Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 53. Sitzung des Landtages. Die Sitzung ist eröffnet. Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Wir setzen unsere Beratungen vereinbarungsgemäß fort.
Ich erinnere daran, dass die Fraktion der FDP ihren Antrag zum Tagesordnungspunkt 17 zurückgezogen hat.
Der Abgeordnete Herr Udo Pastörs hat gemäß Paragraf 100 der Geschäftsordnung des Landtages am 21. Oktober 2008 Einspruch gegen den Ausschluss von der 52. Sitzung des Landtages vom 21. Oktober 2008 eingelegt. Gemäß Paragraf 100 der Geschäftsordnung des Landtages hat der Landtag in der nächsten Sitzung nach Eingang des Einspruches ohne Aussprache nach Beratung im Ältestenrat über diesen Einspruch zu entscheiden. Von daher ist es erforderlich, nach Tagesordnungspunkt 12 eine Ältestenratssitzung durchzuführen und einen Zusatztagesordnungspunkt 2 in die Tagesordnung aufzunehmen. Vor dem Aufruf des Tagesordnungspunktes 14 wird dann der Landtag im Rahmen dieses Zusatztagesordnungspunktes 2 über den Einspruch des Abgeordneten Pastörs entscheiden. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Zusammenhang gibt mir der Ablauf der gestrigen Sitzung Anlass zu folgendem Hinweis: Gemäß Paragraf 97 Absatz 2 unserer Geschäftsordnung darf ein Ordnungsruf und der Anlass hierzu von den nachfolgenden Rednern nicht behandelt werden. Ein Verstoß dagegen zieht grundsätzlich eine Ordnungsmaßnahme nach sich. Ich werde diesen Punkt der Geschäftsordnung in der Zukunft entsprechend durchsetzen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „9. November 1989 – Aufbruch zur Wiedervereinigung und Überwindung der Teilung Europas – Erinnerung wach halten und neue Chance mutig ergreifen“ beantragt.
Aktuelle Stunde 9. November 1989 – Aufbruch zur Wiedervereinigung und Überwindung der Teilung Europas – Erinnerung wach halten und neue Chance mutig ergreifen
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Der 9. November ist für uns Deutsche ein schicksalsträchtiger Tag:
Am 9. November 1918 rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann aus einem Fenster des Berliner Reichstages die Parlamentarische Republik aus und kam damit dem Versuch zuvor, die abgewirtschaftete Monarchie durch eine Sowjetrepublik zu ersetzen.
Am 9. November 1923 misslang der Putschversuch, den Hitler mit einem von mehreren Tausend Anhängern begleiteten Marsch in München in Nachahmung an Mussolinis Marsch auf Rom unternahm. Bei den gewalt
Am 9. November 1938 wurden unter dem zynischen Begriff „Reichskristallnacht“ jüdische Geschäfte und Synagogen zerstört. Die Glasscheiben wurden als Kristalle bezeichnet, die Zynik liegt auf der Hand.
Am 9. November 1989 schließlich geschah, was viele aus meiner Generation zunächst als ein Wunder, zumindest aber als ein so nicht erwartetes Ereignis empfunden haben. Mit den holprigen Sätzen von Günter Scha bowski vor laufenden Kameras begannen für uns alle sichtbar der Fall der Mauer und damit die Aufhebung einer jahrzehntelangen Trennung Deutschlands.
Dieser 9. November jährt sich in diesen Tagen zum 19. Mal und wir haben ihn zum Thema der Aktuellen Stunde gemacht, weil wir an jene erinnern wollen, die diese Entwicklung erst möglich gemacht haben. Das waren die Menschen, die es leid waren, dass sie nicht leben konnten, wie sie es für richtig hielten, dass sie nicht reisen konnten, wann und wohin sie wollten, dass sie nicht gefragt wurden, sondern alles von oben angeordnet wurde, und dass sie selbst im engsten Familien- und Freundeskreis nicht offen reden durften, ohne befürchten zu müssen, dass einer von der Firma „Schild und Schwert der Partei“ mithört.
