Hermann Schaus
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Last Statements
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! In Hessen leben viele Menschen mit Migrationsgeschichte. Diese kulturelle Vielfalt ist eine Bereicherung und macht Hessen zu einem attraktiven Bundesland.
Politik muss diese Chance erkennen und das Zusammenleben der Menschen unterschiedlicher Herkunft fördern. 30 % der hessischen Bevölkerung – das sind 2 Millionen Menschen – sind Migrantinnen und Migranten oder haben zumindest einen zugewanderten Elternteil.
Laut dem vierten „Hessischen Integrationsmonitor“ sind davon zwei Drittel zugewandert, und ein Drittel ist hier ge
boren. In den Städten liegt der Anteil noch höher. In Frankfurt z. B. hat mehr als die Hälfte der Einwohnerinnen und Einwohner einen Migrationshintergrund. Diese Menschen sind unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger und bereichern unsere Gesellschaft.
Integration erreicht man am besten mit einer gerechten Sozialpolitik für alle Menschen, die hier leben. Deshalb tritt DIE LINKE gegen Sozialabbau ein.
Statt Menschen unterschiedlicher Herkunft gegeneinander auszuspielen, treten wir für eine Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums ein. Nicht Migration ist das Problem für einen Sozialstaat, es sind eher die Superreichen und Steuerflüchtlinge, die dem Sozialstaat und dem Staatshaushalt dringend benötigte Finanzmittel entziehen.
Viele Menschen mit einer Migrationsgeschichte erleben im Alltag Ausgrenzung und Rassismus. Sie werden beschimpft, angepöbelt oder erfahren sogar Gewalt. Bei der Arbeits- und Wohnungssuche reicht oftmals ein ausländisch klingender Name für eine Absage. Auch daran müssen wir gesellschaftlich arbeiten.
Der Zugang zu öffentlichen Einrichtungen muss chancengleich gestaltet werden. In Behörden sollten sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter interkulturell fortbilden können. Da ist noch vieles zu tun.
Das Grundgesetz garantiert auch die Religionsfreiheit. Dazu stehen wir. Wir stellen uns der weit verbreiteten Herabwürdigung von Menschen wegen ihres Glaubens entschieden entgegen. Jeder Mensch muss die Möglichkeit haben, seine Religion auszuüben, Kirchen und Tempel zu errichten oder sich entsprechend seiner Religion zu kleiden.
Für Diskriminierung darf es bei uns keinen Platz geben. Wir fordern deshalb ein wirksames Landesantidiskriminierungsgesetz für Hessen.
Gerade die Erfahrungen aus dem deutschen Faschismus sind für uns Verpflichtung, gegen menschenverachtende Parolen, rechte Parteien und rechte Politik entschieden vorzugehen.
Deshalb müssen wir uns konsequent rassistischer Hetze, Muslimfeindlichkeit und Antisemitismus entgegenstellen. Respekt und Solidarität setzen wir der Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit entgegen. Hessen bleibt weiter bunt und multikulturell.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Bouffier hat gestern zu Beginn seiner Regierungserklärung gesagt: „Hessen ist eines der sichersten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland.“
Das ist doch gut und sollte uns alle freuen.
Je nach den politischen Bedürfnissen hörten wir aber in der Vergangenheit immer wieder ganz andere Töne. Von „Bedrohung der Sicherheitslage“ war da immer wieder die Rede. Aber weil vor den Wahlen angesagt ist, dass die CDU alles gut gemacht haben will, wird derzeit keinem Bedrohungsszenario das Wort geredet. Das kommt dann aber garantiert wieder, wenn man das Polizei- oder das Verfassungsschutzgesetz erneut verschärfen will.
Heute ist also seitens der CDU angesagt, nur das Sicherheitsgefühl, also nicht die Verbesserung der Sicherheit an sich, der Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu stärken. Das ist eine Sicherheitspolitik, gerade wie man sie eben braucht.
Die CDU macht zum dritten Mal in diesem Jahr das Thema „Sicherheit“ zu ihrem zentralen Thema im Landtag. Im Februar gab es eine Regierungserklärung zur inneren Sicherheit und zur Kriminalstatistik. Im Mai gab es einen Setzpunkt zum Thema „Mehr Sicherheit durch KOMPASS“. Da ging es auch schon mehr um das Sicherheitsgefühl. Jetzt zum dritten Mal das Thema „Sicherheit und Sicherheitsgefühl“. Herr Innenminister Beuth, das Land wird durch Wiederholungen doch nicht sicherer oder unsicherer.
Wenn man Ihre Reden vergleicht, dann tragen Sie mit Sicherheit zum dritten Mal dieselben Zahlen, Programme und Floskeln vor. Meine Damen und Herren, es ist ziemlich öder Wahlkampf und geht meiner Meinung nach an den eigentlichen Problemen vollkommen vorbei.
Herr Beuth, schon in Ihrer Rede im Mai hatten Sie nichts anderes als Satzbausteine aus CDU-Anträgen vom Januar und dem Vorjahr zu bieten. Zum KOMPASS-Programm ist auch schon alles diskutiert. Da kann selbst ich mich nur noch wiederholen, wenn ich also erneut feststelle, dass es sich hierbei um nichts anderes als um die ganz normale Zusammenarbeit der Polizei mit den Behörden und Organisationen vor Ort handelt. Das ist auch nichts Neues mehr.
Da sind wir bei dem Punkt. Sie wollen also einer gefühlten Bedrohung eine gefühlte Sicherheit entgegenstellen. Ich fände es aber viel wichtiger, diejenigen zu bekämpfen, die die Leute ununterbrochen verunsichern, als ob man sich nicht mehr auf die Straße trauen könnte. Das sind allen voran die AfD und der Bundesinnenminister Seehofer.
Die AfD redet den Leuten ein, hinter jeder Ecke lauere ein Flüchtling mit einem Messer, unsere Bevölkerung solle
durch Muslime ausgetauscht werden, Frauen würden scharenweise von Flüchtlingen vergewaltigt. – Hier wünschte ich mir, dass der Innenminister das öffentlich zurückweist und dieser täglichen Hetze und den wiederholten Lügen öffentlich entgegentritt.
Wenn der Bundesinnenminister Seehofer, wie hier in Wiesbaden, davon spricht, dass islamistische Anschläge jederzeit und unmittelbar bevorstünden, dann ist doch klar, dass die Leute Angst bekommen. Damit stellt er sich übrigens auch gegen die Aussagen von Ministerpräsident Bouffier. Seit vielen Jahren erleben wir also dieses Gerede von „jederzeit und überall möglichen Anschlägen“. Wie sollen die Leute denn da keine Angst haben?
Seit vielen Jahren erleben wir eine ständige Verschärfung der Sicherheitsgesetze und der Überwachung. All das schürt aber doch neben dem Gerede zusätzliche Angst in der Bevölkerung. Angst war noch nie ein guter Ratgeber.
Ich würde mir wünschen, dass ein Bundesinnenminister und auch ein Innenminister in Hessen endlich einmal über die tatsächlichen Probleme sprechen. Die mit Abstand meisten politischen Straftaten gibt es im Bereich der politischen Rechten, des Neonazismus und des Rechtsterrors. Deutschland hat seit Jahrzehnten ein Neonaziproblem. Das wissen wir nicht erst seit dem schrecklichen NSU-Komplex und dem Rechtsterror.
Aber was machen der Bundesinnenminister und sein Geheimdienstchef Maaßen jetzt? – Sie leugnen ernsthaft, dass es in Chemnitz rechte Gewalt, Hetzjagden und einen Neonazimob gegeben habe. Sie stellen sich damit nicht nur gegen Hunderte Augenzeugen und gegen die Verletzten, sondern negieren sogar Angriffe auf ein jüdisches Restaurant und gegen eine hessische SPD-Gruppe. Maaßen stellte sich damit zudem gegen den ermittelnden Oberstaatsanwalt vor Ort, der 120 Ermittlungsverfahren führt.
