Guten Morgen, Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und stelle die Beschlussfähigkeit fest – gerade so.
Zuerst komme ich zu den Erfolgsmeldungen unserer Landtagself. Gestern Abend hatte das Team von Coach Decker das letzte Spiel der Saison 2014 zu bestreiten. Mit nur zwei Auswechselspielern fuhr man nach Mainz-Kastel, um eine weitere freundschaftliche Begegnung gegen die Mannschaft der Landeshauptstadt auszutragen. Der Gegner hatte etliche junge und schnelle Spieler in seinen Reihen, sodass man es in der ersten Hälfte schwer hatte, vor das gegnerische Tor zu gelangen. Abspielfehler im Mittelfeld brachten die Wiesbadener immer wieder in Ballbesitz, und so konnte auch Keeper Weinmeister in der 10. Spielminute den 0:1-Rückstand nicht verhindern. Immer wieder mühte sich Deckers Team, den Ball nach vorne zu bringen, kam jedoch selten zu einer Schussgelegenheit vor dem gegnerischen Tor. Bereits nach 20 Spielminuten erzielte Wiesbaden das 0 : 2, und mehrfach verhinderte die Abwehr oder Weinmeister einen größeren Rückstand.
Decker schwor sein Team in der Halbzeitpause ein, ruhig und mit sicheren Pässen den Ball nach vorne zu bringen, was nun endlich besser gelang. Durch einen weiteren Abspielfehler konnte Wiesbaden jedoch nach zehn Minuten auf 0 : 3 erhöhen. Marius Weiß stand nach einem tollen Angriff über den linken Flügel genau richtig vor dem gegnerischen Tor
und konnte den Pass unhaltbar zum 1:3-Anschlusstreffer verwerten. Obwohl man nun deutlich mehr Spielanteile hatte, konnten weitere gute Chancen nicht verwertet werden, und so endete die freundschaftliche Partie am Ende mit 1 : 3. Coach Decker wird sich nun über die Winterpause auf dem Transfermarkt umschauen, wie seine Mannschaft auf einigen Posten verstärkt werden kann. Ich wünsche dazu viel Erfolg.
Ein weiterer Gewinner war jedoch die Fußballvereinigung von Kastel 06; denn die Erste Vorsitzende konnte nach dem Spiel den Scheck des Landtagspräsidenten für die Jugendarbeit in Empfang nehmen.
Fürs Protokoll: Die Mannschaft meines Heimatvereins war gestern etwas erfolgreicher. Wenn wir jetzt Saisonende hätten, könnten wir uns als OFC freuen.
Noch eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkrieges vor 75 Jahren und eine Politik gegen Krieg und Kriegsvorbereitung heute, Drucks. 19/903. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Antrag Tagesordnungspunkt 77 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit den Tagesordnungspunkten 39 und 47 zu diesem Thema aufgerufen werden.
Außerdem eingegangen und an Ihren Plätzen verteilt ist ein Dringlicher Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Kommunen fair, transparent und zukunftsfähig finanzieren, Drucks. 19/904. Wird die Dringlichkeit bejaht? – Das ist der Fall. Dann wird dieser Dringliche Entschließungsantrag Tagesordnungspunkt 78 und kann, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 40 zu diesem Thema aufgerufen werden.
Im Moment geht ein und wird verteilt ein Dringlicher Antrag der Fraktion der FDP betreffend Chemie- und Pharmastandort Hessen, Drucks. 19/907. Wird auch hier die Dringlichkeit bejaht? – Das ist so. Dann nehmen wir den Antrag als Punkt 79 auf die Tagesordnung. Er wird, wenn dem nicht widersprochen wird, mit Tagesordnungspunkt 38 zu diesem Thema aufgerufen.
Vereinbarungsgemäß tagen wir heute bis 18 Uhr bei einer Mittagspause von zwei Stunden. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 38: Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend Chemie- und Pharmastandort Hessen, Drucks. 19/854. Hiermit wird Tagesordnungspunkt 79 aufgerufen. Dann folgt Tagesordnungspunkt 40: Antrag der Fraktion der SPD betreffend völlig unzureichende Finanzausstattung der hessischen Kommunen, Drucks. 19/856. Mit ihm zusammen wird Tagesordnungspunkt 78 aufgerufen. Nach der Mittagspause beginnen wir mit Tagesordnungspunkt 42, Drucks. 19/858. Mit ihm zusammen wird Tagesordnungspunkt 37 aufgerufen.
Entschuldigt fehlen heute Frau Staatsministerin Puttrich ab 12:30 Uhr, Herr Staatsminister Wintermeyer ab 13 Uhr, Herr Staatsminister Dr. Schäfer und der Abg. Gerald Kummer, SPD-Fraktion.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, darf ich noch den früheren Abg. Frank Gotthardt auf der Tribüne begrüßen. Herzlich willkommen.
