Barbara Borchardt
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Last Statements
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Erinnern wir uns: Im April 2010, nachdem mehr und mehr Fälle über sexuellen Missbrauch in katholischen Einrichtungen bekannt wurden, der Bürgerbeauftragte in seinem Bericht auf das Problem sexuellen Missbrauchs in Kinder- und Jugendeinrichtungen der DDR hingewiesen hatte, auf dessen Grundlage die CDUFraktion zu diesem Thema eine öffentliche Anhörung im Europa- und Rechtsausschuss beantragt hatte und die
FDP dem Landtag auf der Drucksache 5/3435 einen eigenständigen Antrag vorlegte, hat der Rechts- und Europaausschuss sich mit diesem Thema beschäftigt.
Niemand von den demokratischen Fraktionen hat von Beginn an gezweifelt, dass der Landtag sich mit diesem Thema beschäftigen muss. Schnell, schon während der Debatte zum Antrag der FDP, wurde uns klar, dieses Problem ist ein gesellschaftliches Problem und nicht systemabhängig. Deshalb dürfen wir nicht nur die Vorkommnisse in der DDR betrachten, sondern müssen uns die Frage stellen, wie sind wir in Mecklenburg-Vorpommern für den Schutz unserer Kinder aufgestellt. Deshalb führten wir im September 2010 eine sehr umfangreiche Anhörung durch, sprachen mit den zuständigen Ministerien und der Parlamentarischen Staatssekretärin, ließen uns über ihre Maßnahmen in ihrem Zuständigkeitsbereich informieren. Begleitet wurde diese Debatte immer von den Ergebnissen der Arbeit des Runden Tisches auf Bundesebene.
Nun mag einer, der diesen Arbeitsprozess nicht hautnah miterlebt hat, meinen, habt ihr euch aber Zeit gelassen. Ja, sage ich an dieser Stelle, haben wir, und zwar ganz bewusst uns Zeit gelassen,
nicht nur, weil wir uns im Ausschuss noch mit vielen anderen Gesetzesvorlagen und Anträgen beschäftigen mussten, nein, weil wir uns sehr schnell dazu verständigt haben, dem Landtag einen gemeinsamen Antrag zur Beschlussfassung vorzulegen, weil wir dieses Thema nicht geeignet fanden, es parteipolitisch zu besetzen. Das sind wir den Opfern schuldig.
Dass uns das gelungen ist, dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei allen demokratischen Fraktionen dieses Hauses recht herzlich bedanken. Nur so, davon bin ich überzeugt, werden wir den Opfern gerecht und können unserer gemeinsamen Verantwortung gerecht werden.
Sexueller Missbrauch von Kindern ist schlimm, egal ob in Einrichtungen der Jugendhilfe in der DDR, der katholischen Kirchen oder in anderen öffentlichen Einrichtungen oder im häuslichen Umfeld. Dieser Anspruch brachte natürlich auch mit sich, dass wir auf allen Seiten Zugeständnisse und Kompromisse machen mussten. Darauf gehe ich an anderer Stelle noch ein. Und ich behaupte auch, keine öffentliche Anhörung wurde von keiner Fraktion der demokratischen Fraktionen so akribisch ausgewertet wie die zu diesem Thema.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, meine Fraktion hat sich insbesondere mit der Verantwortung in DDREinrichtungen auseinandergesetzt, insbesondere im Hinblick auf die Ursachen und die sich daraus ergebenen Schlussfolgerungen. Durch die Anhörung wurde die Auffassung, die viele Wissenschaftler teilen, bestätigt, Missbrauch von Kindern findet immer – egal in welchem politischen System – da statt, wo geschlossene autoritäre Strukturen aufgebaut sind, die sich einer demokratischen Kontrolle entziehen.
Missbrauch ist Ausdruck eines bestimmten Erziehungsbildes, das geprägt ist durch Autorität, körperliche Überlegenheit und Unwissenheit der Opfer, der Ausnutzung des Vertrauens und der Abhängigkeit. Dagegen müssen wir gemeinsam etwas tun.
Was uns am meisten helfen würde – davon bin ich überzeugt – sind starke Kinder, Kinder, die selbstbewusst und offen ihre Probleme artikulieren und sich ihrer Rechte bewusst sind, Kinder, die wissen, dass ihnen Unrecht geschieht, dass sie darüber auch reden. Deshalb brauchen wir die Veränderung bei der Ausbildung und beim Studium in den entsprechenden Berufen.
In Bezug auf die Unterstützung der Opfer aus der DDR unterstützen wir die Beratung durch die Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR und ebenfalls die Initiative auf Bundesebene, auch diese Opfer zu entschädigen.
Ich hatte zu Beginn gesagt, dass wir auf Kompromisse eingegangen sind. Darauf möchte ich an dieser Stelle näher eingehen:
Die Maßnahmen, die wir heute in dem interfraktionellen Antrag ansprechen, beziehen sich hauptsächlich auf die Situation, wenn der Missbrauch stattgefunden hat. Wir fordern, dass die Therapieangebote in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Wir setzen uns dafür ein, dass das Modellprojekt weitergeführt wird, dass sichergestellt wird, dass die Arbeit in diesen Projekten auch auf Dauer weitergeführt wird. Aber unsere Arbeit muss viel früher beginnen und wir setzen auf Prävention.
Selbstverständlich, und auch das habe ich in diesem Haus nicht nur einmal gesagt, dürfen wir nicht den Eindruck vermitteln, dass wir einen hundertprozentigen Schutz durchsetzen können. Aber wir müssen alles Erdenkliche tun, damit es gar nicht erst zu einem Missbrauchsfall kommt. Deshalb hätten wir uns gewünscht, dass wir uns auch dafür aussprechen, dass die Landkreise und Kommunen besser mit personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet werden, denn dort kann vor Ort eine Kontrolle bei ersten Anzeichen stattfinden. Ich denke, dass so auch Missbrauchsfälle verhindert werden können.
Darüber hinaus brauchen wir eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zum Thema „Missbrauch von Kindern und Jugendlichen“. Es ist gut, dass dieses Thema nach Jahren öffentlich in die gesellschaftliche Debatte gebracht wurde. Es ist eben kein Tabuthema mehr. Allerdings gibt es da Unterschiede. Einig sind sich alle in Bezug auf Vorkommnisse in öffentlichen Einrichtungen. Aber, wie wir in der Anhörung auch vernehmen konnten, sexueller Missbrauch findet zu 80 Prozent in der Familie und im sozialen Umfeld statt.
Und ich glaube, da gibt es immer noch – auch in Bezug auf die Öffentlichkeit – Probleme.
In Bezug auf Prävention möchte ich mich nur noch kurz auf das Projekt „Kein Täter werden“ beziehen, welches Mediziner nach Mecklenburg-Vorpommern holen wollen. Frau Sozialministerin hat darauf verwiesen, ja, Opferschutz beginnt auch mit Täterschutz. In diesem Projekt geht es darum, Männern, die auf Kinder gerichtete sexuelle Phantasien haben, aber keine Übergriffe begehen wollen, therapeutische Unterstützung zu bieten. Geben wir denjenigen, die diesen Gefühlen hinterherlaufen, auch die Chance, sich öffentlich zu äußern beziehungsweise ihnen Hilfe und Unterstützung zu geben. Ziel ist es dabei, sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen sowie Kinderpornografie zu verhindern. Aber es
bleibt uns ja auch noch in der nächsten Legislaturperiode Zeit, vielleicht uns dieses Projekt genau anzusehen und die entsprechenden Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.
