Protocol of the Session on December 12, 2007

Meine Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 30. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Die vorläufi ge Tagesordnung der 30., 31. und 32. Sitzung liegt Ihnen vor. Im Ältestenrat haben sich die Fraktionen gemäß Paragraf 73 Absatz 1 Geschäftsordnung des Landtages dazu verständigt, die vorläufi ge Tagesordnung wie folgt zu verändern: Tagesordnungspunkt 23 wird nach Tagesordnungspunkt 11 aufgerufen und Tagesordnungspunkt 12 wird nach Tagesordnungspunkt 22 aufgerufen. Wird der so geänderten vorläufi gen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 30., 31. und 32. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der NPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Vernachlässigte Kinder in unserer Zeit – Ursachen und Auswege“ beantragt.

Aktuelle Stunde Vernachlässigte Kinder in unserer Zeit – Ursachen und Auswege

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dennis, 6 Jahre, verhungert, Jessica, 7 Jahre, verhungert, Kevin, 2 Jahre, erschlagen, Lea-Sophie, 5 Jahre, verhungert, Leon, 9 Monate, verhungert, Ronan, Liam, Jonas, Justin und Aidan, 3 bis 9 Jahre, alle erstickt. Diese Namen werden uns hoffentlich sehr lange im Gedächtnis bleiben. Diese Namen stehen stellvertretend für viel Schmerz und Leid in unserem Land. Die getöteten Kinder sind Zeugen für die Hilfl osigkeit der Gesellschaft im Allgemeinen und für die Politik im Besonderen. Warum? Warum konnte es geschehen? Dies fragen wir uns alle.

Was geht in Eltern vor, die ihren Säugling mehrfach mit der Faust auf den Kopf schlagen, weil das Kind nicht zu beruhigen war? „Horror ohne Ende“ nannte die „Schweriner Volkszeitung“ die vielen Fälle in ihrer Überschrift am vergangenen Sonnabend. Schwerin, Plauen, Darry, Berlin, Nordhausen bezeichnete die „Schweriner Volkszeitung“ als Orte des Schreckens. Allein von Januar bis Oktober 2007 wurden in der Hansestadt Rostock 127 Kinder aus Familien herausgeholt und in Obhut gegeben. Anhand dieser Zahlen wird das ganze Dilemma deutlich.

Welche Ursachen hat die zunehmende Zahl von vernachlässigten Kindern und welche Auswege aus diesem Horror lassen sich zum Wohle der Kinder fi nden? Diese Frage hat unsere Fraktion sehr bewegt und führte letztlich zu dem Thema der heutigen Aktuellen Stunde. 80 bis 100 Kinder werden jedes Jahr in Deutschland von ihren Eltern, vom eigenen Fleisch und Blut getötet. Vor allem immer mehr junge Mütter halten der seelischen Belastung nicht mehr stand. Häufi g müssen sie mit vielen Problemen alleine zurechtkommen, denn nicht wenige Männer ziehen sich aus ihrer Verantwortung zurück. Sie wollen häufi g keine Kinder, denn sie stören doch bei der Selbstverwirklichung. Sie geben sich völlig ahnungslos,

wenn ihre Frauen ein Kind bekommen und es sich selbst überlassen.

Ist diese Gesellschaft wirklich schon so kalt und empfi ndungslos, dass sich jeder nur noch um sich selbst kümmert? Auch die vielen, vielen Abtreibungen aus sogenannten sozialen Gründen, ein deutliches Zeichen einer herzlosen Gesellschaft, sprechen eine deutliche Sprache. Die getöteten und vernachlässigten Kinder werfen die Fragen auf: Wie ist es um Kinder in Deutschland generell bestellt? Welchen Stellenwert haben Kinder in dieser Gesellschaft? Sind sie wirklich gewollt und geliebt? Warum wurden beispielsweise viele gute Maßnahmen der DDR einfach aufgegeben? Ist die Bundesrepublik, der freieste Staat auf deutschem Boden, wirklich so viel besser? Warum gibt es zum Beispiel keine Meldepfl icht der Kliniken und Geburtshäuser gegenüber dem Standesamt mehr? Schränkt uns diese Meldepfl icht in unserer Freiheit ein?

