Protocol of the Session on November 27, 2014

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung, stelle die Beschlussfähigkeit des Hauses fest und teile Ihnen zur Tagesordnung mit: Offen sind noch die Punkte 12 bis 17, 19 bis 25, 27 bis 47, 49, 64 bis 69, 79, 81 und 82.

Wir tagen heute bis zur Erledigung der Gesetzeslesungen bei einer Mittagspause von einer Stunde.

Wir beginnen mit den Anträgen für die Aktuellen Stunden, alles bekannt. Mit Tagesordnungspunkt 66 wird die mündliche Frage 163 aufgerufen. Nach Punkt 66 wird Punkt 79, ein Dringlicher Entschließungsantrag zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen und sofort abgestimmt. Nach der Aktuellen Stunde geht es mit Punkt 49 weiter.

Es fehlen heute entschuldigt: Herr Ministerpräsident Bouffier ganztägig, Herr Staatsminister Wintermeyer ganztägig, Frau Staatsministerin Puttrich ganztägig, Herr Staatsminister Al-Wazir ab 15 Uhr und Herr Staatsminister Grüttner ganztägig.

(Günter Rudolph (SPD): Bleibt noch jemand da?)

Das Präsidium ist da. Deshalb können wir auch beginnen.

(Günter Rudolph (SPD), zur Regierungsbank gewandt: Die Seite ist auch kaum vertreten! – Gegenruf des Ministers Dr. Thomas Schäfer: Wir zählen doppelt! – Heiterkeit)

Können wir anfangen?

(Günter Rudolph (SPD): Gerne!)

Gut, dann fangen wir an. Ich rufe Tagesordnungspunkt 64 auf:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Leere Worte der Hessischen Landesregie- rung reichen nicht gegen Gewalt gegen Frauen) – Drucks. 19/1144 –

Das Wort hat Frau Kollegin Schott, DIE LINKE.

(Unruhe – Glockenzeichen des Präsidenten)

Ich bitte etwas um Ruhe und Aufmerksamkeit.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Anlass für unsere Aktuelle Stunde ist der Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, der alljährlich am 25. November, also diese Woche, begangen wird. Die Debatte heute wird überschattet von der traurigen Meldung, dass die junge Frau, die in Offenbach mutig einer anderen geholfen hat, gestern für hirntot erklärt wurde.

Ich denke, ich spreche im Namen des ganzen Hauses, wenn ich ihrer Familie und ihren Freunden unser tiefes Mitgefühl ausspreche.

(Allgemeine Zustimmung)

Sie ist leider nicht das einzige Todesopfer, das wir in Hessen zu beklagen haben. Ich möchte hier auch an die Mitarbeiterin des Kasseler Rathauses erinnern, die im Oktober tot in Wiesbaden aufgefunden wurde. Fälle wie diese, die durch die Medien gehen, erregen immer wieder Aufsehen.

Aber meist haben wir es mit unerkannter Gewalt zu tun; denn sie geschieht im persönlichen Umfeld, an dem Ort, der für jede und jeden der sicherste sein sollte: die eigenen vier Wände.

Nach wie vor gibt es leider in unserer Gesellschaft weitverbreitet eine Haltung, die der Gewalt gegen Frauen von lax bis akzeptierend gegenübersteht. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, für ein Klima zu sorgen, in dem es undenkbar ist, Gewalt als Mittel in persönlichen Auseinandersetzungen hinzunehmen. Die Politik kann und muss ihren Beitrag dazu leisten, hat hier aber nur ganz begrenzte Möglichkeiten.

Die Politik hat allerdings erheblichen Einfluss darauf, ob es Beratungsangebote für Männer mit einem Aggressionsproblem gibt, ob es Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter an Schulen gibt, die Programme zum Umgang mit Konflikten anbieten und Konfliktlösungen, ob die Träger der freien Jugendhilfe ihre Arbeit dazu machen können, ob die Jugendverbände Mittel haben, um sich dem Thema zuzuwenden, vor allem aber, ob den Opfern geholfen werden kann.

