Protocol of the Session on April 9, 2003

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zur 73. Sitzung des Landtages Brandenburg in seiner 3. Wahlperiode.

Es ist Ihnen bekannt, dass seit der letzten Plenarsitzung zwei unserer Abgeordneten verstorben sind. Ich bitte Sie, sich in trauerndem Gedenken von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich zu einer Schweigeminute von ihren Plätzen.)

Ich danke Ihnen.

Mit der Einladung ist Ihnen der Entwurf der Tagesordnung zugegangen. Gibt es von Ihrer Seite dazu Anmerkungen? - Dann darf ich ein paar Bemerkungen vor Eintritt in die Tagesordnung machen. Zunächst zum Tagesordnungspunkt 7. Bei der 2. Lesung des Gesetzes zur Neuregelung des Heilberufsrechts im Land Brandenburg, Drucksache 3/5662 - Neudruck -, wird auf Vorschlag der Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen auf eine Debatte verzichtet. Ebenso sollte auf eine Debatte zu Tagesordnungspunkt 8 - 1. Lesung des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und dem Land Berlin über die Zusammenarbeit in der Notfallrettung, Drucksache 3/5611, Neudruck verzichtet werden. Ferner wurde von den Parlamentarischen Geschäftsführern angeregt, den Tagesordnungspunkt 10 - Bericht gemäß § 26 Abs. 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Land Brandenburg vom 5. April 1993 über die parlamentarische Kontrolle der Landesregierung in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes durch die Parlamentarische Kontrollkommission, Drucksache 3/5681 - auf den morgigen Sitzungstag zu verlegen.

Wenn es von Ihrer Seite keine Bemerkungen gibt, dann bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen, dass wir in der geänderten Form verfahren. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist so beschlossen.

Ich darf noch darauf hinweisen, dass es in Bezug auf die Anwesenheit eine Mitteilung des Ministerpräsidenten gibt, der ab 14 Uhr durch Minister Meyer vertreten wird. Ab 15 Uhr wird der stellvertretende Ministerpräsident und Innenminister Herr Schönbohm abwesend sein. Er wird durch Minister Baaske vertreten. Ganztägig vertreten durch Minister Birthler wird die abwesende Ministerin Richstein. Von den Abgeordneten haben Herr Lenz und Herr Müller ihre ganztägige Abwesenheit signalisiert.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 3/5745 Drucksache 3/5707

Das Wort geht an die Abgeordnete Dr. Schröder, die die Gelegenheit erhält, die Dringliche Anfrage 35 (Fehlende Haushalts- vorsorge für Chipfabrik), Drucksache 3/5745, zu formulienen.

Meine Anfrage richtet sich auf die auch im April 2003 noch

immer nicht geklärte Finanzierung der Chipfabrik. Nach Presseberichten vom Ende vergangener Woche, zum Beispiel im „Managermagazin“ vom 4. April 2003, wurde für die 371 Millionen Euro Fördermittel zur Errichtung der Chipfabrik in Frankfurt (Oder) keine besondere Vorsorge getroffen.

Ich frage die Landesregierung: Welche Haushaltsvorsorge hat die Landesregierung in diesem Zusammenhang bis jetzt getroffen?

Herr Minister Junghanns, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Abgeordnete, für die Landesregierung ist das Communicant-Vorhaben, wie wir das an verschiedener Stelle schon kundgetan haben, ein überaus wichtiges Investitionsvorhaben für die wirtschaftliche und technologische Entwicklung unseres Landes und insbesondere für die Region Ostbrandenburg. Für die erforderlichen Fördermittel haben wir selbstverständlich Vorsorge getroffen.

