Dagmar Enkelmann
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bilanz steht immer am Ende. Ihre Bilanz steht am Ende einer schwarz-roten Koalition in Brandenburg. Und das ist auch gut so.
Eine Bilanz ist aber immer auch die Chance, Schlussfolgerungen zu ziehen, und sie ist die Chance für eine Kurskorrektur. Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, haben genau diese Chance heute nicht genutzt.
Zur Bilanz, Herr Ministerpräsident, gehört eben auch Ehrlichkeit und davon war wenig zu hören. Es geht nicht um Schönfärberei und Schwarz-Weiß-Malerei hilft uns an dieser Stelle nicht. Wenn Sie nur in die weißen Farbtöpfe greifen, dann gestatten Sie an dieser Stelle zu sagen, dass wir sehr wohl auch noch den schwarzen Pinsel sehen.
Eine ehrliche Bilanz ist eine gute Voraussetzung dafür, tatsächlich künftig Erfolge zu erreichen. Die zukünftige Regierung hat vor allem die Aufgabe, die drängenden Probleme dieses Landes endlich anzupacken. Es geht um Arbeit, es geht um Bildung, es geht um soziale Gerechtigkeit. Die Konzepte der Parteien zur Lösung dieser Probleme gehören auf den Tisch. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, was auf sie zukommt, wenn sie sich am 19. September für diese oder jene Partei entscheiden.
Mehr als 70 % der Bürgerinnen und Bürger im Land sind unzufrieden mit der Politik der Landesregierung.
Da hat sich unheimlich viel Frust angesammelt. Viele haben inzwischen resigniert. Das ist eine der Ursachen für die niedrigen Wahlerfolge bei der Kommunal- und bei den Europawahlen. Dass Sie das nicht wissen wollen, ist mir klar.
Für die PDS ist das eine Herausforderung. Wir wollen den Bürgern Mut machen. Dieses Land hat eine Zukunft, es lohnt sich einzubringen, es lohnt hier zu bleiben. Es ist an der Zeit, endlich die Potenziale, die in unserem Land stecken, zu entdecken und gezielt zu fördern.
Was diesem Land und was Ihnen, meine Damen und Herren von CDU und SPD fehlt, ist eine Vision davon, wo die Entwicklung Brandenburgs hin soll. Bisher jedenfalls wurde aufs falsche Pferd gesetzt.
Wofür also steht die PDS? Auf Rang 1 unseres Forderungskatalogs steht eine wirkliche, alle Bereiche der Gesellschaft erfassende Wende in der Bildungspolitik.
Bildung gehört gerade in einem rohstoffarmen Land wie Brandenburg zu den wichtigsten Standortfaktoren. Bildung ist ein harter Standortfaktor für Brandenburg geworden. Der Bildung kommt wachsende Bedeutung für individuelle Beschäftigungschancen zu. Wir stehen für eine Bildungspolitik, die auf Herstellung von Chancengleichheit setzt.
Das beginnt bei einem uneingeschränkten Recht auf Kita-Betreuung, deren Förderung Sie gekürzt haben, meine Damen und Herren von der SPD, schließt die elternbeitragsfreie Schülerbeförderung ein und endet noch lange nicht bei integrativen Ganztagsschulen.
Wir haben vor wenigen Tagen ein 10-Punkte-Programm für eine moderne Schulpolitik vorgelegt. Darin fordern wir unter anderem die Zusammenführung von Gesamt- und Realschule zu integrativen Sekundarschulen als ersten Schritt zu einer Schule für alle, die Einführung eines elternbeitragsfreien Vorschuljahres, den Ausbau des Netzes von Ganztagseinrichtungen, die Stärkung der Verantwortung von Lehrerinnen und Lehrern und die Erhöhung der Qualität der Grundschulbildung. Nicht von Finnland träumen, Herr Ministerpräsident, sondern von Finnland lernen!
Wenn jetzt die CDU das Bildungsressort für sich reklamiert, sollte sich jede und jeder über die Folgen im Klaren sein: frühkindliche, noch härtere Auslese, Leistungsdruck als Hauptelement pädagogischer Arbeit und: Schulschwänzer werden künftig mit Fußfesseln ausgestattet.
Bildung ist zugleich ein Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit und für eine neue Qualität nachhaltiger Wirtschaftsentwicklung. Auch wenn Sie es schon lange nicht mehr hören können: In Brandenburg ist allein in Großprojekte mehr als 1 Milliarde Euro versenkt worden.
- Dieses Geld, Frau Konzack, hat an anderen Stellen, wo eine Förderung wichtig gewesen wäre, gefehlt.
Ihre Arbeitsplatzversprechen zerplatzten wie Seifenblasen.
Der Aufschwung für den Mittelstand blieb ein schöner Traum. Dieses Geld ist unwiederbringlich verloren.
Schuld daran tragen nicht die Brandenburgerinnen und Brandenburger; Schuld daran trägt diese Regierung. Aus diesen Fehlentscheidungen müssen Konsequenzen gezogen werden: Schluss mit dem Prinzip Gießkanne und dem Prinzip „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Wir brauchen eine langfristige, auf die Zukunft orientierte, also nachhaltige Strukturpolitik. Zukunftsfähige Branchen wie Bio-, Umweltund Energietechnologie, Verkehrstechnik, Schienenfahrzeugbau, Medienwirtschaft, Papierindustrie, aber auch Tourismus brauchen gut ausgebildete, hoch motivierte Fachkräfte.
- Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen.
Die Unternehmen, die sich hier entwickelt haben, müssen stabilisiert werden. Tragendes Fundament der Wirtschaft in Brandenburg wird auch künftig ein moderner, leistungsfähiger Mittelstand sein. Damit dieser auch in Zukunft wirklich eine Chance hat, schlagen wir vor, Förderprogramme zu vereinfachen, Genehmigungsverfahren zu entbürokratisieren, Bürgschaftsprogramme für Modernisierungsvorhaben zu entwickeln sowie den Zugang zu zinslosen bzw. zinsgünstigen Darlehen zu erleichtern.
- Schonen Sie Ihre Stimme, Herr Klein!
Landwirtschaft und die einzigartige naturräumliche Ausstattung werden auch künftig wichtige und entwicklungsfähige Potenziale sein. Es ist noch gar nicht so lange her, da waren das Havelland, das Oderbruch und der Spreewald die Gemüsegärten Berlins. Heute bekommen die Berliner gerade einmal 5 % der landwirtschaftlichen Produkte aus Brandenburg. Ich finde,
der Berliner sollte nicht nur im Barnimer Hofladen, sondern auch in seinem Kiez mit Brandenburger Produkten versorgt werden können.
Dazu ist es vor allem notwendig, Erzeugerverbände, Logistik und Absatzorganisationen gezielt zu fördern.
Neben den klassischen Aufgaben werden sich für die Landwirtschaft neue Betätigungsfelder wie die Landschaftspflege und die Produktion nachwachsender Rohstoffe entwickeln. Die Landwirtschaft kann ihren Beitrag zur Erhöhung der Attraktivität der ländlichen Räume leisten. Dazu gehören aber auch eine weitgehende Sicherung von Schulstandorten, Frau Konzack, ein gutes Angebot im öffentlichen Personennahverkehr sowie die Gewährleistung einer medizinischen Grundversorgung in der Fläche.
Jährlich verliert Brandenburg ca. 20 000 Einwohnerinnen und Einwohner. Das ist für mich eine grausige Vorstellung. lmmerhin entspricht das der Größe einer mittleren Kleinstadt. Denke ich an die Debatte, die wir in diesem Haus geführt haben, erinnere ich mich vor allem an Ihre Hilflosigkeit und an Ihre Resignation: Man kann ja doch nichts machen.
Die Probleme, die wir insbesondere mit den schwachen Geburtenjahrgängen haben, beziehen sich nicht nur darauf, dass Frauen nur noch 1,2 Kinder - wie das gehen soll, ist mir schleierhaft - zur Welt bringen, sondern sie sind vor allem dem geschuldet, dass Brandenburg junge Frauen im gebärfähigen Alter verliert. Es ist also eine Kette ohne Ende. Das heißt, wir werden auch künftig niedrigere Geburtenraten in diesem Land haben.