Warum haben Sie, meine Damen und Herren, unserem Gesetzentwurf, wonach im Zusammenhang mit den Früherkennungsuntersuchungen ein Kontrollsystem eingeführt wird, mit der Begründung, es sei nicht nötig, abgelehnt und noch nicht mal eine Behandlung im Ausschuss ermöglicht? Im Saarland wurden doch mit diesen Regelungen gute Erfahrungen gemacht. Wollen Sie die Lücken im System nicht schließen? Warum gehen Sie so achtlos mit den kleinen Knirpsen um? Ob ein Kindergipfel nun die Kehrtwende bringen wird, wage ich zu bezweifeln. Ob der neue Leitfaden für Ärzte im Bereich Vernachlässigungen, Misshandlungen, diese früher aufzudecken oder gar zu verhindern, wirklich die nötigen Erfolge haben wird, muss sich zeigen.

Unsere Fraktion hat dennoch die Hoffnung, dass die grausamen Tode der letzten Wochen weitere Todesfälle verhindern werden, wenn die Politik nicht nur über den Schutz des Kindeswohls redet, sondern endlich auch Taten folgen lässt – den Kindern zuliebe, denn sie sind unsere Zukunft und die Zukunft des Landes.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD)

Danke schön, Herr Köster.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Lochner-Borst von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Paul ist fünf. Auf den ersten Blick hat er ein schönes Zuhause, ein Einfamilienhaus mit Garten, ein Kinderzimmer, das nur wenige Wünsche offenlässt, Freunde in der Schule, der Einschulung im nächsten Jahr steht nichts entgegen. Alles prima? Papa arbeitet viel, damit er, Paul, es gut hat – all die schönen Sachen in seinem Zimmer, der Urlaub. Doch manchmal, wenn er etwas zu laut ist oder einfach nur Blödsinn macht, dann rastet Papa aus. Paul hat Angst. Er weiß nicht, mit wem er darüber reden soll. Keiner weiß, woher seine blauen Flecken wirklich kommen. Alle glauben ihm, dass er wieder einmal hingefallen ist.

Meine Damen und Herren, Paul steht für viele Kinder in Deutschland. Er steht für eine Dunkelziffer, die wir erahnen, aber nicht exakt benennen können. Paul ist nicht typischerweise ein Kind von Hartz-IV-Empfängern. Paul muss auch nicht das Kind bildungsferner Eltern sein, denn Misshandlung, Missbrauch und Gewalt gegen Kinder gibt es in allen Gesellschaftsschichten. Ja, es ist richtig, dass

es in einem bildungsfernen Umfeld eher zum Äußersten kommt und diese Fälle dann auch an die Öffentlichkeit geraten. Aber es gibt keinen Grund der Welt, der Gewalt, Misshandlung, Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern rechtfertigt. Stress, Überforderung, Arbeitslosigkeit und auch Armut kann und will ich nicht gelten lassen, um Brutalität und Gewalt an einem wehrlosen Geschöpf zu begründen. Es ist unmenschlich, ein Kind verhungern zu lassen, es zu vergewaltigen oder es zu Tode zu prügeln. Und niemand hat aus welchen angeblichen Gründen auch immer das Recht, Schutzbefohlene so grausam zu misshandeln.

Ja, es rufen viele laut nach Lösungen, wenn ein Kind hier bei uns in Schwerin, in Hildesheim oder an einem anderen Ort der Welt zu Tode gequält und misshandelt wurde. Und es ist gut, dass viele nach Lösungen rufen, denn es zeigt, dass es noch Menschen gibt, die sich mit der Problematik befassen, sie kennen, und ihnen ein menschlicher Umgang miteinander nach wie vor wichtig ist.