Wir hingegen stellen uns hinter die Aussage von Bundeskanzlerin Merkel, die diese rechten Straftaten in Chemnitz zu Recht scharf verurteilt hat.
Was dort marschierte, war ein Zusammenschluss von AfD, Pegida, NPD, Drittem Weg, Neonazihooligans und sonstigen Schlägern. Aber das wird vom Geheimdienstchef und vom Bundesinnenminister einfach so weggeleugnet.
Ich wünschte mir, Herr Beuth, dass die Hessen-CDU sich offensiv hinter die eigene Kanzlerin stellt und mit dafür sorgt, dass diese Leugnung rechter Gewalt von Amts wegen endlich ein Ende findet.
Eine wichtige kriminalistische Herausforderung liegt hingegen im Internet: Hasskommentare, Internetbetrug, Datenklau und Datenhandel, Pädokriminalität, Wirtschaftskriminalität, Cyberkrieg – das sind die ganz großen Herausforderungen für die Sicherheit, sowohl für die Bürgerinnen und Bürger wie auch für Unternehmen und Staat.
Es hätte mir gefallen, wenn Sie endlich einmal erklären würden, wie dem zu begegnen ist, wie der öffentliche Dienst die Spezialisten bekommt, die man dafür zwingend braucht, wie Sie in diesem hoch technischen und oft international agierenden Bereich weiterkommen wollen.
Die Polizei stößt da auf große Probleme und schafft es oft leider nicht, Daten, die sie bekommt, eigenständig und ohne externe Hilfe umfassend zu bearbeiten, um dann zu ermitteln. Ohne Externe geht da gar nichts mehr, und das ist ein großes Problem.
Es hätte mir gefallen, wenn Sie hier endlich darstellen würden, wie Hessen zu einer Kriminalitätsverlaufsstatistik kommt. DIE LINKE fordert das schon seit Jahren, und nun haben dies sogar alle Fraktionen in den Abschlussberichten zum NSU-Untersuchungsausschuss gefordert – alle Fraktionen.
Noch ein letzter Punkt, das Personal der Polizei. Herr Klee, den ich sehr schätze und dem ich alles Gute wünsche, hat es schon angesprochen. Aber ich werfe einmal einen anderen Blick darauf: Die CDU hat in der Zeit bis 2015 kontinuierlich Stellen bei der Polizei abgebaut. Selbst wir als LINKE forderten über Jahre hinweg, mehr Polizeibeamtinnen und -beamte auszubilden.
Man hat uns immer wieder gesagt, 600 neue Anwärter pro Jahr auszubilden sei die absolute Obergrenze, die man in allen hessischen Fachhochschulen ausbilden könne, mehr gehe gar nicht, dafür gebe es überhaupt keine Kapazitäten. Erst nach vielen Jahren hat nun auch die CDU endlich dazugelernt – immerhin, wenn auch sehr spät. Aber aufgrund der Versäumnisse der vorangegangenen Jahre werden nun über 1.100 in einem Jahrgang ausgebildet. Die hessischen Fachhochschulen platzen aus allen Nähten, und die Ausbildungskapazität, vor allem aber die Qualität leiden erheblich. Ich muss schon sagen: Die CDU hat in Sachen Personalpolitik einfach nichts drauf.
Dieses Hin und Her – Personalabbau und plötzlich die Schleusen auf, alles rein – hat nichts mit vernünftiger Planung und Personalentwicklung zu tun, aber auch gar nichts, Herr Bellino.
Die Aufrüstung der Polizei überschreitet im Übrigen inzwischen jedes Maß. Jeder Polizist trägt inzwischen 45 Schuss Munition bei sich, neben Schlagstock, Pfefferspray und Taser macht das 90 Schuss pro Polizeistreife. Und jetzt soll jede Polizeistreife mit einem Sturmgewehr ausgestattet werden, einem G 36, meldet die „FAZ“.
Meine Damen und Herren, wir sind doch nicht im Krieg. 1.500 Sturmgewehre – man fragt sich bei dieser absurden Aufrüstung langsam, ob Ihnen jedes Maß verloren gegangen ist. Dies als Verbesserung des Sicherheitsgefühls zu bezeichnen, ist doch mehr als absurd.
Was soll denn das alles, wo wir doch – nach Ministerpräsident Bouffier, ich sagte es eingangs – in Hessen in einem der sichersten Bundesländer leben?
Sie brauchen nicht abzulenken, Herr Boddenberg, wir reden jetzt über Hessen. Es ist Ihr Setzpunkt, und Sie wollten darüber reden. Deswegen müssen Sie sich das auch anhören.
Stattdessen erleben wir sozusagen, wie die AfD und die CSU ein selbst geschaffenes Gespenst der gefühlten Bedrohung zu verjagen versuchen. Aber gegen Gespenster hilft nur ein gesunder Menschenverstand. Den aber vermisse ich in dieser Debatte zunehmend.
Seid ihr fertig? – Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ärger ist groß, wenn die Eigentümerinnen und Eigentümer, die an grundsanierten Ortsstraßen ein Grundstück besitzen, von der Stadt- oder Gemeindeverwaltung eine hohe Zahlungsaufforderung erhalten. Je nach Nutzung der Straße können Kommunen derzeit bis zu 75 % der gesamten Straßenausbaukosten auf die Anlieger umlegen.
Die Entscheidung, wie eine Anliegerstraße grundsaniert wird, trifft die Kommune oft ohne vorherige Beteiligung der Anlieger. Die Kostenberechnungen sind für die Betroffenen oft unverständlich, insbesondere dann, wenn zusätzlich auch noch das Kanalnetz oder Versorgungsleitungen mit erneuert werden.
Da sind dann vielfach Summen zwischen 10.000 € und 120.000 € fällig. Das ist Geld, das die meisten gar nicht haben. So müssen sie dafür zusätzliche Kredite aufnehmen, die aber – Kollege Rudolph hat darauf hingewiesen – älteren Menschen gar nicht mehr gewährt werden.
In der Plenarwoche im Mai wurde hier der Gesetzentwurf von CDU, GRÜNEN und FDP zur Änderung der Regelung zur Erhebung der Straßenbeiträge beschlossen. Im Juni lehnte die gleiche Landtagsmehrheit unseren alternativen Gesetzentwurf zur kompletten Abschaffung der ungerechten Straßenbeiträge in dritter Lesung ab.
Wir sind der Meinung, dass der beschlossene Gesetzentwurf weder für die hessischen Kommunen noch gar für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger eine gute Lösung ist.
Die von Ihnen beschlossene Änderung, aus der bisherigen Sollvorschrift eine Kannvorschrift zu machen, nutzt lediglich den Kommunen, die bislang keine Straßenbeiträge erhoben haben und diese auch nicht erheben müssen, um einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu können.
Schlimmer noch: Dank unserer sogenannten Hessenkasse sollen die Kommunen auch noch Geld für schlechte Zeiten ansparen. Das bedeutet, selbst dann, wenn eine Kommune derzeit schwarze Zahlen schreibt, wird sie kaum davon absehen können, auf diese Einnahmequelle zu verzichten, damit sie mehr Geld sparen kann, um in schlechten Zeiten etwas zu haben.
Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist in vielfacher Hinsicht ungerecht. Zunächst einmal zahlen alle Anlieger beim erstmaligen Bau der Straße Erschließungsbeiträge. Zudem müssen Anwohner von Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen gar keine Beiträge zahlen. In vielen Städten wie beispielsweise in Frankfurt, Wiesbaden oder Eschborn werden keine Beiträge erhoben. Pech also, wer ausgerechnet an einer Ortsstraße sein Haus hat. Der Protest in Hessen gegen diese ungerechten Straßenausbaubeiträge wird immer stärker. In mehr als 50 Städten und Gemeinden haben sich mittlerweile Bürgerinitiativen gebildet, die vor Ort aktiv sind und bei zahlreichen Aktionen die generelle Abschaffung zu Recht fordern, und das ist gut so, meine Damen und Herren.
