Protocol of the Session on April 28, 2015

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Plenarsitzung des Hessischen Landtags und heiße Sie herzlich willkommen. Ich begrüße die Mitglieder der Landesregierung und unsere Gäste auf der Tribüne ebenso herzlich.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich Ihnen eine Erklärung zu verschiedenen wichtigen Dingen dieser Tage abgeben und danach einer verstorbenen Kollegin gedenken.

(Die Anwesenden erheben sich von den Plätzen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesen Tagen haben wir Anlässe verschiedenster Art, die unserer Erinnerung und unserer Aufmerksamkeit bedürfen. Vor fast auf den Tag genau 70 Jahren endete der Zweite Weltkrieg; wir werden in dieser Plenardebatte noch darüber sprechen. Heute ist dieses Datum unbestritten der Tag, an dem unser Land von der verheerenden Diktatur der Nationalsozialisten befreit worden ist. Es endete ein Krieg, der die ganze Welt umspannte, nachdem er in unserem Land gedacht und geplant wurde und seinen Ausgang von hier aus nahm.

Zugleich erleben wir in diesem Jahr Erinnerungen an die Befreiung der Konzentrationslager der Nazis vor 70 Jahren, von Auschwitz bis Bergen-Belsen, die Befreiung von diesen menschenverachtenden Vernichtungsmaschinerien, in denen Millionen den Tod fanden, weil sie aus rassistischen, religiösen oder politischen Gründen dem nationalsozialistischem Terrorregime nicht passten. Auch daran ist heute, 70 Jahre nach Kriegsende, zu erinnern – und daran, dass mit diesem Kriegsende für viele Vertreibung und Flucht begannen und letztlich, auch dies gilt es zu erwähnen, für einen Teil unseres Landes eine zweite, 40-jährige Diktatur auf deutschem Boden ihren Anfang nahm, einhergehend mit der Teilung unseres Landes und Europas.

Doch wir haben auch aktuellen Anlass, uns mit Krieg, Verfolgung, Vertreibung, mit Terror und Gewalt zu beschäftigen, auch wenn diese nicht unmittelbar hier bei uns, sondern an anderen Orten der Welt, teilweise in unserer Nachbarschaft, stattfinden. Fast täglich erreichen uns Berichte und Bilder von menschlichen Tragödien.

In den letzten Tagen und Monaten sind wir Zeugen von besonders erschütternden Nachrichten über Hunderte Tote im Mittelmeer geworden. Es sind Flüchtlinge, vornehmlich vom afrikanischen Kontinent, die in ihrer großen Not ihr Land verlassen, ihre Heimat verlassen, all ihre Hoffnung auf Europa setzen, nach langem, teilweise wochenlangem Unterwegssein die afrikanische Mittelmeerküste erreichen, sich für viel Geld Schleppern anvertrauen und – das Ziel Ihrer Wünsche in einem Schiff vor Augen sehend – dieses wie das rettende Ufer in unkontrollierter Zahl besteigen.

Und eben nicht selten endet diese Flucht kurz vor dem ersehnten Ziel in einer Katastrophe. Dann werden wir zu Mitfühlenden. Ob wir in ausreichendem Maße zu Mithelfenden werden, darüber reden wir in Europa nun wieder und, wie ich hoffe, nach diesem letzten Unglück mit fast 800 Toten, konzentrierter und im Ergebnis wirkungsvoller.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir dieser Opfer gedenken – dazu habe ich Sie auch im Namen unseres Ältestenrates eingeladen –, dann ist es geboten, auch die Gründe von

Fluchtbewegungen zu benennen. Sie sind uns bekannt: Hunger, Krieg, politische und religiöse Verfolgungen, Krankheiten, vielfach epidemischen Ausmaßes.

Das gilt natürlich aktuell auch für die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten, insbesondere aus Syrien. Der dortige Bürgerkrieg, jetzt schon über viele Jahre stattfindend, lässt die Menschen um Leib und Leben fürchten, bringt sie zudem in bittere Not und gefährdet ihre medizinische Versorgung. Hinzu kommt, dass sie verfolgt werden ihres Glaubens wegen, konkret ihres christlichen Glaubens wegen, wie dies auch in Nigeria geschieht, um auch dieses Land in seiner aktuellen Situation hier nicht zu vergessen.

