Protocol of the Session on December 15, 2010

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 110. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 110., 111. und 112. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 110., 111. und 112. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Sitzung eintreten, möchte ich ganz herzlich unseren Kollegen Harry Glawe und Wolfgang Waldmüller zu ihrem heutigen Geburtstag gratulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Gratulationen)

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde.

Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zum Thema „Die neue PISAStudie 2009 – positive Signale, Chancen und Herausforderungen für unser Bildungsland“ beantragt.

Aktuelle Stunde Die neue PISA-Studie 2009 – positive Signale, Chancen und Herausforderungen für unser Bildungsland

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Reinhardt für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ganzen Geschenke hier vor mir – ein schöner Tag für meinen Fraktionsvorsitzenden.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Ja, das darf man ja zu Beginn erwähnen.

Aber kommen wir zum Thema. Darauf sind Sie ja alle, wie ich heute früh in den Radiosendungen gehört habe, schon ganz gespannt. Es freut mich, dass Sie da so eifrig bei der Sache sind. Blicke ich auf die PISA-Studie und deren Ergebnisse aus dem Jahr 2000 zurück, so kann ich heute feststellen, dass der mit den damaligen Veröffentlichungen ausgelöste sogenannte PISA-Schock von der bundesdeutschen Bildungspolitik und deren Beteiligten durchaus konstruktiv verarbeitet wurde. PISA wird nun seit dem Jahr 2000 durchgeführt – Sie wissen das alle –, um die Kompetenz 15-Jähriger in den zentralen Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften zu ermitteln. An PISA 2009 haben neben den 34 OECD-Staaten …

(Udo Pastörs, NPD: Vergessen Sie die Recht- schreibung nicht! Da haben Sie Erfahrung.)

Herr Pastörs, auch Zuhören ist ein ganz wichtiges Element,

(Udo Pastörs, NPD: Es ist so. Ich wollte es nur erwähnen, wenn Sie sagen, dass sie nicht in der Lage sind, einen DIN-A4-Aufsatz zu schreiben. Stellen Sie sich mal so was vor!)

denn unter Umständen können auch Sie noch was lernen.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Neben den 34 OECD-Staaten, Herr Pastörs, haben auch 31 Partnerstaaten und Regionen teilgenommen. In Deutschland wurden für den internationalen Vergleich insgesamt 5.000 Schülerinnen und Schüler aus 226 Schulen getestet. Auch drei Schulen – Sie haben es gehört – aus unserem Land nahmen daran teil.

Was sind nun die zentralen Ergebnisse? Für den Bereich gehören folgende dazu: Wir gehören zu den sieben OECD-Staaten, in denen sich die Lesekompetenz von PISA 2000 zu PISA 2009 signifikant verbessert hat.

(Stefan Köster, NPD: Von mangelhaft auf schlecht ausreichend.)

Sie liegt nunmehr mit 497 Punkten im Mittelfeld der OECD-Staaten. Die Leistungsunterschiede zwischen guten und schwachen Lesern haben sich verringert. Der Anteil der schwachen Leser ist seit PISA 2000 von 22,6 auf 18,5 Prozent deutlich zurückgegangen. Im Gegensatz zu den meisten anderen Staaten ist in Deutschland die Freude am Lesen bei den 15-Jährigen angestiegen. Dennoch gilt: Mädchen lesen deutlich lieber und besser als Jungen. Auch das war früher schon so, daran kann ich mich zumindest erinnern. Bezogen auf die aktuelle Studie lassen sich bei lediglich drei teilnehmenden Schulen aus Mecklenburg-Vorpommern nicht wirklich Rückschlüsse speziell auf unser Bundesland ziehen.

(Udo Pastörs, NPD: Nicht wirklich.)

Diese ermöglicht aber der im Juni 2010 veröffentlichte Ländervergleich zur Überprüfung der Bildungsstandards für die mittleren Schulabschlussfächer Deutsch, Englisch und Französisch. Danach liegen die Schülerinnen und Schüler beim Vergleich der sprachlichen Kompetenz im Fach Deutsch bundesweit im Mittelfeld. Unter den norddeutschen Ländern sind wir sogar an der Spitze. Zieht man jetzt noch den bis einschließlich 2006 durchgeführten PISA-Vergleich der Bundesländer heran, dann konnte sich Mecklenburg-Vorpommern bei der Lesekompetenz von Platz 14 auf Platz 7 deutlich verbessern.