Ich teile Ihren Pessimismus an dieser Stelle nicht. Ich will, dass Brandenburg lebenswert ist und bleibt, und zwar für die ältere und für die jüngere Generation, aber natürlich auch für Frauen.
- Ich kann mir ja vorstellen, dass Ihnen das nicht passt, Herr Klein. - Dafür ist es in erster Linie notwendig, die Spirale der Arbeitslosigkeit zurückzudrehen. Das beginnt bei der Forderung nach dem Recht auf berufliche Erstausbildung. Dieses Recht muss in der Verfassung des Landes Brandenburg verankert werden.
Die PDS wird darüber hinaus in die öffentliche Debatte Grundsätze für eine neue Arbeitsmarktpolitik einbringen. Dazu gehören die Neuregelung der Landesförderung ebenso wie Vorschläge zu flexiblen Teilzeitmodellen, eine Regionalisierung der Arbeitsmarktpolitik und die schrittweise Einführung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors. Wesentliches Kriterium für Wirtschaftsförderung müssen künftig Beschäftigungseffekte sein.
Wir wissen sehr wohl, dass angesichts der desolaten Haushaltslage in diesem Land, die Sie, meine Damen und Herren der Koalition, zu verantworten haben und um die auch wir uns nicht herumschummeln können, eine Konsolidierungsphase dringend erforderlich ist. Sie tragen die Verantwortung dafür, dass der Schuldenberg in Brandenburg seit 1999 von 12 auf 17 Milliarden Euro angewachsen ist.
Entscheidend ist nur, mit welchem Maßstab an die Konsolidierung herangegangen wird. Die Bilanz der Koalition hat sehr deutlich gezeigt, dass mit pauschalen Kürzungen quer durch den Gemüsegarten kein Blumentopf zu gewinnen ist. Hier bedarf es klarer Schwerpunktsetzungen. Den Anfang müssen schon die Regierung und die Verwaltung selbst machen.
So könnte aus meiner Sicht die Vielzahl von Bewilligungsbehörden für Fördermittel deutlich reduziert werden. Mit der Umstellung eines Teils der Förder- auf Bürgschaftsprogramme werden ebenfalls Mittel frei, die insbesondere in den Bildungsbereich fließen sollten.
Wenn wir über Konsolidierung der öffentlichen Haushalte reden, dürfen wir selbstverständlich die Kommunen nicht vergessen. Die Vorschläge haben wir gestern in die Beratungen zum Finanzausgleichsgesetz eingebracht. Ich finde, Brandenburg hat etwas Besseres verdient:
eine Regierung mit Augenmaß und Verstand,
verantwortungsbewusst statt selbstverliebt,
sozial und damit voller Kraft. - Danke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute reden wir über Geld, nämlich über das Geld, das Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und -empfänger ab Januar in der Tasche haben, wenn sie auf staatliche Leistungen angewiesen sind. Erlauben Sie deshalb am Beginn einige Fragen.
Herr Homeyer: Wie viel Geld haben Sie zurzeit auf Ihrem Konto?
Herr Baaske: Wie viel Geld haben Sie in den letzten Jahren gespart?
Frau Blechinger: Wie viel verdient Ihr Partner, falls Sie mit einem zusammenleben?
Ihre Erregung, meine Damen und Herren, ist völlig überflüssig; denn Sie und ich müssen diese Fragen nicht beantworten, wohl aber ein Arbeitslosenhilfeempfänger, wenn er denn ab Januar wieder Leistungen beziehen will.
Die abgeforderten Erklärungen sind Teil eines Gesetzes, das den wohlklingenden Namen trägt: „Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ oder kurz: Hartz IV. Was sich aber hinter diesem harmlosen Titel verbirgt, ist in Wirklichkeit der größte Sozialraub in der Geschichte der Bundesrepublik.
Auf der Grundlage dieses Gesetzes werden Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammengelegt, und zwar auf dem Niveau der Sozialhilfe. Im großen Einvernehmen von rot-grüner Bundesregierung, CDU/CSU- und FDP-Opposition wurde damit im Dezember des vergangenen Jahres der Weg für eine beispiellose Demontage sozialer Leistungen geebnet; denn bundesweit werden künftig 4,5 Millionen Menschen mit dem Sozialhilfesatz auskommen müssen. Das ist ein Zuwachs von mehr als 60 %. Jedes zehnte Kind wird von dieser Entwicklung betroffen sein. Armut wird wieder vererbbar. Wie sollen diese jungen Menschen künftig in der Gesellschaft Fuß fassen? Wie sollen sie Vertrauen in die Politik entwickeln? In eine Politik, meine Damen und Herren von der Koalition, die jungen Menschen jegliche Chancen für einen guten Start in die Zukunft raubt.
Haben Ihnen, meine Damen und Herren von der SPD, die Wahlergebnisse der letzten Monate und auch die des vergangenen Wochenendes noch immer nicht zu denken gegeben? Was sagte Ministerpräsident Platzeck erst am Montag? Wir müssen den Menschen den Sinn dieser Reformen erklären. - Herr Ministerpräsident: Was keinen Sinn macht, das kann man nicht erklären!
Man kann es schönreden, aber dieses Lied wollen die Menschen in diesem Land nicht mehr hören. Mit Krokodilstränen in den Augen fordern Sie nun Nachbesserungen. Nur - die hätten Sie längst im Bundesrat einfordern können und müssen! Da haben Sie geschwiegen. Im Gegenteil: Sie haben diesem Gesetz im Bundesrat Ihre Zustimmung gegeben, und zwar im Gegensatz zu den Regierungen von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Damit tragen Sie Mitverantwortung für harte finanzielle Einschnitte bei Arbeitslosenhilfeempfängern und für Kaufkraftverluste in Millionenhöhe - Herr Baaske, Sie haben die Zahl mit etwa 250 Millionen angegeben -, für hohe Kaufkraftverluste mit Folgen für Handwerk und Gewerbe sowie für erhebliche zusätzliche finanzielle Belastungen der Kommunen. Können Sie sich vorstellen, als Familie - zwei Erwachsene und ein Kind
- Warten Sie doch die Rede ab, Herr Klein!
Können Sie sich vorstellen, Herr Klein, als Familie - zwei Erwachsene, ein Kind - mit 100 Euro im Monat auszukommen? Sicherlich nicht.
Wie der RBB in einer Sendung aufgedeckt hat, gibt es inzwischen sogar einige, die das müssen, wenn abzüglich aller Fixkosten gerade einmal 100 Euro im Monat bleiben; und nach dem 01.01.2005 wird das noch weniger. Möglicherweise werden auch künftig noch mehr Brandenburgerinnen und Brandenburger in einer solchen extremen Notlage enden. Das sind die Tatsachen und davor verschließen Sie die Augen.
- Ich finde das gar nicht lächerlich, Herr Kollege Klein.
Die einzige Antwort, die wir immer wieder von Bundes- und Landesregierung hören, ist: Zu diesem Reformkurs gibt es keine Alternative. - Das, meine Damen und Herren, ist falsch. Was für ein Leben muten Sie den sozial Schwachen in diesem Land eigentlich zu? In Brandenburg gibt es derzeit etwa 150 000 Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und -empfänger. Der größte Teil von ihnen muss ab Januar mit 331 Euro zurechtkommen. Wegen der deutlich verschärften Anrechnungsregelung, zum Beispiel in Bezug auf Ersparnisse und Vermögen und eben auch auf Einkommen des Partners, werden voraussichtlich etwa 40 000 Betroffene keine Leistungen mehr erhalten. Diese Auswirkungen verschweigt die Landesregierung. Dafür beteiligt sie sich immer mehr an der heftigen Debatte, wer denn nun künftig für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II zuständig sein soll und ob die nötige Software rechtzeitig bereitgestellt werden kann. Das heißt, Sie machen die Umsetzung Ihrer falschen Entscheidung von der rechtzeitigen Programmierung der Software abhängig. Sie schalten auf Autopilot und umkreisen Brandenburg in großer Höhe.
Von den Alltagsproblemen der Menschen hier haben Sie sich längst abgekoppelt. So nehmen Sie Ihre Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes nicht wahr.