Jetzt habe ich noch eine Entschuldigung übersehen. Weiterhin fehlt der Abg. Kai Klose von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er ist erkrankt.
Heute Abend, im Anschluss an die Plenarsitzung, werden folgende Ausschüsse zusammenkommen: der Innenausschuss in Sitzungsraum 510 W, der Sozial- und Integrationspolitische Ausschuss in Sitzungsraum 204 M und der Untersuchungsausschuss 19/1 in Sitzungsraum 501 A.
Jetzt haben wir es geschafft, jetzt können wir zur Debatte kommen. Ich rufe Tagesordnungspunkt 38 auf:
Antrag der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN betreffend Chemie- und Pharmastandort Hessen – Drucks. 19/854 –
Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die 147 Betriebe der chemischen Industrie und 33 Betriebe der pharmazeutischen Industrie tragen entscheidend zur Prosperität und Stabilität der Wirtschaft in Hessen bei. 58.650 Personen sind in dieser Branche in Hessen beschäftigt. Die Umsätze betragen in Deutschland 45 Milliarden € und in Hessen 11 Milliarden €. Nicht nur dieser hohe Anteil, auch spezielle Merkmale dieser Wirtschaftszweige sind zu beachten. Sie sind die größte Branche des produzierenden Gewerbes. Sie stellen mit 67 % einen sehr hohen Exportanteil. Wichtig: Sie waren in den Krisenjahren 2009/2010 merkbar weniger von Umsatzrückgängen und Beschäftigungsrückgängen betroffen als der Durchschnitt der Wirtschaft. Und sie waren die erste Branche, die nach der Krise wieder schwarze Zahlen und ein Plus bei den Beschäftigten erreicht hat.
Nicht nur die Anzahl der Beschäftigten zeigt die Bedeutung der Chemie und Pharmazie auf dem Arbeitsmarkt. Qualitativ ist hervorzuheben, dass jeder Arbeitsplatz in der Pharmaindustrie 1,2 Arbeitsplätze in der Zulieferung erzeugt, dass der Anteil von Akademikerinnen mit 32 % überdurchschnittlich ist und dass die Beitragszahlung in die Sozialsysteme und die freiwilligen Sozialleistungen 20 % bzw. 100 % über dem Durchschnitt liegen, Quelle: „Wiesbadener Gespräche zur Sozialpolitik“, publiziert von der „FAZ“ im Jahre 2010.
Dieser Wirtschaftsteil in Hessen hat seit Generationen eine weltweite Reputation. Er ist nachhaltiger Garant für die Branchenvielfalt und unterstreicht die Bedeutung der heimischen Produktion in einer von Dienstleistung geprägten Wirtschaftsstruktur Westeuropas. Welche Aufgabe hat nun Politik, um den Standort Hessen noch attraktiver zu machen, um den Wohlstand der Menschen zu mehren?
Ein entscheidender Beitrag ist die Organisation von Vernetzungen von Wissenschaft, Forschung und Politik mit der Chemie- und Pharmaindustrie. Die Pharmazie hat den höchsten Anteil an finanziellen Aufwendungen und qualifizierten Beschäftigten für Forschung und Entwicklung. 1,6 Milliarden € werden in der pharmazeutischen Industrie in Forschung und Entwicklung investiert. 20 % der Arbeitnehmer in der Pharmaindustrie sind in diesem Bereich tätig. Sie ist auf gemeinsame Projekte und den ständigen Erfahrungsaustausch mit Universitäten und Forschungseinrichtungen angewiesen. Chemie und Pharmazie müssen mit der Gesellschaft im Dialog sein, um Akzeptanz zu sichern. Man denke etwa an Energieverbrauch, Emission von Schadstoffen und Lärm, ethische Fragen wie Gentechnik, Stammzellen und Tierversuche. Gleichzeitig können Chemie und Pharmazie aber auch Antworten auf wichtige Zukunftsfragen geben wie Materialentwicklung, erneuerbare Energien oder Gesundheit in einer alternden Gesellschaft.
Genau diese Vernetzungsstrukturen hat Hessen geschaffen. In der Initiative Gesundheitsindustrie sind die Landesregierung, die in Hessen ansässigen Pharmaunternehmen und die Gewerkschaften zusammengeschlossen, um sich für den Standort Hessen in der Gesundheitswirtschaft starkzumachen. Im House of Pharma & Healthcare sitzen Politik,
Industrie und Universitäten an einem Tisch. Es werden Diskussionen mit Nobelpreisträgern veranstaltet. In Marburg referierte im Mai Prof. Harald zur Hausen, DKFZ Heidelberg, über die Krebsentstehung durch Viren. Das ist mittlerweile von klinischer Bedeutung. Prof. Zeiss, Yale University, referierte über Erkenntnisse der Zellfunktion auf molekularer Ebene.