Die Flüchtlinge kommen nach Europa, in großer Zahl nach Deutschland und damit auch nach Hessen. Wir sagen zu Recht, dass es unsere auch aus unserer Geschichte erwachsene Pflicht ist, Flüchtlingen zu helfen. Das ist sehr wahr. Aber dies ist zu erweitern. Es ist eine grundsätzliche, aus einem humanistischen Leitgedanken erwachsende Pflicht und für Christen in ihrem christlichen Glauben grundlegende Aufgabe, Menschen in Not zu helfen. Wir als Land Hessen haben die Mittel in unserem Haushalt erheblich erhöht. Ja, das stimmt auch. Und nicht mehr oder weniger tun wir in diesen Tagen.

Meine Damen und Herren, ich empfinde, dass die Einstellung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger zu den bei uns ankommenden Flüchtlingen grundsätzlich positiv und die Hilfsbereitschaft groß ist. Diesbezüglich will ich, wie ich annehme, auch für den Hessischen Landtag in seiner Gänze und damit in Ihrer aller Namen, allen ehrenamtlichen Helfern in den Flüchtlingsunterkünften unseren herzlichen Dank aussprechen.

Wenn wir uns jetzt hier zum Gedenken an die Toten der verunglückten Flüchtlingsschiffe symbolisch für alle auf der Flucht Umgekommenen erheben, dann schließen wir uns auch zusammen zu einer Gemeinschaft der Helfenden für die, die als Heimatlose, als Hoffnungslose zu uns kommen. Ihnen wieder Hoffnung zu geben ist unsere vordringliche Aufgabe, aus welcher Motivation auch immer. Ihnen einen neue Heimat zu geben, wenn es ihnen denn nicht mehr möglich sein sollte, in ihre Heimat zurückzukehren – wobei wir helfen sollten –, dies ist eine ebenso wichtige Aufgabe für uns. Diese Grundgesinnung ist die, die über allen politischen Unterschieden steht und eines demokratisch gestalteten Gemeinwesens wie unseres Landes würdig ist.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu einem stillen Gedenken an die Opfer der Unglücke im Mittelmeer und der Opfer des Bürgerkrieges in Syrien erhoben. Ich darf Sie bitten, zu einem stillen Gedenken innezuhalten.

(Schweigeminute)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir gedenken heute auch einer verstorbenen Kollegin, die viele von Ihnen noch kennen. Am Freitag, dem 10. April, ist die ehemalige Abgeordnete der SPD-Fraktion Frau Erika Fleuren im Alter von 74 Jahren verstorben.

Am 1. September 1940 wurde sie in Wuppertal geboren. Sie besuchte die Blindenstudienanstalt in Marburg und beendete dort 1958 die Handelsschule. Ihre ersten beruflichen Erfahrungen erlangte sie als Stenotypistin im Rathaus der Stadt Garmisch-Partenkirchen und später beim Hessischen Sozialministerium. 1971 entschied sie sich für die

Beamtenlaufbahn und war dann beim Hessischen Versorgungsamt tätig.

Erika Fleuren war von 1974 bis 1994 Stadtverordnete in Wiesbaden, zuletzt Vizevorsitzende der Partei und der Fraktion der SPD in Wiesbaden. 1994 rückte sie für den Abg. Dr. Jochen Zwecker in den Hessischen Landtag nach, dem sie dann bis 2003 angehörte, unter anderem auch der Enquetekommission „Familienfreundliches Hessen“.

Im Jahre 2003, kurz nach dem Ausscheiden aus den Hessischen Landtag, wurde ihr das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen.

Der Hessische Landtag wird dieser außerordentlich engagierte Sozialpolitikerin Erika Fleuren ein ehrendes Andenken bewahren. Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt den Hinterbliebenen unserer ehemaligen Kollegin.

(Schweigeminute)

Ich danke Ihnen. Bitte nehmen Sie Platz.

(Die Anwesenden nehmen ihre Plätze wieder ein.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Tagesordnung vom 21. April 2015 sowie ein Nachtrag vom heutigen Tag mit insgesamt 69 Punkten liegen Ihnen vor.

Wie Sie dem Nachtrag zur Tagesordnung, den Tagesordnungspunkten 63 bis 67, entnehmen können, liegen uns fünf Anträge betreffend eine Aktuelle Stunde vor, die wir am Donnerstagmorgen um 9 Uhr aufrufen werden, mit fünf Minuten Redezeit je Aktuelle Stunde.