Mit viel Engagement und noch mehr Kreativität wird hessenweit landauf, landab gegen die ungerechte Strabs mobil gemacht. Ich freue mich sehr, dass Vertreter dieser Bürgerinitiativen heute Gäste auf der Zuschauertribüne sind.
Sie vertreten die Interessen der Betroffenen und sollten auch entsprechendes Gehör finden.
Aufgrund des intensiven Drucks aus der Bevölkerung haben im Mai 2018 CDU, GRÜNE und FDP im Landtag ihre kleine Gesetzesnovelle vorgenommen, die aber für die Betroffenen kaum eine Verbesserung ihrer Situation mit sich bringt. Sie haben damit auf Beruhigung bei den Betroffenen gehofft. Das ist aber zu Recht gründlich schiefgegangen.
Herr Hahn,
das ist eben nicht so. Ihre These stimmt nicht, dass sich die Situation beruhigt hat. Vielmehr verschärft sich die Situation immer mehr, und die Diskussion wird in die Kommunen getragen.
Wir hatten Ihnen hingegen einen alternativen Gesetzentwurf vorgelegt, der die vollständige Abschaffung der Straßenbeiträge vorsieht. Am Vorbild Berlin, Hamburg und Bayern sollte sich auch Hessen ein Beispiel nehmen. Zwischenzeitlich wird auch in Thüringen und in Brandenburg über die Abschaffung der Strabs beraten.
Die bisherigen Einnahmen der Kommunen aus Straßenausbaubeiträgen beliefen sich in den vergangenen Jahren auf jährlich 36 Millionen € bis 39 Millionen €. Es wäre also für das Land völlig unproblematisch, den Kommunen im Rahmen eines Sonderfonds zweckgebunden die Einnahmeausfälle aus den Straßenausbaubeiträgen jährlich zu erstatten. Das wäre selbst nach Ihrer Rechtsauffassung verfassungskonform, Herr Hahn, wenn ich das richtig sehe.
Die im Mai beschlossene Regelung zu einmaligen finanziellen Anreizen, die Städte und Gemeinden dazu bewegen, nun wiederkehrende Straßenbeiträge zu erheben, ist gescheitert und wird zu Recht nicht von den Betroffenen und den Kommunen akzeptiert. Auch wenn Sie immer wieder das Gegenteil behaupten, Herr Bauer: Das findet nicht statt. In den Kommunen findet momentan nur eine Abschaffung zulasten der Kommunen statt. Danach aber sollen alle Eigentümer in einer Gemeinde oder in einem Stadtteil, auch wenn sie nicht an den sanierten Straßen wohnen, zahlen. Das sind dann zwar kleinere Beiträge. Aber werden die Straßen in dem Gebiet Jahr für Jahr grundsaniert, dann werden jedes Mal Kosten auf alle umgelegt. Dies kann zu einem zusätzlichen Dauerbeitrag von mehreren Hundert Euro pro Jahr und Grundstück führen, und das lehnen wir als LINKE eindeutig ab.
Die SPD hat heute erneut einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenbeiträge vorgelegt. Wir begrüßen es, dass die SPD nun auch klar gegen die ungerechte Beitragserhebung Stellung bezieht. Dies hat etwas gedauert, wenn ich das sagen darf, und war bei der Anhörung zu den Gesetzentwürfen am 12. April nicht ganz so klar. Wir unterstützen den SPD-Gesetzentwurf, auch wenn wir mit dem Finanzierungsvorschlag nicht ganz konform gehen. Denn anders als die SPD denken wir, dass es ausreichend wäre, die Mittel ausschließlich den ärmeren Kommunen zur Verfügung zu stellen, denen also, die derzeit Straßenbeitragssatzungen erlassen haben. Städte wie z. B. Eschborn, Frankfurt oder auch Wiesbaden,
die nie Straßenbeiträge erhoben haben, brauchen unserer Ansicht nach solche Mittel nicht. Es wäre einfacher gewesen, unseren Gesetzentwurf, der bei vielen Kommunen und bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern auf Zustimmung gestoßen ist, im Mai anzunehmen und an dieser Stelle dem Beispiel von Bayern zu folgen.
Ich komme zum Schluss. Der vorliegende Gesetzentwurf der SPD wird wohl nicht mehr bis zum Ende der Legislaturperiode abschließend beraten werden können. Wie dem auch sei – wir bleiben weiter dran. DIE LINKE wird sich auch im neuen Landtag für die komplette Abschaffung der
ungerechten Straßenbeiträge und für die Finanzierung dieser Beiträge durch das Land einsetzen. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Argumente von Frau Goldbach haben mich fast vom Hocker gerissen, auch wenn sie nicht neu sind. Ich will mich mit diesen Argumenten noch einmal auseinandersetzen.
Denjenigen, die die Straßenausbaubeiträge abschaffen wollen, wird vorgeworfen, dass sie in die originären Kompetenzen der Kommunen eingreifen wollten. Das ist absoluter Nonsens, Frau Goldbach, ein solcher Nonsens.
Es geht um Gerechtigkeit in einer Kommune, und darüber sollten Sie einmal ein Wort verlieren.
Sie sollten eine Antwort auf die Frage haben, warum die Anlieger einer Nebenstraße, die eine Landesstraße oder eine Bundesstraße ist ebenso wie die Leute in Frankfurt und in Wiesbaden keine Straßenausbaubeiträge zahlen müssen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit? – Ihre Gerechtigkeit, wie Sie sie hier dargestellt haben, besteht darin, die Beiträge nach dem Motto „Das sollen die nicht alleine zahlen, es sollen alle in der Kommune zahlen“ umzuverteilen. Das ist nicht unser Verständnis von kommunaler Selbstverwaltung und von der Stärkung der Kommunen. Das will ich an dieser Stelle ausdrücklich noch einmal sagen.
Hören Sie endlich auf, die Mär zu verbreiten, wir würden in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen. Unser Modell sieht vor, dass es einen Sonderfonds in Höhe von 50 Millionen € gibt, bei dem jede Kommune in freier Entscheidung ihren Bedarf anmelden kann und auf diese Weise die Beiträge, die bisher gezahlt werden, entsprechend ausgeglichen werden. Das ist doch kein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, weil den Kommunen die Entscheidung verbleibt, ob es eine Grundsanierung gibt oder nicht. Die SPD-Fraktion sieht das in ihrer Initiative nicht anders. Bei allem Verständnis – –
Noch einmal: Hören Sie auf, hier solchen Unsinn zu erzählen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Für mich ist bei dem Stakkatobeitrag von Herrn Bauer ganz untergegangen,
dass er dafür geredet hat, dieses Instrument der Geschäftsordnung wieder anzuwenden,
welches Sie erstmals im Mai, ich glaube, nach 20 Jahren wieder angewandt haben, nämlich schon nach der ersten Lesung einen Gesetzentwurf abzulehnen und damit eine weitere parlamentarische Beratung zu verhindern. Ich finde es folglich außerordentlich, welches Demokratieverständnis Sie haben.
Auch wenn es nicht um unseren Gesetzentwurf als LINKE geht, sondern um den der SPD, käme ich nie auf die Idee und wäre auch nicht darauf gekommen, dass Sie dieses Instrument noch ein weiteres Mal anwenden wollen und anwenden werden.
Bitte schön, Sie haben die Mehrheit; Sie können hier nach Belieben Debatten verhindern. Ich kann Sie aber nur davor warnen, dieses Instrument der Geschäftsordnung tatsächlich anzuwenden, das mir bisher gar nicht bekannt war, weil es bis zum Mai 20 Jahre lang nicht angewandt wurde.
Nächster Punkt. Den Beitrag des Fraktionsvorsitzenden der CDU fand ich in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert.
Herr Boddenberg, mir ist aufgefallen, dass Sie in dieser Debatte die konkreten Probleme und Interessen der Betroffenen überhaupt nicht interessieren.
Dann fragen Sie doch einmal die Betroffenen,
wie die mit der Argumentation, mit den Forderungen, die die SPD sozusagen stellt, umgehen. Dazu haben Sie im Prinzip kein Wort verloren.