Wir wollen daran erinnern, dass hier das Volk seine Geschicke selbst in die Hände nahm und so Demokratie und Rechtsstaat bei uns durchsetzte. Die SED-Herrschaft, die Diktatur des Proletariats der DDR war 1989 wirtschaftlich wie politisch vollständig gescheitert. Es liest sich denn auch wie ein Konkursbericht, was da am 27. Oktober 1989 als, ich zitiere, „Analyse der ökonomischen Lage der DDR mit Schlußfolgerungen“ vom Chef der Plankommission der DDR Gerhard Schürer vorgelegt wurde. Ich fahre weiter fort im Zitat: „Die Rate der Akkumulation für produktive Investitionen ging von 16,1 % 1970 auf 9,9 % 1988 zurück. … Insgesamt hat sich … der Verschleißgrad der Ausrüstungen in der Industrie … auf 53,8 % 1988 erhöht … In bestimmten Bereichen der Volkswirtschaft sind die Ausrüstungen stark verschlissen … Es wurde mehr verbraucht als aus eigener Produktion erwirtschaftet wurde“ – so der Bericht – „zu Lasten der Verschuldung im“ nichtsozialistischen Wirtschaftssystem.
Das bedeutet, dass die fälligen Zahlungen von Tilgung und Zinsen, also die Schulden, mit neuen Schulden bezahlt werden.
Die Konsequenzen der unmittelbar bevorstehenden Zahlungsunfähigkeit wären, so sagt dieser Gutachter, ein Moratorium, bei dem internationale Währungsfonds bestimmen würden, was in der DDR geschieht.
Meine Damen und Herren, die Einwürfe von der rechtsextremen Seite irritieren mich nicht. Ich wende mich an diejenigen, die ich ansprechen will, nämlich an die Kollegen von der Fraktion DIE LINKE.
Die Legende, dass das Wirtschaftssystem der DDR erst durch das kapitalistische System kaputtgemacht worden ist, scheint mir durch diese sehr nüchternde Analyse widerlegt.
Ich sage, das Wirtschaftssystem der DDR war im Herbst 1989 gescheitert. Nicht erst das böse kapitalistische System hat die alten …
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das ist auch unsere Position. – Michael Andrejewski, NPD: Heute ist alles in Ordnung. – Zuruf von Helmut Holter, DIE LINKE)
(Helmut Holter, DIE LINKE: Wer behauptet denn das, Herr Jäger? – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das kann nicht sein. Das kann nicht sein.)
Nicht erst das kapitalistische System hat die alten Fabriken kaputtgemacht, wie das gern behauptet wird,
(Udo Pastörs, NPD: Machen Sie erst mal Ihre Hausaufgaben, Herr Dr. Jäger, über den Kapitalismus! – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ja, der ist schon lange weg. – Zurufe von Gabriele Měšťan, DIE LINKE, und Peter Ritter, DIE LINKE)
der einschätzte, dass nach den volkswirtschaftlichen Kategorien des Marxismus, da kommt der Begriff der Akkumulation her, die vom Staatssystem zu verantwortende Akkumulationsrate zu gering war, um den Verfall aufzuhalten.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Das steht im „Kapital“ von Karl Marx. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)
Aber außer dem wirtschaftlichen Misserfolg hat das System auch viel menschliches Leid verursacht. Ich mache keinen Hehl daraus, dass der Besuch der CDULandtagsfraktion in Dobbertin auch dazu beigetragen hat, dass wir dieses Thema hier behandeln. Wir haben dort erfahren müssen, dass gerade in Dobbertin bis zur Wende behinderte Menschen in Räumen ohne Toilette und ohne fließendes Wasser dahindämmerten, …
Das war die Wirklichkeit sozialistischer Sozialpolitik. Und so mancher stellt sich heute schon wieder hin und geriert sich als Rächer der Enterbten. Glaubwürdig, meine Damen und Herren, ist das nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Meinen Sie, dass es das in kapitalistischen Kliniken nicht gegeben hat? – Michael Andrejewski, NPD: Heute gibt es das gleiche Elend. – Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)
Mich hat erschreckt, was ich dort zur Kenntnis genommen habe. Mir war das aus meinem Leben nicht bekannt, Herr Methling.