Sie feiern jetzt als Erfolg, was bei Lichte gesehen ein Pyrrhussieg ist. Die scheinbare Einigung des Bundeswirtschaftsministers mit den kommunalen Spitzenverbänden über den Ausgleich der zusätzlichen Belastungen für die Kommunen durch den Bund verkennt, dass bei der vorgeschlagenen Regelung über eine Revisionsklausel die Kommunen in Vorleistung zu gehen haben. Ein Abgleich tatsächlicher Kosten mit den vom Bund bereitgestellten Mitteln soll quasi im Nachgang, das heißt zu einem späteren Zeitpunkt, erfolgen - und das angesichts der finanziellen Notlage vieler Kommunen in diesem Land.
Dass das Land mit der Übertragung der Unterkunftskosten an die Kommunen weniger Ausgaben hat, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Was aussteht, ist eine eindeutige, verbindliche Erklärung der Landesregierung, dass diese Einsparungen an die Kommunen eins zu eins weitergereicht werden.
Herr Minister Baaske, Sie haben heute die Gelegenheit, in dieser Aktuellen Stunde diese Erklärung abzugeben.
Sie lassen also nicht nur die Arbeitslosenhilfeempfänger, sondern auch die Kommunen im Regen stehen.
Immer offenkundiger wird: Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe löst die wirklichen Probleme in diesem Land nicht. In diesem Gesetz gibt es keinerlei Vorstellungen über die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen. Mit diesem Gesetz wird nicht ein einziger Arbeitsplatz geschaffen. Stattdessen werden durch Leistungskürzungen die Schwächsten auf dem Arbeitsmarkt, nämlich die Langzeitarbeitlosen, für eine schlechte Arbeitsmarktpolitik der Regierung bestraft.
Völlig ausgeblendet blieben in der bisherigen Debatte die spezifischen Probleme der neuen Bundesländer, nämlich eine wesentlich höhere Arbeitslosenquote und ein wesentlich höherer Anteil an Langzeitarbeitslosen. Ihre Aufgabe als ostdeutsche
Landesregierung wäre es gewesen, im Bundesrat mit Nachdruck auf genau diese Probleme aufmerksam zu machen. Dazu waren Sie nicht fähig.
Genau zu diesem Zeitpunkt hätten Sie Nachbesserungen einfordern müssen. Sie aber haben das Gesetz anstandslos durchgewunken.
Herr Baaske, ob dieses Gesetz notwendig gewesen wäre, um Empfänger von Sozialhilfe in die Arbeitsvermittlung zu integrieren, ist noch die Frage. Sie wissen doch ganz genau, dass es gerade Langzeitarbeitslose bedeutend schwerer haben, wenn es um die Suche nach einer Arbeitsstelle geht. Das heißt, die Suche wird durch dieses Gesetz nicht vereinfacht.
Sie haben in einer gemeinsamen Sitzung der Ausschüsse für Arbeit aus Brandenburg und Berlin erklärt, Sie könnten es keinesfalls mittragen, dass zum 1. Januar nur die neue Leistung bezahlt wird - also 331 Euro -, aber kein einziges Instrument aus dem Sozialgesetzbuch III angewandt werden kann bzw. keine bessere Vermittlung erfolgt. Doch über den künftigen Umfang der Beschäftigungsmaßnahmen und die dafür von den Arbeitsagenturen bereitgestellten Haushaltsmittel gibt es nach wie vor keine Klarheit. Sicher ist nur, dass bisherige Beschäftigungsförderungen wie „Arbeit statt Sozialhilfe“ ersatzlos gestrichen werden.
Was nun, Herr Minister? War das alles nur Spiegelfechterei? Bleibt es bei den folgenlosen Ankündigungen?
Ein Papier der SPD-Bundestagsfraktion vom April bringt es auf den Punkt, worum es der Bundesregierung in Wahrheit geht: um die Sanierung des Haushalts durch Einsparung von 5,9 Milliarden Euro bei der Arbeitslosenhilfe. Dafür also opfern Sie, meine Damen und Herren der SPD, die letzten Reste Ihrer sozialen Traditionen.
Sie wissen doch genau, dass diese Kürzungen zulasten von Alleinerziehenden gehen. Kinderarmut wird auch in Brandenburg sichtbar ein zunehmendes Problem. Und dann lese ich im Wahlprogramm der SPD folgende Forderung:
„Alles in unserem Land wird auf Familien- und Kinderfreundlichkeit hin durchforstet.“
Das ist der blanke Hohn! Hätten Sie das einmal vor Ihrer Zustimmung zu Hartz IV getan. Vielleicht wäre Ihnen dann aufgefallen, dass dieses Gesetz zutiefst familienfeindlich ist.
Zwischen dem, was Sie für die Zukunft versprechen, und dem, was Sie jetzt tun, besteht ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Doch immer mehr Menschen haben die Nase voll von dieser Politik. Dabei ist es nicht so - wie wir sehr wohl wissen -, dass die Menschen keine Reformen wollen. Was sie nicht wollen, sind Ihre einseitig auf die sozial Schwachen orientierten Reformen.
Die jetzt geforderte Verschiebung der Zusammenlegung von Arbeitlosen- und Sozialhilfe ist nur eine Scheinlösung. Dieses Gesetz ist schlecht und muss vom Tisch.
Ein anderer Ansatz für Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik ist dringend nötig. Statt eines staatlich geförderten Lohndumpings - 331 Euro monatlich sind nichts anderes - braucht dieses Land ein breites Bündnis für Innovation und Beschäftigung. Die PDS hat mit dem Innovationsprojekt Ost machbare Vorschläge auf den Tisch gelegt.
Erstens fordern wir - ich kann Ihnen das gerne einmal zur Verfügung stellen, damit Sie sich damit beschäftigen können - eine verstetigte und verlässliche Arbeitsförderung und zweitens eine Investitionsoffensive der öffentlichen Hand, insbesondere der Kommunen. Die PDS will einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, der mit dem ersten Arbeitsmarkt sozusagen auf Augenhöhe steht. Das heißt nicht „subventionierte Konkurrenz“ zu bestehenden Unternehmen, sondern das heißt gesellschaftlich notwendige Arbeit, die sich nicht oder noch nicht wirtschaftlich rechnet, Arbeit vor allem im ökologischen Bereich, in der Kultur, in der Jugendarbeit oder auf sozialem Gebiet.
Ein Blick nach Mecklenburg-Vorpommern zeigt, was - Ideenreichtum und soziales Engagement vorausgesetzt - auf Landesebene möglich ist. Arbeitsminister Helmut Holter (PDS) hat dort ein innovatives Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm erarbeitet, das sich aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und aus Landesmitteln speist. Durch dieses Programm wurden ca. 1 000 Arbeitsplätze geschaffen. Sicher, das löst das Problem der Langzeitarbeitlosigkeit in unserem nördlichen Nachbarland nicht, aber die Koppelung von aktiven Beschäftigungsmaßnahmen an die Regionalförderung könnte auch für Brandenburg ein gangbarer Weg sein.
Für die PDS ist eines klar: Neben den Arbeitslosen sind nach dem derzeitigen Verhandlungsstand auch die Kommunen Verlierer der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Jede kommunale Mehrbelastung führt dazu, dass sich die Spirale rückläufiger Investitionen und Kürzungen von Leistungen der Daseinsfürsorge fortsetzen wird. Das ist gewissermaßen ein „Teufelskreis der Armut“. Auch das wird die Bürgerinnen und Bürger zusätzlich belasten, und zwar durch höhere Gebühren und weniger Leistungen der Kommunen.
Hartz IV ist der falsche Weg. Nicht die Arbeitlosigkeit, sondern die Arbeitslosen werden mit diesem Gesetz bekämpft. Das ist soziale Ungerechtigkeit pur. Das treibt die Spaltung der Gesellschaft weiter voran. Junge Menschen aus sozial benachteiligten Familien werden es noch schwerer haben, eine Perspektive zu finden.
Diese Entwicklung - das ist die traurige Wahrheit - wird auch vor Brandenburg nicht Halt machen. Dafür tragen Sie, meine Damen und Herren von der SPD und der CDU, die Verantwortung. Die Brandenburgerinnen und Brandenburger werden sich daran erinnern. - Ich danke Ihnen.