Was wir uns ebenfalls gewünscht hätten, wäre eine Prüfung gewesen, ob man mit dem Bürgerbeauftragten einen Kinderschutzbeauftragten ansiedelt. So würden wir diesem Thema gerecht werden. Es gäbe dann eine Stelle, die sich immerzu mit der Situation der Kinder beschäftigen würde und so frühzeitig auf Problemlagen hinweisen könnte. Ich will auch sagen, auch in meiner Fraktion ist dieser Ansatz umstritten. Aber wir sollten in der nächsten Wahlperiode darüber gemeinsam noch einmal reden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben in der Anhörung gehört, dass es noch weitere Probleme gibt, so zum Beispiel auch, dass drei Ministerien bei diesem Thema zuständig sind. Aber zum Zwecke einer besseren Koordinierung müssten wir schon über die Bündelung nachdenken. Über diese Problematik sollte bei der nächsten Regierungsbildung ernsthaft nachgedacht werden.
Eine weitere Bemerkung zu unserem gemeinsamen Antrag: Wir haben als Punkt aufgenommen, dass alle Beratungsstellen, die für Opfer sexualisierter Gewalt tätig werden, für diese Arbeit angemessen ausgestattet werden. Nun weiß ich als Juristin, und Herr Dr. Jäger weiß es auch, der Begriff „angemessen“ ist ein sehr dehnbarer Begriff. Deshalb möchte ich meine Hoffnung zum Ausdruck bringen, dass wir über die Parteien hinweg uns bei der Haushaltsaufstellung 2012/2013 für eine tatsächliche Mehrausstattung bei den Beratungsstellen einsetzen und es nicht nur bei dieser Passage im vorliegenden Antrag bleibt.
Lassen Sie mich nun noch ein Wort zum Thema „Datenweitergabe bei Verdacht auf Kindesmissbrauch“ sagen. Das war ein Punkt für uns, wo wir sehr lange überlegt haben, ob wir diesen so mittragen, denn unserer Ansicht nach gibt es bereits jetzt genügend gesetzliche Grundlagen. Aber die Anhörung hat uns gezeigt, dass es da auch noch viele Grauzonen gibt. Der Deutsche Kinderschutzbund und die Deutsche Kinderhilfe haben, glaube ich, in der Anhörung deutlich darauf hingewiesen. Wenn es uns gelingt, durch eine Veränderung der Gesetzgebung die Angst derjenigen, die die Daten offenlegen, wegzunehmen, dass dies nicht strafrechtlich verfolgt werden kann, dann, glaube ich, haben wir einiges gekonnt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir noch ein paar Worte, das fällt mir jetzt ein bisschen schwer, zum Agieren der NPD, auch wenn sie jetzt nicht hier drin sind. Ich glaube, wir haben alle die Verpflichtung, dass wir draußen den Bürgerinnen und Bürgern sagen, das, was die NPD zu diesem Thema hier im Landtag und auch außerparlamentarisch vertritt, ist menschenverachtend und zeigt ihre Sichtweise auf Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wollen die Opfer politisch für ihre Zwecke missbrauchen und das sollten wir draußen auch immer wieder sagen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, ich verbinde mit der heutigen Beschlussfassung die Hoffnung, dass wir uns gemeinsam und kontinuierlich der Problematik auch in Zukunft annehmen werden. Helfen wir den Kindern, den Opfern
von Missbrauch, auch denjenigen, die den Mut noch nicht gefunden haben, ihr Schicksal öffentlich zu machen. Sie brauchen unsere Hilfe, unsere Unterstützung und Solidarität und es ist unsere politische Verantwortung. Wir sollten diese gemeinsam wahrnehmen. Ich denke, dieser Beschluss, das sollte sich der nächste Landtag ins Hausaufgabenheft schreiben, ist der erste Anfang und wir sollten weiterarbeiten, und zwar auf der gemeinsamen Grundlage.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei Herrn Dr. Jäger recht herzlich bedanken. Wir haben uns sehr oft gestritten, aber in diesem Punkt und bei diesem Antrag, glaube ich, waren wir uns sehr schnell einig.
Vielen Dank noch mal. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bürgerbeauftragte des Landes Mecklenburg-Vorpommern hat dem Landtag seinen 16. Bericht am 30. März 2011 zugeleitet. Ich freue mich sehr, dass es gelungen ist, diesen Bericht in nur drei Monaten in den zuständigen Fachausschüssen und im federführenden Petitionsausschuss zu beraten und dem Landtag noch in dieser Wahlperiode die Beschlussempfehlung und den Bericht vorzulegen.
Schwerpunktmäßig diskutiert worden ist die Problematik, dass aufgrund eines Kostenspaltungsbeschlusses Beitragsbescheide erst viele Jahre nach Fertigstellung einer Baumaßnahme wirksam werden können. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger vor Beginn einer Baumaßnahme auf ihre Beitragspflicht aufmerksam gemacht werden, damit sie nicht Jahre später von Beitragsbescheiden überrascht werden, die sie nicht mehr mit einer Baumaßnahme in Verbindung bringen.
Zweitens ist im Bereich Landwirtschaft und Umwelt insbesondere die grundstücksbezogene Abfallentsorgung diskutiert worden. Auch dieses Problem muss auf kommunaler Ebene gelöst werden.
Einen dritten Schwerpunkt stellten die Petitionen zum Arbeitslosengeld II dar. Hier hat der Bürgerbeauftragte
entsprechend seiner Aufgabe aus Paragraf 6 des Petitions- und Bürgerbeauftragtengesetzes die Bürgerinnen und Bürger sowohl in den Gesprächen vor Ort als auch im schriftlichen Verfahren beraten und unterstützt.
Der Petitionsausschuss empfiehlt vor dem Hintergrund der Ausführungen des Bürgerbeauftragten und der Beratungen in den Fachausschüssen einstimmig, die Unterrichtung durch den Bürgerbeauftragten verfahrensmäßig für erledigt zu erklären. Ich bitte Sie, dieser Beschlussempfehlung Ihre Zustimmung zu geben.
Da dies die letzte Beschlussempfehlung ist, die der Petitionsausschuss in dieser Wahlperiode vorlegt, gestatten Sie mir abschließend noch ein paar Bemerkungen:
Ich meine, auch der vorliegende Bericht des Bürgerbeauftragten hat gezeigt, dass sich das Nebeneinander von Petitionsausschuss und Bürgerbeauftragtem bewährt hat. Der Bürgerbeauftragte hat neben seinen anderen Zugangsvoraussetzungen für die Bürger auch eine andere Arbeitsweise als der Petitionsausschuss. Der mündige Bürger kann also selbst entscheiden, wen er mit seinem Anliegen befassen möchte. Die Tatsache, dass die Schwerpunkte in Bezug auf die behandelten Themen durchaus unterschiedlich sind, lässt den Schluss zu, dass von diesem Recht durchaus selbstbewusst Gebrauch gemacht wird.
Mit einer in dieser Wahlperiode verbesserten Zusammenarbeit zwischen Petitionsausschuss und Bürgerbeauftragtem konnte Doppelarbeit weitgehend vermieden werden. Gänzlich ausschließen kann man eine solche natürlich nicht, da die Bürger das Recht haben, sich an beide Stellen gleichzeitig zu wenden.
Ich möchte Sie bitten, der Beschlussempfehlung zuzustimmen, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedauere sehr, dass aus Sicht der demokratischen Fraktionen zum jetzigen Tagesordnungspunkt kein Redebedarf angemeldet wurde.
Nun kann man zur Institution des Bürgerbeauftragten stehen, wie man will,
eine Würdigung seiner Arbeit und die seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre aus meiner Sicht dringend geboten.
Immerhin handelt es sich bei diesem Bericht um Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, die um Hilfe und Unterstützung gebeten haben.
Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion an dieser Stelle recht herzlich bedanken. Die Unterrichtung des Bürgerbeauftragten verdeutlicht beispielhaft, was den Bürgerinnen und Bürgern auf den Nägeln brennt. Sie verdeutlicht auch, dass der Bürgerbeauftragte des Landes – eben anders als der Petitionsausschuss des Landtages – in Einzelfällen viel schneller Hilfe und Unterstützung geben kann. Darauf sollten wir als Landtag Mecklenburg-Vorpommern auf keinen Fall verzichten, denn in Einzelfällen ist eben dringend schnelle Hilfe und Unterstützung angezeigt. Und hier steht nicht die parteipolitische Brille im Vordergrund.