Ich wiederhole gern erneut, Frau Dr. Schröder, dass wir eine Förderung aus den Mitteln der GA „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sicherstellen. Ebenso wird eine sich aus dem Investitionszulagengesetz ergebende Förderung gestaltet. Die maximale Höhe aller staatlichen Mittel ist durch das positiv abgeschlossene Notifizierungsverfahren der EU-Kommission festgelegt. Über die jeweiligen Anteile der GA und der Investitionszulage kann zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht im Detail, also auf Punkt und Komma genau, Auskunft gegeben werden, da diese im Zusammenhang mit der zu gestaltenden Finanzierung noch Veränderungen unterliegen. - Danke.

Ich bedanke mich. - Wir sind damit bei der Frage 1526 (Ver- tragsnaturschutz). Die Frage wird vom Abgeordneten Schippel gestellt.

Für den Schutz und die Entwicklung der Brandenburger Kulturlandschaft, insbesondere für den Raum Spreewald, wird seit 1991 der Vertragsnaturschutz praktiziert. Dabei werden Verträge zwischen Landnutzern und Naturschutzverwaltung geschlossen, um flächenbezogene Anliegen des Naturschutzes mit der Vergütung der ökologischen Leistungen der Landnutzer zu verbinden. Die finanziellen Verluste, die sich dann für den jeweiligen Vertragspartner ergaben, wurden bisher vollständig mit Landesmitteln ausgeglichen. Aufgrund der Haushaltssperre des Landes Brandenburg ist dieser Ausgleich nicht mehr gewährleistet und es kommt jetzt zu Kürzungen.

Ich frage die Landesregierung: Welche Möglichkeiten oder Maßnahmen sind zur finanziellen Absicherung des Vertragsnaturschutzes vorgesehen?

Herr Minister Birthler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schippel, Sie haben angesprochen, dass die Mittel für den Vertragsnaturschutz bisher reine Landesmittel gewesen sind. Deshalb strebt mein Ministerium an, möglichst viele Maßnahmen in EU-kofinanzierte Programme zur Förderung umweltgerechter landwirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung der brandenburgischen Kulturlandschaft, also in das KULAP-2000-Programm, zu überführen. Mein Haus hat deshalb am 31. Januar dieses Jahres bei der EU-Kommission den hierfür erforderlichen Antrag zur Änderung des Entwicklungsplanes für den ländlichen Raum und die flankierenden Maßnahmen des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds Landwirtschaft gestellt.

Mit einer Entscheidung der Kommission wird im Herbst dieses Jahres gerechnet. Die neuen KULAP-2000-Maßnahmen für den Naturschutz könnten dann im Antragsjahr 2004 angeboten werden. Die Überführung in das KULAP 2000 kann aber nicht alle naturschutzfachlich notwendigen Maßnahmen abfangen. Antragsteller im Rahmen des KULAP 2000 können ausschließlich nur landwirtschaftliche Betriebe sein und die Flächen müssen landwirtschaftlich genutzt werden. Die fünfjährigen Verpflichtungszeiträume lassen sich nicht immer mit der für den Naturschutz notwendigen Flexibilität vereinbaren. Darüber hinaus liegt dieser EU-Förderung zugrunde, dass ein Ausgleich von Ertragsverlusten, weniger die Honorierung einer Landschaftspflege als Dienstleistung bezahlt wird.

In diesem Jahr ist vorgesehen, Naturschutzmaßnahmen, die nicht über das derzeit gültige KULAP 2000 oder über Artikel 16 gefördert werden können, im Rahmen der verfügbaren Vertragsnaturschutzmittel nach landeseinheitlicher Vorgabe zu honorieren. Meine Mitarbeiter werden in Kürze mit den Betroffenen neue Verträge abschließen.

Herzlichen Dank. - Das Wort geht an den Abgeordneten Burkhard Schöps, der Gelegenheit hat, die Frage 1527 (Genehmi- gung für ECE-Bebauungsplan) zu formulieren.