Höchsten Respekt habe ich vor all denen, die sich nicht nur dann mit dem Schicksal der Kinder befassen, wenn ein tragischer Fall ins Licht der Öffentlichkeit rückt, sondern in ehrenamtlicher Tätigkeit beim Kinderschutzbund und ähnlichen Organisationen, in Jugendclubs, in Vereinen oder hauptberufl ich in Jugendämtern, Kitas, in Schulen, in Arztpraxen oder auch als Gleichstellungsbeauftragte beständig das Wohl unserer Kinder im Auge haben. Dabei besteht zweifelsohne die Gefahr, dass Fehler gemacht werden, Fehler, die nicht mehr gutzumachen sind, wenn ein Kind sein Leben verloren hat. Aber auch dann wäre es nicht richtig, zuständigen Ämtern und Behörden die Verantwortung alleine in die Schuhe zu schieben. Gerade in solchen Fällen muss überprüft werden, und zwar sorgfältig, ob und in welcher Form eine Behörde ihrer Pfl icht nicht nachgekommen ist, Unterlassungen vorliegen oder falsch gehandelt wurde. Ist dies der Fall, dann sind Konsequenzen – auch personeller Art – unvermeidlich.

Es darf aber nicht passieren, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden, Erzieherinnen und Erzieher in Kitas, Lehrerinnen und Lehrer in Schulen, Ärztinnen und Ärzte wohlmöglich mit dem lapidaren Satz, die hätten das doch merken müssen, unter eine Generalanklage gestellt werden und der Rest der Gesellschaft, nachdem ein Schuldiger ausgemacht wurde, zur Tagesordnung übergeht. Denn gerade diese Berufsgruppen sind am ehesten und am intensivsten mit der Misshandlung und dem Missbrauch von Kindern konfrontiert. Wir sollten nicht der Versuchung erliegen, ihnen allein die gesamte Verantwortung zu übertragen. Vielmehr ist es unsere Pfl icht, die Grenzen der einzelnen Berufsgruppen anzuerkennen und dennoch ihre Fachlichkeit zu respektieren und zu tolerieren. Es ist ebenso grundlegend dafür, einen multiprofessionellen Kinderschutz zu etablieren wie die Anerkennung unterschiedlichster Herangehensweisen als auch die Wissensvermittlung über die verschiedenen Möglichkeiten.

Der Staat kann dies durch Gesetze und Verordnungen fl ankieren. Wir müssen natürlich darüber diskutieren, ob zum Beispiel verpfl ichtende Vorsorgeuntersuchungen oder verbindliche Einladungen zur Vorsorgeuntersuchung ein probates Mittel sind, um Kindesmisshandlungen und Kindesmissbrauch wirksam entgegenzutreten. Eine enge Verzahnung von Gesundheitssystemen mit Kinder- und Jugendhilfe wird dabei sicher hilfreich sein.

Wir werden im Laufe dieser Landtagssitzung und darüber hinaus in den betreffenden Fachausschüssen über dieses Thema diskutieren. Die Diskussionen, die dazu bereits im Frühjahr geführt wurden, besonders auf der Bundesebene, können dafür für uns hier im Land eine solide Grundlage bilden, wenn man sich intensiv mit den Arbeitsergebnissen des nationalen Zentrums „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“ zurate zieht, das bei der Bundesfamilienministerin angesiedelt ist.

Aber trotz all dieser Möglichkeiten, meine Damen und Herren, liegen das Recht und die Pfl icht auf Pfl ege und Erziehung der Kinder nach dem Grundgesetz bei den Eltern. Das entbindet uns als Politikerinnen und Politiker natürlich nicht davor zu handeln, aber es zeigt uns ganz deutlich, wo unsere Grenzen sind.

(Udo Pastörs, NPD: Warum haben Sie nicht gehandelt?)

Davon sollten wir uns jedoch nicht entmutigen lassen, sondern im Gegenteil, wir sollten unsere Position als Multiplikatoren nutzen und gerade wir sollten hinschauen, anstatt die Augen zu verschließen.