Hervorgehoben wurde, dass der Schwerpunkt der Eingaben des Jahres 2010 den Regelkreis des SGB II betrifft. Das hat sich auch gegenüber dem Jahr 2009 nicht geändert. Wir alle wissen, dass seit dem vergangenen Jahr eine Mitarbeiterin ausschließlich diese Eingaben bearbeitet. Zielstellung der Einrichtung dieser Stelle war es, die Widersprüche beziehungsweise Klagen vor den Sozialgerichten zurückzudrängen. Ob dieses Ziel erreicht wurde, kann man dem Bericht nicht entnehmen, wird sicherlich auch schwerfallen. Der Antwort auf unsere Kleine Anfrage, die wir diesbezüglich jährlich stellen, ist zu entnehmen, dass die Sozialgerichte nach wie vor überlastet sind.
Und auch das will ich an dieser Stelle sagen: Es ist mir eigentlich auch egal. Für uns steht im Vordergrund, dass den Betroffenen geholfen werden konnte. Der Anteil der Petitionen im SGB II liegt bei über einem Viertel aller Eingaben. Beachtlich ist dabei die Feststellung des Bürgerbeauftragten, dass viele Bürgerinnen und Bürger erst durch die Unterstützung des Bürgerbeauftragten die ihnen gesetzlich zustehenden dringend benötigten Leistungen erhielten. Das sollte uns doch zu denken geben. Wie viele Betroffene gehen erst gar nicht zu der Institution und fordern ihre Rechte ein? Wie hoch ist also hier die Dunkelziffer?
Meine Damen und Herren, steht ein Wohnungsumzug ins Haus, muss an vieles gedacht werden. Will jemand mit ALG-II-Bezug einen Wohnungswechsel vornehmen, sind die Hürden schier unüberwindbar. Da ist zunächst eine neue Wohnung zu finden, die den KdU-Richtlinien entspricht, und gegenüber dem Vermieter ist eine Erklärung beizubringen, dass die Mietkaution übernommen wird – wohlgemerkt als Darlehen, nicht als Schenkung. Der Bericht schildert den Ablauf, ich zitiere: „Um eine solche Erklärung zu erhalten beantragte die Petentin bei der ARGE am bisherigen Wohnsitz eine Zusicherung der Übernahme der Kosten für die neue Wohnung, weil dies Voraussetzung für die Übernahme der Mietkaution durch die ARGE am neuen Wohnort ist. Die Petentin legte dabei eine Bescheinigung der ARGE des neuen Wohnsitzes vor, nach der die Miete der neuen Wohnung angemessen ist.“ Zitatende.
Und als ob es nicht schon schlimm genug sei, als Bittsteller bei den ARGEn vorsprechen zu müssen, wird offenbar nicht einheitlich vorgegangen, denn die bisherige ARGE meinte, wegen der bestehenden Freizügigkeit könne der Petentin ein Umzug ohnehin nicht verwehrt werden. Deshalb sei eine Zustimmung durch die bisherige ARGE entbehrlich. Aber ohne eine solche Zustimmung bewilligte die ARGE am neuen Wohnsitz die Mietkaution nicht – ein Teufelskreis. Deshalb wandte sich die Petentin in ihrer Not an den Bürgerbeauftragten. Traurig, dass erst mit Einlenken des Bürgerbeauftragten innerhalb eines Tages die Zusicherung der ARGE am bishe
rigen Wohnsitz erfolgte. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang: Die Petentin war hochschwanger.
Mit der Problematik des zweiten Beispiels im Zusammenhang mit der Ausbildung befassen wir uns noch am Donnerstag: Weil der Sohn eine Ausbildung in 65 Kilometer Entfernung zum Wohnort aufnimmt, gehört er fortan nicht mehr zur Bedarfsgemeinschaft der Eltern, so die Meinung der ARGE. Die ARGE ging unbeirrt davon aus, dass dem Sohn nun Berufsausbildungsbeihilfe zustünde. Übersehen wurde dabei, dass Ausbildungsbeihilfe nur derjenige erhält, der nicht im elterlichen Wohnhaus lebt. Und obwohl der Sohn weiter zu Hause wohnt, bestand die ARGE auf Vorlage des ablehnenden Bescheides der BAB-Stelle bei der Agentur für Arbeit. Unglaublich, dass erst nach Intervenieren des Bürgerbeauftragten die ARGE ihr Unrecht zugab und der Sohn wieder der Bedarfsgemeinschaft angehörte.
Da anzunehmen ist, dass diese Fallkonstellation nicht außergewöhnlich ist, sondern eher den Normalfall darstellt, hätte man mehr Sachverstand erwarten dürfen. Dieser Fall bestätigt mir, dass ein Ausbildungszuschuss des Landes dazu beitragen könnte, der Willkür von Behörden zu entfliehen.
Abschließend noch ein Wort zum Bildungsgutschein und seinen positiven Folgen: Nachdem ein Bürger vergeblich einen Bildungsgutschein beantragte, schaffte dies der Bürgerbeauftragte innerhalb von zehn Tagen. Der Petent hat mittlerweile den Lehrgang abgeschlossen und wieder eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufgenommen. Für mich stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien entschieden wird, ob jemand einen Gutschein erhält oder nicht. Vor dem Hintergrund, dass ein Lehrgang zum Erwerb der Grundqualifikation im Güterverkehr ausreichte, um eine Anstellung als Berufskraftfahrer zu bekommen, ist die Verweigerung der ARGE nicht nachvollziehbar.
Alle beschriebenen Fälle zeigen deutlich: Hilfe und Unterstützung ist nach wie vor nötig. Sie zeigen deutlich, dass der Gesetzgeber eben nicht klar festgeschrieben hat, wer welche Leistungen erhält. Und deshalb, glaube ich, ist es notwendig, gemeinsam dafür Sorge zu tragen, der Verantwortung in den unterschiedlichen Verwaltungen ernsthafter gerecht zu werden. Dazu sollten wir unseren Beitrag leisten.
Ich danke dem Bürgerbeauftragten für den Bericht und für die Arbeit. Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Uns liegt heute die Beschlussempfehlung des Europa- und Rechtsausschusses zu dem Antrag meiner Fraktion – Ja zur Stärkung des Datenschutzes auf europäischer Ebene – vor.
Zunächst muss ich mein Bedauern darüber äußern, dass wir es im federführenden Ausschuss nicht zu einer gemeinsamen Beschlussempfehlung im Sinne unseres Antrages geschafft haben,
und das, obwohl wir Ihnen die Hand gereicht haben und einen Änderungsantrag
im Europa- und Rechtsausschuss vorgelegt haben.
Nach der Anhörung mit dem Datenschutzbeauftragten Herrn Dankert und der schriftlichen Stellungnahme von Peter Schaar, dem Bundesdatenschutzbeauftragten, die beide unseren Antrag begrüßten, haben wir die kritische Haltung der CDU bemerkt und wollten Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, entgegenkommen. Aber selbst unser Änderungsantrag konnte Sie anscheinend nicht überzeugen.
Dann schauen wir doch einmal, was die Gründe für die Ablehnung unseres Antrages waren. Einer Ihrer Gründe war, dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE hinter dem Konsultationspapier des Bundesdatenschutzbeauftragten und des Landesdatenschutzbeauftragten zurückbliebe. Dieses Argument kann ich nicht nachvollziehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie hätten, wenn dieses Argument tatsächlich ausschlaggebend gewesen wäre, einen Änderungsantrag zur Qualifizie
rung unseres Antrages stellen können und damit konkret sagen können, an welcher Stelle denn eine weitere Verbesserung erfolgen sollte.
