Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 96. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 96., 97. und 98. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 96., 97. und 98. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserem Kollegen Toralf Schnur ganz herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Ralf Grabow, FDP: Das wird teuer heute Abend! – Michael Roolf, FDP: Aufstehen! Aufstehen! – Zurufe von Heinz Müller, SPD, und Toralf Schnur, FDP – Gratulationen)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat einen Antrag zum Thema „,Sparpaket‘ der Bundesregierung sozial ungerecht“ vorgelegt, der auf Drucksache 5/3538 in Kürze verteilt wird. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Verteilung an die Mitglieder des Landtages sowie einer angemessenen Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung des Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre zu diesem Vorschlag keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Zukunft der europäischen Agrarpolitik und die Entwicklung der ländlichen Räume“ beantragt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Europäische Union ist mit den Römischen Verträgen 1957 im Prinzip ins Leben gerufen worden. Das ist das Ergebnis einer Nachkriegspolitik, in der es darauf ankam, die Sicherung der Ernährung der Bevölkerung zu gewährleisten. Da haben europäische Länder gemeinsam einen Weg gesucht, wie das gewährleistet werden kann.
Aus dieser gemeinsamen Agrarpolitik hat sich eine gemeinsame europäische Politik entwickelt, die nicht nur den ländlichen Raum und die Ernährung, sondern auch soziale Kriterien und wirtschaftliche Entwicklungen betrifft. Eine der Hauptsäulen dieser europäischen Politik ist jedoch nach wie vor die Entwicklung der ländlichen Räume und die gemeinsame Agrarpolitik.
Wir haben in den letzten 20 Jahren zahlreiche Reformen erfahren. Mit der gemeinsamen Agrarpolitik hat es eine enorme Entwicklung im Bereich der Leistungsfähigkeit
der Landwirtschaft gegeben. Neue Strukturen haben sich gebildet, neues Gen-Potenzial, was die Ertragsleistung betrifft, und damit ist das Ziel einer Versorgung relativ schnell gesichert worden. Damit konnte 1992 die Förderung der Ernteerträge zunächst verabschiedet werden. Wir sind auf eine Förderung per Fläche ausgewichen. Das ist alles richtig.
Ich kann Ihnen sagen, als ich selbst aus dem Agrarhandel kommend 1980 Raps angenommen habe, waren wir bei 27 Doppelzentner pro Hektar. Heute ist der schon nicht mehr gut, der keine 50 Doppelzentner erreicht. Und diese Entwicklung – ja, sie ist nicht mehr gut, aber das ist auch von den Böden abhängig – hat sich natürlich auch bei den Körnerfrüchten und bei der Entwicklung der Milchproduktion sowie allen anderen Bereichen gezeigt.
Das heißt, es kommt jetzt darauf an, sinnvoll zu fördern, das, was notwendig ist für die Versorgung der Bevölkerung, aber auch sinnvoll zu fördern, was für die Entwicklung der ländlichen Räume wichtig ist.
Leben im ländlichen Raum ist nämlich abhängig davon, welche Strukturen existieren, von der Zukunftsfähigkeit der Agrarbetriebe, die sich aber wesentlich verändert haben in ihrer Größe und in ihrem Beschäftigungspotenzial. Das heißt also, es muss Alternativen dafür geben, es muss Strukturen für die Versorgung in dem Bereich geben und es muss Strukturen für die ärztliche Versorgung geben. Das alles gehört zur Entwicklung des ländlichen Raumes. Das beziehen wir auf die zweite Säule der Förderung. Die erste Säule ist vorrangig die Säule, die sich mit der stabilen Entwicklung der Agrarproduktion befasst.
Wir können von einer Förderperiode zur anderen schauen. Wir haben mit der letzten Periode eine neue Förderperiode in Angriff genommen, die wir mit dem Health Check
noch einmal überprüft haben und wo Veränderungen vorgenommen wurden. Eine neue Förderperiode steht mit 2013 vor uns.
Wir haben uns im Agrarausschuss mit den Bedingungen der Kohäsionspolitik intensiv befasst. Dabei wurden zwei Zahlen genannt: Aus dem Kohäsionsfonds wurden in der letzten Förderperiode europaweit 43 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, für die neue Förderperiode werden 39 Milliarden Euro erwartet. Das heißt, es werden 4 Milliarden Euro weniger zur Verfügung stehen. Aber aus diesem Fonds sind mehr Mäuler satt zu kriegen. Das heißt, wir haben neue Staaten in der Europäischen Union, die bisher noch nicht gleichberechtigte Förderungen erfahren haben. Wir werden uns der Wahrheit stellen müssen, dass für die einzelnen Nationalstaaten, für die einzelnen Bundesländer auch weniger Geld zur Verfügung steht.