Wenn es in dieser Debatte konkret darum geht: „Schaffen wir die Straßenausbaubeiträge ab oder nicht?“, sagen Sie – Herr Bauer hat dies auch getan –: 3,9 Milliarden €. – Wir kennen das, als LINKE wird uns das immer wieder vorgehalten. Genauso bemerkenswert fand ich die Aussage des Innenministers. Herr Beuth, Sie brauchen sich wirklich keine Gedanken über die Programmatik der LINKEN zu machen, also wirklich nicht.
Ich will es Ihnen aber einmal erklären: Es geht uns nicht um die Entlastung der „Besitzenden“ – ich glaube, das ist Ihre Wortwahl gewesen – über Straßenausbaubeiträge. Ich greife jetzt nur eine einzige Person aus einer Kommune als Beispiel heraus, mit der ich selbst geredet habe. Es ist eine Frau, die gemeinsam mit ihrem Mann über 50 Jahre lang ihr Haus abgezahlt hat. Der Mann ist nunmehr verstorben. Sie ist 85 Jahre alt und bekommt nun einen Bescheid über Straßenausbaubeiträge in der Größenordnung von 22.900 €. Sie ist, wie gesagt, 85 Jahre alt und möchte ihr Haus schuldenfrei an ihre Kinder übergeben. Herr Beuth, was raten Sie dieser Frau, wie sie dies denn zustande bringen kann? – Das ist die soziale Frage, die wir hierin sehen.
Es sind keine Großkapitalisten, sondern es sind diejenigen, die ein Einfamilienhaus haben und dafür Straßenausbaubeiträge bezahlen müssen. Ich kann Ihnen dazu nur sagen: Unser Verständnis ist, die Reichen und Superreichen über eine Vermögensteuer tatsächlich einzubeziehen. Dann könnten wir das alles locker bezahlen, und das wissen Sie.
Herr Boddenberg, daher empfehle ich Ihnen an dieser Stelle nur einmal
die Lektüre unserer jährlichen Haushaltsbroschüre.
Ich empfehle Ihnen die Lektüre unserer jährlich herauskommenden Haushaltsbroschüre, wo wir all unsere Forderungen, die wir in Haushaltsanträgen stellen, beziffern und damit abgleichen, was dem Land Hessen jährlich in einer Größenordnung von 1,5 bis 2 Milliarden € entgeht, weil es keine Vermögensteuer mehr gibt – mit einem Freibetrag von 1 Million €. Alle Hausbesitzer wären also nach unseren Vorstellungen von einer Vermögensteuer überhaupt nicht betroffen,
sondern nur diejenigen, die darüber hinaus Vermögen haben. Herr Beuth und Herr Boddenberg, das ist Steuergerechtigkeit, so wie wir sie verstehen und für die ein Staat sowie wir alle Verantwortung haben.
Deswegen sagen wir noch einmal: Schaffen Sie endlich diese ungerechten Straßenausbaubeiträge ab.
Herr Präsident, wir schlagen vor, dass dieser Antrag morgen zum Abschluss des Plenums behandelt wird.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider war es mir nicht möglich, den Antrag der Koalitionsfraktionen durchzulesen, da dieser soeben erst eingereicht wurde. Ich gehe einmal davon aus, dass wir dem nicht zustimmen werden.
Vor fast fünf Jahren nahm die neue schwarz-grüne Landesregierung ihre Arbeit auf. Unter der Verantwortung einer neuen grünen Ministerin sollte das Thema Wohnen im
Umweltministerium untergebracht und – zumindest laut Ihrem Koalitionsvertrag – „angemessener und bezahlbarer Wohnraum für Familien und Alleinstehende in den Städten“ geschaffen werden.
Heute wissen wir anhand der von uns abgefragten Zahlen, dass dieses Vorhaben der schwarz-grünen Landesregierung kläglich gescheitert ist.
Mit Schwarz-Grün ging nämlich der Niedergang des sozialen Wohnungsbaus in Hessen nicht bloß weiter wie zuvor, nein, er nahm auch noch rasant an Fahrt zu. Allein in den ersten vier Jahren Ihrer Regierungszeit sind in Hessen 25 % aller Sozialwohnungen, die es am 31. Dezember 2013 noch gab, nicht mehr vorhanden. Gerade einmal knapp 85.000 solcher Wohnungen gibt es jetzt noch. Gleichzeitig wuchs die Zahl derjenigen Haushalte, die sich erfolglos für eine Sozialwohnung bewerben.
Waren es in den vergangenen Jahren konstant immer um die 45.000 Haushalte, waren es Ende 2017 bereits über 51.000. Die Zahl der Haushalte ist also um mehr als 10 % gestiegen.
Der Rückgang der Zahl der Sozialwohnungen und der gleichzeitige Anstieg der Zahl der anspruchsberechtigten Haushalte überrascht nicht, wenn man sich die Zahl der bewilligten neuen Wohnungen einmal genauer anschaut. Schon unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung wurden viel zu wenige Sozialwohnungen gebaut. Im Zeitraum von 2009 bis 2013 waren es insgesamt 3.464 Wohneinheiten. Im Durchschnitt der fünf Jahre waren es also magere 692 Wohnungen pro Jahr.
In der Amtszeit der grünen Wohnungsbauministerin Hinz sind es im Zeitraum von 2014 bis 2016 gerade einmal 1.061. Im Durchschnitt waren es also nur 353 Wohnungen pro Jahr. Zählt man die 582 neu gebauten Wohnungen aus dem Jahr 2017 hinzu, wobei die Hälfte über das KIP gefördert wurde, verbessert sich die Bilanz nur unwesentlich und bleibt immer noch weit hinter der vorangegangenen Wahlperiode zurück. Das also ist die Wahrheit der angeblichen Wohnraumoffensive von Schwarz-Grün, die nur in Ankündigungen und Sonntagsreden besteht.
Deshalb bezeichnen wir diese nun bald abgelaufene Legislaturperiode auch als verlorene Jahre in der Wohnungspolitik, die Familien mit kleinen und mittleren Einkommen leider ausbaden müssen.
In den Kommunen sieht es mit dem Bau von preiswerten Wohnungen nicht gut aus. Dort, wo kommunale Wohnungsbaugesellschaften tätig sind, haben sich diese vielerorts – wie z. B. die AGB in Frankfurt – auf die vorrangige Schaffung von Eigentumswohnungen oder von hochpreisigen Mietwohnungen konzentriert, und das ist ein schwerwiegender Fehler.
Ja, die Gewinne aus dieser Bautätigkeit tragen auch zur Sanierung städtischer Haushalte bei. Es darf doch aber nie und nimmer Ziel öffentlicher Wohnungsbaugesellschaften sein, die kommunalen Haushalte zu sanieren.
Deren Aufgabe, ja, deren Gründungsauftrag ist es doch, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, aber nichts anderes.
Es ist doch kein Grund zur Freude, wenn feierlich erklärt wird, dass man künftig zu 40 % preiswerten Wohnraum schaffen wolle. Vielmehr sage ich: Euer Auftrag ist es, zu 100 % sozialen Wohnraum zu erstellen. Deshalb unterstützen wir auch die Frankfurter Initiative für einen Bürgerentscheid.
Die Aufgabe der Landesregierung ist es, die Wohnungsbaugesellschaften und die Kommunen so auszustatten, dass keine weitere Haushaltssanierung auf Kosten der Mieterinnen und Mieter erfolgt. An dieser Stelle rächt sich übrigens, dass Schwarz-Grün den Wohnraumkoordinator gleich zu Beginn kalt geschasst hat.
Die halbherzige Wohnungspolitik zeigt sich auch daran, dass ein von Schwarz-Gelb in der vergangenen Legislaturperiode komplett in die falsche Richtung entwickeltes Wohnraumfördergesetz nur halbherzig verändert wurde. Anstatt die Eigentumsförderung als völlig verfehltes Element in diesem Gesetz zu streichen, die Bindungsfristen – so wie von vielen Seiten gefordert – wieder deutlich zu erhöhen und eine Art Vermittlungsgarantie für qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber auf eine Sozialwohnung festzuschreiben, beließ es Schwarz-Grün bei einer Gleichstellung von Eigentumsförderung und sozialem Wohnungsbau. Spätestens da war klar, dass die Wohnungspolitik zwar nun im Verantwortungsbereich einer grünen Ministerin liegt, diese aber die bisherige Politik ohne nennenswerte Änderungen fortführen wird.