Es geht zwar um Hartz IV, allerdings nicht um die Auswirkungen auf die Kommunen, sondern um die Auswirkungen auf die Betroffenen. Bis heute gibt es keine Klarheit darüber, inwieweit ab dem 01.01.2005 tatsächlich Beratungsangebote zur Verfügung stehen. Es besteht auch keine Klarheit darüber, inwieweit die finanziellen Leistungen, die dann zur Verfügung stehen, gezahlt werden. Klar ist allerdings, dass es deutliche Einbußen geben wird und dass dann ein Teil der Leistungsbezieher möglicherweise über keine Leistungen mehr verfügen wird.
Meine Frage lautet: Wie wird die Landesregierung darauf Einfluss nehmen, dass zum 1. Januar 2005 für Langzeitarbeitslose sowohl notwendige finanzielle Mittel und Förderinstrumente als auch qualifizierte Beratungsleistungen zur Verfügung stehen?
Herr Minister, diesem Gesetz haben Sie im Bundesrat zugestimmt. Das müsste dem Kollegen Petke möglicherweise gesagt werden. Das Gesetz kann man nicht so einfach aufschieben.
Ja, ich komme jetzt zu meinen Fragen. Aber ich denke, das zu sagen war notwendig. - Ich habe drei Nachfragen, Herr Präsident.
Erstens: Wie unterstützt die Landesregierung die Forderungen der Bundesagentur, in den Regionen bei der Umsetzung des Hartz-IV-Gesetzes auf solche Kompetenzen wie die Arbeitslosenserviceeinrichtungen oder die Träger von Kurssystemen contra Langzeitarbeitslosigkeit zurückzugreifen?
Zweitens: Der Potsdamer Oberbürgermeister erklärte in der letzten Stadtverordnetenversammlung: Es droht vielen Menschen, am 1. Januar 2005 kein Geld zu bekommen. - Was unternimmt die Landesregierung, um das zu verhindern?
Drittens: Die Sorge des Potsdamer Oberbürgermeisters teilt auch der Sozialdezernent aus dem Barnim, der sagt, Hartz IV werde sich zu einem zweiten Maut-Debakel entwickeln. Teilt die Landesregierung diese Auffassung?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, es ist wahr, der Bericht konfrontiert uns tatsächlich mit einer ganzen Reihe ernster Probleme in diesem Land. Nun liegt der Bericht seit Februar dieses Jahres vor. Die Landesregierung hätte ihn am liebsten gar nicht auf der Tagesordnung gehabt oder maximal eine halbe Stunde Debatte dazu geführt.
- Tagesordnung von April, Herr Klein.
Über Konsequenzen sollte - so Äußerungen aus der Landesregierung - erst nach der Landtagswahl entschieden werden. Das, meine Damen und Herren, ist politisch verantwortungslos. Nein, die im Bericht dokumentierten Auswirkungen demographischer und wirtschaftsstruktureller Veränderungen in Brandenburg sind so brisant, dass wir nicht länger tatenlos zusehen dürfen.
Hinzu kommt allerdings, dass die beschriebenen Probleme nicht plötzlich vom Himmel gefallen sind. Ihr Bericht ist ein trauriger Offenbarungseid. Zu lange wurde eine sich anbahnende Entwicklung ausgesessen. Völlig unzureichend sind die Fragen nach den Ursachen und möglichen Schlussfolgerungen gestellt. Kaum erkennbar sind Ihre Antworten, Ideen und Konzepte.
Die Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs haben ein Recht darauf, dass wir uns mit der gebotenen Ernsthaftigkeit und ohne unsachliche Polemik den Herausforderungen stellen.
- Ich habe noch nicht einmal eine Seite vorgetragen, Herr Schippel.
Wir erleben einen gewaltigen demographischen Wandlungsprozess. Jedes Jahr verliert das Land Brandenburg ca. 20 000 Einwohner. Das entspricht der Größe einer mittleren Kleinstadt.
Zum einen hat sich die Geburtenrate deutlich nach unten entwickelt. Die „Berliner Morgenpost“ titelte: „Kindernotstand in Berlin-Brandenburg“. Hinzu kommt aber - das müssen wir genauso betrachten -, dass jährlich Tausende das Land verlassen, weil sie woanders Ausbildung oder Arbeit gefunden haben. Unter denen, die das Land Brandenburg verlassen, sind überdurchschnittlich viele Frauen. Das heißt, die Sorgen, die wir jetzt bei der Geburtenentwicklung haben, werden sich bei den kommenden Generationen wiederholen.
Die Schere zwischen engerem Verflechtungsraum und äußerem Entwicklungsraum geht weiter dramatisch auseinander. Schuldzuweisungen an die Bürgerinnen und Bürger helfen da wenig, etwa nach dem Motto: Na ihr seid es doch, die so wenig Kinder in die Welt setzen. - Oder: Ihr seid es doch, die ihre Kinder in die Welt schicken.
Was mich an diesem Bericht und auch an der Rede des Ministerpräsidenten heute gewaltig stört, ist, dass Sie die Demographie politisch instrumentalisieren, sie quasi als Keule benutzen. Da stellen Sie in Ihrem Bericht fest: Deutschland hat weltweit die höchste Zahl an Kinderlosen. Und: In Brandenburg hat es einen Wendeknick gegeben. - Das sind zunächst nicht zu leugnende Tatsachen. Nur haben wir uns hier zu fragen: Wo liegen die Ursachen? Was hat Politik zu verantworten? Was kann Politik überhaupt in diesem Zusammenhang? Was kann Politik an dieser Stelle nicht? Ganz sicher wird sie den Bürgerinnen und Bürgern die Familienplanung nicht abnehmen können. Die Aufforderung, zwecks Reproduktion der Bevölkerung möglichst 2,1 Kinder zu zeugen, dürfte auch wenig Erfolg bringen. Aber die Politik kann die notwendigsten, nämlich familienfreundlichen Rahmenbedingungen schaffen, die sichern, dass Berufstätigkeit und Familie unter einen Hut zu bringen sind, dass Familien mit mehreren Schulkindern nicht durch ein hohes Büchergeld oder mit Fahrtkosten bestraft werden.
Wenn Sie, meine Damen und Herren Koalitionäre, jetzt in Ihrem Wahlprogramm die Familie wiederentdeckt haben, frage ich mich allen Ernstes: Was haben Sie eigentlich in den letzten Jahren getan?
Die Einschränkung des Kita-Angebotes, die Streichung der Landesmittel für die Schülerbeförderung können nun nicht gerade als familienfreundliche Maßnahmen bezeichnet werden. Einschneidende Impulse in der Familienpolitik, wie sie der Bericht fordert, haben wir in den vergangenen Jahren vergeblich gesucht.
Als wesentliche Folgen der prognostizierten Bevölkerungsentwicklung bis 2020 blickt die Landesregierung vor allem auf die fehlenden Steuereinnahmen und die sinkenden Zuweisungen aus dem Länderfinanzausgleich. Sie gehen - das haben Sie, Herr Ministerpräsident, auch wieder getan - hier von einem
Status quo der Einnahmequellen aus. Ich denke, wir müssen genau darüber nachdenken, wie sich die Einnahmesituation des Landes Brandenburg möglicherweise - zum Beispiel durch Vermögenssteuer - verändern, also durchaus auch positiv gestalten kann.
Gleichermaßen geht es aber auch um die Sicherung von Lebensqualität, um einen gerechten Zugang zur öffentlichen Leistung. Und es geht um den Verfassungsgrundsatz nach Artikel 44, in dem es heißt:
„Das Land gewährleistet eine Strukturförderung der Regionen mit dem Ziel, in allen Landesteilen gleichwertige Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und zu erhalten.“
Diesem Verfassungsgrundsatz wird die Landesregierung schon lange nicht mehr gerecht, es sei denn, dass Sie schon die Förderung des Lausitzrings als Strukturpolitik bezeichnen.
Bei dem Witz von Harald Schmidt bleibt ein bitterer Beigeschmack: Was ist der Unterschied zwischen einer Wüste und der Mark Brandenburg? - Die Wüste lebt.