Es kam nichts. Durch Ihr Handeln zeigten Sie uns allerdings, dass Sie nicht daran interessiert waren, etwas Gemeinsames hinzubekommen.
Ihr zweites Gegenargument: Unser Antrag sei nicht erforderlich. Nun ja, das sahen der Bundesdatenschützer Herr Schaar und der Landesdatenschützer Herr Dankert offensichtlich anders.
Ich darf hier aus der Beschlussempfehlung zitieren. Zu Herrn Dankert steht, dass er den Antrag der Fraktion DIE LINKE begrüße.
Es steht weiter geschrieben, ich zitiere:
„Er halte eine Beschlussempfehlung, die hierauf einginge, die Corporate Rules für die Unternehmen sowie einen Hinweis auf die gemeinsame Stellungnahme des Bundesbeauftragten und der Landesbeauftragten für den Datenschutz enthalte, für sinnvoll. Der Landtag könne damit unterstützend tätig werden.“ Um diese Unterstützung ging es uns, kein anderes Ziel verfolgte unser Antrag. Und auch Herr Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, begrüßte unseren Antrag und teilte die darin enthaltenen Positionen.
Das waren Ihre Argumente in der ersten Beratung – wie gesagt, wenig überzeugend. Wir haben gesehen, Sie wollten das Thema nicht.
Aber es geht weiter: In der Debatte um unseren Änderungsantrag hielten Sie uns vor, dass Punkt 2 nicht zustimmungsfähig sei, da er den Eindruck erwecke, dass die Position des Landesdatenschutzbeauftragten zur Disposition stehe.
Ja, meine Damen und Herren von der CDU, genau das ist unser Problem. Wenn man sich nämlich die Datenschutzrichtlinie der Europäischen Union genau durchliest, dann ist eben zu befürchten, dass die Kompetenzen der Länder diesbezüglich in naher Zukunft eingestampft werden sollen. Und genau deshalb haben sich sowohl die Datenschutzbeauftragten der Länder als auch der Bundesdatenschutzbeauftragte dazu positioniert. Da ist es doch nur folgerichtig, dass sich ebenfalls der Landtag positioniert und dem Datenschutzbeauftragten den Rücken stärkt, denn die Beibehaltung der gesetzgeberischen Kompetenz des Landes für den Datenschutz bedeutet auch die Stärkung der Stellung des Landesdatenschützers.
Nun gut, Sie haben das nicht so gesehen und letztlich kamen Sie uns dann mit dem Argument, dass das Konsultationsverfahren am 15. Januar 2011 abgelaufen sei.
Das ist nun wirklich mehr als eine Ausrede,
denn genau darauf habe ich in meiner Einbringungsrede hingewiesen.
Wir hätten uns gewünscht, dass wir im Europa- und Rechtsausschuss – das habe ich in der Einbringungsrede gesagt – eine Stellungnahme innerhalb einer Frist hinbekommen hätten.
Dass wir das nicht taten, lässt nur drei Schlussfolgerungen zu: Entweder war das Thema nicht wichtig genug, was ich mir nicht vorstellen kann, gerade wenn ich mir die Stellungnahme des Bundesdatenschutzbeauftragten anschaue. Oder aber wir müssen uns tatsächlich Gedanken machen über die Europafähigkeit des Landtages. Die Fristen der Europäischen Union sind nun einmal so kurz und passen nicht immer zu den Terminen des Landtages.
Und der Europa- und Rechtsausschuss hätte sehr wohl eine Stellungnahme innerhalb der Frist abgeben können,
das haben wir zu anderen Punkten auch schon gemacht.
Darüber müssen wir uns in der neuen Legislaturperiode noch einmal Gedanken machen.
Uns jetzt aber vorzuwerfen, dass sich der Antrag damit erledigt habe, kann ich nicht nachvollziehen.
Eine Position, ja ein Bekenntnis des Landtages zum Datenschutz und zu unserem Landesdatenschutzbeauftragten kann man immer gegenüber der EU deutlich machen, auch nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens, gerade bei der Wichtigkeit des Themas. Der Ausschussvorsitzende hat ja bereits darauf hingewiesen. In unserer letzten Ausschusssitzung, wo es um die Europafähigkeit auf europäischer Ebene in Richtung Energiewende in Ludwiglust ging, wurde uns das noch mal verdeutlicht. Selbstverständlich müssen wir uns frühzeitig in bestimmte Themen der Europäischen Union einmischen und darauf hinweisen, welche Probleme wir in Mecklenburg-Vorpommern haben. Auch das zeigten uns ebenfalls die Stellungnahmen der Fachleute.
Es wäre wichtig gewesen, auch als Landtag deutlich zu machen, dass wir die Notwendigkeit der Harmonisierung von Datenschutzregelungen sehen. Aber wir hätten auch deutlich machen können, dass die Harmonisierung nicht zu einer Abschwächung des Datenschutzniveaus in Deutschland führen dürfe. Ja, wir haben in Deutschland ein hohes Datenschutzniveau, das muss gehalten und gestärkt werden. Und diese Notwendigkeit sehen wir doch alle fraktionsübergreifend in Deutschland.
Ich muss mir nur anschauen, womit sich der Bundesrat befasste. Im Juli 2011 befasste sich der Bundesrat mit einem Gesetzentwurf zur Änderung des Telemediengesetzes. Die Länder wollen mehr Datenschutz im Internet. In diesen und in anderen Bereichen besteht noch Hand
lungsbedarf beim Datenschutz und eben das hätten wir auch gegenüber der EU darstellen können.
Wenn es auch nicht für Landtage üblich ist – wie Herr Dankert feststellte –, so hätten wir als Landtag Mecklenburg-Vorpommern in dieser Frage eine Vorreiterrolle einnehmen können. Diese Chance haben Sie leider verspielt. Ich kann nur sagen, schade.
Und der dritte Grund wäre: Der Antrag kam von den LINKEN, deshalb muss er abgelehnt werden. Das, meine Damen und Herren der Koalition, ist wohl der entscheidende Grund, wenn ich mir Ihre Argumente ansehe.
Meine Fraktion wird der Beschlussempfehlung nicht zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das, was wir seit fünf Jahren hier erleben von der Fraktion der NPD in Bezug auf europäische Politik, ist aus meiner Sicht, aus Sicht der Fraktion unerträglich.
Sie erkennen überhaupt nicht an, dass gerade Deutschland, die Bundesrepublik Deutschland
sehr wohl Vorteile hat als Mitgliedsland in der Europäischen Union.
Schreien Sie doch nicht so! Schreien Sie doch nicht so!
Sie gehen immer wieder darauf aus, dass Deutschland vom Prinzip her nur Geberland ist.
Wenn man sich die Statistik ansieht, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit Jahren erarbeitet haben und immer wieder vorlegen, sieht man,
dass Deutschland und insbesondere die Wirtschaft in Deutschland sehr wohl von der Europäischen Union, von den Bestimmungen der Europäischen Union profitiert.
Wir sind uns in diesem Parlament in Bezug auf manche Entscheidung der Europäischen Union nicht immer einig, aber eines wissen wir, dass es ohne Europäische Union in Europa
nicht friedlicher, nicht sozialer, auch nicht in Bezug auf die Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik Deutschland werden kann.
Und nur das erkennen Sie nicht an.
Allein schon Ihre Behauptung, aus der Europäischen Union auszutreten, wäre vom Prinzip her die Lösung für die Bundesrepublik Deutschland
und für die Menschen, ist einfach eine Farce. Sie leben noch im anderen Jahrhundert.
