Protocol of the Session on September 28, 2017

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung. Ich stelle die Beschlussfähigkeit fest.

Zur Tagesordnung. Noch offen sind die Punkte 7 bis 11, 13 bis 43 – ich bitte um Ruhe –,

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

45 bis 55, 58 bis 60, 65, 67 bis 71 und 73.

Wir tagen heute mit offenem Ende – ein Arbeitsauftrag an die parlamentarischen Geschäftsführer – bei einer Mittagspause von einer Stunde.

Wir beginnen mit den Anträgen für die Aktuellen Stunden. Bei der ersten Aktuellen Stunde haben wir vereinbart, die Tagesordnungspunkte 67 und 68 gemeinsam aufzurufen mit einer Redezeit von siebeneinhalb Minuten, alle anderen Aktuellen Stunden haben wie üblich eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion. Mit Tagesordnungspunkt 70 wird die mündliche Frage 865 gemeinsam aufgerufen und beantwortet. Nach Tagesordnungspunkt 70 wird Tagesordnungspunkt 37, ein Antrag zum Thema, ohne Aussprache aufgerufen.

Entschuldigt fehlen heute Frau Staatsministerin Lucia Puttrich ganztägig, Frau Abg. Brigitte Hofmeyer und Herr Abg. Marius Weiß, beide sind erkrankt.

Heute Nachmittag, unmittelbar nach Wiedereintritt in die Tagesordnung des Plenums, voraussichtlich 14 Uhr, tritt der Untersuchungsausschuss 19/2 in Sitzungsraum 115 S zusammen. Der Innenausschuss kommt heute Abend, im Anschluss an die Plenarsitzung, in Sitzungsraum 501 A zusammen.

Sowohl der Innenminister wie auch Kollegen der SPDFraktion haben mich gefragt, ob ich heute irgendetwas zum Fußball sagen möchte.

(Zurufe)

Wir sind hier in Hessen und haben uns noch nie mit anderen Bundesländern befasst.

(Zurufe von der SPD: Ja, ja! – Genau!)

Und wenn der deutsche Meister einmal unglücklich und knapp und ungerechtfertigt verliert, dann nehmen wir das so hin. Also bleiben Sie bitte sachlich, meine Damen und Herren.

(Heiterkeit bei der SPD)

Mehr ist heute nicht dazu zu sagen.

(Heiterkeit)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 67 auf:

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN betreffend eine Aktuelle Stunde (Die freie, offene und vielfältige Gesellschaft verteidigen – für den Zusam- menhalt der Gesellschaft auch in Hessen) – Drucks. 19/5294 –

mit dem Tagesordnungspunkt 68:

Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend eine Aktuelle Stunde (Nach der Bundestagswahl – Rechtsruck

entgegentreten – soziale Gerechtigkeit in Bund und Hessen durchsetzen) – Drucks. 19/5295 –

Wie besprochen, beträgt die Redezeit siebeneinhalb Minuten.

Bevor wir anfangen, begrüße ich noch auf der Besuchertribüne unseren langjährigen Kollegen Dr. Jürgens von den GRÜNEN – grüß dich.

(Allgemeiner Beifall)

Wir fangen an. Der Kollege Wagner, Fraktionsvorsitzender von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Bundestagswahl ist eine Zäsur: Zum ersten Mal seit 1945 hat mit der AfD wieder eine in Teilen offen rassistische Partei im Reichstagsgebäude Einzug gehalten. Fast 13 % haben die AfD gewählt. Das heißt aber auch, 87 % haben sie nicht gewählt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Entgegen dem, was die AfD behauptet, ist sie eben nicht „alle“ und spricht eben nicht für „das Volk“.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD sowie des Abg. Jürgen Lenders (FDP))

Wann immer eine Partei für sich in Anspruch nimmt, für „das Volk“ zu reden, sollten alle Demokratinnen und Demokraten entgegnen: Die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Einzigartigkeit und in ihrer Vielfalt – das ist das Volk, und niemand anders.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LIN- KEN und der FDP)

