Protocol of the Session on March 23, 2017

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle am dritten Tag der Plenarwoche und stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Ich freue mich, dass Sie gekommen sind, und teile Ihnen zur Tagesordnung mit, dass die Punkte 6, 13 bis 17, 19, 21, 23, 25 bis 29, 42 bis 46, 53 und 58 noch offen sind.

Auf Wunsch der Fraktion der FDP sollen die Tagesordnungspunkte 27 und 53 miteinander verbunden werden. Sind alle damit einverstanden? – Alle nicken oder sagen gar nichts. Also sind Sie damit einverstanden. Dann machen wir das so.

Zum Ablauf der Sitzung. Wir tagen heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von einer Stunde. Erst kommen nach dem üblichen Verfahren die Aktuellen Stunden. Nach Tagesordnungspunkt 45 wird der Dringliche Antrag zum Thema ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt.

Es fehlen heute entschuldigt: Frau Staatsministerin Lucia Puttrich bis 10 Uhr, Herr Staatsminister Axel Wintermeyer ist erkrankt. Es fehlen weiter die Abg. Lothar Quanz, Jürgen Lenders und Dieter Franz.

Ich weise Sie darauf hin, dass der Wahlausschuss zur Wahl der richterlichen Mitglieder des Staatsgerichtshofes heute sofort nach Eintritt in die Mittagspause im Kabinettszimmer zusammenkommt. Die Mitglieder des Wahlausschusses erhalten nähere Informationen per E-Mail.

Ich möchte auf die Informationsveranstaltung über die Baumaßnahmen zur Schlosssanierung und die sich hieraus ergebenden Konsequenzen hinweisen, die heute zu Beginn der Mittagspause in Raum 115 S stattfinden wird.

Wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns. Ich gratuliere sehr herzlich unserem Freund Abg. Peter Stephan. Wo ist er? – Peter, herzlichen Glückwunsch und alles Gutes. Glück auf.

(Allgemeiner Beifall – Vizepräsident Frank Lortz überreicht ein Weinpräsent. – Manfred Pentz (CDU): Küsschen!)

Haben wir sonst noch etwas? – Das ist nicht der Fall. Dann können wir mit der Tagesordnung starten.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 42 auf:

Antrag der Fraktion der SPD betreffend eine Aktuelle Stunde (Ständig neue Anforderungen, viel Bürokratie und zu wenig Personal an hessischen Grundschulen – wann endlich reagiert die Hessische Landesregierung?) – Drucks. 19/4688 –

Die erste Wortmeldung kommt vom Kollegen Christoph Degen für die SPD-Fraktion. Bitte sehr, Christoph.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Schulleitungen und Lehrkräfte schlagen Alarm. Das will ich gleich zu Beginn ausdrücklich sagen: Das haben sie

schon lange vor der Ankunft der Flüchtlingsschülerinnen und -schüler getan.

(Beifall bei der SPD)

„Lehrer beklagen Arbeitsbelastung“, „Hilferuf aus den Grundschulen“, „Klagen über mangelnde Wertschätzung“, „Mit den Kräften am Ende“ – das sind nur einige der Überschriften aus Zeitungen der letzten Monate und Jahre. Wenn wie gestern die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, der Interessenverband der Schulleiter, die Vereinigung der Schulaufsichtsbeamten und die Arbeitsgemeinschaft der Direktoren an beruflichen Schulen und deren Studienseminare eine umfassende und schonungslose Bestandsaufnahme der Aufgaben von Schulleitungen und Schulaufsicht und Neujustierungen fordern, dann ist etwas an unseren Schulen nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wenn Eltern, Schulleiter und Lehrerkollegien aus allen Regionen Hessens mit Briefen, Überlastungsanzeigen und Presseinterviews auf die längst überschrittene Belastungsgrenze an unseren Grundschulen hinweisen, dann ist die Lage ernst.

(Beifall bei der SPD)

Schülerinnen und Schüler kommen mit immer unterschiedlicheren Lernvoraussetzungen und Voraussetzungen im Sozialverhalten an unsere Grundschulen, und das eben nicht nur in Sachen Deutschkenntnisse.