Sie haben überhaupt nicht mitbekommen, dass insbesondere eine Regelung für den Binnenmarkt in der Europäischen Union sehr wohl notwendig ist,
dass die Bestimmungen sehr wohl notwendig sind
und dass wir in der Bundesrepublik Deutschland hier diese Unterstützung auch brauchen. Sie erzählen permanent und gestern gab es ja …
Sie haben versucht, in den letzten Monaten immer darauf hinzuweisen, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit
insbesondere den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern schaden wird. Die Untersuchungen zeigen eindeutig, dass die Bürgerinnen und Bürger, die in der Europäischen Union arbeiten wollen
und über die Arbeitnehmerfreizügigkeit hier die Gelegenheit haben, überhaupt nicht nach Mecklenburg-Vorpommern kommen wollen, daran sind sie überhaupt nicht interessiert. Und im Gegenteil,
ich glaube, es ist wichtig für den weiteren Frieden in Mecklenburg-Vorpommern,
in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa,
dass wir mit den unterschiedlichen Nationen gemeinsam Wege finden, wie wir diesen Frieden auch weiter sichern können.
Und dann will ich Ihnen zum Abschluss zu der Arbeit der Ostseeparlamentarierkonferenz und des Parlamentsforums Südliche Ostsee einiges sagen.
Die tragen dazu bei, dass wir die unterschiedlichen Probleme, die unterschiedlichen Sichtweisen der Länder, die in diesen Parlamenten mitarbeiten, verstehen lernen
und dass wir berücksichtigen, dass eben nicht nur Deutschland seine Interessen durchsetzt, sondern dass auch die Interessen der anderen Länder der Europäischen Union durchgesetzt werden.
Das ist aus meiner Sicht und aus Sicht dieses Parlamentes richtige Politik und das muss man auch machen, denn ohne Gemeinsamkeiten zu finden, werden wir nie die Sicherheit in Europa gewährleisten können.
Und dann werde ich Ihnen noch eins sagen, von wegen prost und mitgesoffen:
Wir haben nach der harten Arbeit, die Ihr Fraktionsvorsitzender mit abfälligen Bemerkungen hier vom Prinzip her vom Tisch weist,
ja, wir haben abends einen Wein getrunken und mancher auch ein Bier. Und Ihr Fraktionsvorsitzender hat kräftig mitgemacht, aber kräftig.
Er hat sich dem nicht entzogen. Im Gegenteil, er hat die Gelegenheit genutzt, mit seinen Leuten ins Gespräch zu kommen.
Er hat sich auf Steuerkosten genauso satt gegessen wie alle anderen, die daran teilgenommen haben.
Er hat sich nicht in irgendeiner Weise entzogen, aber das wollen Sie ja vom Prinzip nicht sehen.
Ich denke, wir haben in den letzten Jahren sehr gute Arbeit geleistet. Wenn Sie das diesbezüglich nicht so sehen, ist das Ihre Sache. Aber das ist Ihre Entscheidung und die Bürgerinnen und Bürger hier in MecklenburgVorpommern und auch in der Bundesrepublik Deutschland werden das, was in Europa geschaffen wird, nicht nur einfach negieren und Sie werden Ihnen auch zukünftig nicht glauben. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bevor ich mit meiner eigentlichen Rede beginnen werde, möchte ich die Gelegenheit für eine, wie ich finde, sehr wichtige Richtigstellung nutzen. Wie Sie dem „Medienspiegel“ entnehmen können, hat die Presse berichtet, dass es in Mecklenburg-Vorpommern nicht möglich sein wird, Petitionen über das Internet einzureichen, da die Koalitionsfraktionen in der gestrigen Landtagssitzung die Einführung der Onlinepetitionen abgelehnt hätten. Diese Aussage der Presse ist jedoch falsch.
Die Onlinepetitionen, mithin die Möglichkeit, Petitionen via Internet einzureichen, wurde durch den Landtag bereits im letzten Jahr geschaffen. Hieran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Gestern wurde mit der Ablehnung des Gesetzentwurfes meiner Fraktion lediglich die zusätzliche Einführung der öffentlichen Petition, wie sie etwa der Deutsche Bundestag anbietet, abgelehnt.
Meine Damen und Herren, ich freue mich, Ihnen jetzt die 18. und damit letzte Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses der 5. Wahlperiode vorstellen zu können, mit der Petitionsverfahren endgültig abgeschlossen werden sollen. Wie Sie gesehen haben, liegt auf Drucksache 5/4463 ein Änderungsantrag einiger Mitglieder des Petitionsausschusses vor, mit dem über Beschlussempfehlung und Bericht hinausgehende Petitionen, die im Petitionsausschuss nach Ablauf der Abgabefrist beraten und abgeschlossen worden sind, nunmehr auch durch den Landtag abschließend beraten werden sollen.
Ich bitte Sie schon an dieser Stelle um Zustimmung zu beiden Vorlagen. Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung einschließlich des Änderungsantrages sollen 254 Petitionen einem Sachbeschluss zugeführt werden. Dreiviertel der Beschlüsse zum Abschluss der Petitionen wurden einstimmig gefasst.
109 dieser Petitionen befassen sich mit der bekannten Problematik der Abwasserentsorgung in Kleingärten. Hier hat sich der Petitionsausschuss mehrheitlich eindeutig positioniert und stellt fest, dass die gesetzlichen Vorgaben für eine den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Abwasserentsorgung insbesondere nach dem Wasserhaushaltsgesetz des Bundes sowie dem Landeswassergesetz beachtet werden müssen. Insofern kommt eine Befreiung der Kleingärten von der grundsätzlichen Pflicht einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung nicht in Betracht. Aber gerade zu dieser Thematik liegen dem Petitionsausschuss weitere Eingaben vor, sodass die Diskussion der vorgetragenen Probleme auch im Petitionsausschuss noch nicht abgeschlossen ist.
Etwas näher eingehen möchte ich an dieser Stelle auf zwei Petitionen aus dem sozialen Bereich. In einer Zuschrift beklagten Mitbürger, dass sowohl die Stadt als auch die Deutsche Bahn nur ungenügend an der Errichtung des Blindenwegeleitsystems am Bahnhof arbeiten und die behindertengerechte Toilette auf dem Bahnhofsvorplatz nicht mehr zumutbar ist. Zur barrierefreien Toilettenanlage hatte die Stadt mitgeteilt, sie sei nicht bereit, den Betreibervertrag zu verlängern, weil sie sich nicht in der Lage sehe, das jährliche Betriebskostendefizit von 16.000 Euro auszugleichen. Ein WC stehe aber im Bahnhofsgebäude zu dessen Öffnungszeiten zur Verfügung.
In einer ersten Beratung beschloss der Petitionsausschuss, eine Ortsbesichtigung durchzuführen. Während dieser Ortsbesichtigung ist in Bezug auf das Blindenwegeleitsystem eine Lösung gefunden worden, die für die Petenten akzeptabel ist. Die WC-Anlage wird in Zusammenarbeit zwischen Land und der DB Bahn fachmännisch umgebaut. An dieser Stelle noch einmal Dank an die Deutsche Bahn für die konstruktive Zusammenarbeit. Das Ergebnis zeigt auch, dass es uns gelingen kann, in Gesprächen vor Ort mit den Petenten und den zuständigen Verwaltungen eine Lösung zu finden.
In einer anderen Petition beklagte die Petentin, ihrer gehörlosen Tochter sei im Landesförderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Hören nicht die Deutsche Gebärdensprache beigebracht worden. Das Bildungsministerium informierte in dieser Angelegenheit, in der Schule in Güstrow werde die lautsprachbegleitende Gebärde vermittelt. Damit solle den Kindern und Jugendlichen die
Möglichkeit eröffnet werden, mit möglichst vielen Menschen kommunizieren zu können. Die Deutsche Gebärdensprache aber werde nur von wenigen beherrscht. Die Mutter hingegen argumentierte, die lautsprachbegleitende Gebärde sei für ihre Tochter nicht ausreichend gewesen, um gerade in der Zeit der Pubertät die komplizierten emotionalen Veränderungen hinreichend zu kommunizieren, sodass die Tochter psychische Probleme bekommen habe.