Deshalb müssen wir jetzt und heute anhand der Bedingungen der neuen Agrarförderung eine eigene Handschrift schaffen.
Wir müssen fragen: Wie stellen wir uns diese Förderung vor? Wie punktgenau kann sie sein? Wie sichert sie die Stabilität der Betriebe? Wie sichert sie, dass das produziert wird, was wir brauchen innerhalb der Europäischen Union, zu Preisen, die bezahlbar sind, die die Sicherung der Agrarbetriebe sichern, aber auch die Ernährung der Bevölkerung zu bezahlbaren Preisen? Wie sichern wir über diesen Bereich eine nachhaltige Pflege unserer Kulturlandschaft? Wie sichern wir Strukturen im ländlichen Raum, die ich vorhin beschrieben habe? Dieses gesamte Konzept der Entwicklung fast unseres ganzen Landes, denn wir sind fast ausschließlich ländlicher Raum, hängt von diesen Bedingungen in der Zukunft ab. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns als Land Mecklenburg-Vorpommern mit unseren Vorstellungen ganz klar in diese Diskussion einbringen, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo man diese Handschrift noch wahrnimmt.
Für die SPD-Fraktion kann ich ganz klar und deutlich sagen, dass wir fest hinter unserem Minister stehen,
der mit Herrn Priesmeier gemeinsam ein Papier eingebracht hat mit Vorstellungen, wie die Ausstattung der ersten und der zweiten Säule mit den Aufgaben für die Zukunft strukturiert sein können
und welche Veränderungen angenommen werden. Das ist nicht endgültig, aber es ist ein Diskussionspapier, das eine Zukunft in Aussicht stellt.
Und, meine Damen und Herren, wir nehmen sehr wohl wahr, dass es da unterschiedliche Auffassungen gibt. Man kann die Augen und die Ohren zumachen und sagen: Täuben wi mål ein bäten, da ward schon wat kåmen. Dann werden wir uns dahinstellen und wie all die Jahre bei allen Reformen Straßen sperren und große Traktoren auf die Straße fahren. Das hilft aber nicht. Meine Damen und Herren, wenn man sich mit Landwirten unterhält, ist jedem klar, dass man jetzt reagieren muss, aber keiner will den ersten Schritt wagen.
Wir als Fraktion, auch die Bundestagsfraktion der SPD, stehen hinter diesem Papier. Und wir werben darum, dass Sie sich so einer Diskussion anschließen, denn wir müssen mit einer eigenen Meinung in die neue Reform gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr gut. – Stefan Köster, NPD: Die SPD und eine eigene Meinung!)
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie Sie alle wissen, haben wir in den vergangenen Sitzungen des Öfteren über die gemeinsame europäische Agrarpolitik nach 2013 gesprochen. Ich kann Frau Schildt hier ausdrücklich unterstützen, dass es eines der wichtigsten Themen für die Gegenwart und für die Zukunft des Landes Mecklenburg-Vorpommern ist.
Es ist in der Tat so, dass es uns darum geht – sowohl in den Anträgen, die wir hier eingebracht haben, als auch heute in der Aktuellen Stunde –, deutlich zu machen, dass wir als Land Mecklenburg-Vorpommern mit einer Stimme an dieser gemeinsamen Agrarpolitik nach 2013 arbeiten. Das ist unser Ansatz, um den zuständigen Minister und die Regierung, in dem Falle in Gänze, bei den Verhandlungen in Deutschland, aber auch in Europa zu stärken und deutlich zu zeigen, die Landespolitik in Mecklenburg-Vorpommern ist sich einig in der Ausrichtung, weil es tatsächlich um die Zukunft und das Wohl der Bevölkerung in unserem Lande geht.
Das ist unser Ansatz. Deswegen kritisieren wir – genauso wie Sie das gemacht haben, Frau Schildt, und so habe ich auch Herrn Minister Backhaus verstanden – die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz in Plön, die eigentlich nichts weiter gesagt haben als, ja, wir machen weiter so wie bisher. Das ist eben kein Zukunftskonzept und das wird den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen, vor denen wir stehen werden – dazu haben Sie ja einiges gesagt –, in keinster Weise gerecht. Die Beschlüsse sind so gefallen und es gibt die Protokollerklärung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, das ist üblich, aber es ändert nichts an diesen Entscheidungen, die dort getroffen wurden.
