Musikakademie in den neuen Bundesländern haben. Dadurch ist es für die Musikakademie einfacher als zuvor, sich an bundesweiten Projekten zu beteiligen und insbesondere mit bundesweit agierenden Stiftungen zusammenzuarbeiten. Für ein Land wie Brandenburg, das keine Musikhochschule hat, ist es sehr wichtig, den Anschluss an die Musikszene in diesem Bereich zu halten.
Dieser Status ist auch günstig für die Zusammenarbeit mit Berlin, wobei die Zusammenarbeit mit der Landesmusikakademie in Berlin schon bisher gut war. Der Senator Stölz hob auf der Veranstaltung hervor, dass die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit durch die Gleichrangigkeit des Status verbessert worden sind.
Ferner sagte ich bereits, dass es einen finanziellen Zugewinn bringt. Die Musikakademie wird institutionell vom Land gefördert. Durch diesen Vertrag, der bis Ende 2006 läuft, gibt es vom Bund jährlich 300 000 DM. Diese Mittel sind nicht institutionell, nicht frei verfügbar, sondern sie sind für Projekte im Rahmen der Musikakademie einzusetzen. Diese Projekte sind besonders orientiert auf die Musikerziehung der Jugend, die
Chorarbeit mit Jugendlichen und die Ausbildung von Multiplikatoren, die im Musikbereich für Jugendliche agieren. Das heißt, insgesamt ist es die Anerkennung für eine zehnjährige erfolgreiche Tätigkeit. Für uns bietet sich die Möglichkeit, Rheinsberg mit der Kombination Musikakademie und Kammeroper noch besser darzustellen.
Herzlichen Dank. - Bevor ich das Wort Frau Dr. Schröder gebe, darf ich unter den Gästen ganz besonders die Gymnasiasten des Einstein-Gymnasiums aus Angermünde begrüßen. Herzlich willkommen!
Frau Dr. Schröder, Sie haben Gelegenheit, die Frage 693 (Dem „Faulenzervorwurf” gegenüber Arbeitslosen entgegentreten) zu stellen.
Eine alte Kampagne um „faule Arbeitslose” erregt gegenwärtig die Gemüter. Was unter Kohl noch „soziale Hängematte” und „Freizeitpark Deutschland” hieß, heißt jetzt unter Bundeskanzler Schröder: