Protocol of the Session on October 25, 2001

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur 44. Sitzung des Landtages Brandenburg in seiner 3. Wahlperiode. Ich begrüße die heute nicht sehr zahlreich vertretenen Journalisten ebenso wie unsere Gäste, die umso zahlreicher gekommen sind. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Mit der Einladung ist Ihnen der Entwurf der Tagesordnung zugegangen. Gibt es von Ihrer Seite dazu Fragen, Ergänzungen oder Änderungswünsche? - Dies scheint nicht der Fall zu sein.

Dann darf ich zum Tagesordnungspunkt 13 bemerken, dass die schriftliche Beantwortung der Kleinen Anfrage 1290 erfolgt ist, sodass sich die Behandlung im Plenum erübrigt.

Wenn Sie mit dem geänderten Entwurf der Tagesordnung einverstanden sind, dann bitte ich um Ihr Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann verfahren wir so.

Der Ministerpräsident ist ganztägig abwesend, da er sich auf der Ministerpräsidentenkonferenz im Saarland befindet. Frau Ministerin Ziegler ist erkrankt; sie wird durch Minister Ziel vertreten. Die Abgeordneten Dr. Wiebke, Kliesch und Heiko Müller sind ebenfalls aufgrund von Krankheit oder wichtigen Terminen ganztägig abwesend.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 1:

Fragestunde

Drucksache 3/3385

Das Wort geht an den Abgeordneten Reinhold Dellmann, der die Frage 899 (Kinderland am Werbellinsee) formulieren wird.

Sehr geehrter Herr Präsident! Die Frage nach der Zukunft der Landesentwicklungsgesellschaft - LEG - scheint mit dem Beschluss zu ihrer Liquidation beantwortet. Gleichzeitig wirft dies neue Fragen, nämlich nach dem künftigen Schicksal der durch die LEG betreuten Projekte, auf. Für das Kinderland am Werbellinsee hat das Land wiederholt die Absicht bekräftigt, diese Liegenschaft zum Zweck der Kinder- und Jugenderholung zu erhalten.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung: Welche Zukunftsaussichten sieht sie für die weitere Entwicklung des Kinderlandes am Werbellinsee?

Zur Beantwortung der Frage gebe ich das Wort an den Staatssekretär des Finanzministeriums. Bitte sehr, Herr Staatssekretär.

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Herr Abgeordneter

Dellmann, die LEG hat die von Ihnen genannte Liegenschaft im August des Jahres 2000 für einen Kaufpreis von 1 Million DM vom Land käuflich erworben, jedoch erst 500 000 DM gezahlt. Der Besitzübergang an die LEG ist erfolgt, das Eigentum aber wegen der ausstehenden Kaufpreiszahlung noch nicht übertragen.

Geplant und vertraglich vereinbart war, dass die LEG bis zum Jahre 2010 60 Millionen DM investiert und mindestens 150 Arbeitsplätze schafft. Das war - aus heutiger Sicht - von Beginn an ein, vorsichtig ausgedrückt, sehr ehrgeiziges Ziel.

Der aufgrund des Beschlusses der Landesregierung zur Liquidation der LEG zu bestellende Liquidator wird in den Vertrag eintreten und zu prüfen haben, ob das Projekt von der LEG fortgeführt bzw. wegen Unwirtschaftlichkeit aufgegeben werden sollte. Ich füge hinzu, dass es allerdings gerade beim Projekt Werbellinsee eine besondere Abwägung der hier deutlichen öffentlichen Interessen geben soll. Auch, um diese Abwägung zu ermöglichen, haben wir der Liquidation der LEG den Vorzug gegeben und alles daran gesetzt, dass es keinen Konkurs gibt, der uns den entsprechenden Einfluss unmöglich gemacht hätte. Die Landesregierung kann dem Verfahren allerdings nicht vorgreifen und deshalb zum jetzigen Zeitpunkt die Zukunftsaussichten des Kinderlandes Werbellinsee nicht abschließend beurteilen. Auch kann ich dem Liquidator, der sich selbst ein Bild machen muss, nicht vorgreifen.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Wir beginnen mit dem Fragesteller. Bitte, Herr Dellmann.

Sehr geehrter Herr Staatssekretär, wie sichert die Landesregierung den Betrieb dieser Jugenderholungseinrichtung für das Jahr 2002 angesichts der Tatsache, dass der aktuelle Vertrag zwischen der LEG und der Betreibergesellschaft am 31. Dezember 2001 endet, womit derzeit keine Belegung für das Jahr 2002 möglich ist, sondern womöglich sogar der totale Leerstand droht?

Herr Abgeordneter, die Landesregierung kann - ich hatte darauf bereits hingewiesen - zum jetzigen Zeitpunkt nicht definitiv sagen, wie der Betrieb der Jugend- und Erholungseinrichtung am Werbellinsee für das Jahr 2002 abgesichert werden kann. Ich kann aber einige Ausführungen zum weiteren Verfahren machen.

Die EJB hat anlässlich einer Besprechung in meinem Hause am 16. Oktober unter der Voraussetzung einer längerfristigen Nutzung Interesse an der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses geäußert. Ich habe persönlich den Eindruck, dass dieses Interesse sehr stark ist. Deshalb werden wir uns in den weiteren Gesprächen mit der EJB um eine Lösung bemühen. Die EJB hat das Land um baldige Rückabwicklung des Vertrages mit der LEG gebeten, damit es selbst wieder Vertragspartner der EJB wird. Diese Bitte hat auch das Amt Joachimsthal an uns herangetragen. Verfahrensmäßig ist die Frage der Rückabwicklung aber zunächst vom Liquidator zu beantworten. Dieser muss das weitere Vorgehen mit der Landesregierung abstimmen; denn

schließlich sind wir als Ministerium der Finanzen Verkäufer der Liegenschaften im Auftrage des Landes gewesen.

Frau Osten, bitte.

Ich möchte wissen, wie die Landesregierung zur Aussage des Ministerpräsidenten vom 22. August gegenüber dem Förderverein der Freunde des Kinderlandes steht. In der mir vorliegenden Meldung heißt es:

„Der Ministerpräsident versichert, dass das Interesse des Landes auch weiterhin darin besteht, die Hauptnutzung dieser Einrichtung zum Zwecke der Kinder- und Jugenderholung zu erhalten.”

Meine zweite Frage: Wie viel Zeit wird verstreichen müssen, bis die Landesregierung uns sagen kann, was mit den Projekten der LEG in Zukunft wirklich passieren wird?

Frau Abgeordnete, die Aussage des Ministerpräsidenten gilt selbstverständlich nach wie vor. Wir werden sie zur Grundlage unserer Gespräche über die weitere Zukunft des Projektes machen und dem Liquidator verdeutlichen, welche politischen Interessen die Landesregierung in dieser Angelegenheit hat. Dennoch muss ich wiederholen, dass ich dem Liquidator nicht vorgreifen kann. Er wird sich ab dem 1. November selbst ein Bild davon machen müssen. Wir werden allerdings die politischen Abwägungen in die Diskussion einbringen.

(Frau Osten [PDS]: Da bleibt aber nicht viel Zeit!)

- Sie haben Recht, es bleibt nicht viel Zeit.

Zu Ihrer zweiten Frage: Unsere Absicht ist, die Zukunft dieses Projektes innerhalb der nächsten beiden Monate zu klären, da die Kündigung zum Jahresende ausgesprochen ist. Daher werden wir zwischen dem 1. November und dem 31. Dezember Entscheidungen treffen müssen. Dies wird aber auch in Absprache mit der EJB geschehen.

Danke schön. - Nachdem ich unsere Besucher schon anonym begrüßt habe, darf ich jetzt die Senioren aus dem Landkreis Dahme-Spreewald offiziell herzlich begrüßen, die heute zu uns gekommen sind, um an der Tagung des Landtages teilzunehmen.

(Allgemeiner Beifall)

Da die Frage 900 zurückgezogen worden ist, kommen wir nun zur Frage 901 (Landesvergabegesetz), die von der Abgeordneten Frau Dr. Schröder gestellt wird.

Erneut haben in diesen Tagen Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes angesichts der dramatischen Arbeitslosigkeit

unter Bauarbeitern auf die Notwendigkeit eines Vergabegesetzes aufmerksam gemacht. Wer gegen eine gesetzliche Verankerung der Tarifvertragstreue auftrete, so die Argumentation, sei für die Zuspitzung der Lage der Baubranche mit verantwortlich.

Ich frage die Landesregierung: Welche Aspekte sprechen bei Beachtung der gegenwärtigen Entwicklung in der Baubranche aus Sicht der Landesregierung für bzw. gegen ein Brandenburger Vergabegesetz?

Herr Minister Fürniß, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Dr. Schröder, zunächst einmal ist richtig: Im Bereich der Bauwirtschaft gibt es eine außerordentlich hohe Arbeitslosigkeit. Sie spiegelt - auch das ist richtig - den Abbau von Überkapazitäten in der Bauwirtschaft wider, der für ganz Ostdeutschland kennzeichnend ist. Ich halte es jedoch für vordergründig und populistisch,

(Widerspruch bei der PDS)

einen Zusammenhang zwischen dieser Arbeitslosigkeit und der Tatsache herzustellen, dass wir im Land Brandenburg bei öffentlichen Aufträgen den Auftragnehmern keinen Tarifzwang durch ein Landesvergabegesetz auferlegt haben.

(Zuruf von der PDS)

- Ich habe nicht gesagt, dass Sie das gesagt haben, sondern ich halte denjenigen, der das sagt, für einen Populisten. Populismus ist kein Ersatz für Politik. Er hilft nicht weiter.

Sie wissen, öffentliche Auftraggeber haben ihre Haushaltsansätze. Diese Ansätze ändern sich nicht, wenn nicht tarifgebundenen Unternehmen ein Tarifzwang auferlegt wird. Verteuern sich die Bauleistungen, dann wird gebaut, soweit das Geld reicht. Ein eventueller nächster Auftrag, zum Beispiel der Bau oder Ausbau einer Straße, muss dann auf das folgende Jahr verschoben werden.

Wir haben gute Vergleichsmöglichkeiten zwischen Berlin und Brandenburg. Berlin hat ein Vergabegesetz, Brandenburg hat kein solches Gesetz. Man kann die Situation in beiden Bereichen recht gut vergleichen.

Die Anzahl der Beschäftigen im Bauhauptgewerbe ist im Zeitraum Januar bis Juli 2001 in Brandenburg im Vergleich mit dem entsprechenden Zeitraum des Vorjahres um durchschnittlich 15,5 % zurückgegangen; in Berlin betrug der Rückgang 18,5 %. Der Schluss, der Rückgang sei dort, wo ein Vergabegesetz existiert, geringer, trifft leider nicht zu.

Man kann es drehen und wenden, wie man will: Die Fakten belegen nicht, dass ein Tarifzwang bei öffentlichen Aufträgen die Zahl der Arbeitslosen verringert. Man muss eher das Gegenteil befürchten, weil mit der Tarifbindung eine Marktbereinigung zulasten der nicht tarifgebundenen kleinen Betriebe verbunden wäre, von denen wir insbesondere in Brandenburg be

sonders viele haben. Sie gehörten dann zu den Verlierern. Ich glaube, nicht ein Vergabegesetz, sondern nur mehr Aufträge schaffen Arbeit im Baubereich. Wir sollten diesen Weg gehen.

Sie haben nach dem Pro und Kontra gefragt. Ich versuche abzuwägen, was dafür und was dagegen spricht. Ein Vergabegesetz ist gut für diejenigen, die bereits in Lohn und Brot sind, weil sie dadurch eventuell noch mehr verdienen können. Ein Vergabegesetz ist gut für die tarifgebundenen Unternehmen, wenn sie dadurch vom Wettbewerbsdruck entlastet werden.

Gegen ein Vergabegesetz spricht, dass auf diese Weise den Unternehmen mit ihren Mitarbeitern die Möglichkeit genommen wird, nach ihren Verhältnissen flexibel auf die Anforderungen des Marktes zu reagieren. Gegen ein Vergabegesetz spricht, dass es nicht gut ist, wenn die Bauleistungen, in Arbeitsstunden gemessen, zurückgefahren werden müssen, nicht weil die Marktentwicklung dazu zwingt, sondern weil solche Gesetze existieren. Die Einführung eines Vergabegesetzes halte ich auch deswegen nicht für gut, weil seine Einhaltung kaum wirksam kontrolliert werden kann und weil derjenige, der etwas „frecher” ist, den Rechtstreuen dann aussticht.

Schließlich wäre es nicht gut und auch nicht sinnvoll, wenn wir jetzt ein Landesvergabegesetz diskutierten, das kurze Zeit später Makulatur wäre, weil - ich gehe davon aus, dass Sie das wissen - der Bund einen entsprechenden Gesetzentwurf unter der Überschrift „Bundestariftreuegesetz” plant. Bei konkurrierender Gesetzgebung würde das Landesgesetz durch ein entsprechendes Bundesgesetz ausgehebelt werden.

Aus der Sicht des Landes Brandenburg macht es Sinn, sich bei der Gesetzgebung des Bundes im Rahmen der Möglickeiten, die man in einem solchen Gesetzgebungsverfahren hat, intensiv einzubringen.