Protocol of the Session on November 14, 2007

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 28. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufi ge Tagesordnung der 28. und 29. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufi gen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 28. und 29. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Sitzung eintreten, möchte ich ganz herzlich der Präsidentin des Landtages Mecklenburg-Vorpommern Frau Sylvia Bretschneider zu ihrem heutigen Geburtstag gratulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Leider ist sie erkrankt. Deswegen möchte ich ihr gleichzeitig im Namen des ganzen Hauses von dieser Stelle aus gute Besserung wünschen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Michael Andrejewski, NPD: Des ganzen Hauses?)

Nachträglich gratuliere ich der Justizministerin Frau UtaMaria Kuder zum 50. Geburtstag.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Wenn sie später anwesend ist, darf ich ihr auch noch einen Blumenstrauß im Namen des Hauses überreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Dr. Armin Jäger, CDU: Da ist sie. – Michael Roolf, FDP: Wie auf Bestellung. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE – Volker Schlotmann, SPD: Sie hat bloß darauf gewartet. – Gratulationen)

Das nennt man gutes Timing.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da hat sie gleich eine höhere Aufmerksamkeit.)

Meine Damen und Herren, mit Datum vom 31. Oktober 2007 ist Frau Kerstin Fiedler-Wilhelm aufgrund eines Mandatsverzichtes aus dem Landtag Mecklenburg-Vorpommern ausgeschieden. Als Listennachfolgerin der Landesliste der CDU ist Frau Karin Strenz festgestellt worden. Am 5. November 2007 hat Frau Strenz schriftlich die Annahme ihres Mandates erklärt und ist somit seit dem 5. November 2007 Mitglied des Landtages Mecklenburg-Vorpommern. Ich heiße Frau Strenz in unserem Hause herzlich willkommen und wünsche ihr alles Gute.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

An dieser Stelle möchte ich auch Frau Fiedler-Wilhelm für ihre geleistete Arbeit danken und wünsche ihr ganz besonders bei ihrer neuen Aufgabe alles Gute und eine gute Zusammenarbeit mit unserem Landtag.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Die Fraktion der NPD hat einen Dringlichkeitsantrag zum Thema „Weg mit der Ökosteuer auf Diesel und Benzin“

auf Drucksache 5/1023 eingebracht, der nach Prüfung vorgelegt wird.

Meine Damen und Herren, wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Prüfung der Zulässigkeit und Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 3 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieser Dringlichkeitsanträge erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich höre und sehe keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion DIE LINKE hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern – für ein Leben in Würde“ beantragt.

Aktuelle Stunde Arbeit in Mecklenburg-Vorpommern – für ein Leben in Würde

Das Wort hat der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Professor Dr. Methling von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Die Würde des Menschen ist unantastbar“, heißt es im Artikel 1 des Grundgesetzes. Was bestimmt die Würde eines Menschen beziehungsweise wann fühlt sich ein Mensch gewürdigt? Ohne auf Vollständigkeit einer Defi nition zu bestehen, gehört auf jeden Fall dazu – ich glaube, da sind wir uns einig –, dass ein Mensch über die Ressourcen verfügen kann, die ihm eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ermöglichen, die ihm Bildungschancen bieten, die eine gesundheitliche Betreuung nicht vom Geldbeutel abhängig machen, die ihm gestatten, seinen Kindern eine gute Gegenwart und Zukunft zu ermöglichen.

Welche Rolle spielt dabei die Arbeit? Eine große. Ich glaube, da sind wir uns einig. Wie sieht es damit aber bei uns in Mecklenburg-Vorpommern aus? Landesregierung, Wirtschaftsverbände und manche Unternehmer klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und schwärmen über die Konjunktur, volle Auftragsbücher, steigende Steuereinnahmen. Die Arbeitslosenzahlen gehen deutlich zurück, die Zahl der sozialversicherungspfl ichtigen Beschäftigungsverhältnisse nimmt zu. Hartz IV, Leiharbeit, Minijobs, prekäre Beschäftigung und immer weiter steigender Druck auf alle Beschäftigung seien zwar sehr hart, aber notwendig, um Missbrauch der sozialen Hängematte zu vermeiden und den Wirtschaftsstandort Deutschland auf dem richtigen Weg zu halten. Auch manche Mitglieder dieses Hohen Hauses reden pausenlos so oder ähnlich. Manchmal frage ich mich, ob Ihnen angesichts wachsender Armut bei Familien und Kindern nicht doch wenigstens ab und zu das Wort im Halse stecken bleibt, wenn Bürgerinnen und Bürger Sie in Ihren Bürgerbüros zum Gespräch aufsuchen.

