Protocol of the Session on October 12, 2016

Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 85. Plenarsitzung und stelle die Beschlussfähigkeit fest.

(Unruhe)

Darf ich um etwas Aufmerksamkeit bitten?

Erledigt sind die Punkte 1 bis 3, 5, 15 und 16.

Gestern Abend tagte der Hauptausschuss und hat zu dem Gesetzentwurf Drucks. 19/3483 eine Beschlussempfehlung, Drucks. 19/3876, abgegeben. Die dritte Lesung steht als Tagesordnungspunkt 40 auf dem Nachtrag zur Tagesordnung.

Wir tagen heute vereinbarungsgemäß bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden und beginnen mit Tagesordnungspunkt 25. Dann folgt Tagesordnungspunkt 7. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 24 und rufen dazu die Tagesordnungspunkte 11 und 18 auf.

Entschuldigt fehlen heute der Herr Ministerpräsident, aber erst von 11:30 bis 13:30 Uhr, Frau Staatsministerin Puttrich ab 13 Uhr, Herr Staatsminister Beuth bis 9:45 Uhr und Herr Staatsminister Dr. Schäfer ab 16 Uhr, außerdem Abg. Klaus Dietz ab 13 Uhr.

Wir haben heute noch ein paar Geburtstagsglückwünsche zu überbringen. Ihren Geburtstag begeht heute Frau Abg. Karin Müller aus Kassel.

(Allgemeiner Beifall)

Ich spreche Ihnen im Namen des Hauses die herzlichsten Glückwünsche aus. Der Blumenbote ist auch schon unterwegs.

(Schriftführer Abg. Tobias Utter überreicht Blumen. – Abg. Marcus Bocklet (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN) fotografiert.)

Nachdem dieser Moment auch fotografisch festgehalten ist, können wir nun in die Tagesordnung einsteigen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 25 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend wer gegen VW klagt, darf Ministerin Puttrich nicht aus der Verantwortung nehmen – Drucks. 19/3847 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erster spricht Kollege Schmitt, SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, guten Morgen! Das hessische Kabinett hat aus unserer Sicht zu Recht Klage gegen VW eingereicht, weil VW-Verantwortliche im Zuge des Abgasskandals möglicherweise gegen Mitteilungspflichten verstoßen haben und Hessen deswegen einen Schaden in Höhe von 3,9 Millionen € in der Versorgungsrücklage erlitten hat.

Finanzminister Dr. Schäfer hat die Klage wie folgt begründet:

Wir müssen … aussichtsreiche Ansprüche, die durch schlechtes Krisenmanagement … entstanden sind, auch geltend machen.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Mürvet Öztürk (fraktionslos))

So in seiner Pressemitteilung vom 16. September dieses Jahres. – Meine Damen und Herren, genau dieser Maßstab muss auch gegenüber Mitgliedern der Landesregierung gelten, die Schaden verursacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Unstreitig und unabwendbar sind dem Land Hessen und damit den Steuerzahlern rund 3 Millionen € Schaden an Anwalts- und Gerichtskosten durch die erfolgreiche Klage von RWE gegen die rechtswidrige vorläufige Stilllegung der Atomkraftwerke in Biblis entstanden.

Meine Damen und Herren, so geht es nicht: schlagzeilenträchtig eine Klage gegen VW ankündigen, aber die eigene Parteifreundin schonen, deren Management mindestens so schlecht war wie das der VW-Verantwortlichen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Horst Klee (CDU): Wenn einem sonst nichts mehr einfällt! – Gegenruf des Abg. Günter Rudolph (SPD): Das ist die Wahrheit!)

Wer vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Amtspflichten verletzt, ist für den Schaden verantwortlich, der daraus entsteht.

(Zurufe von der CDU – Glockenzeichen der Präsi- dentin)

So können Sie das in § 48 Beamtenstatusgesetz nachlesen.