Die zentralen Ergebnisse für den Bereich Mathematik lassen sich so beschreiben: Deutschland gehört zu den Staaten, deren Durchschnittswerte in der mathematischen Kompetenz seit PISA 2000 signifikant angestiegen sind. Mit 513 Punkten gehören wir nun erstmals zur Gruppe jener Länder, die über dem OECD-Durchschnitt von 496 Punkten liegen.

(Udo Pastörs, NPD: Was für eine Leistung!)

Die zentralen Ergebnisse für den Bereich Naturwissenschaften lassen auch hier Hoffnung aufkeimen. Die naturwissenschaftliche Kompetenz unserer Schülerinnen und Schüler in Deutschland liegt bei durchschnittlich 520 Punkten und somit deutlich oberhalb des OECDDurchschnitts von 501 Punkten.

Was nun ist seit PISA 2000 an und in unseren Schulen geschehen? Hier können wir wirklich mannigfaltige Ansätze zur Integration von Lesekompetenzentwicklung beobachten. Doch der Grundstein hierfür wird in unseren Kindertageseinrichtungen gelegt. Die Freude am Umgang mit dem Buch – Geschichten erzählen, Geschichten vorlesen – wird in unseren Kindertageseinrichtungen gelegt. Am besten klappt es dort, wo die Erzieherinnen und Erzieher auf die Mithilfe und Unter

stützung der Eltern zurückgreifen. Lesekompetenz wird glücklicherweise mittlerweile als ein Konstrukt verstanden, bei dessen Erwerb eben alle Fächer ihren Anteil haben. Beispielsweise das KMK-Projekt „ProLesen – Auf dem Weg zur Leseschule“ greift dieses Konzept auf und stellt gute Praxisbeispiele im Bereich der Lesekompetenzförderung allen Schulen in Deutschland zur Verfügung.

Das in Mecklenburg-Vorpommern laufende und Ihnen sicherlich bekannte Programm „Lesekompetenzförderung in der Grundschule“ nimmt die Prämissen von „ProLesen“ auf, indem es aus dem Zusammenspiel von Lesedidaktik, Lesediagnostik und Leseanimation eine systematische Förderung von Lesekompetenz in der Grundschule ermöglicht.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Seit 2008 werden in unserem Bundesland alle Grundschulkinder durch zusätzlichen Leseunterricht gefördert. Hierfür wendet das Land jährlich 1,2 Millionen Euro zusätzlich auf. Diese flossen in die durchgeführte modulare Fortbildung von circa 200 Grundschullehrern beziehungsweise in die seit dem 01.08.2009 zur Verfügung gestellten zwei zusätzlichen Lehrerwochenstunden zur Verbesserung der Lesekompetenz.

(Udo Pastörs, NPD: Was für ein Witz!)

Wie wir wissen, lassen sich Effekte aus solchen Maßnahmen im Bildungsbereich leider erst ziemlich spät erkennen.

(Udo Pastörs, NPD: Oder gar nicht.)

Ich gehe davon aus, dass sie voraussichtlich erst in circa fünf bis sechs Jahren messbar und überprüfbar sind. Schaue ich nun auf die überdurchschnittlich guten MINTErgebnisse – also hier sind die Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik gemeint –, so wird der ganzheitliche Ansatz unseres Landes bestätigt. Bereits in der frühkindlichen Bildung über die Grundschule bis in die weiterführenden Schulen haben wir verbindliche Schwerpunkte gesetzt. Bundesweit hat Mecklenburg-Vorpommern mit der ersten MINT-Fachtagung im September 2010 für den frühkindlichen Bereich und mit themenbezogenen Projekten Standards mitgestaltet.

Vieles haben wir auf den Weg gebracht. Ich erinnere hier an die Selbstständige Schule, die Bildungskonzeption für 0- bis 10-Jährige, verbesserte Qualität von Bildung im Kita-Bereich und nicht zuletzt auch das neue Kindertagesförderungsgesetz. Die Ergebnisse von PISA 2009 geben mir Anlass zur Hoffnung, Anlass zum Ausruhen und Zurücklehnen geben sie allerdings nicht. Vieles ist noch zu tun.

Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Zielvereinbarung zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und den Hochschulen in unserem Land, insbesondere hierbei zu der Lehrerausbildung, die wir gemeinsam verbessern wollen, damit künftig Lehrer für unsere Schüler bessere Voraussetzungen für ihren Beruf bei uns in Mecklenburg-Vorpommern erlangen können.

Ich danke all jenen, und hier nenne ich zuerst unsere Lehrerinnen und Lehrer, die seit PISA 2000 unermüdlich daran arbeiten, dass unsere Kinder gute und gerechte Voraussetzungen zum Lernen und Bilden an unseren Schulen vorfinden.

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

Mein Dank gilt auch jenen Eltern, die sich ehrenamtlich für die Schule, letztlich für ihre Kinder engagieren und mit den Lehrern gut zusammenarbeiten. An dieser Stelle sei diesen Herren und Damen allen ein recht herzliches Dankeschön gesagt. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Udo Pastörs, NPD: Das war ein toller Beitrag.)

Vielen Dank, Herr Reinhardt.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat, der bildungspolitische Schock nach PISA 2000 war sehr groß und das Bekenntnis, das alles, was damals aufgeschrieben und angemahnt wurde, zu ändern, wohl auch, aber die jüngste Studie zeigt, wir sind etwas besser geworden, Herr Reinhardt, aber noch lange nicht gut.

Ich will hier feststellen, es gibt überhaupt keinen Anlass zum Jubeln, nicht für Deutschland, aber auch nicht für Mecklenburg-Vorpommern. Es mag leichte Verbesserungen geben, doch die grundlegenden Probleme sind keinesfalls beseitigt. Um es deutlich zu sagen: Deutschland befindet sich nur im Mittelfeld des internationalen Vergleichs und es ist auch ganz klar – und das haben Sie eben noch einmal deutlich gemacht, Herr Reinhardt, aber Sie haben es nicht ausgesprochen –, Deutschland ist weiterhin nur Durchschnitt. Und wo wir als Mecklenburg-Vorpommern allerdings im Aufholprozess sind, das bleibt offen. Ich werde im Einzelnen darauf eingehen.

Zu so viel Euphorie besteht aus unserer Sicht kein Anlass. Dazu will ich Ihnen einige Fakten nennen. 18,3 Prozent der Schülerinnen und Schüler erreichen beim Lesen nur die Kompetenzstufe 1 oder weniger. Das bedeutet, dass 15-Jährige nur auf Grundschulniveau lesen können.

(Zurufe von Regine Lück, DIE LINKE, und Udo Pastörs, NPD)

Zweitens. Der Anteil der Haupt- und Förderschülerinnen und -schüler sowie der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ist in diesem Bereich weiterhin signifikant hoch. Und wir haben oft darüber gesprochen, der soziale Status der Eltern wirkt sich nach wie vor nachteilig auf die Bildungsentwicklung und damit auf den Bildungserfolg ihrer Kinder aus.

Bei der Chancengleichheit rangiert Deutschland weiterhin am unteren Ende der verglichenen europäischen Länder. Die zentrale Ursache für die soziale Ungleichheit liegt im gegliederten Schulsystem. Hier werden Zukunftsinvestitionen vergeudet. Ideologische Scheuklappen verhindern für viele eine erfolgreiche Bildungs- und Erwerbsbiografie. Deshalb tritt DIE LINKE in Mecklenburg-Vorpommern auch hier im Landtag weiterhin für eine wirkliche Gemeinschaftsschule ein.

Meine Damen und Herren, im Gegensatz zu den meisten Staaten, die an der PISA-Studie teilnahmen, hat Deutschland ein föderales Bildungssystem. Wie wir wissen, wird in 16 Bundesländern Bildungspolitik gemacht,

(Udo Pastörs, NPD: So ein Blödsinn!)

jedes Land nach eigenen Regeln, mit eigenen Konzepten und abhängig von der jeweiligen Finanzkraft. Die Kultus