In der Tat, für die politischen und wirtschaftlichen Eliten hat sich der durch Rot-Grün eingeschlagene Weg des sozialen Kahlschlags ausgezahlt. Die Gewinne erreichen astronomische Höhen. Die Große Koalition des Bundestages verordnet sich ohne jegliche moralische Bremse immer höhere Diäten,

(Udo Pastörs, NPD: Das haben Sie doch auch gemacht zu Beginn der Legislaturperiode, Herr Professor. Haben Sie das vergessen? – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

hoch bezahlte Manager werden, wenn sie das Unternehmen in den Ruin getrieben haben, mit Abfi ndungen in Millionenhöhe belohnt. So lässt sich auch verschmerzen, dass man ein paar Tage in den Medien negative Schlagzeilen erntet. Und die Kehrseite: prekäre Beschäftigung, Teilzeit, geringfügige Beschäftigungsverhältnisse, befristete Anstellungen, Leiharbeit, Praktikantenunwesen, aber auch zunehmende sogenannte freie Mitarbeit für immer mehr Menschen.

So unterschiedlich das Alter der Betroffenen und ihr Qualifi kationsniveau auch sein mögen, Folgendes haben sie alle gemeinsam: niedrigste Bezahlung, große Un sicherheit und Zukunftsangst. Ludwig Erhard hat die Gleichung geprägt, die ich auch in diesem Hause schon des Öfteren gehört habe: „Geht es der Wirtschaft gut, geht es den Menschen gut.“ Der Spruch, „Sozial ist, was Arbeit schafft“, stammt von der heutigen CDU. Beides ist, wie wir sehen, falsch oder gilt zumindest heute nicht mehr.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Aha!)

Der Wirtschaft ging es schon lange nicht mehr so gut wie heute. Aber sechs Prozent der arbeitenden Menschen und ihre Familien in Mecklenburg-Vorpommern können von dem, was sie für ihre Arbeit an Lohn bekommen, nicht leben, sie müssen ergänzendes Arbeitslosengeld II beantragen. Das sind 35.000 Menschen, Herr Ministerpräsident, auch wenn es nur sechs Prozent der Beschäftigten sind, wie Sie es ausdrückten. Hinzu kommen die Menschen, die sich schämen, solche Anträge zu stellen, oder knapp über der Grenze liegen und deshalb keine Berechtigung haben.

Nein, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, viele Menschen in unserem Land können kein Leben in Würde führen. Sie haben zum Leben zu wenig, sie existieren nur noch und sie senken systematisch ihre Ansprüche. Diese Bescheidenheit ist aber keine Zier, sondern alternativloses Ertragen, stilles Verhalten in der Hoffnung auf Besserung oder noch schlimmer, weil sie längst resigniert haben. Vor zwei Tagen schilderte mir eine 58-jährige seit 1990 pausenlos berufstätige Frau unter Tränen ihr Schicksal, das zusätzlich entwürdigt wird, weil ihr das Jobcenter angemessenen Wohnraum verweigert.

(Udo Pastörs, NPD: Sie reden wie ein Pfaff und tun genauso wenig wie diese.)

Mit Ihnen, Herr Pastörs, kann ich mich ja später auseinandersetzen.

(Udo Pastörs, NPD: Das würde mich sehr, freuen, wenn Sie das mal machen würden.)

Wenn Sie, Herr Minister Seidel, tatsächlich Ihr ganzes Augenmerk auf den ersten Arbeitsmarkt richten, dann tun Sie doch bitte auch etwas für eine angemessene Bezahlung in den Betrieben:

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Dr. Armin Jäger, CDU: Wie soll er das denn machen?)

Mindestlohn, Tariftreuegesetz für öffentliche Aufträge,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir haben das Grundgesetz.)

Begrenzung der Leiharbeit, Bezahlung von Praktikanten. Es gibt viele Möglichkeiten, dazu beizutragen, dass Arbeit ein Leben in Würde ermöglicht. Erst wenn die Schlagzeile in den Medien lautet: „Mecklenburg-Vorpommern gibt die rote Laterne bei Löhnen und Gehältern ab“, sind wir auf dem richtigen Wege,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

dass Arbeit ein Leben in Würde sichert. Wir sind dann noch nicht angekommen, aber wir sind auf dem richtigen Wege. – Herzlichen Dank.

Danke schön, Herr Professor Methling.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wir können nicht alles auf einmal, Herr Methling. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, Sie arbeiten daran, ich weiß das. – Harry Glawe, CDU: Sie haben acht Jahre das Ministerium gehabt. Ihre Erfolge waren toll. – Dr. Armin Jäger, CDU: Es geht Ihnen richtig gut, ja?)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Sellering von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema wird gleich für die Landesregierung der Arbeitsminister sprechen, denn es ist ja guter Brauch, dass zu einem Thema nicht zwei Minister sprechen. Deshalb werde ich hier als Abgeordneter reden,

(Heiterkeit bei Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

obwohl natürlich ein sehr wichtiger Teil des Themas auch den Sozialminister angeht.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Richtig, so ist es. Richtig.)

Aber es ist sicherlich auch wichtig, was der Sozialminister als Mitglied der SPD-Fraktion

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und als SPD-Vorsitzender.)

und was die SPD zu diesem Thema denken und als politisches Ziel verfolgen.

Meine Damen und Herren, das Thema Arbeit beschäftigt uns hier im Landtag in der einen oder anderen Form fast jede Sitzung. Arbeit zu haben steht für die Menschen im Land an erster Stelle und Arbeitslosigkeit ist das drängendste Problem für viele Menschen.