Die Frage nach der Zukunft der Randregionen wird von Ihrem Bericht nicht beantwortet. Deutlicher wurde heute Vormittag schon die Fraktionsvorsitzende der CDU, Frau Blechinger, die die dezentrale Konzentration grundsätzlich infrage stellt. Ich hätte eigentlich erwartet, dass dazu eine klare Ansage von Ihnen, Herr Ministerpräsident, kommt. Wollen Sie sie nun oder wollen Sie sie künftig nicht mehr?
Ist die gleichwertige Entwicklung von Prignitz und Barnim, von Havelland und Lausitz tatsächlich auch weiterhin gewollt? Oder verabschieden Sie sich stillschweigend davon?
Ausgehend von der Analyse regt die Landesregierung in ihrem Bericht an, einen Dialog der gesellschaftlichen Gruppen anzustoßen. Wie dieser allerdings organisiert werden soll, bleibt offen. Die PDS schlägt vor, als einen Weg im nächsten Landtag eine Enquetekommission „Zukunft Brandenburg“ einzurichten, in der neben Abgeordneten und Vertretern der Landesregierung auch Sachverständige aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, aus Gewerkschaften und Verbänden sitzen. Dieses Gemeinsame von Politik und Sachverstand von außen ist der Vorteil einer Enquetekommission. Wir sollten es zumindest versuchen.
Diese Kommission sollte allerdings nicht bei den Fragen stehen bleiben, die die Landesregierung in ihrem Bericht stellt. Diese greifen nämlich viel zu kurz.
Es geht um nicht mehr und nicht weniger als darum, die Grundlagen für ein Gesamtkonzept der Entwicklung des Landes Brandenburg auszuarbeiten; es geht um ein Leitbild für Brandenburg. In seiner ersten Regierungserklärung hat Ministerpräsident Matthias Platzeck selbst ein solches Leitbild eingefordert. Nur, bei dieser Forderung ist er am Ende stehen geblieben.
Es war die Studie der Bertelsmann Stiftung vom vergangenen Jahr, die der Landesregierung den unbestechlichen Spiegel vor die Nase gehalten hat. Brandenburg hat sich von allen Bundesländern am schlechtesten entwickelt. Eine entschlossene Kurskorrektur sei erforderlich; es bestehe - so die Studie - landesspezifischer Handlungsbedarf. Spätestens hier hätte sich die Landesregierung auf den Hosenboden setzen müssen. Aber nichts ist passiert.
Schnell in den Schubladen verschwand auch das KienbaumGutachten vom November 2003. Es ist eben unbequem, einmal eingefahrene Gleise zu verlassen und zu hinterfragen, ob die viel gerühmten Leuchttürme tatsächlich Leuchttürme sind. Und wie stabilisiert man denn die vielen blinkenden Lichter des Mittelstandes, von denen jährlich so viele verlöschen? Die sächsische SPD-Vorsitzende Constanze Krehl hat doch Recht, wenn sie sagt: Auf Dauer sind Leuchttürme in einer Wüste nicht zukunftsfähig. - Wenn die Wüste fruchtbar werden soll, muss sie bearbeitet, bewässert und gepflegt werden.
Zuallererst ist nicht, wie im Bericht geschehen, zu fragen: Welche Vorschläge gibt es für annehmbare Leistungskürzungen? wobei schon hier offen bleibt, für wen besagte Leistungskürzungen denn annehmbar sein dürfen. Wichtiger ist doch zu definieren: Wohin soll sich Brandenburg entwickeln? Auszugraben sind die Stärken und Schwächen, die Chancen, die spezifisch in Brandenburg vorhanden sind. Rathenow - das Beispiel ist heute Vormittag genannt worden - hat eben nicht bei null angefangen, sondern gerade Rathenow war schon zu DDR-Zeiten ein Standort der optischen Industrie und gerade dort hat man daran angeknüpft, dass das Fachpotenzial, dass das wissenschaftliche Potenzial vorhanden ist.
Das ist genau die Forderung, die wir stellen. Genau das heißt Strukturpolitik: dort anzuknüpfen, wo die Voraussetzungen vorhanden sind.
- EKO, Schwedt, das lässt sich fortsetzen. - Aber ich komme auch noch zu anderen Beispielen.
Wo liegen also tatsächlich die zukunftsträchtigen Potenziale unseres Landes und wie können diese gezielt gefördert werden? Wie schaffen wir es, dass vor allem junge Leute Chancen für sich in diesem Land Brandenburg sehen und hier bleiben? Welche politischen Rahmenbedingungen sind dafür notwendig?
Sehr widersprüchlich sind im Bericht die Aussagen zu wirtschaftspolitischen Einflussmöglichkeiten. Ziel-Mittel-Ansätze seien hier verfehlt. Schwerpunktsetzung auf Investitionsförderung und Innovationen der Wirtschaft zu initiieren sei aber geboten. Im Übrigen hat die öffentliche Hand in Brandenburg noch nie einen geringeren Anteil des Landeshaushalts in Investitionen gesteckt. Gerade mal ein Fünftel ist es noch.
Dass bei den von Ihnen genannten Kriterien für Wirtschaftsför
derung aber beschäftigungspolitische Effekte völlig vernachlässigt werden, ist angesichts der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit in Brandenburg nicht hinzunehmen.
Wenn Bildung tatsächlich hohe Priorität haben soll, dann reicht es nicht, wie im Bericht zu fragen:
„Wie kann das Qualifikationsniveau der Schulabgänger den Anforderungen der Wirtschaft besser angepasst werden?“
Wie ein Makel klebt Brandenburg heute der Befund der PISAStudie an. Mittlerweile müssen wir nach Finnland oder sonst wohin fahren, um ein erfolgreiches Schulsystem zu studieren. Mit etwas mehr Souveränität hätte ein solches aus einem von geistigen Engen und ideologischen Vorgaben befreiten DDRSchulsystem entwickelt werden können.
Stattdessen haben wir ein mehrgliedriges Schulsystem, das zu früh differenziert und ausgrenzt. In seiner Vielgliedrigkeit führt es dazu, dass es in einem immer dünner besiedelten Land immer schwieriger wird, Schulstandorte aufrechtzuerhalten. Herr Ministerpräsident, nur in neun von 43 Grundzentren konnten die Schulstandorte erhalten bleiben. Es ist also nicht so, dass in den Grundzentren die Schulen tatsächlich erhalten worden sind. Wie Qualität von Bildung, wie vor allem Chancengleichheit für Kinder gesichert werden kann, bleibt in Ihrem Bericht ausgeblendet.
Gerade in diesen Tagen wird viel über Möglichkeiten der EUOsterweiterung gesprochen und vieles davon ist pure Sonntagsrede. Die Kritik des Kollegen Ehler, CDU, kann ich zum Teil gut nachvollziehen. Ich bedaure nur, dass er die Rolle rückwärts gemacht hat, als er bemerkte, dass sich seine Kritik vor allen Dingen gegen die eigene Ministerin richtete. Die Landesregierung hat tatsächlich viel zu lange wie das Kaninchen vor der Schlange gehockt. Bloß nicht rühren!
Welche Unterstützung haben denn Unternehmen bekommen, die deutsch-polnische Gemeinschaftsunternehmen gründen wollten? Was ist denn real für Markterschließung oder überhaupt für Marketing getan worden? Im Wahlprogramm der SPD taucht jetzt die Forderung nach Exportbürgschaften auf. Dafür gibt es schon länger Bedarf. Hier hätte man schon viel eher eingreifen müssen.
Oder denken wir an die Potenzen, die sich aus dem Ballungsraum Berlin-Brandenburg ergeben. Solange allerdings vordergründig um den gemeinsamen Regierungssitz und den Fusionstermin gestritten wird, können diese nicht konsequent erschlossen werden. Eine gemeinsame Wissenschaftslandschaft zum Beispiel bleibt so auf der Strecke.
Meine Damen und Herren, um es noch einmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Es macht keinen Sinn, die Situation, in der sich unser Land befindet, zu beschönigen, Klarheit von Analyse - dafür sind wir sehr - fordert aber gleichermaßen Klarheit in den Schlussfolgerungen und genau daran krankt der Bericht. Bis jetzt gab es hier nur Absichtserklärungen. Das unterstreicht Ihre Hilflosigkeit und ist Ausdruck einer tiefen Unsicherheit und das, meine Damen und Herren, haben die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, haben die Brandenburgerinnen und Brandenburger nicht verdient.