Deshalb macht uns GRÜNE dieses Wahlergebnis ebenso kämpferisch wie nachdenklich. Es macht uns kämpferisch, wenn Herr Gauland am Wahlabend sagt: „Wir holen uns unser Land zurück“; denn dann sagen wir: Wir geben dieses Land nicht her.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen unser freies, unser offenes, unser vielfältiges Land behalten. Wir wollen ein Land behalten, in dem sich jeder frei entfalten kann und nicht eine Partei sagt, wie alle zu leben haben.

(Anhaltende Unruhe – Glockenzeichen des Präsiden- ten)

Wir wollen ein Land behalten, in dem Menschen aus verschiedenen Nationen, Religionen, Kulturen friedlich zusammenleben. Wir wollen ein Land behalten, das ein freundliches Gesicht zeigt – wenn Menschen an der ungarischen Grenze im Dreck liegen und in Not sind, dann wollen wir ein Land sein, das ihnen ein freundliches Gesicht zeigt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wir wollen ein Land behalten, das fest in der Europäischen Union eingebettet ist und solidarisch mit anderen Staaten ist. Wir wollen ein Land behalten, das sich seiner internationalen Verantwortung bewusst ist und das Verantwortung für den Klimaschutz und für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen übernimmt.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU)

Das nämlich ist das Deutschland des Jahres 2017. Wir wollen kein anderes Deutschland. Wir wollen kein Deutschland von 1950, und wir wollen erst recht kein Deutschland von 1930.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU und der SPD)

Wenn wir aus Bayern hören, Deutschland solle Deutschland bleiben, dann sagen wir: Ja, genau. Deutschland soll Deutschland bleiben – frei, offen, bunt und vielfältig.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- wie bei Abgeordneten der CDU, der SPD und der LINKEN)

Das Wahlergebnis macht kämpferisch, aber es sollte uns auch nachdenklich stimmen: 87 % haben die AfD nicht gewählt, aber immerhin 13 % haben sie gewählt. Wir als Politikerinnen und Politiker müssen uns fragen, warum Menschen eine Partei wählen, die zur Lösung ihrer Probleme nichts, aber auch gar nichts beizutragen hat. Geben wir schon in allen Feldern die richtige Antwort? Wie kann es sein, dass sich Menschen in einem der reichsten Länder dieser Welt nicht nur abgehängt fühlen, sondern Teile unserer Gesellschaft abgehängt sind? Kann es sein, dass wir uns manchmal mit vergleichsweise kleinen Problemen sehr viel und mit großen Problemen zu wenig beschäftigen? Das sind die Fragen, denen wir uns stellen sollten.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Wir sollten die Sorgen der Menschen ernst nehmen. Das bedeutet aber gerade nicht, die Scheinlösungen der Populisten zu übernehmen. Wir müssen mit einer eigenen Erzählung, mit eigenen Antworten, mit Mut und mit Zuversicht reagieren.

Meine Damen und Herren, auch ein bisschen Populismus ist keine Antwort und ist nicht die richtige Reaktion.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU)

Ein bisschen Populismus geht nicht. Wir haben das in Großbritannien bei dem damaligen Premier Cameron gesehen. Der wollte ein bisschen Populismus wagen und hat alles verloren. Wir sehen das an Ministerpräsident Mark Rutte in den Niederlanden, der geglaubt hat, ein bisschen Populismus als richtige Antwort geben zu müssen, und bis heute in den Niederlanden keine Regierung bilden kann. Wir sehen das an dem Bundesinnenminister de Maizière und an dem bayerischen Innenminister Herrmann, die in ihren Bundesländern das schlechteste Unionsergebnis und das beste AfD-Ergebnis einfahren mussten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, deshalb sage ich: Wer sich mit uns GRÜNEN auf die Reise nach Jamaika machen will,