Die hessischen Frauenhäuser, egal ob autonom oder unter anderer Trägerschaft, leisten eine enorm wichtige Arbeit, die die Mitarbeiterinnen immer häufiger an die Grenzen der Belastbarkeit bringt. Diesen Mitarbeiterinnen möchte ich hier meinen ganz besonderen Dank aussprechen.

(Allgemeiner Beifall)

In Hessen gibt es 18 autonome Frauenhäuser und 13 Frauenhäuser in anderer Trägerschaft, insgesamt also 31. Sie halten 446 Plätze in den autonomen und 278 in den sogenannten Trägerhäusern bereit. 2.000 Frauen und Kinder finden im Jahr allein in den autonomen Frauenhäusern Schutz. Eine besondere Nachfrage nach Plätzen besteht im Ballungsraum Rhein-Main, in Kassel und im Landkreis Kassel; denn die Frauen suchen verständlicherweise die Anonymität und können nicht in ihrer gewohnten Nachbarschaft bleiben.

7.668 von der Polizei registrierte Fälle von häuslicher Gewalt im Jahr 2013, 7.285 Opfer mit einem Anteil von 6.201 Frauen – das entspricht einem Frauenanteil von 85,1 % –, das spricht eine eigene Sprache. Die Polizei hat rund 1.100 Platzverweise erteilt, 2.100 Wohnungsverweise und 1.000 Kontaktaufnahmeverbote ausgesprochen. Die Dunkelziffer liegt bei häuslicher Gewalt noch weit höher. Bundesweit sind es rund 40.000 Frauen und Kinder, die Aufnahme in den Frauenhäusern finden.

Statt aber dafür zu sorgen, dass die Häuser gut ausgestattet den Frauen aus ihrer Misere helfen, wurden bei den Kürzungen 2004 ca. 40 Plätze in den Frauenhäusern in Hessen weggestrichen. Seit Beginn dieser Legislaturperiode hören wir von einem Sozialbudget, das auch den Frauenhäusern eine bessere Ausstattung ermöglichen soll. Hoch verantwortungsbewusst haben die Frauenhausfrauen beraten, wie nach ihrer Erfahrung die Mittel am besten verteilt werden können, die für sie gedacht waren, für welche Projekte diese Mittel zielführend einzusetzen sind. Es hat viele Gespräche im Ministerium gegeben, und es gibt Planungen, wie Frau ganz schnell in die Umsetzung kommen kann.

Leider war all diese Mühe weitestgehend für die Katz; denn die Mittel werden kommunalisiert. Was das im Hinblick auf verarmte Kommunen und insbesondere Schutzschirmkommunen bedeutet, kann sich jeder und jede ausrechnen, die das politische Geschäft kennt. Die Kommunen

werden gezwungenermaßen ihre eigenen Mittel durch die Landesmittel austauschen, und bei den Häusern kommt ein Betrag zwischen wenig und nichts an. Ich will etwas zynisch sagen: Es gibt ein Haus in Hessen, das tatsächlich mehr Geld bekommen wird. Das wird Hanau sein; denn in Hanau sind inzwischen überhaupt keine kommunalen Mittel mehr im Haus. Ich finde, das ist eine traurige Bilanz.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Den Frauenhäusern das Geld zu kürzen war ein sogenannter Sparversuch zulasten der Schwächsten der Gesellschaft. Aber jetzt so zu tun, als wolle man diese Fehlentscheidung korrigieren, tatsächlich aber nur ein kleines bisschen die Not der Kommunalfinanzen zu entlasten, damit man zu ausgeglichenen Haushalten kommen kann, das ist zynisch.

Wenn Sie als Regierungsfraktionen nicht nur das Gewissen beruhigen oder sich bei den Wählerinnen und Wählern ein gutes Bild verschaffen wollen, sondern ernsthaft etwas für die Verbesserung der Lebenssituation misshandelter Frauen tun wollen, dann sorgen Sie dafür, dass das Geld nicht in den kommunalen Haushalten versickern wird, sondern bei den Frauenhäusern und somit bei den Frauen ankommt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schott. – Das Wort hat Frau Abg. Ravensburg, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Kolleginnen und Kollegen! Ja, auch in Hessen werden Frauen immer wieder Opfer von körperlicher, von seelischer und sexueller Gewalt. Deshalb stimme ich ausdrücklich für meine Fraktion in die Trauer um die mutige Frau, die gestern sterben musste, weil sie helfen wollte, mit ein.