Hier leben wissende, hier leben arbeitsame, hier leben findige Menschen, gastfreundlich und mit der Region verbunden.
Hier leben fähige Wissenschaftler und kluge Studenten, qualifizierte Facharbeiter, erfahrene Landwirte und kreative Kulturschaffende.
In unserem Land gibt es durchaus - hören Sie doch bitte zu viel versprechende Ansätze moderner Produktion, so zum Beispiel in der Umwelt- und in der Biotechnologie, in der Verkehrstechnik, im Bereich der Energiewirtschaft und in anderen Bereichen. Brandenburg verfügt über leistungsfähige Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen.
Dieses Land ist anziehend für Erholungssuchende aus nah und fern, es hat eine einzigartige naturräumliche Ausstattung. Brandenburg kann Nutzen aus seiner Nähe zu Berlin und zu den Zukunftsmärkten im europäischen Osten ziehen.
Ich will es nicht hinnehmen, dass weiterhin jedes Jahr Tausende dieses Land verlassen.
Ich will, dass wir gemeinsam die Bedingungen dafür schaffen, dass die Menschen hier in diesem Land eine Zukunft sehen, dass sie hier ihre Chancen sehen. Es lohnt sich nämlich, hier zu bleiben.
Dem Magazin „Der Spiegel“ war zu entnehmen, dass es „erhebliche Probleme“ beim Umbau der Arbeitsämter in Agenturen gebe. „Der Spiegel“ berichtet über „chaotische Szenen“, unter anderem in der Modellarbeitsagentur in Essen.
Ich frage die Landesregierung: Wie vollzieht sich die Umgestaltung der Arbeitsämter im Land Brandenburg?
Ich finde, als Arbeitsminister sollten Sie sich sehr wohl zuständig fühlen.
Erste Nachfrage: Sie haben gerade über die Qualifizierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesprochen. Mit welchen Maßnahmen wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ehemaligen Arbeitsämter auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet?
Zweite Nachfrage: Wie wird sich das Verhältnis der Zahl der Arbeitsamtsmitarbeiter zur Zahl der zu Vermittelnden künftig gestalten?
Dritte Nachfrage: Inwiefern kann ein Lächeln der Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter oder die strukturelle Umgestaltung dazu beitragen, dass es angesichts der wirtschaftlichen Lage in Brandenburg zu einer Senkung der Arbeitslosenzahlen kommt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muss gestehen, die PDS-Fraktion ist heute mit etwas gemischten Gefühlen in die 2. Lesung dieses Gesetzes gegangen. Ich beginne mit dem Guten. Das ist nicht viel; insofern kann ich mich dabei kurz fassen. Gut ist natürlich, dass die Vorgaben der EU und des Bundesnaturschutzgesetzes nun endlich auch in Landesrecht überführt worden sind. Das hat lange genug gedauert.
Jetzt komme ich zur Kritik. Es wurde dem Drängen vor allen Dingen der CDU nachgegeben und es wurden vor allem hinsichtlich der Bürgerbeteiligung und des Status der Großschutzgebiete massive Verschlechterungen vorgenommen. Lieber Wolfgang Birthler, dieser Kotau vor der CDU wäre nicht notwendig gewesen. Die PDS-Fraktion hätte sich stattdessen eine Weiterentwicklung des für die Zukunft Brandenburgs so wichtigen Bereichs Naturschutz gewünscht.
Worüber wir heute abstimmen werden, ist das Ergebnis einer Abwehrschlacht. Abgesehen davon sieht man dem Gesetz das jahrelange Ringen um faule Kompromisse an. Statt klarer Regelungen müssen sich die Bürgerinnen und Bürger auf der Suche nach der Ausnahmeregelung in den Dschungel dieses Konvoluts begeben. Damit haben Sie weder etwas für das Investitionsklima getan noch Planungssicherheit gewonnen.
Im Gegenteil: Wer ein solch bewährtes Instrument wie die Naturschutzbeiräte einfach zum Placebo degradiert, riskiert gleichzeitig einen Anstieg der Zahl der Klageverfahren durch die Umweltverbände, wie es unter anderem bei der Anhörung im Umweltausschuss deutlich geworden ist. Weniger Rechtssicherheit und mehr Verzögerung werden die Folge sein. Dass Sie dabei so großzügig auf Sachkompetenz verzichten, ist ein weiterer Beleg Ihrer Ignoranz.
Auf der anderen Seite wurden Vereinfachungen für Unternehmer und andere Nutzergruppen, wie sie von der PDS unter an
derem beantragt worden sind, offensichtlich nicht realisiert. Wir meinen, dass die Unterbrechung eines genehmigten Eingriffs nicht zu einer Verkürzung des Genehmigungsgesamtzeitraums führen soll. Wir meinen auch, dass eine Verfügung zur Nutzungseinstellung erst als letztes Mittel eingesetzt werden soll.
So könnte zum Beispiel ein Absenken der Restriktionen beim Horstschutz, was von den Naturschützern als unbedenklich angesehen worden ist, für land- und forstwirtschaftliche Nutzer Erleichterung bringen. Auch diesen Antrag haben Sie abgelehnt.
Die von uns vorgeschlagene Klarstellung zur Angelfischerei wäre ihrer gewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung hinsichtlich der touristischen Entwicklung in Brandenburg entgegengekommen.
Aber all diese Vorschläge wurden von den Vertretern der Koalition im Ausschuss für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung vom Tisch gewischt. Ich hatte den Verdacht, dass es nicht darum ging, sachlich mit den Anträgen umzugehen und ernsthaft zu prüfen, ob das eine oder andere auch zur Verbesserung des Gesetzes führen kann.
- Sie werden schon noch Ihre Quittung dafür bekommen.
Auf die Reitproblematik wird meine Fraktionskollegin Kornelia Wehlan noch ausführlich eingehen. Es sei schon an dieser Stelle darauf verwiesen, dass im Hinblick auf die Offenlandschaft unser Vorschlag im Sinne der Reiterinnen und Reiter weitergehend ist als das, was die Koalition vorgesehen hat. Wir können uns durchaus vorstellen, dass außerhalb der Nutzzeit oder auf den zahlreichen Stilllegungsflächen in Brandenburg auch abseits von Wegen geritten werden darf. Wir sehen auch kein Problem in einer gemeinsamen Benutzung von Wegen durch Reiter, Wanderer und Radfahrer - aber nur so lange, wie diese Wege nicht beschädigt werden und keine Nachteile für Eigentümer und andere Nutzergruppen entstehen.
Wir haben eine Reihe von Änderungsanträgen eingebracht. Da wir nach den Erfahrungen im Ausschuss davon ausgehen müssen, dass Sie diesen Anträgen im Plenum erneut nicht zustimmen, werden wir den Gesetzentwurf hier ablehnen.
Dass positive Regelungen der EU und des Bundesnaturschutzgesetzes endlich auch in Brandenburg Eingang finden, wenn auch fast zu spät, ist wirklich nicht Ihr Verdienst. Die schmerzhaften Verschlechterungen, die das Gesetz herbeiführt, können wir allerdings nicht hinnehmen.
Während der eine bei Ihnen das Land umgraben will, ohne anschließend die Saat auszubringen, zupfen die anderen mehr oder weniger lustlos das sprießende Unkraut. So sind zwar alle beschäftigt, aber die Ernte fällt aus. - Ich danke Ihnen.
Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - zumindest heißt es so - wurde im Dezember vom Bundesgesetzgeber verabschiedet. Von Sozialverbänden und kommunalen Spitzenverbänden wird vor den erheblichen Auswirkungen für Betroffene, aber auch für die kommunalen Haushalte gewarnt. So wird die Zahl derer, denen nur ein Einkommen auf Sozialhilfeniveau zur Verfügung steht, um ca. 60 % zunehmen. Die Zahl der betroffenen Minderjährigen wird bundesweit von etwa 1 Million auf 1,5 Millionen ansteigen. Die Wirkungen seien in Anbetracht der hohen Langzeitarbeitslosigkeit im Osten besonders verheerend. Auf die Kommunen kommen Mehrbelastungen von mehreren Millionen Euro zu.
