Protocol of the Session on May 23, 2018

Kolleginnen und Kollegen, guten Morgen! Ich eröffne die 139. Plenarsitzung und stelle die Beschlussfähigkeit fest. – Da gibt es keinen Widerspruch, okay.

Zur Tagesordnung. Erledigt sind die Punkte 1, 2, 8, 9 und 12.

Gestern Abend tagte der Hauptausschuss, der für die Gesetzentwürfe zur Änderung der Verfassung entsprechende Beschlussempfehlungen verfasste, die in Ihre Fächer verteilt wurden. Diese Gesetzentwürfe stehen schon auf der Tagesordnung unter den Tagesordnungspunkten 14 bis 32.

Außerdem tagte gestern Abend der Ausschuss für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und verfasste eine Beschlussempfehlung, Drucks. 19/6471, zu dem Gesetzentwurf, Drucks. 19/6384 zu Drucks. 19/5462. Diese dritte Lesung steht auf dem Nachtrag zur Tagesordnung unter Tagesordnungspunkt 103.

Weiterhin tagte gestern Abend der Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung und verfasste eine Beschlussempfehlung, Drucks. 19/6472, zu dem Gesetzentwurf, Drucks. 19/6396 zu Drucks. 19/5379. Diese dritte Lesung steht auf dem Nachtrag zur Tagesordnung unter Tagesordnungspunkt 104.

In der gemeinsamen Sitzung des Innen- und Haushaltsausschusses wurde zu dem Gesetzentwurf, Drucks. 19/6434 zu Drucks. 19/5839, eine Beschlussempfehlung, Drucks. 19/6473, verfasst. Diese dritte Lesung steht unter Tagesordnungspunkt 105.

Zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen heute vereinbarungsgemäß bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 67. Danach folgt Tagesordnungspunkt 69. Nach der Mittagspause versuchen wir es mit Tagesordnungspunkt 3.

Entschuldigt fehlt heute Herr Staatsminister Dr. Thomas Schäfer ab 17:30 Uhr.

In der Mittagspause darf ich Ihnen noch die Ausstellung „Jurates Tränen – Litauische Bernsteinkunst des 20. und 21. Jahrhunderts“ ankündigen, die in der Ausstellungshalle eröffnet wird.

Am 23. Mai wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in der Schlusssitzung des Parlamentarischen Rates feierlich verkündet.

Heute Abend um 19:30 Uhr wird die Fußballmannschaft des Hessischen Landtags in Einhausen gegen Bürgermeister und Mandatsträger des Kreises antreten. Wir wünschen jetzt schon viel Erfolg.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Wir haben noch ein Geburtstagskind. Ihren Geburtstag begeht heute Frau Abg. Janine Wissler. Ich spreche Ihnen im Namen des Hauses herzliche Glückwünsche aus.

(Allgemeiner Beifall – Schriftführer Abg. Dr. Frank Blechschmidt überreicht einen Blumenstrauß. – Ja- nine Wissler (DIE LINKE): Danke, das wäre aber nicht nötig gewesen!)

Jetzt stand auf meinem Zettel noch „Blumen“. Auch das haben wir erfolgreich hinter uns gebracht und können damit in die Tagesordnung einsteigen.

Ich rufe Tagesordnungspunkte 67 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Lehrkräfte am Limit – Landesregierung muss ihrer Fürsorgepflicht endlich nachkommen – Drucks. 19/6411 –

Die vereinbarte Redezeit beträgt zehn Minuten. Als Erster spricht Kollege Degen für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der SPD: Guter Mann!)

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Erst am vergangenen Sonntag habe ich einen ehemaligen Lehrerkollegen getroffen, der seit knapp zwei Jahren erkrankt ist, leider im Rollstuhl sitzt und möglicherweise vor der Dienstunfähigkeit steht. Er sagte mir im Gespräch, er habe zwei Jahre zuvor eine Überlastungsanzeige gestellt. Ich will gar nicht sagen, dass das in einem Zusammenhang steht. Das kann wahrscheinlich niemand abstrakt beurteilen. Aber was der Kollege in dem Gespräch mit mir zum Ausdruck gebracht hat, war seine große Enttäuschung darüber, dass er auf diese Überlastungsanzeige vor zwei Jahren noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten hat. Das ist so nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD)

Ein solcher Umgang ist kein Klima der Wertschätzung mit unseren rund 60.000 Lehrkräften und denjenigen, die sich hier im Grunde genommen öffentlich eingestehen, dass sie an Grenzen angekommen sind.