(Allgemeine Zustimmung)

Gewalt passiert leider auch im unmittelbaren familiären Umfeld, oft auch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Frauen zu unterstützen, die aus diesem Teufelskreis aus Gewalt, Zwang und Erniedrigung ausbrechen wollen, sehen wir deshalb als die Aufgabe von Politik und Gesellschaft.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wegweisend war hier das Gewaltschutzgesetz mit der Möglichkeit des Platzverweises. Das will ich an dieser Stelle ausdrücklich erwähnen: Frauen und Kindern Schutz und Hilfe zu bieten, sie zu beraten und im Kampf gegen ihre Peiniger zu unterstützen, das hat die Landesregierung bereits vor zehn Jahren mit dem Landesaktionsplan gegen häusliche Gewalt getan.

In der Landeskoordinationsstelle arbeiten das Innen-, das Justiz- und das Sozialministerium eng zusammen, denn nur durch die enge Abstimmung mit Polizei, Gerichten, Staatsanwaltschaften, dem Gesundheitswesen, aber auch Frauenhäusern und Beratungs- und Interventionsstellen konnte so ein Netzwerk geschaffen werden, das Frauen unterstützt

und die Täter an der Fortführung ihrer Taten wirksam hindert.

In diesem Zusammenhang will ich ausdrücklich die Schutzambulanz in Fulda sowie die gute Zusammenarbeit zwischen Sozialministerium und Frankfurter Notruf erwähnen und deshalb auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieser Stellen Danke sagen.

(Allgemeiner Beifall)

Schließlich darf es in Hessen nicht passieren, dass Frauen nach einem Gewalterlebnis, nach einer Vergewaltigung keine ärztliche Hilfe erhalten. Im Gegenteil sollten Kliniken darauf vorbereitet sein, wie sie Frauen in Not aufnehmen, medizinisch versorgen und beraten.

Wünschenswert, aber das ist nicht Voraussetzung, sollte auch eine gerichtsfeste Dokumentation sein. Deutschlandweite Beachtung haben deshalb die Frankfurter Kliniken erhalten, die sich im Verbund genau dieser Thematik angenommen haben. Auch dafür danke ich; denn jeder Fall, wo Frauen Gewalt erfahren, ist einer zu viel.

(Allgemeiner Beifall)

Wir werden den Schutz und die Hilfsangebote für Frauen und Kinder in Hessen weiter verbessern. An die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN sage ich deshalb: Mit der Aktuellen Stunde haben Sie den Tag gegen Gewalt an Frauen zum Thema gemacht. Aber das Thema haben Sie verfehlt. Richtig ist, die Landesregierung lässt Worten auch Taten folgen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. René Rock (FDP))

Wir haben die Bekämpfung der Gewalt an Frauen und Kindern bereits im Koalitionsvertrag zum Schwerpunkt unseres gemeinsamen politischen Handelns gemacht. Deshalb sind im Sozialbudget die Unterstützung von Frauen und Kindern in allen Landesteilen durch Frauenhäuser, Interventionsstellen bei häuslicher Gewalt und die Unterstützung der Beratungsstellen für Frauen nach sexueller Gewalt fest verankert, und zwar nicht als Ersatz für Mittel der Kommunen, sondern zusätzlich.

(Beifall bei der CDU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber eines lassen Sie mich zum Schluss bitte noch bemerken. Eines brauchen wir in Hessen gewiss nicht: Seminare wie von Julien Blanc, die Männer lehren sollen, wie sie Frauen mit sexueller Gewalt gefügig machen.

(Beifall bei der CDU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und der FDP sowie der Abg. Andrea Ypsilanti (SPD))