Protocol of the Session on May 18, 2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 122. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 122. und 123. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 122. und 123. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserem Kollegen Wolfgang Griese ganz herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE, FDP und auf der Regierungsbank)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion DIE LINKE hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zum Thema „Kommunale Selbstverwaltung braucht Zukunft“ beantragt.

Aktuelle Stunde Kommunale Selbstverwaltung braucht Zukunft

Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Hört man sich im Lande um, dann kann man feststellen, dass zwei diametral entgegengesetzte Meinungen aufeinanderprallen. Auf der einen Seite verkündet die Regierung, dass die Steuereinnahmen der Kommunen nur so sprudeln, und auf der anderen Seite betonen die Kommunen, dass ihre Geldbörse aus Zwiebelleder sei.

Nach dem Städte- und Gemeindetag in der vergangenen Woche in Güstrow muss jedem im Lande klar geworden sein, dass es seit einiger Zeit um die kommunale Selbstverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern nicht gut bestellt ist. „Kommunale Selbstverwaltung braucht Zukunft“, das ist heute unser Thema, weil wir wirklich der Überzeugung sind, dass es tatsächlich um die Lebensqualität der Menschen geht, denn so, wie die kommunale Selbstverwaltung Zukunft braucht, brauchen die Menschen ihren Ort zum Leben, und das ist nun mal die Kommune. Gelebte kommunale Selbstverwaltung ist der Garant für Lebensqualität und Teilhabe.

Schauen wir uns die Gesetzgebungsverfahren hier im Landtag an, dann können wir alle feststellen, dass wir in der letzten Zeit Gesetze beraten, die eine erhebliche kommunalpolitische Relevanz haben. Beispielhaft möchte ich nennen das Finanzausgleichsgesetz oder die beabsichtigte Schuldenbremse.

(Harry Glawe, CDU: Gutes Thema.)

Gutes Thema, ja. Darüber werden wir noch kräftig diskutieren, Herr Glawe, davon gehe ich aus.

(Harry Glawe, CDU: Ja. – Udo Pastörs, NPD: Null Ergebnis.)

Da reden wir ja in geschlossener Runde.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Meine Damen und Herren, die vergangenen Tage waren Zeiten der Bilanz. Das ist in Ordnung, das soll auch so sein. Zum Ende einer Legislaturperiode und in Wahlkampfzeiten ist das ganz normal. Schaut man sich aber die Bilanz der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern für die 5. Wahlperiode 2006 bis 2011 an, dann

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Dann war sie extrem gut, ne?! Oder, Herr Holter?)

kommt das Unvorstellbare, Herr Nieszery. Das Unvorstellbare besteht darin, das auf dreißigeinhalb Seiten in 50 Bilanzpunkten der Begriff „kommunale Selbstverwaltung“ nicht einmal vorkommt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Gabriele Měšťan, DIE LINKE)

Den Begriff gibt es bei Ihnen gar nicht. Das ist nicht nur ein Skandal, sondern diese Bilanz drückt Ignoranz der Regierung gegenüber der wirklichen Situation der Kommunen aus. Und das ist Ausdruck Ihrer Politik. Und das ist tatsächlich der Trend der letzten Jahre, den nicht nur wir feststellen, sondern den viele im Lande feststellen. Und Sie haben es geschafft, die kommunale Selbstverwaltung in den letzten Jahren nachhaltig zu schädigen. Wir sind der Überzeugung, kommunale Selbstverwaltung braucht Zukunft.

Zur Finanzausstattung der Kommunen etwas zu sagen, erübrigt sich hier. Das haben wir sehr ausführlich getan. Daran ändert auch nichts die Pressemitteilung der Finanzministerin von gestern, denn wie es so schön heißt: Ist der Graben auch nur halb voll, die Kuh ist trotzdem ersoffen, denn es muss sehr differenziert betrachtet werden. Herr Müller und andere waren in der letzten Woche in Güstrow dabei, als wir das vom Präsidenten des Städte- und Gemeindetages, Herrn Dettmann, gehört haben.

Schaue ich mir aber die Stellungnahmen des Städte- und Gemeindetages zur öffentlichen Anhörung des FAGEntwurfes an, dann ist dort zu entnehmen, dass Mitglieder von Gemeindevertretungen, Bürgermeisterinnen und Bürgermeister ankündigen, ihr Ehrenamt niederlegen zu wollen, wenn es keine bessere Perspektive für ihre Gemeinde gibt. Die Enttäuschung über die nicht eingehaltenen Versprechen der Landesregierung ist nicht nur unter diesen Ehrenamtsträgern riesengroß.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Nun haben Sie aber eine Schlussfolgerung gezogen. Die Schlussfolgerung heißt: Wir machen am besten gar keine Aussage. Und wer in Güstrow dabei war, hat den Auftritt von Herrn Lenz, dem Staatssekretär des Innenministeriums, miterleben dürfen – keine Aussage. Diese Taktik ist bereits durchschaut.