Unser Entwurf eines Gesetzes gegen Zweckentfremdung und Leerstand wurde mehrheitlich abgelehnt – mit zum Teil haarsträubenden Gründen. Herr Caspar von der CDU warf uns seinerzeit in all seiner Verzweiflung vor, dass das Betretungsrecht für Wohnungsämter zur Überprüfung von Zweckentfremdung und Leerstand an die DDR erinnere und man somit unsere Gesinnung erkennen könne.
Wohlbemerkt: ein Paragraf, der 1 : 1 so im bayerischen Gesetz steht. Ähnliche Regelungen sind auch in anderen Bundesländern zu finden, meine Damen und Herren. – So viel zu dem Zwischenruf.
Wir brauchen aber in Hessen ein wirksames Gesetz, das ungerechtfertigte Zweckentfremdung und Leerstand bekämpft. Dies wäre ein wichtiger Baustein für eine gute Wohnungspolitik. Aber nichts passiert.
Ich möchte nicht verschweigen, dass diese Regierung die Fehlbelegungsabgabe wieder eingeführt hat – eine Maßnahme, die wir grundsätzlich unterstützen. Ihr Gesetz ist jedoch so gestrickt, dass es viel zu früh ansetzt und damit Haushalte betrifft, die vielleicht gerade so über der relevanten Einkommensgrenze liegen. Darüber hinaus sind die von Ihnen pro Quadratmeter auferlegten Abgaben für diese Familien zu hoch.
Unser Gesetzentwurf, an dessen Ausarbeitung Praktiker aus der kommunalen Wohnungswirtschaft beteiligt waren, war hingegen sozial ausgewogen.
In der Folgezeit nahmen dann die handwerklichen Fehler dieser Landesregierung zu. So wurde bei der Feststellung der Kommunen mit erhöhtem Wohnraumbedarf ein zu enger Maßstab angelegt. Viele Kommunen, in denen großer Wohnraummangel herrscht, wurden nicht aufgenommen. So zählen Städte wie Maintal oder Eschborn bis heute nicht dazu. Das ist mir unverständlich.
Ein weiterer großer Fehler war der Verkauf des Geländes des alten Polizeipräsidiums in Frankfurt. Während man die Kommunen in Hessen nun dazu bringen will, Flächen nur durch Konzeptvergabe zu veräußern, ging das Land mit schlechtem Beispiel voran und handelte wie ein Spekulant, der seine eigenen Grundstücke meistbietend verhökert.
Selbst wenn nun aufgrund des Drucks der Öffentlichkeit ein Teil des Verkaufserlöses für preiswerte Wohnungen eingesetzt werden soll, bleibt die Verdrängung von Familien mit geringem Einkommen aus der Innenstadt zurück.
Ich sage Ihnen aber: Die Stadt gehört allen. Machen Sie mit der Verdrängung aus den Innenstädten endlich Schluss.
Der negative Höhepunkt der schwarz-grünen Wohnungspolitik ist jedoch die sogenannte hessische Mietpreisbremse. Die auch auf Bundesebene schlecht konstruierte, dennoch wichtige Maßnahme wurde im vergangenen Jahr vom Amtsgericht Frankfurt förmlich für rechtsunwirksam erklärt, weil im Umweltministerium ein Formfehler begangen wurde. Das bestreitet Ministerin Hinz aber bis heute. Deshalb können derzeit in Hessen alle Mieterinnen und Mieter nicht gegen Mietwucher erfolgreich klagen. Frau Ministerin, diese Angelegenheit muss schnellstens bereinigt werden – schnellstens, sage ich.
Meine Damen und Herren, wir haben unsere zentralen Forderungen – –
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir haben unsere zentralen Forderungen in dem vorliegenden Antrag zusammengefasst. Dies zeigt auch die bisherigen Versäumnisse und Fehler der schwarz-grünen Regierung auf. Konsequentes Handeln der Landesregierung zum Bau von jährlich mindestens 10.000 Sozialwohnungen und 2.000 Wohnungen für Studierende ist eine zentrale Aufgabe und muss mit Nachdruck verfolgt werden. Dafür setzen wir uns weiterhin ein.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrte Damen und Herren! Ich will durchaus mit Blick auf den Beitrag des Kollegen Wagner sagen: Ich stimme mit Ihnen überein, dass das Problem mit dem Abbau der Zahl der Sozialwohnungen kein spezifisch hessisches, sondern ein bundesweites ist; das ist richtig.
Die Frage ist aber, was die Länder in ihren eigenen Kompetenzen dem entgegensetzen. Darüber sind wir sehr wohl im Streit.
Herr Wagner, ich will Ihnen sagen – da bin ich durchaus mit dem Präsidenten des Deutschen Mieterbundes einig –, was das Hauptübel war. Das liegt in der Vergangenheit, im Jahr 1990, als von einer von CDU und FDP geführten Bundesregierung den Wohnungsbaugesellschaften die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde.
Da fing das Übel an. Ab diesem Zeitpunkt ist das passiert, was nicht hätte passieren dürfen, nämlich dass sich alle öffentlichen, kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sozusagen wie Privateigentümer bzw. wie private Bauherren darangemacht haben, nicht mehr den Blick auf den sozialen und auf den preiswerten Wohnungsbau zu richten, sondern Eigentumswohnung und vieles mehr zu bauen.
Da ich vor einiger Zeit auf der Homepage der Nassauischen Heimstätte eine Annonce mit Foto und der Überschrift „Eigentumswohnung – Wohnen am Wasser in Frankfurt für 495.000 €“ gefunden habe, sage ich: Das ist nicht Aufgabe einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft.
Deswegen sind wir diejenigen, die immer wieder ganz klar und konsequent darauf hinweisen, was der Gründungsauftrag dieser Gesellschaften ist und was auch unser gemeinsamer Auftrag sein sollte. Wir werden sie immer wieder daran erinnern, dass sozialer Wohnungsbau und der Bau von preiswerten Wohnungen d i e Aufgabe ist.
Deswegen sage ich nach wie vor: Sie haben sich nicht nur zu 40 % oder 50 %, sondern zu 100 % dieser Aufgabe zu widmen. Das ist entscheidend.
Was Herr Caspar gesagt hat und was in Ihrem Antrag steht, finde ich auch bemerkenswert. Sowohl Herr Caspar als auch im Übrigen die Ministerin belegen die Zahlen, die sie in den Raum werfen, nicht. Woher haben Sie das? Wo steht das? Wo ist das nachzulesen? Was ist die Grundlage?
Ich hingegen sage: Alle Zahlen, die ich heute vorgelegt habe, was den Bau von Sozialwohnungen in dieser Legislaturperiode angeht, sind in den jeweiligen Jahresberichten der WIBank nachzulesen. Da können Sie das 1 : 1 nachlesen.
Aber wenn die Frau Ministerin sagt: „Wir haben 4.700 Wohnungen fertiggestellt“, weiß ich nicht, welche Wohnungen das sind. Ist das sozialer Wohnungsbau? Was ist denn das? Wo kommt denn das her?
Wahrscheinlich sind auch Eigentumswohnungen am Wasser dabei; das kann sehr wohl sein. – Aber es wird nicht belegt, und es wird auch kein Zeitraum genannt. Ich wüsste gern: Von wann bis wann? Wo steht das?
Mit Blick auf den Kauf von Belegungsrechten haben Sie, Frau Ministerin, von 2.300 Wohneinheiten gesprochen. Ich sage Ihnen etwas zum Kauf von Belegungsrechten: Dadurch wird keine einzige Wohnung geschaffen.