Ich frage die Landesregierung: Welche Konsequenzen zieht sie
angesichts der nun bekannt gewordenen gravierenden Folgen für Betroffene und Kommunen im Umgang mit Hartz IV?
Herr Minister, Abwarten ist keine Politik.
Meine erste Frage: Warum haben Sie im Bundesrat einem Gesetz zugestimmt, in dem das Arbeitslosengeld II für Bezieher in den neuen Ländern auf 331 Euro im Monat festgesetzt wurde, was für viele deutliche Einkommensverluste bedeutet?
Zweite Frage: Wie bewertet die Landesregierung die Lage derer, die künftig deutlich weniger Einkommen haben werden?
Dritte Frage: Sie haben vom Verlust der Kaufkraft gesprochen. Welche Auswirkungen wird das auf die Wirtschaftsentwicklung im Land Brandenburg haben?
Herr Kollege, können Sie mir erklären, warum Kollegen aus diesem Landtag hier für die zusätzliche Belastung von Kreisen und Eltern gestimmt, in den Kreistagen eine solche Belastung jedoch abgelehnt haben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herzlichen Dank, dass wir die restlichen fünf Minuten auch noch bekommen.
Frau Ministerin, wir machen uns schon Sorgen und deswegen haben wir auch diesen Antrag eingebracht. Wenn Herr Dr. Ehler vorhin gesagt hat, wir würden etwas unterstellen, so brauchten wir möglicherweise nichts zu unterstellen; denn die Landesregierung hat dieses Problem schlicht und ergreifend verschlafen. Erst aufgrund der öffentlichen Diskussion um die Zweiteilung und um den Verlust von EU-Fördermitteln in der Größenordnung von etwa 150 Millionen Euro sind Sie bereit, intensiver darüber nachzudenken und sich Gedanken zu machen, was mit diesem Land passiert. In Mecklenburg-Vorpommern ist man anders herangegangen. Dort hat man am Status quo festgehalten - in Mecklenburg-Vorpommern gab es auch die Überlegung, zu einer Zweiteilung zu kommen - und hat deswegen auch den Zugriff auf die EU-Fördermittel bekommen.
Klar war auch - ich meine, das wird auch weiter so klar sein -, dass wegen der katastrophalen Haushaltslage des Landes Brandenburg eine entsprechende Kompensation durch Landesmittel in diesem Umfang nicht erfolgen wird. Das heißt, es wird weiterhin zum Verlust von Fördermitteln der EU kommen.
Nun versuchen Sie, meine Damen und Herren, ein Stück weit Wiedergutmachung, indem Sie unserem Antrag einen Entschließungsantrag beigelegt haben. Dann können Sie offenkundig guten Gewissens unseren Antrag ablehnen.
Ich möchte einige Bemerkungen zu Ihrem Antrag machen. Im ersten Punkt fordern Sie, dass der Landtag die Landesregierung in ihren Bemühungen um die EU-Höchstförderung unterstützt. Das ist richtig, und da haben Sie uns auf Ihrer Seite. Nur ist die bereits vorgenommene Zweiteilung an dieser Stelle wenig hilfreich. Die Frage ist, ob man diese tatsächlich wieder gekippt bekommt.
Das Zweite sind die Erwartungen in Bezug auf die statistischen Effekte der Erweiterung. Ich weiß nicht, ob sich Politik tatsächlich an statistischen Effekten einer Erweiterung festmachen sollte. Politik sollte meines Erachtens deutlich darüber hinausgehen.
Das Dritte ist ein Berich: Nun sind Berichte nie verkehrt. Man sollte viele Berichte machen. Wichtiger ist allerdings, dass man auch zu verbindlichen Schlussfolgerungen und zu einem tatsächlichen Engagement der Landesregierung kommt.
Lassen Sie mich am Schluss noch etwas Nachdenkliches sagen. Wenn man für die Verstetigung der Fördermittel kämpft wir sind voll dabei, das sollten wir tun und dafür sollten wir uns tatsächlich stark engagieren -, muss man sich die Frage gefallen lassen, warum es trotz der Fördermittel in immerhin über 14 Jahren nicht gelungen ist, im Land Brandenburg zu einer selbst tragenden wirtschaftlichen Entwicklung zu kommen und warum wir nach wie vor ein Bruttoinlandsprodukt von unter 75 % haben. Wir müssen uns also sowohl bezüglich der EUFörderung als auch darüber, wie die Potenziale des Landes Brandenburg besser genutzt, gefördert und ausgeschöpft werden, Gedanken machen. - Ich danke Ihnen.
Erste Frage: Frau Ministerin, hält die Landesregierung neben der notwendigen materiell-rechtlichen Auseinandersetzung auch eine politisch-moralische Geste gegenüber den zu Unrecht enteigneten Bürgerinnen und Bürgern für angebracht?
Zweite Frage: In welcher Form wird die Landesregierung die Betroffenen umfassend über die veränderte Rechtslage informieren, zum Beispiel über die notwendigen Formalitäten, die sich jetzt ergeben, und vor allem darüber, an wen sie sich wenden müssen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Jahr war nur wenige Stunden alt, da erklärte Bundesgesundheitsministerin Schmidt vor allen Kameras und in alle Mikrofone hinein, und zwar, wie immer, lächelnd, die Reform sei gut angelaufen, alles sei paletti, die Reform werde von den Menschen angenommen, weil verstanden, ohne Murren bezahlten sie die Praxisgebühr, ein großes Reformwerk sei rundherum gelungen. Von Ihnen hier wird jetzt in das gleiche Horn gestoßen.
Davon nehme ich einen aus, nämlich Herrn Dr. Wagner. Aber, Herr Dr. Wagner, seien wir doch einmal ehrlich. Sie sind ein einsamer Rufer in der CDU-Wüste;
denn - das sage ich an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich -: Diese Koalition hat diesem so genannten Modernisierungsgesetz im Bundesrat zugestimmt.
SPD und CDU haben dem zugestimmt. Sie, Herr Dr. Wagner, durften heute hier reden und dabei so tun, als ob Sie Opposition seien. Diese CDU hat aber zugestimmt.
Wie ignorant muss man eigentlich sein, um nicht den Frust in Arztpraxen, bei Optikern und Apotheken wahrzunehmen, die deutliche Mehrbelastung von Schwestern durch das Ausstellen von Quittungen und das Kassieren der 10 Euro Praxisgebühr nicht zu sehen, die große Verunsicherung bei allen hinsichtlich der Fragen: Wer gilt nun wirklich als chronisch krank? Für wen reduziert sich die Zuzahlung? Ist die Praxisgebühr auch dann fällig, wenn nur ein Rezept am Tresen abgeholt wird? Welches Bonussystem bietet welche Krankenkasse?
Diese Unsicherheit ist auch durch die so genannten Klarstellungen der vergangenen Woche nicht beseitigt. Schauen Sie sich das Papier an. „Chronisch krank“ ist eine Verbindung von mehreren Komponenten, die gleichzeitig vorhanden sein müssen. Das trifft auf viele nicht zu. Es bleibt nach wie vor ein kleiner Teil, der am Ende tatsächlich 1 % zahlt.
Gestern nun titelt die „Berliner Morgenpost“: Praxisgebühr vor dem Aus. - Das, meine Damen und Herren, ist nun wirklich Chaos pur.
Schlimmer noch: Was so schön klingend als Gesundheitsreform gefeiert wird, ist ein schamloser Griff in die Taschen der Bürgerinnen und Bürger.
Es ist eine Vortäuschung falscher Tatsachen; denn schon jetzt steht fest: Das Problem des drohenden Finanzkollaps der Krankenkassen wird nicht gelöst. Herr Minister Baaske, es ging eben nicht nur um die Alternative Kürzung von Leistungen, sondern es ging zum Beispiel auch darum, was an Ausgaben durch die Krankenkassen geleistet wird - Stichwort Wasserkopf -, welche Privilegien für die Pharmaindustrie vorhanden sind und wie das reduziert werden kann, die Positivliste.
Das ist seit längerem auf der Agenda, aber nichts ist passiert.