Diese Angelegenheit ist im Petitionsausschuss mit den verschiedenen Sachverständigen kontrovers diskutiert worden. Am Ende beschloss der Petitionsausschuss mehrheitlich, dass die Eltern gehörloser Kinder künftig noch umfassender sonderpädagogisch beraten werden und entsprechende Empfehlungen erhalten müssen, um die für die Ausbildung ihrer Kinder erforderlichen Anträge stellen zu können, egal, welche der Konzepte sie favorisieren.
In beiden Fällen haben wir im Verlauf des Petitionsverfahrens zwar nicht genau das erreicht, was sich die Petenten vorgestellt haben, aber wir haben ein Ergebnis erzielt, das den betroffenen Menschen zukünftig das Leben ein wenig einfacher gestalten wird. Einzelfälle, werden Sie vielleicht denken. In meinem Ausschuss werden Gesetze beraten, die für alle Menschen in Mecklenburg-Vorpommern bindend sind.
Ja, das ist sicher richtig. Im Petitionsausschuss werden Einzelfälle beraten. Übrigens sind es bis heute 4.684 Einzelfälle, die wir in der 5. Wahlperiode beraten haben. Wir wissen als Erste, welche Auswirkungen gesetzliche Entscheidungen auf die Menschen haben. Ich denke da an die Einführung des Touristenfischereischeines oder die Anbindung der Befreiung von der GEZ an das Vorliegen bestimmter Sozialbescheide.
Wir merken am Eingang von Petitionen, wenn Verwaltungspraxis geändert wird, etwa über die Ausgabe von Beratungshilfescheinen. Oder wir erfahren, wenn sich Verwaltungen von den Bürgern entfernen, Beitragsbescheide zum Beispiel kurz vor Weihnachten verschicken. Hier hilft es häufig schon, wenn sich der Petitionsausschuss einschaltet und die Verwaltung zwingt, in der Hektik des Alltages innezuhalten und das eigene Verhalten kritisch zu reflektieren. Insofern werden die Mitglieder des Petitionsausschusses zu Fachleuten auf allen Gebieten der öffentlichen Verwaltung und sie sind mit ihrer Arbeit das Aushängeschild des Landtages.
Gestatten Sie mir, an dieser Stelle den fleißigen und engagierten Mitgliedern des Petitionsausschusses zu danken. Um nur ein paar Zahlen zu nennen: Wir haben in 122 Sitzungen, die zumeist über mehrere Stunden gingen, 4.318 Petitionen abschließend beraten und dem Landtag zur Beschlussfassung vorgelegt. Wir haben 36 Ortsbesichtigungen, 338 Beratungen mit Regierungsvertretern und 630 Beratungen ohne Regierungsvertreter durchgeführt. Ich denke, diese wenigen Zahlen zeigen die große Bedeutung des Petitionsausschusses.
Ich für mich kann nur sagen: Es war eine spannende Zeit. Ich habe viel gelernt und ich wünsche dem neuen Landtag, dass alle demokratischen Fraktionen ihre engagiertesten Abgeordneten in den Petitionsausschuss entsenden.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ausschusssekretari
ates recht herzlich bedanken. Ohne Ihre fleißige Arbeit hätten wir dieses Arbeitspensum nicht schaffen können. Bedanken möchte ich mich auch bei der Präsidentin des Landtages.
In dieser Wahlperiode haben wir Herrn Albrecht, Volljurist, als Verstärkung bekommen. Durch diese Verstärkung war es uns möglich, die Qualität unserer Arbeit deutlich zu verbessern. Unsere Mitarbeiter im Sekretariat sind es, an die sich die Petenten im Zusammenhang mit der Bearbeitung und dem Abschluss ihrer Petition wenden, auch wenn sie nicht damit einverstanden sind. Sie kriegen den Frust, Frau Peters weiß es, auch manchmal wir als Abgeordnete, aber in erster Linie erst mal die Mitarbeiter im Petitionsausschusssekretariat, sie kriegen den Frust zuerst ab. Aber ihre geduldige Entgegennahme der Gespräche, die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Auffassungen, zum Beispiel beim Abschluss einer Petition, ist dabei nicht zu unterschätzen. Insbesondere Herr Albrecht zeigt hier eine Einfühlsamkeit und eine Geduld, die man nur bewundern kann.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich an dieser Stelle nochmals bedanken, bitte um die Zustimmung zu beiden Vorlagen und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Es gibt noch mehr, aber im Petitionsausschuss sind wir nun mal bloß zwei und diesmal bin ich dran, als Abgeordnete und Mitglied des Petitionsausschusses und nicht als …
Ja, mach ich noch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, auf zwei Petitionen besonders aufmerksam zu machen. Auf eine Petition habe ich schon in meinem Bericht verwiesen. Es ging im Kern bei dieser Petition um die Frage, gehörlose Kinder im Landesförder zentrum mit dem Schwerpunkt Hören in Güstrow in der Deutschen Gebärdensprache zu unterrichten. Die Mitglieder des Ausschusses hatten sich dazu verständigt, neben den Regierungsvertretern die Schulleiterin, Vertreter des Gehörlosenverbandes sowie des Elternverbandes hörgeschädigter Kinder zur Beratung einzuladen.
Das war ein Novum im Ausschuss und ich denke, wir haben uns richtig entschieden. Die Vertreterinnen und Vertreter beider Verbände stellten in sehr überzeugender Weise dar, dass in erster Linie die Deutsche Gebärdensprache gelehrt werden sollte und darüber hinaus die lautsprachenbegleitende Gebärde angeboten werden sollte. In Güstrow steht aber die lautsprachenbegleitende Gebärde im Vordergrund. Die Deutsche Gebärdensprache wird gar nicht angeboten beziehungsweise nur in einem sehr geringen Maße, und dies, obwohl der Landtag im Jahr 2000 beschloss, sich im Bundesrat für die Anerkennung der Gebärdensprache einzusetzen, und diese seit mittlerweile zehn Jahren als eigenständige Sprache anerkannt ist.
Das hat unterschiedliche Gründe, dass diese Umsetzung bei uns im Land so nicht erfolgt. Auf der einen Seite gibt es zu wenig Lehrerinnen und Lehrer, die die Deutsche Gebärdensprache beherrschen, beziehungsweise die, die es können, haben die Schule zum größten Teil verlassen. Und die Verantwortlichen in der Schule, auch das, glaube ich, ist ein Grund, und die im zuständigen Ministerium sind von der Priorität der Lehre der Deutschen Gebärdensprache nicht überzeugt. In der Beratung war unübersehbar, dass das Verhältnis zwischen den Verbänden auf der einen Seite und der Schule und dem Ministerium auf der anderen Seite sehr unterkühlt ist. Das bedaure ich sehr.
Aus unserer Sicht sollte diese Petition an die Landesregierung und die Fraktionen überwiesen werden, damit gemeinsam überlegt werden kann, wie man mit diesem Problem weiter umgeht. Leider hat die Koalition es nicht gewollt, diesem Antrag zu folgen. Ungeachtet dessen glaube ich, wir müssen uns der Lösung dieses Problems stellen. Wer sich wirklich für inklusive Bildung ausspricht, muss heute beginnen, die Voraussetzungen zu schaffen. Inklusive Bildung muss auch in Güstrow möglich sein. Und dazu gehört die Schaffung von bestimmten Voraussetzungen. Ich denke, dass man ernsthaft darüber nachdenken muss, wie es uns gelingen kann, Lehrerinnen und Lehrer, die die Deutsche Gebärdensprache beherrschen, hier nach Mecklenburg-Vorpommern zu bekommen und hier auch an den Schulen dann eine Möglichkeit der Existenz einzurichten.