Das ist im Prinzip eine Prämie für die Wohnungsbaugesellschaft nach dem Wegfall der Sozialbindung. Dann bekommt sie zusätzliche Fördermittel, damit dieses Auslaufen verhindert wird.
Das ist der Ankauf von Belegungsrechten.
Nein, ich habe noch 42 Sekunden Redezeit. Da bitte ich um Verständnis.
Sie können sehr wohl sagen, dass Sie da etwas gesichert haben. Aber perspektivisch, was den Bestand von Sozialwohnungen angeht, ist das nicht förderlich. Das ist letztlich der Tatsache geschuldet, dass Sie in den letzten Jahren immer wieder die Bindungsfristen reduziert haben. Wenn die Sozialbindung nach zehn Jahren ausläuft, kommt das Problem mit der Förderung nochmals auf uns zu.
Dann wird dieselbe Wohnung zweimal gefördert. Das ist nicht Sache der öffentlichen Hand. Deshalb sagen wir auch: Schauen Sie nach Wien.
Schauen Sie nach Österreich. Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung – das ist der richtige Weg. Ihn müssen wir gehen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Fraktion hat beantragt, dass das hier beraten wird. Die Geschäftsordnung sieht nach § 28 Abs. 1 vor, dass es in diesem Fall auf die Tagesordnung der nächsten Plenarsitzungswoche gesetzt wird.
Gleichzeitig haben wir eine Kleine Anfrage zum selben Thema – dieses Logistikzentrum – eingereicht, die heute als noch nicht beantwortbar bezeichnet wurde. Wir möchten gerne, dass diese Diskussion entsprechend der Geschäftsordnung in der nächsten Plenarwoche erfolgt, in der Hoffnung, dass dann auch die von uns gestellte Kleine Anfrage beantwortet ist, auf die wir natürlich inhaltlich Bezug nehmen wollen. Was gerade vonseiten der CDU-Fraktion vorgeschlagen wird, ist eine Regelung, die nicht im Einklang mit der Geschäftsordnung des Hessischen Landtags steht. Darauf will ich ausdrücklich hinweisen.
Deshalb beantragen wir, nach der Geschäftsordnung zu verfahren: Es kommt jetzt auf die Tagesordnung, das haben wir selbstverständlich beschlossen, und wird in der nächsten Plenarsitzung beraten.
Ich habe das ja nicht mitten in der Regierungserklärung angesprochen.
Herr Präsident, vielen Dank für die Interpretation der Geschäftsordnung. In der Tat kann man trefflich darüber streiten. Wir sind davon ausgegangen – deswegen wiederhole ich das –, dass dieser Tagesordnungspunkt nach § 28 Abs. 1 in dieser Plenarwoche nicht mehr behandelt werden kann. Sie haben dem widersprochen.
Herr Präsident, ich stelle einen Antrag auf Vertagung, und zwar nochmals mit dem Hinweis darauf, dass in dieser Angelegenheit eine Kleine Anfrage der Abg. Schott unserer Fraktion vorliegt, Drucks. 19/6599. Sie ist vom 4. Juli dieses Jahres und bisher noch nicht beantwortet worden. Soweit ich informiert bin, ist heute ein Fristverlängerungshinweis eingegangen. Es ist uns schlichtweg nicht möglich und es wäre auch parlamentarisch gesehen ein Unding, wenn heute die Mehrheit eine Debatte erzwingen würde, wo wir noch nicht einmal eine Antwort des Ministeriums auf die inhaltlichen Fragen dazu erhalten haben. Das muss doch wohl gewährleistet werden. Ich bin sehr damit einverstanden, dass das am Donnerstag beraten und beschlossen werden kann, wenn die Antworten bis Donnerstag vorliegen. Aber auf dieser Rechtsgrundlage beantrage ich in der Tat eine Vertagung in die nächste Plenarwoche.
Herr Präsident, Ihre Auslegung haben Sie ja vorhin mitgeteilt. Wir haben in der Tat eine andere Rechtsauffassung. Deshalb beantrage ich die Unterbrechung der Sitzung und die Einberufung des Ältestenrats in dieser Frage
nach der Debatte zur Regierungserklärung.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! 2013 wurde das Bundesgesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung beschlossen. Es sieht vor, dass die Länder ihren Kompetenzbereich anpassen und die Bundesgesetze übernehmen, um die Verwaltung in Deutschland insgesamt zukunftsfähig zu machen.
Der vorliegende Gesetzentwurf ist nicht nur auf den letzten Drücker angefertigt worden – das haben meine Vorredner schon gesagt –, sondern lässt auch alles vermissen, was ein zukunftsfähiges Gesetz beinhalten muss. So stellte der Hessische Landkreistag in der Anhörung fest, dass dieses Gesetz „lediglich der rechtliche Rahmen“ sei, der noch durch Rechtsverordnungen ausgefüllt werden muss. Wie
die rechtlichen Normen aussehen und wann solche Normen eingeführt werden, steht aber in den Sternen. Wenn ich mir den bisherigen Arbeitseifer bei dem Thema E-Government anschaue, kann ich mir vorstellen, dass die notwendigen Verordnungen wieder sehr lange brauchen werden.
Bei der elektronischen Aktenführung fordert nicht nur der Hessische Landkreistag finanzielle Unterstützung durch Bund und Land, auch der Hessische Städtetag vertritt diese Ansicht und betont die Relevanz von – Zitat – „frühzeitigen Gesprächen mit den Kommunalen Spitzenverbänden“. Denn es ist, anders als Sie es beschreiben, mit starken Anpassungsinvestitionen zu rechnen, insbesondere in den Kommunen. Wesentliche Anregungen vonseiten der Kommunen haben aber keine Beachtung in Ihrem Gesetz gefunden.
Meine Damen und Herren, das ist einfach schlampige Regierungsarbeit.
Die Kommunen wurden nicht ausreichend in die Gestaltung dieses Gesetzentwurfs einbezogen, obwohl der eigentliche Verwaltungsaufwand klar bei ihnen liegt. Denn innerhalb der kommunalen Verwaltungsstruktur werden 80 von 100 Daten dort erhoben und verarbeitet.
Herr Ministerpräsident, Sie haben uns in der letzten Plenarsitzung noch von den großen Errungenschaften der Verwaltung im elektronisch-digitalen Bereich erzählt. Kollege Eckert hat auch darauf hingewiesen. Doch wie uns in der Anhörung im Innenausschuss von den Experten bestätigt wurde, ist an der angeblichen Vorreiterrolle Hessens nicht viel dran. Sie haben zugeschaut, während Bayern, Hamburg und Nordrhein-Westfalen mit zukunftsfähigen Reformen an uns vorbeigezogen sind. Das haben Sie sich ganz alleine zuzuschreiben.
Dass Sie uns jetzt kurz vor der Wahl ein schwaches und äußerst weich formuliertes Gesetz vorlegen, ist nicht nur enttäuschend, sondern verfehlt auch den Anspruch, den die Wählerinnen und Wähler an eine zukunftsgerichtete Regelung haben.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten mehr an Lösungen. Sie erwarten im Umgang mit Verwaltungsbehörden schnelle, flexible und an die Bedürfnisse der Betroffenen angepasste Lösungen. Dies steht mit Ihrem Vorhaben allerdings nicht in Übereinstimmung. Hierzu gibt es etliche Beispiele aus den Modellkommunen, die trotz zukunftsweisender Ideen leider nicht in das Gesetz aufgenommen wurden. Bezahlplattformen, Kitaplatz-Vergabemanagement und die Online-Behördenterminvergabe sind Projekte der Zukunft, die dennoch nicht aufgenommen wurden. – Ich frage: warum?
Wie die Studie „Digital 21“ aufgezeigt hat, gehen derzeit sowohl die Zufriedenheit als auch die Nutzung von elektronischen Verwaltungsmöglichkeiten zurück. Während Sie hier über die elektronische Verwaltung reden, sind die Bürgerinnen und Bürger unzufrieden und erwarten bessere Lösungen.