Im Forschungs- und Innovationszentrum des Landes Hessen, der Stadt Frankfurt und der IHK arbeiten Pharmafirmen und Universitäten auf dem Gebiet der Biotechnologie zusammen. Diese Strukturen führen zur anwendungsorientierten Forschung. Genau diese Kooperationen sind bei der Standortwahl für die globalen Pharmaunternehmen hochinteressant. Nun ein Zitat aus der Publikation „Forschung für das Leben“ vom Verband forschender Arzneimittelhersteller, vfa:
zudem das dichte Netz von guten bis sehr guten Universitäten …, eine Vielzahl außeruniversitärer Forschungseinrichtungen … [und] die „Kompetenznetze in der Medizin“ … Besonderes Augenmerk gilt Kooperationen zwischen Pharmafirmen und führenden akademischen Grundlagenforschern.
Wir unterstützen das Engagement der Landesregierung, insbesondere der Staatskanzlei, des Wirtschaftsministers, des Forschungsministers und des Sozialministers.
Hessische Pharmaunternehmen haben Medikamente gegen Volkskrankheiten in der Pipeline, die bislang schwer zu behandeln sind. Dies gilt besonders für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson. Sie haben aber auch gegen zahlreiche Krebserkrankungen, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen Medikamente. Nach Einschätzung des vfa können 2017 324 neue Medikamente auf den Markt kommen, über 90 % gegen schwere Erkrankungen, über 70 % völlig neue Substanzklassen. Von diesen 324 zu erwartenden neuen Medikamenten kommen mehr als 20 % von Unternehmen aus Hessen. Das ist eine besondere Leistung, und es ist das Ergebnis der Politik in Hessen.
Hessen wird zu Recht die Apotheke Deutschlands und Europas genannt. Deutschland ist, gemessen an Umsätzen, Mitarbeitern und Ausgaben für die Entwicklung, seit Jahren der größte Medikamentenproduzent, zumindest in Kontinentaleuropa.
Man muss aber auch sagen: Problematisch bleibt der Zugang innovativer Präparate zum heimischen Markt durch Regulierungen wie Festbeträge und Medikamentenbudgets, woran wir alle aus guten Gründen der Stabilität der Beiträge mitgewirkt haben. Der Marktanteil von neuen Originalpräparaten ist im internationalen Vergleich gering. Der Anteil von Generika ist in keinem westeuropäischen Land so hoch wie in Deutschland. Wir benötigen die Generika, und wir freuen uns, dass auch in Hessen ein Marktführer ansässig ist. Aber das Verhältnis ist überdenkenswert.
Die Möglichkeit der Direktverträge zwischen Herstellern und gesetzlichen Krankenkassen, die die Politik geschaffen
hat, wird bei innovativen Präparaten noch zu wenig praktiziert. Bei Generikamedikamenten wird sie genutzt, bei Originalpräparaten noch zu wenig. Weiterhin gibt es noch den Entwicklungsbedarf, dass sich die mittelständische Pharmaindustrie durch Zusammenschlüsse an solchen Direktverträgen beteiligen kann.
Ein letzter Gesichtspunkt. Produktionsanlagen für Grundstoffe der Chemie und Pharmazie müssen zur Branchenvielfalt und zur Vermeidung von Transporten, oft auch von Gefahrentransporten, in Hessen ansässig sein. Hier ist die Akzeptanz der Bevölkerung von besonderer Bedeutung. Die Errichtung der Membranelektrolyseanlage im Industriepark Frankfurt-Höchst ist hierfür ein vorbildliches Beispiel. Dort wird in einem Ballungsraum Chlor produziert. Unser Wirtschaftsminister Al-Wazir hat bei der Einweihung am 6. Mai dieses Jahres Zeichen gesetzt, als er verdeutlichte: Produktion ist willkommen, wenn Standards von Ökologie, Emissionen sowie des Energieverbrauchs eingehalten werden.
Bei der Anlage der Firma AkzoNobel war der geringe Energieverbrauch, 30 % unterhalb herkömmlicher Anlagen, herausragend und ein Benchmarking.
Meine Damen und Herren, Hessen heißt die Chemie- und Pharmaindustrie willkommen. Wir werben um Neuansiedlungen und um den Ausbau der Standorte. Wir wollen Vernetzungsstrukturen mit der Forschung ausbauen. Wir wollen die Akzeptanz der Bevölkerung für Produktionen sichern. Wir wollen politisch Marktzugänge erweitern, und wir wollen die Herausforderungen der Zukunft zusammen mit der Chemie- und Pharmaindustrie bewältigen. – Herzlichen Dank.