Die Genehmigung für das ECE-Projekt City-Galerie Cottbus soll jüngsten Pressemitteilungen zufolge mit der Maßgabe einer Nachbesserung erteilt worden sein. Die Stadt Cottbus geht aus diesem Grunde davon aus, dass der von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Bebauungsplan nun so nicht mehr umsetzbar ist. Der Investor für dieses 100 Millionen Euro umfassende Vorhaben wird seit Monaten in Wartestellung geschickt bzw. es werden durch Behördenhickhack die genannte Investition und damit die Schaffung von 500 Arbeitsplätzen verhindert. Nach öffentlicher Aussage der Stadt trägt daran das Bauministerium die Schuld.

Ich frage die Landesregierung: Kann aufgrund der jetzigen Genehmigungslage durch das MSWV die alles entscheidende Baugenehmigung durch die Stadt nun erteilt werden - ja oder nein?

Herr Minister Meyer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schöps, ich könnte die Frage, die Sie so kurz und knapp mit Ja oder Nein beantwortet wissen wollen, deutlich mit Ja beantworten.

(Dr. Hackel [CDU]: Ein deutliches „Jein“!)

- Das war ein deutliches Ja, Herr Hackel. Entschuldigen Sie, wenn ich nicht auf Ihren Vorschlag eingehe.

Der Bebauungsplan City-Galerie Cottbus wurde am 10. März dieses Jahres durch das MSWV mit der Maßgabe genehmigt, die Begründung zum B-Plan zu ergänzen und zu präzisieren. Der Bebauungsplan für das ECE-Vorhaben - Sie wissen, dass seitens unseres Hauses dieses Vorhaben grundsätzlich unterstützt worden ist - wird dadurch qualifiziert. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass der B-Plan nun so nicht mehr umsetzbar ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die geforderte Maßgabe macht den Bebauungsplan bestandssicher, denn nichts ist bei einer Genehmigung wichtiger als Rechts- und Bestandssicherheit.

Die Genehmigung des Bebauungsplanes mit der enthaltenen Maßgabe hindert auch nicht an der Erteilung der Baugenehmigung. Diese könnte, was die Genehmigungslage des B-Planes angeht, sofort erteilt werden. Hier wird also überhaupt nichts - Sie haben das auch nicht direkt impliziert - verzögert. Zu prüfen und zu entscheiden, ob alle Voraussetzungen für die Erteilung der Baugenehmigung auf der Grundlage des § 33 Baugesetzbuch vorliegen, hat aber die Stadt Cottbus. Von der Stadt wie auch vom Investor ECE war bisher immer zu hören, dass man eine vorzeitige Baugenehmigung nicht wolle, sondern auf die Rechtskraft des Planes Wert lege und diesen abwarte. Das könnte nach dem, was aus Cottbus zu hören ist - ich habe mit einigen Abgeordneten aus unterschiedlichen Fraktionen darüber gesprochen -, schon in einigen Wochen der Fall sein. Wenn also die Stadtverordnetenversammlung noch im Monat April über die Maßgabe beschließt, kann der Plan im Mai in Kraft gesetzt werden. - Schönen Dank.

Ich danke auch. - Damit sind wir bei der Frage 1528 (Teilnah- me von Schülern an Friedensdemonstrationen). Zu deren Formulierung hat die Abgeordnete Große Gelegenheit.

Seit Beginn des Irak-Krieges haben erfreulicherweise sehr viele Schüler durch ihre Teilnahme an Demonstrationen ihren Friedenswillen bekundet. Die Reaktionen der Schulleitungen auf derartige Aktivitäten waren offensichtlich sehr unterschiedlich. Sie reichten von Tolerierung bis zu Verweisen, dem Bescheinigen von unentschuldigtem Fehlen und der Erteilung von schlechten Noten.

Ich frage die Landesregierung, wie sie sich zu derartigen Reaktionen verhält.

Herr Minister Reiche, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Frau Große, es ist eine Schülergeneration, auf die wir stolz sein können.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der SPD)

Denn das ist die Schülergeneration, die nach dem 11. September des Jahres 2001 gegen den Terror demonstrierte, das ist die Schülergeneration, die beim Elbe-Hochwasser in einer Weise mit anpackte, dass man das in ganz Deutschland sehr wohl gemerkt hat, und das ist die Schülergeneration, die heute deutlich macht, dass sie diesen Krieg nicht möchte.