Dass nur die Landesbehörden zur elektronischen Aktenführung verpflichtet werden sollen, widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern auch der Zielsetzung im Bund. Diese sieht nämlich vor, dass Bund, Län
der und Kommunen ihr Know-how teilen, um ihnen das Denken in Prozessketten zu ermöglichen. Ich zitiere den Anspruch, der sich aus dem Bundesgesetz ergibt:
Ziele der Bundesregierung sind effiziente elektronische Verwaltungsarbeit im Bund … und – zusammen mit Ländern und Kommunen – einfache, schnelle, weil über die Ebenen hinweg elektronische staatliche Dienstleistungen.
So weit das Zitat. – Doch um eine effiziente und sinnvolle elektronische Datenverarbeitung zu ermöglichen, müssten die Kommunen die Daten erst einmal elektronisch erheben. Wie wollen Sie bitte der Öffentlichkeit erklären, dass Sie den wichtigsten Teil der Verwaltung bei Ihrer Ausarbeitung außen vor lassen? Hier sind andere Bundesländer viel weiter.
Meine Damen und Herren von Schwarz-Grün, Sie verhindern somit eine harmonisierte Gesetzgebung und damit den bundesweit anzupassenden Datenaustausch. Das ist nämlich Bestandteil dieses Gesetzes.
Es fällt ferner auf, dass nicht alle bundesrechtlichen E-Government-Normen für das Landesrecht übernommen werden.
Auch das ist ein Zitat – so zu lesen im Einschätzungsbericht des Nationalen E-Government-Kompetenzzentrums. Die Norm, aufgrund derer die Landesbehörden elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe zu dokumentieren, zu analysieren und zu operieren haben, ist eben nicht vorhanden. Wie aber sollen Verfahren optimiert werden, wenn Sie nicht einmal eine Datenerfassung beschließen? Auch das hat Kollege Eckert schon ausgeführt. Andere Bundesländer – wie Nordrhein-Westfalen, Thüringen und Bayern – verfügen schon längst über ein E-Government-Gesetz und haben dies auch mit einer ausdrücklichen Umsetzungsfrist verankert. Die Fixierung Ihres Gesetzentwurfs auf Landesbehörden ist nicht förderlich, zumal Sie dort sogar wichtige Bereiche ausgelassen haben.
Doch nicht nur die Rahmenbedingungen für die Verwaltung sind verbesserungswürdig. Auch die Rechte jeder Bürgerin, jedes Bürgers und jedes Unternehmens müssten in diesem Gesetz festgeschrieben werden. Das tun Sie aber nicht. Die erhobenen Daten von Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen müssen nicht nur im Hinblick auf die Datenschutz-Grundverordnung gesehen werden, sondern es bedarf einer weiteren Möglichkeit der Offenlegung gegenüber den Betroffenen. Aber davon ist nichts zu lesen.
Ebenso wäre auch eine gesetzlich vorgeschriebene Verschlüsselung von Dokumenten, die zwischen Landes- und Kommunalverwaltung hin- und hergeschickt werden, von äußerster Dringlichkeit. Es kann doch nicht sein, dass in Zeiten der ausgedehnten Cyberkriminalität wichtige Dokumente unverschlüsselt verschickt werden.
Der Verweis auf die verschlüsselte De-Mail ist unzureichend, da nach Ihrem Gesetzentwurf nur Landesbehörden verpflichtet sind, die De-Mail zu nutzen. All diese Unzulänglichkeiten haben aber ihren Ursprung in dem Versuch der Verhinderung von kommunalen Konnexitätsansprüchen. Genau das ist der rote Faden, der sich durch das ganze Gesetz zieht. Denn einerseits verpflichten Sie die Kommunen, das Bundesrecht anzuwenden – Sie greifen also durch –, um andererseits keine Bereitschaft bei der Finanzierung der enormen Kosten zuzugestehen. Die Kommu
nen brauchen aber das Geld, die Zusammenarbeit und die technische Unterstützung des Landes. Sonst kommen wir da insgesamt nicht weiter.
Mein Fazit: Die Modellkommunen, die bereits 2014 vom Bund ausgewählt wurden, haben als größte Digitalisierungsherausforderung die mangelhafte Unterstützung von Bund und Ländern beklagt. Die Lehre, die Sie offensichtlich aus dieser Entwicklung gezogen haben, ist, die hessischen Kommunen gar nicht erst intensiv in den Gesetzesprozess mit einzubeziehen. Weiterhin brauchen Bürgerinnen und Bürger mehr rechtliche Kompetenzen zur Einflussnahme auf ihre Daten und Einsicht auf Anfrage. Es fehlt weder an Ideen noch an Beispielen oder technischen Möglichkeiten, sondern nur am politischen Willen der Landesregierung und von Schwarz-Grün zur Durchsetzung von zukunftsweisender Technik in der Verwaltung.
Beziehen Sie also die betroffenen Behörden endlich mit ein, und entscheiden Sie nicht über deren Köpfe hinweg.
Die Kommunen brauchen finanzielle Unterstützung bei der Umsetzung der rechtlichen Rahmenbedingungen, die diesen Namen dann auch verdienen. Hessen wird mit diesem Gesetz ins digitale Abseits gestellt. Deshalb werden wir es ablehnen.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will begründen, weshalb wir es für notwendig halten,
das hier und heute zu diskutieren. Die Pressefreiheit ist ein wichtiges Grundrecht und wird auch zu Recht in vielen Diskussionen im Hessischen Landtag immer wieder beschworen. Wenn sie woanders verletzt wird, ist auch die Landesregierung zu Recht an erster Stelle dabei, das anzuprangern. Da sind wir uns alle einig.
Ich will deutlich machen, dass in der Situation, in der wir jetzt sind, also in einer Situation vor der Landtagswahl – –
Das hat sehr wohl etwas mit Pressefreiheit zu tun, weil man unterscheiden muss, ob sich ein CDU-Landesvorsitzender Bouffier weigert, einzelnen renommierten Tageszeitungen wie der „Frankfurter Rundschau“ ein Interview zu geben, oder ob der Ministerpräsident – –
Es geht darum, ob der Ministerpräsident ein Interview verweigert. Das geht uns hier im Landtag an. Das ist eine ganz andere Situation.
Deshalb ist es notwendig und wichtig, dass wir als Kontrollorgan der Landesregierung – dazu gehören Sie übrigens auch, Herr Boddenberg – jetzt zügig diskutieren in der Hoffnung, dass das abgestellt wird.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Als im November 2011 bekannt wurde, dass die CeskaMordserie und der Mord an Halit Yozgat von Neonazis verübt wurden, haben die Bundesregierung und auch wir alle im Hessischen Landtag lückenlose Aufklärung versprochen. Alle Hintergründe und eventuelles Behördenversagen zum NSU-Komplex sollten aufgedeckt werden. Doch dieses Versprechen wurde nicht eingelöst.
Aber weil die Behörden – auch in Hessen – im Kampf gegen rechts versagt haben und insbesondere Volker Bouffier als damaliger Innenminister eine hohe politische und persönliche Mitverantwortung trägt, sollte der NSU-Skandal möglichst vertuscht werden. Schon bevor der Untersuchungsausschuss im Mai 2014 nur mit den Stimmen von SPD und LINKEN eingesetzt wurde, standen gravierende Vorwürfe im Raum:
Der Geheimdienstler Andreas Temme war beim NSUMord in Kassel unmittelbar am Tatort. Er hatte sich aber nicht als Zeuge gemeldet, Kollegen belogen und behauptet, er kenne den Tatort und das Opfer nicht. Zudem hat er zahlreiche Dienstvergehen begangen.
Die hessische Polizei warf dem Geheimdienst sogar vor, Temme vor den Ermittlungen zu schützen. Von einer Unterstützungshaltung des Landesamts für Verfassungsschutz war die Rede. Die Ermittler wollten Temmes V-Leute vernehmen, aber der Geheimdienst verweigerte dies. Selbst der bayerische Innenminister Beckstein intervenierte vergeblich bei Bouffier. Aber Volker Bouffier, der das Parlament über all diese Vorgänge nicht informierte, verfügte am Ende höchstpersönlich, alle V-Leute zu sperren, und behinderte so die Mordaufklärung.
