Protocol of the Session on November 19, 2008

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 55. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Die vorläufige Tagesordnung der 55. und 56. Sitzung liegt Ihnen vor. Folgende Änderungen hierzu sind in der heutigen Ältestenratssitzung vereinbart worden: Der Tagesordnungspunkt 7 wird auf Wunsch der Antragsteller von der Tagesordnung abgesetzt. Der Tagesordnungspunkt 12 wird nach Tagesordnungspunkt 10 aufgerufen. Wird der Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 55. und 56. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Gestatten Sie mir noch den Hinweis, dass die Fragen zur Fragestunde auf Drucksache 5/1990(neu) vorliegen. Diese Drucksache wird im Laufe des heutigen Tages verteilt.

Nach Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die heutige und morgige Sitzung den Abgeordneten Udo Timm zum stellvertretenden Schriftführer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Sie über ein Ereignis informieren, das bei uns allen große Betroffenheit ausgelöst hat. Dazu bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Dem Landtag ist mitgeteilt worden, dass das stellvertretende Mitglied des Landesverfassungsgerichtes Mecklenburg-Vorpommern Herr Achim Stracke am 22. Oktober 2008 verstorben ist. Herr Achim Stracke war am 30. Januar 2008 vom Landtag zum stellvertretenden Mitglied des Landesverfassungsgerichtes gewählt worden und übte dieses Amt seit dem 31. Januar 2008 aus. In diesem Amt war er in die vorbereitenden Beratungen und das Verfahren des Gerichtes zur Verlängerung der Wahlperiode des Landtages MecklenburgVorpommern intensiv involviert und hat auch an der Sitzung zu diesem Verfahren teilgenommen. Dafür gilt ihm unser Dank. Unser aufrichtiges Beileid gilt den Angehörigen des Verstorbenen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, für Ihre Anteilnahme bedanke ich mich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Datum vom 31. Oktober 2008 ist Frau Angelika Gramkow aufgrund eines Mandatsverzichts aus dem Landtag MecklenburgVorpommern ausgeschieden. Als Listennachfolger der Landesliste der Fraktion DIE LINKE ist Herr Wolfgang Griese festgestellt worden. Am 3. November 2008 hat Herr Griese schriftlich die Annahme seines Mandates erklärt und ist somit seit dem 3. November 2008 Mitglied des Landtages Mecklenburg-Vorpommern. Ich heiße Herrn Griese in unserem Hause herzlich willkommen und wünsche ihm alles Gute für die Arbeit hier im Landtag.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat einen Dringlichkeitsantrag zum Thema „Nein zum BKA-Gesetz“ vorgelegt, der auf Drucksache 5/2003

verteilt wird. Die Fraktion der NPD hat einen Dringlichkeitsantrag zum Thema „Versammlungsrecht in Mecklenburg-Vorpommern durchsetzen“ sowie einen weiteren Dringlichkeitsantrag zum Thema „Regierungserklärung zur Zukunft des Flughafens Rostock-Laage abgeben“ vorgelegt, die auf den Drucksachen 5/2007 und 5/2008 verteilt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieser Dringlichkeitsanträge erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch zu diesem Vorschlag, dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der FDP hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Chancen der Bildung heute nutzen – MecklenburgVorpommern auf dem Weg zu einem modernen Bundesland“ beantragt.

Aktuelle Stunde Chancen der Bildung heute nutzen – Mecklenburg-Vorpommern auf dem Weg zu einem modernen Bundesland

Das Wort hat zunächst der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der FDP Herr Roolf.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt viele Gründe für eine Aktuelle Stunde zur Bildungssituation in Mecklenburg-Vorpommern. Aktuelle Bildungsstudien, wie wir sie gerade vorgelegt haben, sind da nur ein ergänzender Bestandteil. Wir haben aus der aktuellen Bildungsstudie, und das möchte ich an dieser Stelle auch sehr deutlich sagen, die auf Zahlen des Jahres 2006 beruht, eine Beschreibung unserer Situation hier in MecklenburgVorpommern vor Augen geführt bekommen. Das, was dort geschrieben steht, sehen wir nach unterschiedlicher Betrachtung als die Eröffnungsbilanz des Bildungsministers Tesch an.

Wir laufen, und das erkennen wir in dieser Studie, immer noch der Entwicklung anderer Bundesländer wie zum Beispiel Sachsen und Thüringen hinterher. Das sehe nicht nur ich so, sondern das sehen auch viele besorgte Bürgerinnen und Bürger in diesem Land so. Und das, was ich hier in der Hand halte, ist das Ergebnis der letzten Woche. Das sind die Anschreiben von besorgten Eltern, von besorgten Kindern und von Schülern zum Thema Bildung hier in diesem Land. Wir haben aus diesem Grund auch diese Aktuelle Stunde heute auf die Tagesordnung gesetzt.