Meine Damen und Herren, das ist kein Einzelfall. Erst gestern Abend um 20:46 Uhr gab es eine weitere Überlastungsanzeige von der Georg-Büchner-Schule in Frankfurt, die bei uns – vermutlich auch bei den Kollegen – einging und auch an die Presse ging. Das war übrigens nicht das erste Mal; es war schon die dritte Überlastungsanzeige dieser Schule, weil bis dato nichts erfolgt ist.

Ich will kurz daraus vorlesen:

Wir wiederholen mit diesem Schreiben, dass wir uns aufgrund der extrem gewachsenen Zahl an dienstlichen Aufgaben und deren Umfang nicht mehr in der Lage sehen, unsere Arbeit vollständig, in qualitativ angemessener Weise und in der erforderlichen Sorgfalt auszuführen, und dass wir dadurch unsere Gesundheit gefährdet sehen. … Wir weisen erneut darauf hin, dass aufgrund der nicht mehr möglichen ordnungsgemäßen Ausführung aller Dienstpflichten oder aufgrund von Fehlern, die dadurch auftreten können, auch Dritte geschädigt werden können, vor allem Schülerinnen und Schüler, die nicht mehr die optimale Unterrichtsqualität, Betreuung, Beurteilung und Aufsicht erhalten.

Nach dem Arbeitsschutzgesetz bedeutet eine solche Anzeige, dass die Lehrkräfte ihre Gesundheit und Sicherheit unmittelbar gefährdet sehen. Meine Damen und Herren, so etwas unterschreibt niemand, weil er gerade einmal einen schlechten Tag hatte. Es sind triftige Gründe, die Leute dazu veranlassen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb haben wir uns entschlossen, diese Überlastungsanzeigen heute hier zu thematisieren.

Es sind Anzeigen aller Schulformen und aus allen Regionen Hessens. Nicht ohne Grund gibt es in dieser Woche eine Protestaktion im ganzen Land; sie findet übrigens heute um 16:30 Uhr vor dem Kultusministerium statt, wo noch einmal Überlastungsanzeigen vorgelesen werden – dort wird sicherlich mehr Zeit sein als an dieser Stelle.

Ich habe noch ein weiteres Beispiel mitgebracht, um einmal deutlich zu machen, woher das alles kommt. Eine Grundschule hat geschrieben über soziale Probleme, häufige Vernachlässigung, Konflikte, die nicht selten körperlich ausgetragen werden, Aufmerksamkeitsstörungen, Lernschwierigkeiten, eine hohe Anzahl von Kindern mit Anpassungsschwierigkeiten und geringen Deutschkenntnissen, die Zusammenarbeit mit Eltern, Therapeuten, Gespräche mit Logopäden, Ergotherapeuten, Kinderärzten, Psychologen, Psychiatern etc. Meine Damen und Herren, die Liste lässt sich weiter fortsetzen. Allein das ist ein Ausdruck der gestiegenen Anforderungen an unsere Lehrkräfte, denen man mit der Unterrichtsversorgung aus den Achtzigerjahren nicht Rechnung tragen kann. Man muss hier eine Lehrerversorgung, eine Zuweisung auf der Höhe der Zeit gestalten.

Dazu kommt, dass Unterricht ausfällt. Wir haben darüber in der vergangenen Plenarwoche gesprochen. Daraufhin hat sich ein Kollege bei mir gemeldet, der mir einfach einmal ein Beispiel gegeben hat. Meine Damen und Herren, er schreibt von vier Stunden wöchentlich, an denen er normalerweise zwei Klassen auf einmal unterrichten muss. Auch das hat etwas mit Überlastung zu tun. Damit man letztendlich gute Zahlen an das Ministerium liefern kann, lässt man Lehrkräfte gleich zwei Klassen gleichzeitig unterrichten. Er schreibt weiter, er habe am Freitag, dem 4. April, in der ersten und zweiten Stunde in seiner Matheklasse unterrichtet und gleichzeitig im Raum 417 in Geschichte unterwegs sein müssen. Bemerkenswert war auch die Situation, dass er Sport in der Sporthalle geben und gleichzeitig 400 m entfernt Aufsicht führen sollte. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, all das bringt Lehrkräfte an ihre Grenzen, und all das hat etwas damit zu tun, dass wir an unseren Schulen nicht ausreichend Vertretungsreserven haben und dass dort Unterrichtsausfall stattfindet, was am Ende auch zu Überlastungen führt.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und der FDP)