Diese Reform ist unsozial und offenbart eine deutliche Abkehr vom Sozialstaat. Sie ist unsolidarisch, weil sie einseitig Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und vor allem Alte und Kranke belastet.
Plötzlich aber will es niemand mehr gewesen sein.
- Die Vorschläge hat meine Kollegin Bednarsky im ersten Teil ausführlich erläutert.
Ich bitte Sie einfach, das nachzulesen. Ich gebe Ihnen gleich auch noch eine Broschüre, die wir gemacht haben. Darin können Sie das alles sehr gut nachlesen.
Plötzlich also will es niemand mehr gewesen sein. Die Gesundheitsreform, vom Bundeskanzler in seiner Rede zur Agenda 2010 zum „wichtigsten und notwendigsten Teil der innenpolitischen Erneuerung“ erklärt, scheint gewissermaßen vom Himmel gefallen zu sein.
Die Selbstverwaltung ist schuld, meint die Gesundheitsministerin und heute auch hier Herr Kallenbach.
Die Bundesregierung ist schuld, sagt die CDU/CSU.
Die SPD zeigt mit dem Finger auf die CDU, wie es auch heute wieder geschehen ist, weil diese die Praxisgebühr wollte.
Sie, meine Damen und Herren - ich sage es noch einmal -, haben Ihre Zustimmung dazu gegeben. Es geht also hier und heute, in dieser Aktuellen Stunde, um Ihre Verantwortung. Es geht darum, was Sie dazu beigetragen haben,
dass diese Verunsicherung, diese Verärgerung, dieses Chaos da sind.
Damit komme ich zu dem Thema der Gesundheitszentren. Herr Kallenbach und Herr Baaske, Sie wissen sehr genau, dass es dieser Reform dazu nicht bedurft hätte. Da hätten Sie schon viel eher eingreifen können. Es wäre viel eher möglich gewesen, die Voraussetzungen für die Gesundheitszentren zu schaffen.
Noch vor eineinhalb Jahren hat sich die SPD für das bejubelt, was sie an gesundheitspolitischen Grausamkeiten aus der Ära Kohl beseitigt habe. Minister Ziel meinte damals:
„Die schlimmsten Verwüstungen dieser Ära in der Gesundheitspolitik hat die gegenwärtige Bundesregierung sofort nach Amtsübernahme beseitigt. Das Krankenhausnotopfer wurde abgeschafft, der Ausschluss Jugendlicher aus dem Zahnersatz aufgehoben und die Zuzahlung für Medikamente gesenkt. Alle Probleme wurden in der Ära Seehofer auf dem Rücken der Schwächsten, nämlich der Patienten, gelöst.“
So, Herr Ziel, Ihre Presseerklärung vom 10. Juni 2002.
Herr Ministerpräsident, Herr Minister Baaske, was ist aus dieser SPD geworden?
Wo will diese SPD hin?
Herr Ministerpräsident, in einem muss ich Ihnen Recht geben: Ein so massiver Sozialabbau, wie er gegenwärtig in der Bundesrepublik stattfindet und wie er auch für das Land Brandenburg geplant ist, ist tatsächlich nur in einer großen Koalition und nur mit der CDU möglich.
Meine Damen und Herren, Sie waschen sich hier nicht rein. Sie tragen erhebliche Mitverantwortung für die unsoziale Gesetzgebung, für Ungerechtigkeit und für zunehmende Belastung der Bürgerinnen und Bürger. Sie tragen erhebliche Mitverantwortung für eine große Verunsicherung, für Unzufriedenheit und auch für wachsenden Frust, und zwar Frust vor allem auf eine Politik, in der der Mensch offenbar immer weniger zählt. Diese Verantwortung nimmt Ihnen niemand ab. - Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die wohl größte Verschiebung im Einzelplan 10 mit 40 Millionen Euro erfolgt bei der Förderung der Abwasserentsorgung. Herr Kollege Dellmann, auch wenn Sie es nicht gerne hören wollen: Damit folgt die Koalition einer jahrelangen Forderung der PDS-Fraktion. Noch als wir über den Haushalt 2002/2003 beraten haben, ist unser Vorschlag auf wenig Gegenliebe bei Ihnen gestoßen, gerade an dieser Stelle einzusparen. Sie folgen jetzt unserem Antrag. Da können wir jetzt erst einmal nur Lob zollen.
Die Errichtung neuer Abwasserentsorgungsanlagen muss in Anbetracht des erreichten Anschlussgrades - immerhin haben wir es mit 85 % zu tun - entweder aus eigener Kraft der Zweckverbände möglich sein, oder man muss sich endlich daran orientieren, dass Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit bekommen, dezentrale Anlagen zu errichten. Vor dem Hintergrund der immensen Verschuldung der Zweckverbände in Höhe von fast 1,5 Millarden Euro und den daraus resultierenden hohen Abwassergebühren muss mit der Verschleierung der wirklichen Kosten durch immer neue Fördermittel endlich Schluss sein. Herr Dellmann, Sie wissen sehr gut, Brandenburg ist quasi Weltmeister bei Abwassergebühren. Was mit den Fördermitteln bislang passiert und was auch künftig passieren wird, ist doch letzten Endes eine Deckelung der Gebühren. Die wirklichen Gebühren werden doch gar nicht in Ansatz gebracht. Das könnte doch in Brandenburg niemand mehr zahlen. Langfristig wird es allerdings teurer, weil das, was heute im Abwasserbereich notwendig wäre, nämlich darüber nachzudenken, inwieweit ein Rückbau von überdimensionierten Anlagen, von überdimensionierten Kanalnetzen usw. erfolgen muss, genau nicht passiert. Dort müssten Mittel hin. Aber genau den Weg gehen Sie an dieser Stelle nicht. Insofern wird es langfristig teurer und auch die Gebühren werden dann deutlich steigen.
Das möchte ich heute ungern tun. Ich bin momentan gesundheitlich etwas angeschlagen. Wir können gern nachher noch darüber reden. Wir haben auch im Ausschuss oft darüber gesprochen. Lassen Sie mich heute diese Rede einfach einmal halten.
Meine Damen und Herren, ich wage die Behauptung, dass wir im Bereich Wasser/Abwasser im Land Brandenburg wesentlich besser dastehen würden, wären nicht viele Gemeinden, Zweckverbände und Fachverwaltungen der Verführung der Fördermittel und den halbherzigen Kalkulationen von Planern, Bauunternehmern und Bankern unterlegen.
Die per Kabinettsbeschluss beabsichtigte Mittelumschichtung im EFRE erscheint im Haushalt allenfalls als Notiz. Ich meine schon, dass es notwendig ist, die Verwendung der europäischen Strukturfonds stärker durch das Parlament zu begleiten. Das Maß an Anonymisierung, das wir gerade in diesem Bereich feststellen, hat zu einem guten Teil zum Missmanagement der Landesregierung beigetragen. Hier muss es künftig deutlich mehr Transparenz geben.
Auch wenn ich den Bereich der Abfallwirtschaft im Vergleich mit Wasser/Abwasser im Ministerium in besseren Händen weiß, müssen wir uns auch hier überlegen, was uns die Altlastenbeseitigung, die Deponiesicherung und die Haftungsfreistellungen zum jetzigen Zeitpunkt wert sind. Wenn wir nicht wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger ab 2005 neben hohen Wasser- und Abwasserpreisen auch drastisch steigende Abfallgebühren zu zahlen haben, muss sich die Landesregierung endlich ihrer Verantwortung bewusst werden. Herr Minister, wenn wir uns in die Augen schauen, wissen wir beide heute sehr genau, dass die erforderlichen Kapazitäten ab 2005 ganz offenkundig in den Landkreisen nicht vorhanden sein werden. Das bedeutet entweder höhere Transportkosten oder es bedeutet, dass eine Zwischenlagerung notwendig wird, die nach der neuen TASi, der Technischen Anleitung für Siedlungsabfälle, für die Deponiesicherung deutlich teurer wird. Das heißt, auch das wird sich auf die Gebühren niederschlagen. Wir werden uns mit dem entsprechenden Bericht im nächsten Jahr beschäftigen. Auch hier werden meines Erachtens deutlich höhere Kosten auf die Bürgerinnen und Bürger zukommen.