Meine Damen und Herren, wer wie Frau Puttrich aus rein politischen Gründen – es standen Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und Kommunalwahlen in Hessen an – auf eine notwendige Anhörung verzichtet, um die Sache zu beschleunigen, und damit das Tor für erfolgreiche Klagen öffnet, der handelt vorsätzlich. Zumindest handelt er grob fahrlässig.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Deshalb muss endlich gegen Frau Puttrich Klage eingereicht werden; denn es droht Verjährung. Rechtliche Schritte gegen Frau Puttrich sind längst überfällig. Ich befürchte, dass sich das Land jetzt schon auf eine Verjährungseinrede gefasst machen muss. Deshalb muss das Kabinett endlich die rechtlichen Schritte gegen Frau Puttrich einleiten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Meine Damen und Herren, was wäre das für ein Staat, der erfolgreich gegenüber Polizeibeamten Schadenersatz geltend machen kann, weil die bei ihrem Dienstfahrzeug Diesel anstelle von Benzin getankt haben – Sie können es nachlesen, das OVG Lüneburg und das VG Koblenz haben gesagt, es liegt eine Pflichtverletzung vor, die zu Schadenersatz führt, weil Polizeibeamte Diesel statt Benzin getankt haben und der Motor kaputtgegangen ist –, eine Ministerin aber davonkommt, die mindestens so grob fahrlässig gehandelt hat wie diese Menschen, die möglicherweise durch eine Alltagsablenkung oder Unaufmerksamkeit den falschen Kraftstoff getankt haben? Was wäre das für ein Staat, der gegen Polizeibeamte erfolgreich vorgeht und eine Ministerin schont? Wo sind wir denn?

(Lebhafter Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zurufe von der CDU)

Sie sollten wirklich einmal darüber nachdenken, was das für ein Bild ist.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Das setzt voraus, dass Sie recht hätten! Sie haben aber nicht recht!)

Ministerin Puttrich hat gegen den Rat ihres Abteilungsleiters, nach Remonstration der Atomabteilung und gegen den Rat des Justizministeriums – dessen Stellungnahme wurde in den Papierkorb geworfen – festgelegt und vorgegeben, keine Anhörung von RWE durchzuführen.

(Dr. Walter Arnold (CDU): Falsch! – Zuruf der Ministerin Lucia Puttrich)

Eben ruft die Ministerin dazwischen: „Das stimmt doch nicht!“

(Günter Rudolph (SPD): Das ist lächerlich!)

Über Zwischenrufe der Regierungsbank freue ich mich immer. Aber jetzt werden wir an dieser Stelle wieder einmal den Wahrheitstest antreten. Diesmal brauche ich keine blaue Mappe, ich habe es hier. Dazu erinnere ich noch einmal an die Aussage des Atomabteilungsleiters im Untersuchungsausschuss. Ich zitiere:

Die Entscheidung, auf die Anhörung durch das HMUELV zu verzichten, ist nicht aufgrund einer Beratung der Fachabteilung erfolgt; sie ist der Fachabteilung von der Hausleitung vorgegeben worden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Da rufen Sie dazwischen: „Das stimmt doch nicht!“

Ich bin mit dem Zitat noch gar nicht fertig. Es wird noch schlimmer. Das war ein Zitat aus den Akten. Vor dem Untersuchungsausschuss hat er bekräftigt – ich zitiere –:

Frau Ministerin hatte gesagt: Nein, die Empfehlung, die Routine – –

Ich mache jetzt die Klammer auf und sage: der Fachabteilung. Dann mache ich die Klammer wieder zu. Es folgt jetzt wieder ein wörtliches Zitat des Herrn Finke:

Wir machen keine Anhörung. Ihr in der Fachabteilung

so die Ministerin –

bringt eine Formulierung, die diesen Verzicht, dieses Absehen von der Anhörung sozusagen rechtfertigt und verteidigt.

Dazu kann ich wirklich nur sagen: Vorsätzlicher geht es nicht mehr. Das haben Sie, Frau Puttrich, und niemand anders zu verantworten.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Allein dieser formale Mangel hat mindestens 3 Millionen € Schaden verursacht. Alle wissen: Es droht ein noch viel höherer Schaden. Wir werden sehen, was das Landgericht in Essen am Ende entscheiden wird.