Insbesondere Volker Bouffier wies jeden Fehler und jede Verantwortung von sich und sagte vor dem BundestagsUntersuchungsausschuss 2012: Wir haben keine Fehler gemacht.
Die Entscheidung war richtig, auch aus heutiger Sicht. Ich kenne niemanden, der ernsthaft bestreitet, dass das anders wäre.
Doch, Herr Ministerpräsident. Ich bestreite das mit Vehemenz.
Im Abschlussbericht des 1. NSU-Untersuchungsausschusses des Bundestages, der im Gegensatz zum hessischen Bericht einstimmig beschlossen wurde, heißt es zur Sperrung der V-Leute:
Die Polizei sah ihre Ermittlungen dadurch zu Recht massiv beeinträchtigt. … Die Entscheidung in diesem besonderen Fall traf ein halbes Jahr nach der Tat im Oktober 2006 der damalige Innenminister von Hessen, Volker Bouffier.
Welch gravierende Vorwürfe gegen den ehemaligen Innenminister, er habe die Ermittlungen massiv beeinträchtigt. Dem müsste ein Parlament, dessen Aufgabe es ist, die Regierung zu kontrollieren, eigentlich unverzüglich nachgehen.
Ein Untersuchungsausschuss ist laut Verfassung ein Instrument zur Kontrolle der Regierung. Mit der Beantragung des hessischen NSU-Untersuchungsausschusses und der intensiven Arbeit über einen Zeitraum von vier Jahren hat DIE LINKE versucht, unter schwierigsten Bedingungen unser 2012 gemeinsam gegebenes Aufklärungsversprechen tatsächlich einzulösen. Wir sagen: Die NSU-Opfer, deren Angehörige und die Öffentlichkeit hatten ein Recht darauf.
2.000 Akten, über 100 Zeugenvernehmungen und 7.000 Protokollseiten später gilt es heute festzustellen: Wir haben einiges erreicht, aber vieles bleibt weiterhin im Dunkeln.
Zunächst möchte ich mich aber bei den unzähligen Besuchern und Gästen des NSU-Ausschusses, bei den NSU-Opferanwälten, bei den vielen Sachverständigen, darunter auch den NSU-Obleuten aller Fraktionen im Deutschen Bundestag, bei den ehrenamtlichen Initiativen, z. B. bei „NSU-Watch“, bei der „Initiative 6. April“ und bei „Nachgefragt“, bei zahlreichen Journalistinnen und Journalisten, bei der Landespresse sowie bei allen beteiligten Mitarbei
terinnen und Mitarbeitern für ihr großes Interesse und ihr Durchhaltevermögen bedanken.
Ohne diese Begleitung, ohne die zahlreichen Veröffentlichungen und ohne öffentlichen Druck wäre eine Aufklärung so nicht möglich gewesen. Und: Öffentlichen Druck brauchen wir auch weiterhin.
Auch bei der SPD-Fraktion möchte ich mich bedanken – trotz unterschiedlicher Auffassung in manchen Punkten –; denn als LINKE hätten wir allein weder den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses noch Beweisanträge durchbekommen. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses braucht man bekanntlich 20 % der Stimmen.
Wir haben als LINKE ein 250-seitiges Sondervotum vorgelegt. Das Sondervotum war nötig, weil wir sowohl mit der Sachdarstellung als auch mit dem Fazit der Regierungsfraktionen an vielen Stellen überhaupt nicht einverstanden sind. Schon bei der ersten Lesung des Entwurfs des Berichterstatters machten wir an 242 Stellen Anmerkungen.
CDU und GRÜNE haben von Beginn an gemeinschaftlich ihre Verfahrensmehrheit dazu missbraucht, so viel wie möglich zu blockieren. Der Ausschussvorsitz ging – wie immer – an die CDU.
Die Akten, die uns über die Staatskanzlei zugestellt wurden, kamen erst gar nicht, dann mit unzähligen Fehlblättern sowie Schwärzungen und als „geheim“ eingestuft. Auch die Geheimakten waren geschwärzt. Das heißt, man kann sie erstens nicht richtig lesen und darf zweitens nicht öffentlich darüber sprechen. Etwa 30 % aller Akten waren von Schwärzungen, Lücken und Geheimhaltungen betroffen. Versuchen Sie einmal, ein Buch zu lesen, in dem durchgängig zahlreiche Seiten fehlen und die spannendsten Stellen auch noch geschwärzt sind.
Das Amt des Berichterstatters, also desjenigen, der den Abschlussbericht verantwortet, wurde mit Jürgen Frömmrich von den GRÜNEN besetzt. Er durfte am Ende, nach vier Jahren versuchter Blockade durch CDU und GRÜNE, feststellen, was der Ausschuss angeblich herausgefunden hat und was nicht.
Immerhin, das muss man dem Bericht von Jürgen Frömmrich lassen, wird zumindest die desaströse Rolle von Andreas Temme und des Landesamts für Verfassungsschutz nicht weiter geleugnet. Es werden erstmals Fehler eingestanden. Es wird sogar eingestanden, dass Hinweisen auf Rechtsterror und den NSU nicht nachgegangen wurde und dass Akten fehlen. All das war aber nicht mehr zu leugnen, weil SPD und LINKE es im Ausschuss herausgearbeitet hatten.
Dazu gehört auch, dass dem hessischen Untersuchungsausschuss – wie auch dem Untersuchungsausschuss im Deutschen Bundestag – entscheidende Dokumente und Akten vorenthalten wurden. Hierzu einige Beispiele:
Erstens die Vermerke zum Disziplinarverfahren gegen Temme. Sie belasten Temme und Volker Bouffier. Das ist in unserem Sondervotum nachzulesen.
Zweitens der für 120 Jahre geheime NSU-Prüfbericht des Verfassungsschutzes. Er wurde jahrelang verschwiegen und auch dem Bundestag nicht übermittelt. Er benennt gravierende Versäumnisse im NSU-Komplex in Hessen: Mas
senhaft sei Hinweisen auf Waffen- und Sprengstoffbesitz nicht nachgegangen worden, ebenso auch nicht den Hinweisen auf „allgemeinen Rechtsterror“ und auf NSU-Bezüge. 541 Aktenstücke gingen verloren. Wichtige Akten wurden auch in Hessen geschreddert.
All dies wurde lange verschwiegen – und noch dazu für 120 Jahre zur Geheimsache erklärt.
Hinzu kommt, dass die Quellenabfrage, mit der wir belegen können, dass Andreas Temme und das Landesamt für Verfassungsschutz schon vor dem NSU-Mord in Kassel dienstlich mit der Ceska-Serie befasst waren, erst nachträglich aufgrund unseres expliziten Antrags geliefert wurde. Das ist eine ganz gravierende Tatsache; denn genau das wurde der Polizei, dem Bundestag und dem Landtag gegenüber immer geleugnet und das Dokument genau deshalb zurückgehalten. Auch das ist in unserem Sondervotum nachzulesen.
All dies mussten wir eigenständig durch Zeugenaussagen herausarbeiten, um die Landesregierung zur Herausgabe dieser Akten explizit auffordern zu können, obwohl sie längst hätten geliefert werden müssen.
Ebenso mühsam und aufwendig war der Kampf hinter den Kulissen zur teilweisen Herabstufung von Geheimpapieren, um sie für die Öffentlichkeit freizugeben. Dies sagt selbst der NSU-Ausschuss des Deutschen Bundestages – Zitat –:
Gerade auch vor diesem Hintergrund sieht der 3. Untersuchungsausschuss der 18. Wahlperiode in der lückenhaften Aktenvorlage des Landes Hessen eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Aufklärungsarbeit.
Der Vorsitzende des NSU-Ausschusses im Bundestag war übrigens der CDU-Abgeordnete Binninger.
Nein, Herr Bellino, nein, Herr Hahn, die einzige Verschwörungstheorie, die wir nachweisen konnten, ist, dass der Verfassungsschutz angeblich die Verfassung schützt.