Es ist insbesondere der hohen Eigenmotivation der Lehrkräfte zu verdanken, dass im Kontext von zunehmender Heterogenität, steigenden Anforderungen und neuen Aufgaben Meisterleistungen an unseren Schulen vollbracht werden. Aber das ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Die Lehrerversorgung und die Anzahl der Stellen mögen gestiegen sein. Das steht gar nicht infrage. Wir haben ja auch mehr Schüler als früher. Aber die Aufgaben, die zu bewältigen sind, haben doch um ein Vielfaches zugenommen. Die außerunterrichtlichen Aufgaben nehmen zu, das Schreiben von Förderplänen, die Personalführung, die Koordination, die Anleitung von Teilhabeassistenten, von Studierenden im Praxissemester, von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst – all das sind Aufgaben, die immer mehr Zeit in Anspruch nehmen.

Gleichzeitig haben wir Schülerinnen und Schüler mit mehr Verhaltensauffälligkeiten und einem größeren Aggressionspotenzial. Und – auch das muss man sagen – auch Gewalt gegen Lehrkräfte nimmt zu. Das macht es alles nicht einfacher für die Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der FDP)

Auch der Anspruch der Eltern nimmt zu – der Anspruch, informiert, beraten und eingebunden zu sein. All diese Aufgaben sind einfach nicht mehr mit der Halbtagsschule des 20. Jahrhunderts zu bewältigen. Wir können nicht immer mehr Aufgaben in den Halbtag hineinpacken. Wir brauchen ganz wesentlich und dringend mehr echte Ganztagsschulen, gerade im Grundschulbereich, um mehr Zeit und Raum für diese neuen Aufgaben zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)

Wir brauchen mehr Unterstützung an den Grundschulen für individuelle Förderung, für die inklusive Beschulung, für den Ganztag, aber auch für die Koordinations- und Beratungsaufgaben und für die Differenzierung im Unterricht.

Wenn ich von Differenzierung im Unterricht spreche, fällt mir Folgendes ein: Ich frage mich, was die Landesregierung eigentlich macht. – Die Landesregierung hat erst vor knapp einem Jahr 140 Stellen – gerade für diese Differenzierung an Grundschulen – gestrichen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Die Differenzierungsgrundlage an Grundschulen wurde gekürzt. Das ist die grandiose Leistung dieser Landesregierung.

(Beifall bei der SPD und der FDP)

Dabei muss man hier auch ehrlich sagen: Hätten Sie diese 140 Stellen nicht gekürzt, wüssten Sie heute gar nicht, wo Sie die Lehrer hernehmen sollten, weil gar nicht genug Lehrer auf dem Markt sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu kommen die Arbeitsbedingungen: die Bezahlung der Lehrkräfte an Grundschulen mit A 12, die fehlende Wertschätzung, die höchste Unterrichtsverpflichtung unter den Lehrämtern überhaupt.

Ich frage noch einmal: Was macht die Landesregierung?

(Zuruf von der SPD: Nix!)

Ich kann es mir schon sehr gut vorstellen, wie wir in den nachfolgenden Reden hören werden von sensationellen Maßnahmen,

(Günter Rudolph (SPD): Historisch!)

die historisch sind. Wahrscheinlich wird auch der Begriff „Allzeithoch“ nachher fallen. Wir werden sicherlich hören, dass wir mit statistischen Mittelwerten irgendwo ganz vorn sind.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Aber all das hat mit der Realität an einzelnen Schulen in Hessen gar nichts zu tun. Das sind statistische Mittelwerte, und die sagen gar nicht aus, wie es in der Realität eigentlich aussieht.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir auf die Überlastungsanzeigen zu sprechen kommen, wird der Herr Kultusminister, mit Verlaub, wieder einmal sagen, es sei ihm ein Rätsel, wie Lehrkräfte überhaupt auf die Idee kommen könnten, sich zu beschweren.

(Günter Rudolph (SPD): Das weiß er schon!)

Lieber Herr Kollege Degen, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Wir brauchen endlich eine gleiche Bezahlung für alle Lehrämter. Wir

müssen Überlastungen ernst nehmen, und wir müssen uns mit einer Studie die Arbeitsbelastungen wirklich einmal anschauen. Wir müssen Lehrkräfte angemessen aus- und fortbilden. Wir müssen den Sozialindex schärfen, dass er mehr auf die einzelne Schule abgestimmt ist, und wir müssen die befristeten Verträge reduzieren und endlich diese Lehrerarbeitslosigkeit in den Sommerferien abschaffen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der LIN- KEN)