Meine Damen und Herren, ich habe einige Punkte genannt, die ich nicht als Begründung dafür gelten lassen möchte, dass wehrlose Geschöpfe brutal misshandelt oder missbraucht werden, dass Kinder jämmerlich verhungern oder verdursten. Ich mache mir sehr große Sorgen darüber, dass ein Teil unserer Gesellschaft offensichtlich ein hohes Gewaltpotenzial in sich trägt und die Hemmschwelle, es auch zu nutzen, bei diesen Menschen sehr niedrig ist. Bei diesen Menschen gilt die bewährte Regel menschlichen Zusammenlebens offensichtlich nicht mehr, die besagt: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.“ Auf dieses Problem müssen wir gemeinsam Antworten fi nden. Wir müssen dem Einzelnen deutlich machen, dass seine persönliche Freiheit immer auf der Verantwortung sich selbst und seinen Mitmenschen gegenüber fußt, dass eine Gesellschaft aus gemeinschaftsunfähigen Egos nicht bestehen kann. Wir müssen uns wieder stärken auf den Gedanken der Aufklärung und des Humanismus, die Christen unter uns auf das christliche Menschenbild besinnen.

Meine Damen und Herren, das Thema der heutigen Aktuellen Stunde ist in der Tat wichtig, aber ich spreche denjenigen, die es beantragt haben, jegliches Recht ab, Fragen von Missbrauch, Misshandlungen, Gewalt und Brutalität vor allem gegen Kinder zu diskutieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Udo Pastörs, NPD: Das ist ja infam, was Sie da machen, das ist ja infam. – Michael Andrejewski, NPD: Das sprechen wir Ihnen auch ab. – Udo Pastörs, NPD: Lenken Sie doch nicht vom Thema ab, junge Frau! Erklären Sie uns doch, warum Sie gegen unseren Entwurf gestimmt haben! – Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Herr Pastörs, bitte!

(Harry Glawe, CDU: Hören Sie doch mal zu! – Zurufe von Michael Roolf, FDP, und Michael Andrejewski, NPD)

Die NSDAP hat Tausende Kinder in ihren Euthanasieprogrammen gequält und

ermordet. Sie hat in ihrem Rassenwahn auch vor Kindern nicht haltgemacht. Die heutigen Nazis haben in ihrem Programm stehen, dass, ich zitiere: „bei nachweislich schwerer Behinderung oder Belastung eines Kindes mit einer Erbkrankheit Schwangerschaftsabbrüche erfolgen dürfen“.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist Rechtslage, hier jetzt auch schon. Das ist die Rechtslage hier in diesem Land.)

Die NPD hat in ihren Reihen ein extremes Problem mit Gewaltbereitschaft

(Udo Pastörs, NPD: Die Gesetze haben nicht wir gemacht. – Michael Andrejewski, NPD: Das entspricht den geltenden Gesetzen.)

Die NPD hat in ihren...

(Zuruf von Raimund Borrmann, NPD)

Meine Damen und Herren!

Ich habe Zeit.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD – Torsten Koplin, DIE LINKE: Sie fühlen sich getroffen, ja?)

Meine Damen und Herren!

Meine Herren von der NPD, bitte! Das Wort hat Frau Lochner-Borst.

Die NPD hat in ihren Reihen ein extremes Problem mit Gewaltbereitschaft und entsprechend niedrige Hemmschwellen, diese auch anzuwenden, wie Herr Köster bewiesen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Sagen Sie uns, Herr Köster,

(Michael Andrejewski, NPD: Wer sind hier die Gewalttäter?)

warum Sie auf eine wehrlos am Boden liegende Frau eingetreten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Udo Pastörs, NPD: Weil er angegriffen worden ist. – Stefan Köster, NPD: Weil das eine autonome Gewalttäterin war. – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Sagen Sie uns, wo in diesem Moment all Ihre Betroffenheit,...

(Stefan Köster, NPD: Sie wollte älteren Menschen Gewalt antun.)