Aber ich will Ihnen noch eins sagen: Sie sind feige. Das sind Sie allemal. Und was bleibt? Ihre Politik ist im Ergebnis kommunalfeindlich und Sie lassen die Kommunen im Regen stehen!

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Herr Ministerpräsident, Sie feiern Ihre Bilanz, Sie reden Ihre Regierungszeit sehr schön. Auf der anderen Seite organisieren sich die Kommunen gegen die Landespolitik. Beispielhaft will ich hier das Aktionsbündnis gegen kommunale Schulden nennen. Immerhin haben 3.000 Menschen dieses Aktionsbündnis, diese Petition

unterschrieben. Sie loben Ihre Regierungsarbeit, aber im Lande kommt es zu einer einmaligen Bündniskonstellation gegen Ihre Regierungspolitik. Das Positionspapier der kommunalen Landesverbände, der Gewerkschaften und der Wohlfahrtsverbände zur kommunalen Finanzausstattung stellt die Bilanz dieser Regierung, der Großen Koalition, in ein völlig anderes Licht, als das, was Sie vor einigen Tagen uns hier präsentiert haben. Es ist gewissermaßen eine Gegenbilanz. Es ist getragen von der Sorge um die Zukunft der kommunalen Selbstverwaltung in Mecklenburg-Vorpommern.

Und will man, meine Damen und Herren, das Verhältnis zwischen Landes- und Kommunalpolitik beschreiben, so gibt es dafür drei Kriterien: Finanzen, Gesetze und Zusammenarbeit.

Zum Thema Kommunalfinanzen haben wir hier sehr ausführlich gesprochen und zu Recht, Herr Müller, müssen wir uns auch an den Bund wenden und immer wieder eine Gemeindefinanzreform auf Bundesebene einfordern.

(Heinz Müller, SPD: Sehr richtig.)

Aber inzwischen klingen ja auch in Bezug auf die Landespolitik bei der SPD die Glocken. Und ich darf hier aus einer Pressemitteilung des Kollegen Rudolf Borchert zitieren, den ich nicht im Saal erkenne, aber ich will hier zitieren: „Für mich steht fest“, sagt Herr Borchert, „dass in der nächsten Legislaturperiode das Problem der finanziellen Schieflage der kommunalen Haushalte in Mecklenburg-Vorpommern angepackt werden muss.“

Halten wir mal kurz inne! Stopp! Hören wir genau hin: „Das Problem der finanziellen Schieflage der kommunalen Haushalte muss angepackt werden“, sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD Rudolf Borchert. Was denn, erst nach der Wahl? Sie stehen in der Verantwortung, genau diese Fragen zu klären, und die Kommunen dürfen Sie nicht im Regen stehen lassen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Aber nicht mit einem Schnellschuss.)

Und ich sage, Rudi Borchert, kommunale Selbstverwaltung braucht bereits heute eine Zukunft.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Das hätten Sie, meine Damen und Herren von der Koalition und von der Regierung, mit positiven Signalen, wenn Sie die denn hätten, durchaus bereits tun können.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Sie hätten die Eckpunkte für den Haushalt schon mal vorstellen können. Sie hätten auch den ersten Entwurf eines Doppelhaushaltes vorlegen können. Aber: Fehlanzeige!

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Zählen Sie mal auf, was wir gemacht haben für die Kommunen.)

Meine Damen und Herren, schauen wir uns den zweiten Punkt an, die Gesetzgebung. Die Koalitionsfraktionen lehnen es ab, die kommunale Mitwirkung an der Gesetzgebung verfassungsrechtlich abzusichern. Dies beinhaltet bekanntermaßen ein Gesetzentwurf meiner Fraktion. Stattdessen will die Koalition eine Schuldenbremse in der Verfassung verankern, aber ohne kommunalen Schutzmechanismus. Es gibt viele gute Gründe, Ihre Schuldenbremse abzulehnen. Ihre Verantwortungs…

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nicht einen einzigen! Nicht einen einzigen. – Harry Glawe, CDU: Nein.)

Natürlich gibt es viele gute Gründe, Ihre Schuldenbremse abzulehnen.

Ihre Verantwortungslosigkeit, Herr Glawe, gegenüber den Kommunen, ist aber nun wirklich der Gipfel.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das wird es mit der LINKEN nicht geben,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

denn kommunale Selbstverwaltung braucht auch eine gesetzlich gesicherte Zukunft.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Und zum dritten Punkt, meine Damen und Herren: Wie sieht es dann mit der Zusammenarbeit aus? Es ist ein offenes Geheimnis, dass der Dialog zwischen Landesregierung und kommunaler Ebene gestört ist. Die 12. Mitgliederversammlung des Städte- und Gemeindetages am 11. Mai in der vergangenen Woche in Güstrow hat das öffentlich dokumentiert.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Die Einzigen, die darauf eingegangen sind, sind Sie, ne?!)

Ja, das war schon sehr beeindruckend, was dort auf dieser Veranstaltung stattgefunden hat. Ich kann nur allen empfehlen, sich berichten zu lassen von den Teilnehmern aus den Fraktionen, die in Güstrow dabei waren.