Ich will an dieser Stelle allen ein Dankeschön sagen, die jeden Tag rund 30 Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen Persönlichkeiten, die alle ihr Päckchen zu tragen haben, unterrichten und Lernprozesse gestalten. Ich bedanke mich ausdrücklich bei denen, die bereit sind, auch darüber zu reden, dass sie an ihre Grenzen kommen oder dass sie diese Grenzen schon längst überschritten haben.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Was macht die Landesregierung?

(Ismail Tipi (CDU): Gute Arbeit! – Gegenruf von der SPD: Gerade nicht!)

Sie macht es ähnlich wie beim Unterrichtsausfall: Einerseits gibt es keine Daten. Man weiß eigentlich gar nichts. Eigentlich darf das alles gar nicht sein. Aber andererseits sollen Lehrkräfte nicht überlastet sein.

Diese Aussage trifft man. Man redet das alles schön. Das passt nicht zusammen. Das geht so nicht. Das zeigt wieder einmal die Ahnungslosigkeit des Kultusministers, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Zahl der Krankheitstage von Lehrkräften ist ein Staatsgeheimnis. Die Landesregierung wird ihrer Fürsorgepflicht nicht gerecht. Das alles ist kein respektvoller Umgang mit Beschäftigten.

Auch hierbei sieht man wie beim Unterrichtsausfall, dass andere Länder dokumentieren können und dass es anders geht. Es gibt in Rheinland-Pfalz ein Institut für Lehrergesundheit, das jährlich einen Gesundheitsbericht über die staatlich Bediensteten im Schuldienst herausgibt.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren, das wäre ein ernsthaftes Zeichen, die Überlastungen ernst zu nehmen und sich wirklich mit der Frage der zunehmenden Krankheitssituation bei Lehrkräften auseinanderzusetzen.

Anstatt hiergegen ernsthaft vorzugehen, gibt es oder gab es Disziplinarverfahren gegen Lehrkräfte. Schulleiter werden einbestellt, wenn sie sich kritisch äußern. Einige Leute trauen sich gar nicht mehr. Ich rede dabei nicht von der SPD. Wir haben letztes Mal schon darüber gesprochen, wie damit umgegangen wird, wenn sich Leute in Parteien engagieren, die nicht die CDU sind.

(Zuruf von der CDU: Na, na, na!)

Es geht auch um Leute, die sich in Verbänden, etwa bei der GEW, oder in Vereinigungen engagieren. All das ist inzwischen ein Kriterium bei der Schulaufsicht und bei Lehrkräften, die sagen: Das lasse ich lieber sein. Das kann am Ende meine Karriere gefährden.

(Günter Rudolph (SPD): Ja, unglaublich!)

Das ist nicht mehr demokratisch in Hessen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei der LIN- KEN – Günter Rudolph (SPD): Unglaublich!)

Ich weiß: Wir werden heute wahrscheinlich wieder eine Arie über die fantastischen Allzeithochs in Hessen hören. Auch dazu will ich etwas sagen: Gestern haben wir von der Unterrichtsversorgung in Höhe von 127,6 % gehört. Solche Zahlen sind in den Ohren der Lehrkräfte blanker Hohn. Natürlich nehmen Aufgaben zu, und natürlich gibt es mehr Stellen für den Ganztag, weil Schule länger dauert. Natürlich braucht man dafür eine andere Lehrerversorgung und mehr Lehrer. Aber all das reicht längst noch nicht, um den Herausforderungen der Gegenwart gerecht zu werden. Meine Damen und Herren, solche Prozent- und Statistikzahlen sind dreist, frech und arrogant.

(Beifall bei der SPD)