Protocol of the Session on March 22, 2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Wir haben noch einige offene Punkte: 4, 11 bis 38, 42, 43, 45, 53 bis 58 und 61.

Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe, wir verstehen hier oben unser eigenes Wort nicht – betreffend Wohnrauminvestitionsprogrammgesetz setzt positiven Kurs für mehr bezahlbaren Wohnraum fort, Drucks. 19/6194. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 62 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 4 zu diesem Thema aufgerufen werden.

Zum Ablauf der Sitzung. Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr – wenn Sie es wünschen – bei einer Mittagspause von einer Stunde. Wir beginnen mit den Aktuellen Stunden. Nach Tagesordnungspunkt 57 wird der Tagesordnungspunkt 15, ein Entschließungsantrag zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt.

Entschuldigt fehlen heute ab 12:30 Uhr Herr Ministerpräsident Volker Bouffier, Frau Staatsministerin Lucia Puttrich ganztägig, ab 15 Uhr Herr Staatsminister Tarek Al-Wazir und ab 17 Uhr Frau Staatsministerin Priska Hinz. Entschuldigt wegen Erkrankung sind Frau Abg. Angela Dorn und Frau Abg. Angelika Löber. Gibt es weitere Entschuldigungen? – Nein, es will sich keiner mehr entschuldigen. Dann halten wir das so fest.

In der Mittagspause der Plenarsitzung kommt der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu einer Sitzung im Sitzungsraum 204 M zusammen. Heute Abend, im Anschluss an die Plenarsitzung, tagt der Untersuchungsausschuss 19/2 im Sitzungsraum 301 P.

Wir haben heute noch einen Geburtstag: Unser Kollege Klaus Peter Möller kann heute seinen Geburtstag feiern. Lieber Klaus Peter, alles Gute, Glück auf.

(Allgemeiner Beifall)

Hier kommt ein kleines Präsent für dich, das von Frau Abg. Müller überreicht wird.

(Schriftführerin Abg. Karin Müller (Kassel) überreicht ein Weinpräsent.)

Das waren die amtlichen Mitteilungen.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 53 auf:

Antrag der Fraktion der FDP betreffend eine Aktuelle Stunde (Durchsuchungen bei Osmanen Germania sind ein erster Schritt – Landesregierung muss offen gegen Einflussnahme aus dem Ausland vorgehen) – Drucks. 19/6181 –

Es beginnt der Kollege Wolfgang Greilich, FDP. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei einer bundesweiten Razzia gegen die Rockergruppe Osmanen Germania wurden am Dienstagmorgen vergangener Woche auch Räume in Hessen durchsucht, und zwar zehn Objekte in West-, Süd- und Südosthessen. Rund 120 Polizisten, darunter Spezialkräfte, waren nach Angaben von Innenminister Peter Beuth in Hessen beteiligt.

Nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums steht die Rockergruppe in Verbindung mit der türkischen Regierungspartei AKP und mit dem Umfeld des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Danach vertritt die Gruppierung türkisch-nationalistische und rechtsextremistische Positionen.

Wir haben das zum Anlass dieser Aktuellen Stunde genommen und den Titel für unseren Antrag gewählt: „Durchsuchungen bei Osmanen Germania sind ein erster Schritt – Landesregierung muss offen gegen Einflussnahme aus dem Ausland vorgehen“.

(Beifall bei der FDP)

Zu diesem Fragenkomplex hatten wir den hessischen Innenminister befragt. Die Antwort des Innenministers kam wenige Tage vor der Razzia. Sie trägt die Drucksachennummer 19/5783. Wir haben unter anderem gefragt, ob der Landesregierung Informationen über ein Netzwerk vorliegen, dem neben der UETD und den offensichtlich als gefährlich eingeschätzten Osmanen Germania auch die türkische Regierungspartei AKP, der türkische Geheimdienst MIT, die islamische Gemeinschaft Milli Görüs, Salafisten und Islamisten angehören sollen.

Der Minister hat darauf geantwortet, dass es zwar Hinweise auf konspirative Treffen zwischen Mitarbeitern des türkischen Geheimdienstes MIT und hochrangigen Mitgliedern der Gruppierung Osmanen Germania BC gegeben habe, ein diesbezügliches Ermittlungsverfahren aber in der Zwischenzeit eingestellt worden sei. Herr Minister, die Antwort verwundert mich.