Eine weitere Petition stellte aus meiner Sicht ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft aus. Ein Vater wollte eine einmalige Beihilfe für die Anschaffung von Kleidern für seine Tochter. Bei seiner ohnehin behinderten Tochter sorgten Medikamente wegen einer hinzugekommenen schweren seelischen Erkrankung für eine starke Gewichtszunahme. Es war schon schockierend zu hören,
dass für das Sozialamt der Zeitraum für die deutliche Gewichtszunahme als zu lang angesehen wurde, also kein Grund bestand, eine einmalige Beihilfe zu gewähren. Wäre durch Brand die Kleidung weg, hätte man geholfen. Auch der eindringliche Appell meiner Kollegin Irene Müller, dass es doch wohl egal sei, ob die Kleidung durch Brand weg sei oder nicht mehr passt, half nicht.
Das zuständige Sozialamt billigte dem Vater lediglich ein Darlehen zu, obwohl ein weitaus höherer Ermessensspielraum durch den Gesetzgeber gedeckt ist. Nun stottert der Vater den Kredit in Höhe von 150 Euro ab, was ihm offensichtlich sehr schwerfällt. Schlimm finde ich, dass dem Vater angekreidet wird, dass er sich nicht auf die Kleiderkammer verweisen ließ.
Ich schätze die Arbeit der Kleiderkammern und der Sozial kaufhäuser hier im Land sehr, besonders das ehrenamtliche Engagement der dort Tätigen. Aber es ist schlimm genug, dass Menschen gezwungen sind, diese Hilfe anzunehmen. Der wahre Grund der Geldnot offenbarte sich aber erst nach Abschluss der Petition. In Briefen machte sich der Petent Luft, weil er nicht verstehen kann, dass der Petitionsausschuss dem Sozialamt bescheinigt, richtig gehandelt zu haben. Er beklagte sich bitter, dass ihm das Kindergeld weggenommen worden sei und er deshalb um Bekleidungsgeld betteln muss. Kommunen gehen angesichts schwieriger Haushaltslagen zunehmend dazu über, auf das Kindergeld von behinderten, im elterlichen Haushalt lebenden volljährigen Kindern zuzugreifen. Das Kindergeld erhalten also nicht mehr die Eltern für die Kinder, sondern die Kommunen zum Bezahlen von bestimmten Leistungen, zum Beispiel auch für die Abzahlung von Darlehen.
Ein aktuelles Urteil macht berechtigte Hoffnung, dass die zunehmend ausgeübte Praxis falsch ist. Eine Mutter wehrte sich dagegen, dass die Kommune das Kindergeld abzweigte, und sie bekam Recht. Meine Fraktion wird sich dafür einsetzen, dass der Einzelfall in dieser Hinsicht noch einmal geprüft wird. Vielleicht können wir dem Petenten auch dann noch weiterhin helfen. Wichtiger wäre aber, dass die Kommune trotz der finanziell angespannten Situation im Interesse der Betroffenen entscheidet und solche Härtefälle auch anerkennt.
Meine Damen und Herren, mit 74 Eingaben zur Abwasserentsorgung in Kleingärten war dieses Thema bestimmend für den Berichtszeitraum. Wir haben uns im Ausschuss mehrfach mit den Petitionen beschäftigt. Frau Peters ist darauf eingegangen. Mehrheitlich, und ich denke, darüber sind wir uns einig, stehen wir dazu: Wer Abwasser produziert, muss Abwasser entsorgen. Aber, und da sind wir gegenteiliger Auffassung, mit dem, was vom Prinzip her mit dem Beschluss des Landtages in der vorletzten Sitzung beschlossen wurde, damit kriegen wir die Kuh nicht vom Eis.
Richtig ist, Frau Peters, Sie haben auf Berlin verwiesen, aber Berlin hat auch kommunale Aufgaben. Da ist die Situation etwas anders. Hier haben wir eine andere Situation. Die unteren Wasserbehörden werden damit beauftragt, die gesetzlichen Bedingungen durchzusetzen,
die sind zuständig, keine Frage. Aber Sie fragen ganz berechtigt, wo ist unser Ermessensspielraum. Und dieser Ermessensspielraum ist aus unserer Sicht,
ist aus unserer Sicht konkret festzulegen. Das, glaube ich, hat auch der Landesverband noch mal deutlich gemacht.
Eben doch.
Das werden wir mitkriegen, mit unseren Entscheidungen,
und die Petitionen sind ja noch nicht abgeschlossen. Das Problem Kleingärtner wird uns auch in den nächsten Wochen noch beschäftigen oder in der nächsten Wahlperiode noch beschäftigen. Wir werden …
Die Wahrheit haben wir ihnen gesagt, keine Angst.
Gestatten Sie mir noch ein paar Bemerkungen
zur Arbeit des Petitionsausschusses und ein paar Richtigstellungen. Gestern hat Frau Peters nicht nur einmal darauf verwiesen, dass wir uns mit unserem Antrag zum Gesetzentwurf sozusagen als Gutmenschen darstellen wollen. Ich denke, dass die Mitglieder des Petitionsausschusses, auch meiner Fraktion, und das zeigen die Abschlüsse der Petitionen, über 80 Prozent der Petitionen einstimmig, zumindest mehrheitlich beschlossen haben,
wenn man mal die Fraktion der NPD ausnimmt.
Es geht bei öffentlichen Ausschusssitzungen nicht darum, und das haben wir nie praktiziert, dass die unterschiedlichen Meinungen der einzelnen Fraktionen dargestellt werden, sondern es geht darum, dass die Petenten und die Verwaltungen die unterschiedlichen Positionen darstellen können, und zwar auf gleicher Augenhöhe. Und darum geht es, dass sie im Grunde genommen dann auch gemeinsam darüber nachdenken können, warum die eine Seite so und die andere Seite so denkt. Wir haben, glaube ich, das wird auch Frau Schlupp bestätigen, in vielen Ortsbesichtigungen gerade auf dieser Basis mit den einzelnen Petenten, mit der Verwaltung nicht nur einige Probleme lösen können. Deshalb meinen wir, dass die Frage der Öffentlichkeit höhergestellt werden sollte. Ich will auch dazu sagen, dass wir schon, und immer dann, wenn sich die Koalitionsfraktionen einig waren, Ortsbesichtigungen durchgeführt haben, und das auch in den entsprechenden Wahlkreisen.
Das ist auch legitim, aber ich denke, dass wir gemeinsam, und die Hoffnung habe ich, dass wir gemeinsam
in der nächsten Legislaturperiode darüber nachdenken können, wie wir das Petitionsverfahren, das Petitionswesen weiter ausbauen können, und zwar im Interesse der Petenten und auch im Interesse der Verwaltungen, denen wir zum größten Teil auch bescheinigen, dass sie eine gute Arbeit geleistet haben. Auch das will ich an dieser Stelle sagen. – Danke schön für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Die Debatte zur vorliegenden Verfassungsänderung war für uns schon sehr erhellend, denn Sie, meine Damen und Herren,
konnten uns nicht ein einziges Mal ein Argument liefern, das diese überhastete Verankerung in unserer Landesverfassung rechtfertigt. Das wundert uns allerdings nicht, denn sowohl die rechtspolitischen Sprecher der demokratischen Fraktionen als auch die finanzpolitischen Sprecher waren sich einig, in dieser Legislaturperiode besteht kein Handlungsbedarf. Also Symbolik, Symbolik, Symbolik.
Aber es geht noch weiter. Einig waren wir uns in der Bewertung, dass die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse in Bezug auf die Einbeziehung der Länder verfassungswidrig sei. Und da ist es schon komisch zu hören, dass jetzt davon gesprochen wird, dass man auf dem Boden des Grundgesetzes steht, andere, die heute nicht zustimmen werden, nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen. Und dann ist auch fraglich, warum hier die Frage des Budgetrechtes aus so einer fragwürdigen Debatte oder mit fragwürdigen Argumenten dargestellt wird. Wir waren uns einig, dass das, was im Grundgesetz verankert ist, die Länder in ihrem Budgetrecht beschneidet. Und das wollten wir gemeinsam nicht zulassen.