Bundesweit kam es in den letzten Wochen zu Demonstrationen aufgebrachter Schüler und Eltern, die für ein faires Bildungssystem auf die Straßen gegangen sind. Erziehung, Bildung und Ausbildung zählen zu den Hauptaufgaben jeder Gesellschaft. Hier werden die Chancen jedes Einzelnen entscheidend vorgezeichnet. Die Summe einzelner Bildungskarrieren führt manchmal zu Bildungsschicksalen. Was wir Liberalen in der Bildungspolitik erreichen wollen, ist die optimale Gestaltungsmöglichkeit von Bildungsbiografien. Das Thema Bildung, meine sehr geehrten Damen und Herren, eignet sich nicht für ideologische Grabenkämpfe und die Durchset

zung von Einzelinteressen, die letzten Endes auf Kosten aller gehen. Auch ungezügelter Aktionismus nützt hier wenig. Ich nenne da nur den Bildungsgipfel der Bundeskanzlerin.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Es brennt im Bund und hier im Land an allen Ecken und ich frage uns, welche Bildungschancen ein Mensch hier in Mecklenburg-Vorpommern hat. Was geschieht, wenn ein zehn Monate altes Mädchen seine Neugier auf Wissensdurst stillen will, wo noch immer viele Kindergärten eher Aufbewahrungsstätten als Bildungseinrichtungen sind?

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Was geschieht, wenn ein fünfjähriger Junge in die Schule kommt,

(Harry Glawe, CDU: Da würde ich mal nachfragen, wie ist denn das Zuhause. – Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

die oftmals nur Reparaturbetrieb für Defizite ist und nicht die Aufgaben erfüllen kann, die sie erfüllen muss.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Viele Eltern haben aus gutem Grunde ihre Kinder in Schulen in freier Trägerschaft geschickt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Was geschieht mit Eltern von Hartz-IV-Empfängern, wenn die weiterhin ihre Kinder in Schulen freier Trägerschaft schicken wollen? Wenn nach der Schulgesetznovelle Kürzungen bei den Schulen in freier Trägerschaft vorgenommen werden, haben Kinder von Hartz-IVEmpfängern die gleichen Chancen wie Kinder von Landtagsabgeordneten?

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Was geschieht, wenn der 13-jährige Daniel seine Schule wechseln will, womöglich in ein anderes Bundesland gehen will? Hat er dort die gleichen Chancen, die Schule fortzusetzen, oder muss er erst mal ein Jahr die Schule wiederholen?

(Michael Andrejewski, NPD: In Bayern, ja.)

Wir brauchen einheitliche Bildungsstandards vom Kindergarten bis zur Hochschule. Eine Vereinheitlichung der Bildungsziele ist jedoch nicht eine Vereinheitlichung der Bildungswege.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Hier setzen wir Liberalen, und das sage ich ganz deutlich, bewusst auf Vielfalt, auf kreativen Wettbewerb der verschiedenen Bildungseinrichtungen und die beste Bildung und Ausbildung soll dann am Ergebnis für unsere Kinder da sein.

Was wäre, wenn der 16-jährige Nico mit seinem Abschluss in der 10. Klasse feststellt, dass er gar nicht ausbildungsreif ist?

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Was geschieht, wenn ein 19-Jähriger, der eine Ausbildung begonnen hat, feststellt, dass er mit dieser Ausbildung keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hat, und eine andere Ausbildung aufnehmen will? Hat er eine Chance

für einen zweiten Berufsweg? Hat er eine Chance für eine zweite Ausbildung? Das, was wir brauchen, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist eine größere Durchlässigkeit im Bildungssystem.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Wir müssen hier im Sinne von lebenslangem Lernen insbesondere die Fortbildung beziehungsweise die Weiterqualifizierung im Job noch wesentlich stärker im Auge behalten. Beim Thema Bildung reden wir alle viel zu oft über Geld und lassen den Mut sinken, wenn wir uns auf leere Haushaltskassen fokussieren, wenn wir über die groteske Staatsverschuldung oder über die Wirtschaftskrise sprechen. Jetzt brauchen wir Mut, Kreativität und Chancengleichheit, um die anstehenden Bildungsprobleme hier in Mecklenburg-Vorpommern zu lösen, Mut, um Reformen konsequent umzusetzen. Das heißt unter anderem wirkliche Autonomie für Haushalts- und Personalangelegenheiten für Selbstständige Schulen, das heißt wirkliche Autonomie für Hochschulen in Haushalts-, Personal- und Liegenschaftsangelegenheiten. Kreativität heißt, neue Bildungswege zu gehen, wie zum Beispiel eine Startklasse ein Jahr vor der Einschulung. Chancengleichheit heißt, Schulen in privater Trägerschaft die finanziellen Spielräume zu geben wie Schulen in öffentlicher Trägerschaft und Schulen in öffentlicher Trägerschaft die gleichen Gestaltungsfreiräume zu geben wie Schulen in freier Trägerschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Die Frage lautet dann: Wie können wir Vorteile aller Bildungsansätze optimal nutzen? Angesichts der drängenden Probleme macht die Landesregierung allerdings einen katastrophalen Eindruck.

(Zuruf von Minister Dr. Till Backhaus)

In vielen Fragen wirkt diese Große Koalition kleinmütig, durchsetzungsschwach und zerstritten, an der Spitze ein Minister, der planlos, hilflos und ziellos wirkt.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktion der CDU – Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der FDP)

Sehr geehrter Herr Tesch, nehmen Sie die Arbeit auf! Versuchen Sie gemeinsam im Dialog mit allen,

(Egbert Liskow, CDU: Rote Lampe!)

den seit zwölf Jahren angehäuften Bildungsberg der Sozialdemokraten abzutragen

(Zurufe von Minister Dr. Till Backhaus und Werner Kuhn, CDU)