Wie wir aus ganz offenen Quellen – nämlich Zeitungs- und Fernsehberichten – wissen, ist das ganz anders. Schon im April 2016 flog der Weltpräsident der Osmanen, Mehmet Bagci, in die Türkei, um, wie es heißt, den türkischen Staat um finanzielle Hilfe zu bitten. Laut denselben Berichten brüstete er sich in einem Telefonat am 27. April 2016 seiner – wie wörtlich zitiert wird – „sehr guten Kontakte“ zum türkischen Geheimdienst MIT und kündigte an, das „PKK-Ding“ in Stuttgart zu regeln. Dabei ging es um die Demo am 10. April 2016 in Stuttgart mit einem stundenlangen Kampf zwischen Kurden und Türken mit mehr als 50 verletzten Beamten.

In einem Telefonat vom 1. Juni 2016 wird berichtet, dass sich eben dieser Bagci mit Metin Külünk, einem AKP-Abgeordneten, dem Beauftragten für im Ausland lebende Türken, getroffen und Geld erhalten habe. Genauso war in den Zeitungen zu lesen, dass Bagci und seine Osmanen in Kutten zur Kundgebung vor das Brandenburger Tor gezogen seien und dafür, wie es heißt, mit hoher Wahrscheinlichkeit zwei Briefumschläge mit Geld erhielten.

Herr Innenminister, wie Sie wissen, könnte ich das fortsetzen, aber ich will noch einen anderen Punkt ansprechen. Auf unsere Frage 10 antworteten Sie:

Erkenntnisse, dass der Osmanen Germania BC mithilfe eines Netzwerks von Mitarbeitern des MIT und Politikern der AKP mit Schusswaffen versorgt werden sollte, liegen nicht vor.

Aus Zeitungsberichten wissen wir, dass Ermittler schon im April 2016 notierten, dass die Osmanen über Yilmaz Ilkay Arin, den früheren Vorsitzenden des größten UETD-Verbands Rhein-Neckar, und den bereits genannten AKP-Abgeordneten Külünk 20.000 € erhielten, um dafür Schusswaffen zu kaufen.

Folgerichtig und zum Glück fing die hessische Polizei kurz danach einen Waffentransport ab und beschlagnahmte eine Maschinenpistole vom Typ Skorpion. Nach dem Ergebnis dieser Ermittlungen wurde der Kreis zwischen AKP, UETD, Osmanen und MIT geschlossen. Herr Minister, Ihre Antwort auf unsere Fragen ist demnach – vorsichtig ausgedrückt – allenfalls nah an der Wahrheit, aber nicht wahr im Sinne von vollständig.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Sie verdecken mit dieser Antwort die sich auch bei den hessischen Sicherheitsbehörden aufdrängende Vermutung, dass insbesondere von bundesweit zuständigen zentralen Stellen versucht wird, die tatsächlich bestehenden Verquickungen aus nur zu vermutenden Gründen aus der öffentlichen Wahrnehmung herauszuhalten. Herr Minister, diese Verhaltensweisen können von Ihnen, sie können von Hessen, und sie können im Übrigen auch von Deutschland nicht akzeptiert werden.

(Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich zum Schluss einige Sätze aus den „Stuttgarter Nachrichten“ vom 14. Dezember 2017 vortragen. Es heißt dort – das sagt ein Teilnehmer aus Hessen an einem Treffen –:

Von den Bundesbehörden kam nichts, was wir nicht schon selbst wussten. Das war wie im Fall von Anis Amri: Richtig redet keiner mit keinem. Informationen werden gerade von den Bundesbehörden abgeschöpft und gehortet!

Herr Minister, Sie wissen aus einem internen Papier des LKA Hessen, dass genau diese Einschätzung zutrifft und dass Ihre Mitarbeiter deshalb von weiteren Treffen in diesem Kreis abrieten.

Herr Minister, ich fordere Sie deshalb auf: Korrigieren und vervollständigen Sie unverzüglich Ihre Antwort auf unsere Anfrage. Legen Sie hier und heute die Karten auf den Tisch.

(Beifall bei der FDP und der SPD)

Vielen Dank, Kollege Greilich. – Das Wort hat Herr Abg. Alexander Bauer, CDU-Fraktion.

Hochverehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Um es deutlich zu sagen: In Hessen herrscht null Toleranz für Rockerkriminalität, null Toleranz für organisierte Kriminalität und null Toleranz für das Austragen innertürkischer Konflikte auf deutschem Boden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Sicherheitsbehörden in Hessen und darüber hinaus üben Druck auf die Osmanen aus. Das wird sofort deutlich – Herr Kollege Greilich hat schon erläutert, was schon alles passiert ist –; und sie haben nach meiner Einschätzung sowie nach Presseverlautbarungen ihre große Zeit schon hinter sich. Alle rechtlichen Möglichkeiten des Polizeirechts, des Strafrechts und des Vereinsrechts werden ausgeschöpft. Wir werden klarmachen und nicht nachlassen, dass in Deutschland das Gewaltmonopol beim Staat liegt und dass rechtsfreie Räume nicht geduldet werden.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Greilich, ich komme nicht umhin, festzustellen, dass Sie versuchen, eine Suppe zu rühren, die ein Stück weit geschmacklos wird, weil Sie die Unterstellung, dass auf eine Kleine Anfrage nicht wahrheitsgemäß geantwortet worden sei, mit entsprechenden anderen Sachverhalten aus noch laufenden staatsanwaltschaftlichen Verfahren vermischen. Daran wird deutlich, dass das eigentliche Problem bei den 5 % liegt. Ich will es einmal deutlich machen: Wären Sie eine größere Fraktion, dann hätten Sie einen Sitz in der Parlamentarischen Kontrollkommission und hätten entsprechende Informationen über das, was die Sicherheitsbehörden in Hessen leisten und wie der aktuelle Verfahrensstand ist.

(Dr. h.c. Jörg-Uwe Hahn (FDP): Es muss auch so einen Sitz geben können!)

Das ist ein Kommunikationsproblem, dass Sie hier im Nebel stochern und von der Sache eigentlich keine Ahnung haben, über die heute debattiert wird.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie können als Anwalt nicht ernsthaft erwarten, dass in einer Kleinen Anfrage Interna aus staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen offenbart werden. Das ist Ihnen als Jurist und Anwalt sicherlich eine Selbstverständlichkeit. Sie wissen doch selbst, dass die entsprechenden Beobachtungsobjekte beim Verfassungsschutz längst auf der Tagesordnung stehen, dass Hessen hier aktiv ist und dass unser Verfassungsschutz mittlerweile bestens aufgestellt ist, um in diesem Bereich der organisierten Kriminalität Erkundungen und Erfahrungen zu sammeln, die dazu führen, dass sich der Druck auf diese Gruppierung in den letzten Jahren massiv erhöht hat.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Meine Damen und Herren, das ist kein Boxclub. Sie üben diesen Sport nicht aus. Es ist auch kein Bikerclub; die wenigsten fahren Motorräder. Das Bundesinnenministerium sagt, der Zweck dieses Vereins sei die „gewalttätige Gebiets- und Machtentfaltung sowie die Selbstbehauptung gegenüber konkurrierenden rockerähnlichen Gruppierungen“. Auf der einen Seite: tags vermeintlich Türstehermilieu und Ordnerszene. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass bundesweit gegen Mitglieder der Osmanen wegen Zwangsprostitution, Zuhälterei, räuberischer Erpressung, versuchtem Mord, versuchtem Totschlag und gefährlicher Körperverletzung ermittelt wird. Wir haben diese Gruppierung also längst fest im Visier; und der Rechtsstaat ist auch hier wachsam.

Herr Kollege Greilich, Sie haben recht, dass auch in Hessen Objekte untersucht und durchsucht worden sind, und zwar auf der Grundlage einer Aktion des Bundesinnenministeriums im Rahmen eines vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Ziel war es, die Machenschaften weiter aufzuhellen und weiteres Beweismaterial für ein erfolgreiches Verbot zu erlangen, das unter keinen Umständen durch die entsprechende Veröffentlichung von internen Informationen sabotiert oder gefährdet werden kann.

Meine Damen und Herren, das ist ein klares Signal, das von diesen und anderen Aktionen in der Vergangenheit ausging: Wir dulden keine rechtsfreien Räume und werden alle Mittel nutzen, um kriminelle Rockergruppierungen aufzudecken und strafrechtlich zu verfolgen.