(Beifall bei der PDS)

Es gibt keine speziellen Regelungen dafür, welches Verhalten Schulen von ihren Schülerinnen und Schülern dann zu verlangen haben, wenn diese etwa mit Angst, Empörung oder aufgrund politischer Überzeugung auf den Ausbruch eines Krieges reagieren. Schulen haben einen Spielraum, um auf solche schwerwiegenden, uns alle bewegenden Ereignisse eingehen zu können. In Anbetracht der besonderen Voraussetzungen ist davon auszugehen, dass sich die Maßnahmen von Schule zu Schule unterscheiden.

Zunächst gilt der Grundsatz, dass auch Demonstrationen für den Frieden ein unentschuldigtes Fehlen in der Schule nicht rechtfertigen. Die politische Betätigung von Schülerinnen und Schülern gehört in den außerschulischen Raum. Das Demonstrationsrecht kann genauso gut in der unterrichtsfreien Zeit ausgeübt werden. Bleiben Schülerinnen und Schüler dennoch für die Teilnahme an Demonstrationen vom Unterricht fern, riskieren sie damit schulische Maßnahmen. Es liegt im Ermessen der Schulen, ob und wie sie darauf reagieren. Übereinstimmung dürfte darin bestehen, dass junge Menschen durch die Teilnahme an Demonstrationen erfreulicherweise ihren Friedenswillen bekunden. Die Schulen sollten das in angemessener und verständiger Weise berücksichtigen. In diesem Sinne hat meines Wissens die überwiegende Anzahl von Schulen in unserem Land gehandelt.

Angesichts des schulischen Auftrages, die Schülerinnen und Schüler zu mündigen Staatsbürgern zu erziehen, sollte auf Fehlzeiten nicht mit einem strafenden Ansatz reagiert werden. Die Hamburger Entscheidung, die dort nicht nur getroffen, sondern auch umgesetzt worden ist, halte ich aus diesen Gründen für falsch.

Die Aufnahme unentschuldigter Fehlzeiten erscheint dagegen je nach Situation und Einordnung der Schule in aller Regel als angemessen. So kann klargestellt werden, dass die von der Verfassung abzuleitende Schulpflicht vor der gemäß Artikel 8 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierten Demonstrationsfreiheit regelmäßig Vorrang hat. In jedem Fall soll das Verantwortungsbewusstsein der Schülerinnen und Schüler angesprochen und damit auf verfassungsrechtliche Grundentscheidungen hingewiesen werden.

Ich bin mir mit den Schülerinnen und Schülern in diesem Land darin einig, dass eine einfache Faustregel zu berücksichtigen ist: Am Vormittag wird in der Schule über den Irak-Krieg geredet und am Nachmittag kann dann auch dagegen demonstriert werden. Wer dafür am Nachmittag nicht seine Freizeit opfern will, der meint es auch nicht wirklich ernst.

(Beifall bei der SPD - Schippel [SPD]: Das ist richtig!)

Herr Minister, es gibt noch Klärungsbedarf. Herr Dr. Trunschke, bitte sehr.

Herr Minister, ich danke Ihnen zunächst für Ihre Ausführungen. Ich möchte dennoch zwei Nachfragen stellen.

Zum einen: Halten Sie nicht die Situation, in die Eltern bzw. volljährige Schüler kommen, für - ich sage einmal - pervers? Wenn sie nämlich sagen, sie hätten wegen Unwohlseins gefehlt, wird das entschuldigt, wenn sie aber sagen, sie seien zu einer Demonstration gegangen, gilt das als unentschuldigt.

Ich frage Sie zweitens: Wäre es vor diesem Hintergrund nicht angebracht, als Minister den Schulen eine Empfehlung auszusprechen, wie sie verfahren sollten?