Interfraktionell haben wir vereinbart: Tagesordnungspunkt 10:

Große Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Ersatzschulen in Hessen – Drucks. 19/1632 zu Drucks. 19/1126 –

wird von der Tagesordnung dieser Sitzung abgesetzt.

Dafür soll am Donnerstag nach Tagesordnungspunkt 7 nun Tagesordnungspunkt 32 eingereiht werden, der mit Tagesordnungspunkt 38 aufgerufen wird. Es geht, wie gesagt, um das Thema 70 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945. Wir haben eine Redezeit von zehn Minuten pro Fraktion festgelegt.

Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Massensterben an den europäischen Außengrenzen endlich stoppen – für eine humane Flüchtlingspolitik, Drucks. 19/1899. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 70. Die Redezeit beträgt fünf Minuten.

Widerspricht jemand den Änderungen an der Tagesordnung? – Herr Kollege Schaus, bitte schön.

Herr Präsident, wir bitten, unseren Dringlichen Entschließungsantrag zusammen mit der Regierungserklärung aufzurufen.

Sie stellen den Antrag, den Entschließungsantrag Ihrer Fraktion zusammen mit der Regierungserklärung aufzurufen. Das heißt, wir stimmen am Ende über den Entschließungsantrag ab. – Kein Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Gibt es Widerspruch zu der in der vorgetragenen Form geänderten Tagesordnung? – Das ist auch nicht der Fall. Dann ist die Tagesordnung so beschlossen.

Wir tagen heute bis 19 Uhr. Das haben wir im Ältestenrat so vereinbart. Wir beginnen mit der Fragestunde. Danach fahren wir mit der Regierungserklärung der Europaministerin zum Thema „Hessen in Europa: gemeinsam für Frieden, Freiheit und Sicherheit“ fort.

Herr Prof. Dr. Lorz fehlt ab 16:15 Uhr – wie auch einige Kollegen, die zur Trauerfeier für den verstorbenen Kirchenpräsidenten Steinacker gehen. Frau Kollegin Faeser, Frau Ypsilanti und Frau Habermann fehlen ganztägig. Herr Lenders ist erkrankt. Alle sind entschuldigt. Damit ist das mitgeteilt.

Heute Abend spielen unsere Fußballer in Bleidenstadt gegen den TSV Bleidenstadt-Taunusstein. Sie wollen gewinnen, haben sie mir erklärt. Die Mannschaft des TSV Bleidenstadt-Taunusstein wird durch den Bürgermeister und den Ortsvorsteher von Taunusstein verstärkt. Ortsvorsteher sind immer eine große Verstärkung – ganz eindeutig.

(Heiterkeit – Zuruf des Abg. Günter Schork (CDU))

Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Herr Kollege Schork, darüber reden wir unter vier Augen.

Heute Abend kommt im Anschluss an die Plenarsitzung der Innenausschuss in Sitzungsraum 510 W zusammen. Der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss trifft sich in Sitzungsraum 501 A – vorausgesetzt, dass das Gesetz zum Maßregelvollzug vom Plenum zur Vorbereitung der dritten Lesung zurücküberwiesen wird.

Ich gratuliere unserem Kollegen Jürgen Banzer zu seinem 60. Geburtstag ganz herzlich. Lieber Jürgen, alles Gute, Gottes Segen und eine gute Zukunft.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde – Drucks. 19/1797 –

Wir beginnen mit Frage 243. Herr Kollege Eckert.

Ich frage die Landesregierung:

Was hat sie seit der Annahme des Antrags Drucks. 18/6521 unternommen, um sich für die touristisch genutzten Bundeswasserstraßen in Hessen einzusetzen?

Herr Staatsminister Al-Wazir.

Sehr geehrter Herr Kollege Eckert, aus touristischer Sicht hat vor allem die Bundeswasserstraße Lahn – ich nehme an, sie ist der Grund, warum Sie diese Frage stellen – in Hessen eine überragende Bedeutung. Für die Anrainer ist die Lahn eine wichtige wirtschaftliche Lebensader, die vielfältige Möglichkeiten für Aktiv- und Naturtouristen bietet. Als eine der längsten durchgängig befahrbaren Wasserwanderflüsse Deutschlands ist die Lahn Ziel für ca. 150.000 Kanutouristen – jährlich.