Protocol of the Session on June 11, 2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 98. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 36: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Neutralität und Ausgewogenheit von Informationsveranstaltungen der Bundeswehr an Schulen gewährleisten, auf Drucksache 5/3493. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3555 vor.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Neutralität und Ausgewogenheit von Informationsveranstaltungen der Bundeswehr an Schulen gewährleisten – Drucksache 5/3493 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 5/3555 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Peter Ritter für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Die Linke fordert: … Jugendoffiziere in Schulen, Universitäten und Arbeitsagenturen nur mit Vertreterinnen und Vertretern gegenteiliger Auffassungen auftreten lassen.“ Das war ein Zitat aus unserem Bundestagswahlprogramm für die Bundestagswahlen im Jahr 2009. Sie sehen also, dass für meine Partei und für meine Fraktion das Thema Bundeswehr an Schulen kein neues Thema ist und wir nicht einfach auf eine aktuelle Debatte aufgesattelt haben.

(Gino Leonhard, FDP: Ganz sicher nicht.)

Unsere Position ist also seit Längerem klar, anders als die Position des Ministerpräsidenten, der dem einen Verteidigungsminister schreibt, dass er es durchaus toll findet, wenn die Bundeswehr an Schulen ist, und dem anderen Verteidigungsminister schreibt, dass er das dann doch nicht so toll findet.

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Fraktion lässt sich auch nicht über Pressemitteilungen vorschreiben, was sie hier im Parlament zu tun und zu lassen hat.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und dritte Vorbemerkung...

Herr Dr. Nieszery, Sie können von mir aus weiter die beleidigte Leberwurst spielen.

Dritte Vorbemerkung: Meine Fraktion ist für die Zustände in der Koalition nicht verantwortlich.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das schaffen Sie nicht, mich zu beleidigen, Herr Ritter.)

Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn man sich ein Bild über den Zustand der rot-schwarzen Koalition machen will, dann muss man sich nur das Hickhack um die Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr anschauen. Schnell stellt man dann fest, dass die Zusammenarbeit von SPD und CDU geprägt ist von Streit, Beschimpfungen, Misstrauen und Missgunst.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ja.)

Zum wiederholten Male hat die Koalition dem öffentlichen Erscheinungsbild unseres Bundeslandes geschadet.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD : Ach, Herr Ritter!)

Dass der Streit zwischen SPD und CDU nun beigelegt sei, wie zu lesen war, das glauben wohl die Koalitionäre selbst nicht. Bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit wird etwa das Thema Bundeswehr mit Sicherheit wieder für öffentlichen Knatsch in der Koalition sorgen

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wollen wir mal sehen beim nächsten Mal.)

und die Handlungsunfähigkeit von CDU und SPD untermauern. Zu schwer wiegen die gegenseitigen Vorhaltungen, zu oft mussten wir ähnlich peinliche Auseinandersetzungen erleben, zu gering sind die inhaltlichen Schnittmengen und zu groß ist der Wunsch der CDU, doch endlich das Sagen in der Landesregierung zu haben, und zu groß ist die Befürchtung der SPD, ins Hintertreffen zu geraten. Auch deswegen werden wir unseren Antrag nicht – wie der SPD-Fraktionsvorsitzende es gern möchte – zurückziehen.

Aber der Reihe nach, liebe Kolleginnen und Kollegen:

Hintergrund unseres Antrages war und ist auch die bundesweite Diskussion über das zunehmende Engagement der Bundeswehr an den Schulen. Immer mehr Beispiele wurden bekannt, die Zweifel an der Neutralität und Ausgewogenheit von Informationsveranstaltungen der Bundeswehr aufkommen ließen. Die Rede ist von Waffenschauen, von Vorführungen von Schießsimulatoren oder Anwerbeversuchen.

Festzustellen ist auch, dass es wesentlich mehr Veranstaltungen der Bundeswehr in Schulen gibt als etwa durch das Bundesamt für den Zivildienst oder durch Friedensorganisationen, Tendenz zunehmend. Entsprechende Kooperationsvereinbarungen, die die Position und den Einfluss der Bundeswehr in der Regel stärken, wurden bereits in einigen Bundesländern abgeschlossen.

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, um es klar zu sagen: Informationsveranstaltungen der Bundeswehr in Schulen sind verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Die Bundeswehr ist Teil der Bundesrepublik. Zeit- und Berufssoldaten, aber auch Wehrpflichtige leisten ihren Dienst für die Bundesrepublik. Einige sprechen daher auch von Bürgern in Uniform, andere sprechen von der Parlamentsarmee. Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört dieses Thema ins Parlament.

Gerade aber die, die gern und oft von Bürgern in Uniformen sprechen, übersehen jedoch, dass es Grenzen gibt und auch geben muss, und das nicht nur aus verfassungsrechtlichen Gründen. Der staatliche Erziehungsauftrag wird nämlich dann überschritten, wenn die notwendige Toleranz und Neutralität gegenüber den erzieherischen Vorstellungen der Eltern nicht mehr erkennbar ist, so auch das Bundesverfassungsgericht in dieser Frage. Deswegen ist zwingend erforderlich, dass, wenn schon die Bundeswehr meint, in die Schulen gehen zu wollen, Neutralität und Ausgewogenheit stets gewahrt werden müssen.