Ich kann mich noch sehr gut an die Beratung und die Diskussion erinnern. Wir haben uns der Position des ehemaligen Landtagspräsidenten Schleswig-Holsteins Kayenburg angeschlossen, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse verletze das Bundesstaatsprinzip und das Demokratieprinzip. Sie, Dr. Jäger, haben sogar dafür plädiert, eine eigenständige Verfassungsklage von Abgeordneten zu unterstützen
und diese mitzufinanzieren. Wo bleibt denn nun der Einsatz für die Einhaltung des Grundgesetzes an dieser Stelle und damit für die Einhaltung des Budgetrechtes der Länder?
Das sind nicht zwei verschiedene Schuhe.
Das sind nicht zwei verschiedene Schuhe.
Und wenn Sie noch so doll schreien und wenn Sie noch so doll rumkrähen, es sind nicht zwei verschiedene Schuhe.
Wir waren uns darüber einig, die Verfassungsklage abzuwarten und zu gucken, ob überhaupt das, was in der Verfassung, dem Grundgesetz jetzt verankert ist, vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat.
Wenn es denn Bestand hat, dann sollten wir darüber nachdenken, welche Varianten für die Schuldenbremse für unsere eigenständige Verfassungsregelung gelten.
Sie haben sich gleich entschieden, ohne abzuwarten.
Und das ist aus unserer Sicht ein wirklicher Beweis von vorauseilendem Gehorsam.
Sie geben doch jetzt schon Ihr Budgetrecht auf und sagen: Macht mal, wir gehorchen!
Doch, Sie machen das.
Glaubwürdig, meine Damen und Herren, ist das alles nicht.
Neben den verfassungsrechtlichen Bedenken, die man nicht verschweigen kann, und neben den kommunalpolitischen Bedenken sind es auch die finanzrechtlichen Bedenken, die uns als LINKE davon abhalten, der Schuldenbremse in der derzeitigen Form zuzustimmen. Ich betone, in der derzeitigen Form! Das betone ich ausdrücklich, weil Sie heute auch hier in dieser Debatte versucht haben, den Eindruck zu vermitteln, dass sich DIE LINKE deshalb einer Zustimmung verweigert, weil wir uns gegen eine solide, verlässliche Finanzpolitik wenden.
Mal ganz nebenbei: Die uns vorliegende Schuldenbremse ist nicht automatisch ein Garant für eine solide und verlässliche Finanzpolitik. Es kommt auf die Politik an, auf uns. Das wurde uns auch im Rechts- und Euro
paausschuss in der Anhörung bestätigt. Ich möchte an dieser Stelle einmal die Stellungnahme von Professor Dr. Korioth zitieren. Da heißt es: „Es kommt in erster Linie nicht auf die Konstruktion einer verfassungsrechtlichen Schuldenbremse an, sondern darauf, die Bremse entschlossen zu betätigen. Jede Schuldenbremse, so gut... sie letztlich ist, ist ohne Bremser wertlos. Insoweit muss skeptisch beurteilt werden, ob die sprachlich, systematisch und inhaltlich überwiegend fragwürdigen... Regelungen des Grundgesetzes... geeignet sein können, zukünftig die Neuverschuldung wirksam zu begrenzen.“ Zitatende.
An dieser Stelle sei noch einmal ein Blick in die Vergangenheit gestattet. Wir haben uns in der Vergangenheit auch ohne die zu beschließende Schuldenbremse als Bremser betätigt. Wir stehen für eine stabile und ausgeglichene Politik, auch ohne Schuldenbremse.
In Zeiten unserer Regierungsbeteiligung haben wir durch schwierige und zum Teil schmerzhafte Konsolidierungen gemeinsam mit der SPD den Haushalt wieder in den Griff bekommen. Und wenn der Fraktionsvorsitzende der CDU hier heute sagt, wir müssen unsere Regierungsfähigkeit beweisen, dann kann ich an der Stelle nur sagen, dann sollte die CDU über Regierungsfähigkeit in Zukunft überhaupt nicht mehr nachdenken.
Denn bis zur 2. Wahlperiode waren Sie es, die in der Regierungsbeteiligung dieses Land in eine Überschuldung getrieben haben, zu der wir heute noch schmerzhafte Einschnitte im Haushalt machen müssen. Das haben Sie vergessen.
Das muss man Ihnen immer wieder und immer wieder, immer wieder und immer wieder sagen.
Die Tatsachen sind doch ganz klar. Gucken Sie sich doch den Haushalt von 1991 bis 1995/1996 an.
Gucken Sie sich das doch an! Die Überschuldung hat drastisch zugenommen, drastisch.
Und das, was wir heute an Sünden zu zahlen haben, haben Sie mit verursacht.
Dann sprechen Sie bitte an dieser Stelle, wenn es darum geht, eine solide Haushaltspolitik zu machen, nicht über Regierungsfähigkeit, die wir angeblich zu beweisen haben. Die haben wir in acht Jahren bewiesen. Wir haben den Haushalt konsolidiert.
Nur durch unsere Haushaltspolitik gemeinsam mit der SPD konnten Sie überhaupt 2006 ohne Schulden den neuen Haushalt aufstellen.
Und heute reden Sie über Haushaltspolitik. Wir haben bis heute den Entwurf für den Doppelhaushalt 2012/2013 noch nicht einmal vorliegen. Da sind Sie uns eine Antwort schuldig, wie Sie sich in Beantwortung dessen, was Sie den Wählerinnen und Wählern draußen erzählen, allein vorstellen, wie Sie das finanzieren wollen. Aber auch das ist eine Frage der Regierungsfähigkeit.
In diesem Sinne möchte ich an dieser Stelle sagen, dass wir auch in den Folgejahren – und das haben wir auch in der Haushaltsdebatte 2010/2011 zum Ausdruck gebracht – die solide Haushaltspolitik des Landes weiterhin fortsetzen wollen. Und dafür haben wir auch die Unterstützung gegeben. Wir haben unsere inhaltlichen Anträge gestellt.
Und wenn heute von der SPD gesagt wird, Bildungspolitik müssen wir fortsetzen, wir müssen da weiter aufholen, dann haben wir immer zu Ihnen gestanden, und zwar auch in der Opposition. Und das werden wir auch in Zukunft tun.
Dieses Umdenken, ich denke, da hat der Professor recht, muss erst einmal bei uns selber eintreten.
Der Professor Korioth. Den haben Sie doch alle gelesen. Sie haben doch die Unterlagen gelesen, deswegen sind Sie doch so überzeugt davon.
Auch in dieser Meinung wurden wir von ihm bekräftigt.
Er schrieb in seiner Stellungnahme: „Jedenfalls sind in den Neuregelungen der Art. 109, 115 Grundgesetz für den Bund (und jetzt auch durch den Artikel 109 Grund- gesetz bundesrechtlich für die Länder) geregelten Vorgaben für die Neuverschuldung mit so weitreichenden Ausnahmemöglichkeiten versehen, dass sie nicht aus sich heraus in der Lage sein werden, die Staatsverschuldung zu bremsen.“ Zitatende. Sie vermitteln aber hier den Eindruck, als wenn nunmehr alleine mit dieser Verfassungsänderung die Staatsverschuldung zu bremsen ist. Von dieser Selbstfesselung …
… der Politik durch die neuen Regelungen, die gleichsam von selbst die Verschuldungskiste führen konnten, kann nicht die Rede sein.
Und ein letztes Wort noch zu den Kommunen, das sei an dieser Stelle gestattet: Ich finde es schon sehr armselig, dass wir wirklich auf der einen Seite sagen, die Kommunen brauchen keine Angst zu haben, aber wir nicht den Mut finden, sie mit in die Verfassungsänderungen einzu
beziehen. Sie lassen sich die Hintertür offen. Sie lassen sich die Hintertür offen …
Sie lassen sich die Hintertür offen für Schattenhaushalte in diesem Land.