Zweitens muss man sagen, dass auch der Deutsche Bauernverband zu meinem Verdruss dieser Strategie beigetreten ist. Es wird demnächst im Juli der Bauerntag stattfinden, der Bauerntag 2010. Ja, so wie nach dem Sparpaket, welches die Bundesregierung jetzt am Wochenende verabschiedet hat, gehe ich davon aus, dass die Bauern dieses „Weiter so!“ nicht so ohne Weiteres hinnehmen werden, sondern sich sehr intensiv mit der Führung des Bauernverbandes auseinandersetzen werden und auf der anderen Seite ganz klar auch der Bundesregierung aufzeigen werden – Sie sprachen von Straßensperrungen und anderen außerparlamentarischen Möglichkeiten –, dass dieses „Weiter so!“ nicht im Interesse der Bäuerinnen und Bauern und schon gar nicht der Landbevölkerung ist. Deswegen wird die schon stark ramponierte Staatskarosse sicherlich noch weitere Beulen bekommen, indem die Bauern hier sehr deutlich zeigen, wo es denn hingehen soll und welche Vorstellungen sie davon haben.
Es gab die Ausschusssitzung des Agrarausschusses am 27. Mai 2010, da ist diese Entwicklung diskutiert und auch das Konzept von Herrn Backhaus vorgestellt worden. Wir haben das so verstanden, auch im Zusammenhang mit unseren Fragen, dass die SPD-Fraktion das Konzept von ihrem Minister unterstützt, aber die CDU hat offengelassen, ob sie hinter dem Konzept des Landwirtschaftsministers steht. Ich bin mal ganz gespannt, was heute hier passiert, ob es denn in dieser Frage tatsächlich zu einer Übereinstimmung kommt.
Wir sind genauso wie Sie, Frau Schildt, der Überzeugung, dass das Zwei-Säulen-Modell in der Zukunft fortgesetzt werden muss, um tatsächlich auf der einen Seite, ich fasse es einfach mal zusammen, die landwirtschaftliche Produktion, die landwirtschaftlichen Betriebe zu stützen und zu stärken bei den Herausforderungen, die die Zukunft mit sich bringen wird, aber auf der anderen Seite den ländlichen Raum mit all seinen Aufgaben zu unterstützen. Wir haben das in der Vergangenheit immer wieder diskutiert, ob sich die agrarische Produktion ausschließlich mit Tieren und Pflanzen beschäftigt oder auch einen Auftrag hat für Kulturlandschaft, für das Leben im ländlichen Raum, für die Dorfentwicklung und so weiter. Deswegen ist es vollkommen richtig, dass die beiden Säulen auch zukünftig erhalten bleiben müssen.
Wir sind – und da, schätze ich, Frau Schildt, sind wir uns auch einig – natürlich auch eine europäische Partei. Und genauso wie Sie schauen wir nicht nur auf Mecklenburg-Vorpommern, sondern wir wollen auch, dass die gemeinsame Agrarpolitik in der Zukunft an den Interessen der anderen, insbesondere auch der neuen Mitglieder der Gemeinschaft ausgerichtet ist. Das muss auch unser ureigenstes Interesse aus Mecklenburg-Vorpommern sein. Wenn es uns nicht gelingt, dort die Entwicklung voranzutreiben, dann werden die wirtschaftlichen Probleme bei den neuen Mitgliedsländern auf uns zurückschlagen. Das kann also nicht in unserem Interesse sein – deswegen unsere Unterstützung genau für die Strategie, die Herr Backhaus sowohl in Plön als auch im Ausschuss vertreten hat.
Wir wollen uns, meine Damen und Herren, weiter an dieser Diskussion beteiligen. Es sind Veränderungen notwendig. Wir wollen eine Handschrift, die Handschrift von Herrn Till Backhaus für dieses Konzept, und unterstützen entsprechend diese Ansätze. Wie Sie wissen, haben wir eine entsprechende Anhörung im Agrarausschuss durchgeführt, insbesondere zur Entwicklung der ländlichen Räume. Hier sind eine Vielzahl von Hinweisen, Vorschlägen und Initiativen unterbreitet worden, aber auch die Erfahrungen, die in der Vergangenheit gesammelt wurden, für die Entwicklung des ländlichen Raumes.
Ganz klar ist, wenn man über die Entwicklung der ländlichen Räume spricht, dass man über die Entwicklung der Kommunen sprechen muss. Die Entwicklung der Kommunen geht einher mit der gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. Deswegen ist es vollkommen richtig, dass wir heute hier die Ganzheitlichkeit besprechen, also nicht ausschließlich landwirtschaftliche Betriebe betrachten, sondern die Ganzheitlichkeit der Entwicklung in den ländlichen Räumen, damit – und das ist unser Ansatz – die Menschen, die heute und in der Zukunft auf dem Dorf leben, natürlich eine gute Lebensqualität haben, dass wir unseren Beitrag leisten mit solchen strategischen Ausrichtungen, damit tatsächlich gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Dorf erreicht werden können. In dem Sinne herzlichen Dank für die Aktuelle Stunde.