Um über jeden Verdacht erhaben zu sein, müssen alle Beteiligten ein Interesse daran haben, dass gerade in der Öffentlichkeit bei umstrittenen Themen auf Ausgewogenheit geachtet werden muss. Und das ist genau zunehmend nicht mehr der Fall. Neben einigen Landtagsfraktionen von SPD, Grünen und LINKEN in anderen Bundesländern sowie der Gewerkschaft für Erziehung

und Wissenschaft hat sich auch der Ministerpräsident dieses Landes in die Debatte eingebracht und Verteidigungsminister zu Guttenberg aufgefordert, nicht einseitig für die Kriegseinsätze zu werben.

DIE LINKE hat daher einen Antrag eingebracht, der das berechtigte Anliegen des Ministerpräsidenten aufgreift und unterstützt. Uns geht es dabei eigentlich um Selbstverständlichkeiten – zum einen um die Neutralität und Ausgewogenheit von Informationsveranstaltungen der Bundeswehr an Schulen, zum anderen wollen wir aber wissen, ob die Landesregierung auch eine Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr abschließen möchte und, wenn ja, mit welchem Inhalt.

Nun hat man gehört, man habe sich geeinigt, aber das Parlament kennt diese Vereinbarung nicht, obwohl es eine öffentliche Debatte dazu gegeben hat, obwohl seit mindestens 14 Tagen bekannt ist, dass wir diesen Antrag stellen. Alles das interessiert die Landesregierung offenbar nicht.

Ich frage Sie daher, liebe Kolleginnen und Kollegen: Was spricht dagegen, dass bei einer solchen sensiblen Vereinbarung zuvor im Landtag darüber debattiert wird? Was spricht dagegen, einen möglichst breiten demokratischen Konsens in dieser Frage zu erzielen? Aus meiner Sicht und aus der Sicht meiner Fraktion spricht nichts dagegen. Und ein kluger und vorausschauender Minister jedenfalls würde das auch von sich aus ohne Landtagsbeschluss machen, Herr Tesch, und nicht nach dem Motto „Ik bün all hier“ eine Kooperationsvereinbarung aus der Schublade zaubern. Und ein kluger und vorausschauender Minister würde auch das Kabinett zuvor informieren, damit er nicht im Nachhinein vom Ministerpräsidenten ausgebremst werden muss.

Wie gesagt, eigentlich Selbstverständlichkeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht aber bei SPD und vor allen Dingen bei der CDU. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Harry Glawe hielt seinem Ministerpräsidenten erneut eine polemische und undifferenzierte Debatte zum Afghanistaneinsatz vor. Der Ministerpräsident bezeichnete die Öffnung der Schulen für die Bundeswehr als, ich zitiere nun wörtlich, „unerträglich“. Dem wiederum widersprach der Bildungsminister und zeigte sich irritiert.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Der CDU-Abgeordnete Marc Reinhardt machte einen auf „junger Wilder“ und forderte gar eine Entschuldigung vom Ministerpräsidenten für die nach seiner Auffassung unqualifizierten und völlig überzogenen Äußerungen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende legte dann noch einmal nach und behauptete, dass sich im Gegensatz zur SPD-Fraktion die CDU mit dem Ministerpräsidenten völlig einig sei, und erinnerte an eine Rede vom Herrn Ministerpräsidenten vom 19. Mai dieses Jahres anlässlich der Verleihung des Fahnenbandes des Landes für das Flugabwehrraketengeschwader 2 „Mecklenburg-Vorpommern“ in Bad Sülze.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Peng! Das hatte gesessen und nun ist endlich Ruhe, dachte zumindest der Fraktionsvorsitzende der CDUFraktion. Sein Koalitionskollege – ich betone, die beiden bilden die Spitze – bellte zurück und bezeichnete die Äußerung Harry Glawes als einen plumpen Versuch, einen Keil zwischen Ministerpräsident und SPD zu treiben. Es bleibe dabei, der Vorstoß des Verteidigungsministers – der im Übrigen kürzlich aus Kreisen der Union

sogar als Rumpelstilzchen bezeichnet worden sein sollte –,

(Michael Andrejewski, NPD: Ach wie gut, dass niemand weiß!)

verstärkt Soldaten an Schulen für den Afghanistaneinsatz werben zu lassen, werde weiterhin abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder Ehepartner hätte spätestens jetzt das Handtuch geworfen. Jeder Familienrichter hätte festgestellt, dass die Ehe zerrüttet ist und nicht die Mindesttrenndauer von einem Jahr bis zur Scheidung hätte abgewartet werden müssen.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Michael Andrejewski, NPD)

Der ganze Vorgang, liebe Kolleginnen und Kollegen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Tja. – Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

stellt für meine Fraktion schon die absolute Härte dar.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist eben bei denen so, die auf Sand gebaut haben.)

Wie müssen das erst die Koalitionäre empfinden? Ich befürchte nur, SPD und CDU klammern sich auf Gedeih und Verderb an die Macht.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nein, nein. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer dachte, der Koalitionszoff,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Wozu die Bundeswehr so herhalten muss!)

wer dachte, der Koalitionszoff klingt langsam aus, sah sich erneut getäuscht. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz, Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestages, empfahl dem Ministerpräsidenten gar, ich zitiere, „als norddeutscher Rambo die Terroristen zu besiegen“. Zitatende.

(Michael Andrejewski, NPD: Im Alleingang.)